Intrinsische und extrinsische Eigenschaften von Kunstwerken in Nelson Goodmans Frage nach der Rolle des Symbolischen in der Kunst

Kann der Begriff intrinsisch in der puristischen Ansicht durch den Begriff formal ersetzt werden?


Hausarbeit, 2005

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlegung
2.1. Die Landläufige Unterscheidung der Begriffe „symbolische Kunst“ und „nicht-symbolische Kunst“
2.2. Das „Bild als Kunstwerk“ in der puristischen Auffassung
2.3. Die Begriffe „intrinsisch“ und „formal“

3. Die puristische Auffassung in der Anwendung
3.1. Hironimus Boschs Gemälde „Der Garten der Lüste“
3.2. Unzulänglichkeiten in der Anwendung

4. Fehler in der puristischen Theorie
4.1. Das Symbol als Äußerlichkeit
4.2. Darstellung und Ausdruck als einzige Arten von Symbolisierung
4.3. Besitz von Eigenschaften ohne Bezugnahme

5. Exemplifikatorische Bezugnahme
5.1. Probe und Vorlage
5.2. Exemplifikation in nicht-darstellenden und nicht-expressiven Gemälden

6. Intrinsische und extrinsische Eigenschaften von Kunstwerken
6.1. Die Puristische Sichtweise
6.2. Nelson Goodmans Sichtweise

Anhang:
1. Abbildungen
2. Literaturverzeichnis
3. Nachweis der Abbildungen

1. Einleitung

Aus der Annahme heraus, dass „Versuche, die Frage ‚Was ist Kunst?’[1] zu beantworten, meist mit Enttäuschung und Verwirrung enden“[2], untersucht Nelson Goodman in seinem Buch „Weisen der Welterzeugung“, im vierten Kapitel „Wann ist Kunst?“, die „Rolle des Symbolischen in der Kunst“[3]. Im Hinblick auf den Kunststatus des „gefundenen Objektes“[4] und der Konzeptkunst befragt er die Verhältnismäßigkeiten zwischen Kunstwerken und Symbolen. Gleichwohl, ob „eingesetzte“[5] Symbole die Aussage von Kunstwerken steigern oder von ihr ablenken, besteht, laut Nelson Goodman, die landläufige Meinung, Symbole seien dem Kunstwerk selbst äußerlich. Entsprechende Anwendungen finden sich in der Unterscheidung der Begriffe „symbolische Kunst“ und „nicht-symbolische Kunst“. Auf der puristischen künstlerischen Auffassung aufbauend untersucht Nelson Goodman in welcher Art und Weise Kunstwerke symbolisieren. Mit der Einführung des Begriffs der „Exemplifikation“ muss die landläufige Meinung über die Bedeutung von intrinsischen und extrinsischen Eigenschaften von Kunstwerken kritisch hinterfragt werden.

2. Grundlegung der Problematik

2.1. Die Landläufige Unterscheidung der Begriffe „symbolische Kunst“ und „nicht-symbolische Kunst“

Was das Verhältnis von Kunstwerk und Symbol betrifft, besteht laut Nelson Goodman die landläufige Meinung, Symbole sind dem Kunstwerk selbst äußerlich. Darauf baut ein Verständnis des Begriffs „symbolische Kunst“ auf, welches vom Wortgebrauch „nicht-symbolische Kunst“ allgemein unterschieden wird. Demnach werden Kunstwerke deshalb als „symbolische Kunstwerke“ klassifiziert, weil sie „Symbole zum Gegenstand haben“[6] und nicht weil die Bilder selbst Symbole sind. Sie bilden Symbole ab. Das heißt sie zeigen „Bilder zweiter Stufe“[7], die ein verborgenes Gleichnis wider geben[8].

Im Gemälde „Der Garten der Lüste“ von Hironimus Bosch, welches Nelson Goodman exemplarisch zur Diskussion stellt, treffen Himmel und Hölle metaphorisch aufeinander. Auf dem Gemälde ist das sündige Leben der Menschen dargestellt. Das bedeutet innerhalb der landläufigen Sichtweise, dass auf ihm Zeichen stehen, die das sündige Leben der Menschen veranschaulichen. Im Zentrum des Bildes benutzt Hironimus Bosch das Symbol nackter Männer, die um einen Teich mit unbekleideten Frauen reiten. Dieses Zeichen verweist in der eben beschriebenen Art und Weise auf Fruchtbarkeit. Das Reiten ist eine traditionelle Metapher für den Geschlechtsakt. Die ungezäumten Tiere sind ein Zeichen für zügellose Begierde. Fische und Früchte sind Symbole der Sinnesfreuden. Das Geschehen kreist in der bildnerischen Erzählung um sich selbst um die Nichtigkeit des Treibens zu symbolisieren. Der Eber, der Ziegenbock und der rote Blütenkelch im Kreis stehen ebenfalls für Fruchtbarkeit. Beispielhaft wird an diesem Kunstwerk deutlich, dass die verwendeten Figuren, Tiere und Gegenstände selbst als Symbole dastehen[9]. Symbolisieren heißt hier abbilden.

