Mehrfachbehinderungen


Hausarbeit, 2001

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1.1 Definition von Behinderung bzw. Mehrfachbehinderung

2.1 Begriffsklärung Geistige Behinderung bzw. Schwerstbehinderung
2.1.1 Heilpädagogischer Begriff
2.1.2 Medizinischer Begriff
2.1.3 Psychologischer Begriff
2.2 Begriffsklärung: Schwerstbehinderung
2.3 Geschichtlicher Hintergrund der schulischen Entwicklung für Kinder mit Schwerstmehrfachbehinderung
2.4 Fördermaßnahmen für Schwerstmehrfachbehinderte
2.4.1 Basale Stimulation
2.4.2 Das Snoezelen

3.1 Begriffserklärung Lernbehinderte
3.2 Frühdiagnostik Lernbehinderter
3.3 Frühförderung potentiell Lernbehinderter
3.3.1 Gruppenförderung von Kindern
3.3.2 Förderung von Eltern und Kind
3.4 Schwerpunkte in der Frühförderung Lernbehinderter

4.1 Begriffserklärung Gehörlose
4.1.1 Definition und Abgrenzung von schwerhörig und gehörlos
4.1.2 Arten von Hörschäden
4.1.2.1 Schalleitungsschwerhörigkeit oder Mittelohrschwerhörigkeit
4.1.2.2 Sensori-neurale Schwerhörigkeit
4.1.2.3 Kombinierte Schalleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit
4.1.2.4 Gehörlosigkeit
4.2 Ursachen von Hörschäden

5.1 Definition der Cerebralparese
5.2 Erscheinungsformen der Cerebralparese
5.3 Hinweise zur Früherkennung und Frühdiagnostik
5.4 Verfahren zur Frühförderung von Kindern mit einer Cerebralparese- Die Verfahren von Bobath und Vojta
5.4.1 Das Verfahren nach Bobath
5.4.2 Das Verfahren nach Vojta

6.1 Literatur

1.1 Definition von Behinderung bzw. Mehrfachbehinderung

Behinderung ist ein komplexes, mehrere Funktionsbereiche wie Sprache, Intelligenz, Lernverhalten usw. erfassendes und beeinträchtigendes Phänomen. Kaum eine Behinderung ist eine einfache, sondern in der Regel eine Mehrfachbehinderung. Man spricht immer dann von Mehrfachbehinderung, wenn zwei oder mehrere Behinderungen zusammentreffen. Dies ist aber wie gesagt keineswegs die Ausnahme, sondern die Regel.

Es gibt drei verschiedene Definitionen von Mehrfachbehinderung:

1. Zusammentreffende Behinderung, die zwangsläufig in einem Kausalzusammenhang stehen. Aus einer Behinderung (Primärbehinderung) entsteht eine weitere Behinderung (Sekundär- bzw. Folgebehinderung). Auf die Gehörlosigkeit folgt meist noch eine Sprachbehinderung.
2. Es gibt aber auch Behinderungen, die nicht in einem Kausalverhältnis zueinander stehen. Keine der zusammentreffenden Behinderungen ist Folge der anderen. Wenn z.B. Blindheit und Taubheit aufeinander treffen sind keine Zusammenhänge festzustellen.
3. Behinderungen, die nicht zwangsläufig in einem Kausalverhältnis zueinander stehen: Eine Behinderung kann Folge einer anderen sein, muss aber nicht; häufig sind die Kausalverhältnisse nicht klar ersichtlich, z.B. wenn Lernbehinderung und Verhaltensstörung sich wechselseitig bedingen.

2.1 Begriffsklärung Geistige Behinderung bzw. Schwerstbehinderung

Geistige Behinderung ist in der Regel eine Mehrfachbehinderung, wobei die Intelligenzschwäche ein „Leitsymptom“ darstellt. Des Weiteren haben geistig Behinderte meist eine Entwicklungsverzögerung, Wahrnehmungsprobleme, motorische Probleme und Sprachverzögerungen bzw. -probleme.

An der Begriffsbildung sind verschiedene Wissenschaften beteiligt, insbesondere die Medizin, die Psychologie und die Erziehungswissenschaften bzw. Heilpädagogik. Alle entwickeln „ihre“ Theorie und Begriffssystem von geistiger Behinderung.

