Maria - Hülle des Herrn Jesu Christi, das ist nicht gerade eine preisende Aussage für eine Frau, die Anteil „an dem zentralen Ereignis der Heilsgeschichte, an der Erlösung durch die Herabkunft Gottes auf Erden (gehabt hat), zu dem die Jungfrau - Mutter durch ihre auf göttlicher Gnadenwahl beruhende Unvergleichlichkeit wie kein anderer Mensch beigetragen hat.“ (Kolb, S. 48). Eigentlich müsste der Gottesmutter jene Ehrfurcht und Liebe entgegengebracht werden, die ihrer besonderen Stellung im Heilsplan und Heilsgeschehen entspricht, d.h., die Marienverehrung wäre nicht in Frage zu stellen. Obwohl Maria in der katholischen und in der orthodoxen Kirche heute höchste Verehrung zuteil wird (vgl. Deli-us S. 246-251), wurde ihr im frühen Mittelalter keine besondere Beachtung wie im Sinne des Gottessohnes, geschenkt. So stand eher ihre Jungfräulichkeit, später erst die Gottesmutterschaft im Vordergrund.
Zu Ehren Marias wurden Feste wie z.B. Verkündigung, Geburt, Reinigung, Tod und Aufnahme in den Himmel gefeiert. Das Kirchenfest „Maria Verkündigung“ war ursprünglich ein Fest des Herrn. Dieses Fest trägt in der katholischen Kirche auch den offiziellen Namen „Verkündigung des Herren“. Es ist demnach weniger ein Marienfest, sondern ein Herrenfest, bei dem das Geheimnis der Menschwerdung der zweiten göttlichen Person in Maria im Mittelpunkt steht (vgl. Freytag, S. 84).
Diese primäre Stellung Christi konnte ich vor allem bei der Beschäftigung mit dem Vorauer Marienlob (VM) feststellen.
Demnach habe ich mir die Frage gestellt, warum Christi eine wesentlich höhere Bedeutung und Preisung als Maria zukommt, obwohl das Gedicht mit Vorauer „Marienlob“ überschrieben ist.
Die Arbeit ist wie folgt gegliedert:
Bevor ich auf die Rolle des Jesu Christi und dessen Verehrung im VM sowie im MM eingehen werde, möchte ich die Beziehung zwischen den Menschen, Maria, Christi und Gott Vater aufzeigen. Danach soll das Kirchenfest „Maria Verkündigung“ bzw. „Verkündigung des Herren“, welches für das VM die Grundlage bildet, den Eingang für die Christivereh-rung darstellen. Darauf folgen nun die einzigartigen Privilegien des Sohn Gottes immer in Bezug auf das VM sowie auf das MM im Vergleich. Daran schließen sich unter der Über-schrift „Die Marienverehrung“ die besonderen Eigenschaften Marias’ und deren Ge-staltung im VM und ebenfalls im MM an. Vorwiegend werde ich ihre Rolle als Gefäß bzw. als Hülle des Herrn Jesu Christi herausstellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Durch Maria zu Christus, durch Christus zum Vater
- Die Christusverehrung
- ,,Maria Verkündigung“ vs. „Verkündigung des Herrn“
- Christus - Herrscher über alles
- Christus Erlöser der Menschheit
- Christus vollkommener Gott und Weltenrichter
- Christi Rolle im Melker Marienlied
- Die Marienverehrung
- Maria - immerwährende Jungfrau und Gottgebärerin
- Marias unbefleckte Empfängnis
- Leibliche Aufnahme Marias in den Himmel
- Preisung Marias als Gefäß Jesu Christi
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Belegarbeit beschäftigt sich mit der Rolle Marias im Vorauer Marienlob, einem Gedicht aus dem frühen 12. Jahrhundert, und untersucht, warum Christus im Gedicht eine höhere Bedeutung und Preisung zuteil wird als Maria, obwohl es sich um ein Marienlob handelt.
- Die Rolle Marias als Gefäß Christi und ihr Bezug zur Christologie
- Die Bedeutung der unbefleckten Empfängnis und Jungfräulichkeit Marias
- Die Beziehung zwischen Maria, Christus und Gott Vater im Kontext der frühmittelhochdeutschen geistlichen Literatur
- Der Vergleich des Vorauer Marienlobes mit dem Melker Marienlied hinsichtlich der Darstellung von Maria und Christus
- Die Bedeutung der Bibel und des Hohenliedes für die Interpretation des Marienbildes im Vorauer Marienlob
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und erläutert die besondere Stellung Marias in der Heilsgeschichte. Kapitel 2 untersucht die Beziehung zwischen Maria, Christus und Gott Vater und verdeutlicht Marias Funktion als Gefäß Christi. Kapitel 3 beleuchtet die Christusverehrung im Vorauer Marienlob und stellt die einzigartigen Privilegien Jesu Christi heraus. Kapitel 4 fokussiert auf die Marienverehrung und untersucht Marias Eigenschaften als immerwährende Jungfrau und Gottgebärerin, sowie ihre Rolle als Gefäß Jesu Christi. Die Zusammenfassung fasst die zentralen Ergebnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Frühmittelhochdeutsche geistliche Literatur, Vorauer Marienlob, Melker Marienlied, Maria, Christus, Gott Vater, Marienverehrung, Christusverehrung, unbefleckte Empfängnis, Jungfräulichkeit, Gefäß, Hülle, Bibel, Jesaja 11/1, Hohenlied
- Arbeit zitieren
- Susan Grüßner (Autor:in), 2004, Maria - Hülle des Herrn Jesus Christus - Eine kritische Betrachtung des Vorauer Marienlobs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40355