„Nicht-symbolische Kunst“ dagegen bedeutet zunächst, dass nichts abgebildet wird. Das heißt, es werden keine Bilder zweiter Stufe gezeigt. Hier zählen zudem auch gegenständliche Kunstwerke dazu, die Porträts, Stilleben und Landschaften darstellen, weil die Sujets auf unmittelbare Art und Weise wider gegeben werden und sie nicht selbst als Zeichen dastehend fungieren. Sie sind keine verborgenen Gleichnisse oder Metaphern für eine weitere, hinter ihnen liegende Bedeutungsebene.

Wenn „nicht-symbolische Kunst“ dagegen als „Kunst ohne Symbole“[10] gruppiert wird, so räumt Nelson Goodman ein, beschränkt man sich landläufig auf Werke ohne Sujets, wie zum Beispiel auf rein abstrakte, dekorative oder formalistische Werke, die nichts darstellen. Hier können die Arbeiten von Theo van Doesburg[11] angeführt werden, bei denen der Rhythmus aus Farbe und Form thematisch im Zentrum der bildkünstlerischen Auseinandersetzung steht. Weil die Vokabel „darstellen“ auch „Bezug nehmen auf“ oder „symbolisieren“ meint, werden Kunstwerke mit Sujets wie Landschaften oder Porträts, wie beispielsweise ein Selbstportrait von Max Beckmann[12], in diese Definition nicht mit eingeschlossen.

Damit ist gemäß allgemein gebräuchlicher Auffassung jedes Werk, das dastehende Zeichen abbildet oder Sujets darstellt ein Symbol und „Kunst ohne Symbole ist beschränkt auf Kunst ohne Sujet“[13] - also auf rein abstrakte Kunst beschränkt. Nelson Goodman zeigt am Beispiel der puristischen Auffassung über Kunst ein unter Künstlern und Kunstkritikern anerkanntes Programm auf, welches fordert, Kunst sei von allem was symbolisiert wird oder worauf Bezug genommen wird abzulösen.

2.2. Das „Bild als Kunstwerk“ in der puristischen Auffassung

Die puristische Auffassung deklariert das Vorhandensein einer äußeren und einer inneren Bildebene bei Kunstwerken. „Extrinsisch“ heißen demnach Eigenschaften, die nicht zum „Bild als einem Kunstwerk“ gehören, die dem Kunstwerk entsprechend äußerlich sind. Mit „intrinsisch“ werden Eigenschaften benannt, die den künstlerischen Charakter des Bildes ausmachen und demnach zum „Bild als einem Kunstwerk“ gehören. Die Vokabel „Bild als Kunstwerk“ kann auch in den Ausdruck „zur künstlerischen Aussage gehörig“ übersetzt werden.

Das was ein Bild nun symbolisiert oder wofür es steht oder worauf es Bezug nimmt, ist entsprechend dieser Gliederung eine äußerliche Eigenschaft die nicht zum „Bild als einem Kunstwerk“, also nicht zur künstlerischen Aussage gehört. Demnach stellt die Symbolisierung eine äußerliche Relation bzw. eine Verknüpfung dar, welche die innere Ebene des Bildes mit Äußerlichkeiten des Bildes in Wechselwirkung treten lässt[14]. Sujets wie Gegenstände, Themen oder andere Bezüge, die das Bild mittels Symbolen aus einem bekannten, oder vielmehr aus einem anerkannten, Vokabular herstellt, haben nichts mit seiner ästhetisch künstlerischen Bedeutung oder seinem künstlerischen Charakter zu tun. Dieser wird nur durch den bloßen Besitz bildimmanenter Eigenschaften wie beispielsweise durch den Rhythmus aus Farbe und Form hergestellt. Nur die intrinsischen, das meint hier die formalen Qualitäten, sind für ein Bild als einem Kunstwerk relevant. Die vom Bild ausgehenden Symbolisierungen, lenken beim Betrachten eines Kunstwerkes von den eigenen inneren, also den formalen, eigentlichen Eigenschaften des Bildes ab. Jede Symbolisierung die durch ein Bild stattfindet ist irrelevant und stört den künstlerischen Charakter und die künstlerischen Qualitäten.[15] Nur das was das Bild selbst ist, also formal ist, ist relevant für seinen Wert als Kunstwerk.