2.1.1 Heilpädagogischer Begriff

Dieser Begriff ist im wesentlichen ein administrativer Begriff. Er bezieht sich vor allen Dingen auf den hohen pädagogischen Förderbedarf im Sinne von Frühförderung, Unterricht, Erziehung und Therapie.

2.1.2 Medizinischer Begriff

Die Medizin geht hauptsächlich von den organischen Ursachen aus: den Chromosomenschäden, Stoffwechselstörungen, Erbschäden und den prä-, peri-, und postnatalen Schädigungen wie z. B. Sauerstoffmangel, geburtsbedingte Hirnschädigungen usw., (aber auch zunehmend sog. exogene bzw. umweltbedingte Ursachen). Geistige Behinderungen im med. Sinne heißt Oligophrenie (Schwachsinn). In Fällen des Abbaus von Intelligenzleistungen im Kindes alter spricht die Medizin von infantiler Demenz.

2.1.3 Psychologischer Begriff

Bei der Bezugnahme auf die Intelligenz überschneidet sich die Medizin mit der Psychologie. Die Psychologie geht hauptsächlich von der Intelligenz, den Lernfähigkeiten bzw. Lerntheorie und den daraus möglichen praktischen, sozialen und kognitiven Entwicklungsmöglichkeiten aus.

Geistige Behinderung ist eben nur organisch verursacht, sondern kann auch zu einem erheblichen Teil das Ergebnis fehlgeschlagener „interaktionaler Prozesse“ sein.

Die Intelligenz hat eine große praktische Bedeutung z.B. als Maßstab für die Einteilung geistiger Behinderungen, für die Aufstellung und Überprüfung von Förderplänen bzw.-maßnahmen, für die schulische Einordnung und die Prognose der Lernmöglichkeiten.

Dabei ist die Intelligenz als einziges Kriterium sehr umstritten und gerade bei 0-6jährigen Kindern nur schwer genau zu ermitteln.

Ein Kind gilt als geistig behindert, wenn es einen IQ von <60+/- 5 hat und in einer Lernbehindertenschule nicht hinreichend gefördert werden kann.

2.2 Begriffsklärung: Schwerstbehinderung

Dieser Begriff wird so nur in Deutschland verwendet, andere Länder benutzen dafür häufig den Begriff Schwerbehinderung.

Dabei kann es leicht zu Verwechslungen kommen, da in Deutschland der Begriff Schwerbehinderung nur für die rechtliche Anerkennung benutzt wird.

Der Begriff Schwerstbehinderung ist eigentlich nichts anderes als eine Steigerung des Begriffs Mehrfachbehinderung, um auszudrücken, dass ein besonders großer Hilfs- und Förderungsbedarf besteht.

2.3 Geschichtlicher Hintergrund der schulischen Entwicklung für Kinder mit Schwerstmehrfachbehinderung

Noch im 19. Jahrhundert wurden Menschen Schwerstmehrfachbehinderungehinderung in Einrichtungen , die sich hauptsächlich um die körperlichen Bedürfnisse kümmerten, verwahrt, vom „normalen“ sozialen vollkommen Leben ausgeschlossen. Kinder mit Schwerstmehrfachbehinderung waren vom Erziehungsbemühen ausgeschlossen, weil es ihnen, nach Auffassung der damaligen Gesellschaft, an „seelischem Vermögen“ mangelte.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie als Erziehungsbedürftige anerkannt. Bis dahin galt offenbar noch Luthers Haltung, die deren „Menschsein“ in Frage stellte.

Im 3. Reich gab es nochmals einen grausamen Rückschritt in der Geschichte Schwerstmehrfachbehinderter: die staatlich angeordnete Eliminierung. Nach dieser schlimmen Phase im Hitlerdeutschland war der Umgang mit Menschen mit Behinderung erst einmal wieder um Weiten zurückgeworfen und es folgte ein ähnlicher Umgang, wie es in 19. Jahrhundert üblich gewesen war: Verwahrungsanstalten, Ausschluß aus dem öffentlichen Leben, keinerlei schulische Bildung.

Erst 1975 starteten Haupt und Fröhlich den ersten Schulversuch in Landau/Pfalz, wo Spezialklassen für Schwerstmehrfachbehinderte Kinder eingerichtet wurden. Es folgte die Integration in bereits bestehende Körper,- und Geistigbehindertenklassen.

