Lange Zeit galt das so genannte „Augusterlebnis“ des Sommers von 1914 auch unter Historikern unangefochten als Ausdruck einer rauschhaften, von allen Teilen der deutschen Bevölkerung getragenen Kriegsbegeisterung. Seit Mitte der 1980er Jahre gelang es der mittlerweile stärker an sozial- bzw. kulturgeschichtlichen Fragestellungen orientierten Weltkriegsforschung jedoch nachzuweisen, dass jene mehrwöchige Mobilisierungseuphorie die Landbewohner und städtischen Unterschichten weitaus weniger ergriff als den alten Mittelstand und das bildungsbürgerliche Milieu. Zudem scheint sogar die frenetische Begrüßung des Kriegsbeginns im Umfeld der Universitäten nicht allein nationalistischen Leidenschaften, sondern vielmehr einem komplexen Zusammenwirken verschiedener Motive und Überzeugungen entsprungen zu sein. Im Anschluss soll darum zunächst untersucht werden, warum die deutschen Hochschullehrer und ihre Studenten den Kriegseintritt des Reiches im August 1914 so rückhaltlos unterstützten [2]. Zum Zweiten bliebe dann noch zu ermitteln, ob diese später vielfach als „Geist von 1914“ beschworene Einigkeit selbst unter dem Eindruck des „Großen Krieges“ fortbestand [3]. Während Deutschlands Universitätsgelehrte in den Jahren des Ersten Weltkrieges eine wahre Lawine zumeist propagandistischer Aufrufe, Vorträge und Einzelschriften produzierten, deren Kernaussagen insbesondere die beiden Ideenhistoriker Klaus Schwabe und Steffen Bruendel herausgearbeitet haben, steht uns mit der zuerst 1916 durch den Freiburger Literaturprofessor Philipp Witkop (1880-1942) veröffentlichten und bis 1928 kontinuierlich erweiterten Kriegsbriefsammlung gefallener Studenten lediglich ein Quellentyp zur Verfügung, dessen Repräsentativität keineswegs gesichert ist. Dementsprechend mangelt es denn auch bis heute an einer systematischen Darstellung der deutschen Hochschüler zwischen 1914 und 1918; allenfalls die studentengeschichtlichen Langzeitstudien Konrad Jarauschs bieten hierzu einige nützliche Anhaltspunkte. Der nun folgenden
Wiedergabe des aktuellen Forschungsstandes muss freilich ein kurzer Blick auf die mentalitätsgeschichtlichen Rahmenbedingungen der unmittelbaren Vorkriegszeit vorangehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Universitärer Militarismus im Deutschen Reich bis 1914
- ,,"Mitten im Frieden überfällt uns der Feind"
- Kampf der Geister
- Das studentische Mobilisierungserlebnis
- Der ,,Geist von 1914" im Kriegsalltag
- Ernüchterte Studenten
- Die akademische Einheitsfront bröckelt...
- Schluss und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle deutscher Hochschullehrer und Studenten während des Ersten Weltkriegs. Sie analysiert die Gründe für die anfängliche Unterstützung des Kriegseintritts im August 1914 und die langfristigen Auswirkungen des „Geists von 1914“ auf das akademische Milieu.
- Universitärer Militarismus im Deutschen Reich bis 1914
- Die Reaktionen von Hochschullehrern und Studenten auf den Kriegseintritt
- Die Entwicklung der Kriegsmoral im akademischen Milieu
- Der Einfluss des „Geists von 1914“ auf die deutsche Gesellschaft
- Die Rolle von Universitätsstudenten im Kriegseinsatz
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet das „Augusterlebnis“ und die unterschiedliche Kriegsbegeisterung in verschiedenen Gesellschaftsschichten. Sie erläutert die Forschungslücke hinsichtlich der Rolle von Hochschullehrern und Studenten während des Ersten Weltkriegs.
Das erste Kapitel beleuchtet den „universitären Militarismus“ im Deutschen Reich bis 1914. Es analysiert die unterschiedlichen Haltungen der Professoren zum Krieg und zum Militär sowie das Engagement von Studenten in nationalistischen Bewegungen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Reaktion von Hochschullehrern und Studenten auf den Kriegseintritt im August 1914. Es analysiert die vielfältigen Motive und Überzeugungen, die zur anfänglichen Unterstützung des Krieges führten, sowie das studentische Mobilisierungserlebnis.
Das dritte Kapitel untersucht die Entwicklung der Kriegsmoral im akademischen Milieu während des Krieges. Es beleuchtet die Ernüchterung unter Studenten sowie die zunehmende Kritik an der Kriegspropaganda und die Brüche in der akademischen Einheitsfront.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen universitärer Militarismus, Kriegsbegeisterung, „Geist von 1914“, deutsche Hochschulen, Studenten, Kriegsmoral, Kriegsliteratur, Feldpostbriefe, nationalistische Bewegungen, Kriegspropaganda, akademische Einheitsfront.
- Quote paper
- Arndt Schreiber (Author), 2005, Deutsche Hochschullehrer und Studenten zwischen Augusteuphorie und Desillusionierung 1914-1918, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40655