Der Purist führt jetzt den Begriff der „reinen Kunst“[16] ein. Mit reiner Kunst ist „saubere“[17] oder „ungestörte“[18] Kunst gemeint, die jede Art von Symbolisierung vermeidet. Sie darf sich auf nichts Äußeres beziehen und versteht sich nur aus dem ihr innewohnenden Charakter: aus dem bloßen Besitz von Eigenschaften und aus deren bildimmanenten Relationen[19] heraus, nicht aber aus dem, was mit ihr durch eine „äußerliche Relation wie die der Symbolisierung, verknüpft ist“[20]. Ein Kunstwerk ist, „was es ist und nicht was es symbolisiert“[21]. Kunst muss rein sein. Diese Reinheit erlangt sie nur durch intrinsische Eigenschaften, eben durch den formalen Gebrauch von Farbe und Form und nicht durch extrinsische Eigenschaften. Reine Kunst legt alle äußeren Bezugnahmen ab. Puristische Gemälde sind reine Kunst. Sie symbolisieren nicht.

2.3. Die Begriffe „intrinsisch“ und „formal“

Laut Nelson Goodman wird „intrinsisch“ in der puristischen Sicht oft zu Gunsten von „formal“ fallen gelassen. „Formal“ steht im Zusammenhang mit der puristischen Auffassung für den Ausdruck „nicht-symbolisierend“. Auffällig ist bei dieser Theorie, dass die Vokabel „intrinsisch“ sowohl in „formal“ als auch gleichzeitig in den Ausdruck „gehört zur künstlerischen Aussage“ beziehungsweise „gehört zum Bild als einem Kunstwerk“ überführt wird. Eine Eigenschaft, die laut Purist „nicht symbolisierend“ ist, hat aber zunächst nicht zwingend etwas damit zu tun, dass sie nicht zum „Bild als einem Kunstwerk“ gehört. Die Kopplung der Begriffe „formal“ beziehungsweise „nicht-symbolisierend“ mit der Bezeichnung „Bild als einem Kunstwerk“[22] wird durch den Puristen manifestiert, worauf sein Darstellungs- und Ausdrucksverbot aufbaut.

[...]


[1] In Nelson Goodmans symboltheoretischer Auffassung gibt es keinen stabilen Status von Objekten, deshalb ist für ihn die Frage nach dem „was“ irrelevant und er formuliert später „Wann ist Kunst?“.

[2] Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft: Nelson Goodman – Weisen der Welterzeugung (1990), S. 76.

[3] ibid.

[4] Gemeint ist der Begriff „objet trouvé“.

[5] Am Beispiel einer Schülerin, die eine Kurzgeschichte schreiben möchte, wird vom „Einsetzen“ von Symbolen gesprochen. Die Vokabel „Einsetzen“ verdeutlicht ein „Hinzufügen“ der Zeichen von Außen, was die Annahme zulässt, dass Symbole dem Kunstwerk selbst äußerlich sind.

[6] Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft: Nelson Goodman – Weisen der Welterzeugung (1990), S. 77.

[7] Ein „Bild zweiter Stufe“ ist gleichbedeutend mit „Abbild“.

[8] Vgl. Abbildung 1 im Anhang, Hironimus Bosch, „Der Garten der Lüste“.

[9] ibid.

[10] Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft: Nelson Goodman – Weisen der Welterzeugung (1990), S. 77.

[11] Vgl. Abbildung 3 im Anhang.

[12] Vgl. Abbildung 2 im Anhang, Max Beckmann, „Selbstporträt“.

[13] ibid.

[14] Vgl. Abbildung 6 im Anhang, Schema der puristischen Auffassung.

[15] Vgl. Abbildung 6 im Anhang, Schema der puristischen Auffassung.

[16] Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft: Nelson Goodman – Weisen der Welterzeugung (1990), S. 78.

[17] Ich meine damit das Gegenteil von „unrein“.

[18] Nicht durch äußere Einflüsse gestörte Kunst.

[19] Gemeint sind Rhythmus und Wechselwirkung von Farbe und Form.

[20] Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft: Nelson Goodman – Weisen der Welterzeugung (1990), S. 78.

[21] ibid.

[22] Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft: Nelson Goodman – Weisen der Welterzeugung (1990), S. 78.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Intrinsische und extrinsische Eigenschaften von Kunstwerken in Nelson Goodmans Frage nach der Rolle des Symbolischen in der Kunst
Untertitel
Kann der Begriff intrinsisch in der puristischen Ansicht durch den Begriff formal ersetzt werden?
Hochschule
Hochschule für Bildende Künste Dresden  (Philosophie/Ästhetik)
Veranstaltung
Kunst als Erkennen - Erkennen als Hervorbringen
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V40470
ISBN (eBook)
9783638389792
ISBN (Buch)
9783638790611
Dateigröße
737 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Intrinsische, Eigenschaften, Kunstwerken, Nelson, Goodmans, Frage, Rolle, Symbolischen, Kunst, Erkennen, Hervorbringen
Arbeit zitieren
Matthias Haase (Autor:in), 2005, Intrinsische und extrinsische Eigenschaften von Kunstwerken in Nelson Goodmans Frage nach der Rolle des Symbolischen in der Kunst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40470

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