2.4 Fördermaßnahmen für Schwerstmehrfachbehinderte

Es gibt eine inzwischen viele Möglichkeiten Menschen mit Schwerstmehrfachbehinderung zu fördern, unter anderem seien nur die Körpertherapie, die Gestalttherapie und verhaltenstherapeutische Maßnahmen genannt. Im Folgenden möchten wir zwei der interessantesten Therapieformen näher vorstellen.

2.4.1 Basale Stimulation

Andreas Fröhlich entwickelte in den siebziger Jahren ein Konzept, welches die Förderung menschlicher Wahrnehmung auf den grundlegendsten (= basale) Ebenen unterstützt. Dabei sollen noch vorhandene Sinne gezielt gefördert werden und die Restfähigkeit im Bereich der verlorenen Fähigkeiten herausgelockt werden. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf einer ganzheitliche Förderung , also der Förderung von Kommunikation, Bewegung, Wahrnehmung gleichermaßen wie auf der Förderung von Sozialerfahrungen, Kognition, Gefühlen und Körpererfahrung.

Die Kinder erhalten durch die Basale Stimmulation systematische Hilfen für die Reizaufnahme und Reizverarbeitung.

Das Hauptziel ist die Entwicklung von Eigenaktivität und Verstehen, sowie der Fähigkeit zur Kommunikation und Interaktion. Später soll das Kind lernen, wie es sich alleine wäscht, anzieht, Essen zubereitet, einkaufen geht, abwäscht und möglichst alle alltäglichen Verrichtungen weitgehend selbstständig bewältigen kann.

2.4.2 Das Snoezelen

„Snozelen“ kommt aus dem Holländischen und bedeutet zu Deutsch eine Kombination aus „schnüffeln“ und „dösen“ ( Holländisch: „snuffelen“ und „doezelen“).

Es handelt sich hierbei um eine sehr schöne Entspannungsmethode, die sich sowohl für Kinder mit jeglicher Art von Behinderung und auch bei Kindern ohne Behinderung eignet. Man findet sogenannte Snoezelräume inzwischen schon in vielen deutschen Kindergärten, Behindertenheimen und Sonderschulen. Das Prinzip ist Reizeindämmung zum Zwecke der Entspannung in speziell ausgestatteten Räumen, in denen jeweils nur ein bestimmter Sinn angesprochen werden soll. Dies wird durch die alltägliche Reizüberflutung unserer Umwelt, der wir alle ausgesetzt sind, notwendig.

So gibt es etwa einen Fühlraum, der vollständig mit weichen Matten ausgelegt ist. Hier können die Kinder mit Schaumstoffkugeln werfen, sich auf einem Wasserbett räkeln oder in Matratzenhöhlen verkriechen – sich also hauptsächlich auf ihren Tastsinn konzentrieren.

Im sogenannten „Projektionsraum“ soll vor allem das Auge „gereizt“ werden. Dort blubbert bunte Flüssigkeit in Glassäulen, ein Vorhang aus fließenden, bunten Glasfasern hängt von der Decke, Spiegelglaskugeln und Projektoren werfen Lichtpunkte auf die Wände.

Weiter gibt es einen Hörraum, in dem Entspannungs- oder Meditationsmusik für Kinder läuft, in dem es Bücher zum Anschauen oder Vorlesen gibt, verschiedene „Instrumente“, wie Regenmacher oder Wassertrommeln, die den Hörsinn „reizen“ sollen. Der Kreativität der Pädagogen sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Wichtig dabei ist nur, dass die Dosis stimmt. Die Kinder sollen pro tag nicht mehr als einen Sinn schulen, also nicht von Raum zu Raum geschleust werden.

Pädagogen, Pfleger und Kinder sind sich einig, darüber, dass „snozelen“ die Nerven und die Seele entspannen, also gut tut! Und zwar allen!

3.1 Begriffserklärung Lernbehinderte

Schmutzler definiert Lernbehinderung umfassend im folgenden Sinne:

Als Lernbehindert bezeichnet man Kinder, die sich hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und so ihrem gesamten Verhalten und ihrer Persönlichkeit (organische Gesundheit, Intelligenz, Lernfähigkeit und Sozialverhalten)von anderen Kindern ihrer Altersgruppe unterscheiden und damit einer besonderen Förderung bedürfen.[1]

In dieser Definition wird deutlich, dass die Entstehung einer Lernbehinderung nicht auf einen einzigen Faktor zurückzuführen ist. Die Ursachen liegen vielfältig in organischen, familiären, institutionellen Bedingungen und Lebensumständen des Kindes. Sie bedingen sich oft gegenseitig und hängen so eng zusammen, die Entstehungsursachen nicht eindeutig geklärt werden können. Eine leichte Lernstörung kann sich bei einer mangelnden Förderung ausweiten und verfestigen uns so zu einer Lernbehinderung werden.

So gesehen lässt sich keine Lernbehinderung allein auf medizinische Ursachen zurückführen. Die Kenntnis der Störungen auf organischer Ebene, ist aber von besonderer Bedeutung für das rechtzeitige Erkennen einer Lernbehinderung.

- So gibt es z.B. partielle Lernbehinderungen wie isolierte Begabungsschwächen im verbalen und nichtverbalen Bereich, chromosomale Lernbehinderungen wie das Kinefelter-Syndrom, erbliche Legasthenie, konstitutionelle Lernbehinderungen wie vegetative Anomalien des vegetativen (autonomen) Nervensystems, endogene Psychosen wie affektive (manisch-depressive) und schizophrene Erkrankungen, sowie Teilleistungsschwächen und –störungen (verbaler und nichtverbaler Art), z.B. Legasthenie oder Dyskalkulie oder Drüsenstörungen wie sexueller Infantilismus oder Schilddrüsenunterfunktion. Bei letzterer ist eine geistige Behinderung gekoppelt mit Antriebsschwäche, verlangsamter Motorik, schwacher Muskulatur, einer Sprachentwicklungsverzögerung und einer Rechenschwäche, was verdeutlicht, dass auch bei einer Lernbehinderung in den meisten Fällen weitere Behinderungen hinzukommen und man so von einer Mehrfachbehinderung sprechen kann.

Soziologische Ansätze gehen davon aus, dass sich die Entstehung von Lernbehinderung auf soziokulturelle, ökonomische sowie familiäre Bedingungen zurückführen lässt.

So ist es Fakt, dass 80% der Lernbehinderten aus der sozialen Unterschicht kommen und daher teilweise unhaltbaren Zuständen ausgesetzt sind, die eine bereits bestehende Lernbehinderung fördern, sogar verursachen können. Der zumeist niedrige Bildungsstand der Eltern führt zu ökonomischen Problemen, zu kleinen Wohnungen, einer sozialen Isolierung, und oftmals auch einem schlechten Gesundheitszustand. Die Mütter sind in der Regel extrem junge und mit der gesamten Situation überfordert. Die notwendigen Routinevorsorgeuntersuchungen entfallen, eventuelle Entwicklungsverzögerungen und Lernbehinderungen werden nicht rechtzeitig erkannt und die Kinder können so nicht hinreichend gefördert werden.

Psycho-soziale Erziehungsfaktoren wie Gewaltanwendung, unerwünschte Kinder, Scheidungen, Drogen- und Alkoholabhängigkeit der Eltern treten in Familien der sozialen Unterschicht häufig auf und kommen zu den eben genannten negativen Faktoren verschlimmernd hinzu. Die Auswirkung der Unzulänglichkeit der Eltern sind eine regellose und widersprüchliche Erziehung, oftmals begleitet von Sozialisationsmustern die dem Kind das Lernen erschweren, z.B. Androhung von Gewalt. Hinzu kommt oftmals die psychische wie physische Vernachlässigung des Kindes, die sich in einer mangelnden Zuwendung, schlechter Ernährung, und einer unzureichenden Anregung und Förderung der Entwicklung des Kindes zeigt.

Der systemtheoretische Ansatz sieht das Problem in der Regelschule, die die Kinder nicht hinreichend fördern kann. Mögliche Ursachen sind hier z.B. zu große Klassen, mangelnde Individualisierung, unzureichende inhaltliche oder methodische Differenzierung des Unterrichts, Lehrermangel oder zu häufiger Wechsel der Lehrkräfte, unqualifizierte Lehrerausbildung.

[...]


[1] Schmutzler, Hans-Joachim: Heilpädagogisches Grundwissen. Einführung in die Früherziehung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder. Herder Freiburg, Basel, Wien, 1996. S. 216

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Mehrfachbehinderungen
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Lernbehinderte)
Veranstaltung
Frühförderung lernbehinderter Schüler
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
24
Katalognummer
V40450
ISBN (eBook)
9783638389600
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mehrfachbehinderungen, Frühförderung, Schüler
Arbeit zitieren
Lea Gregor (Autor:in), 2001, Mehrfachbehinderungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40450

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