Selbstlernen im Fernstudium. Möglichkeiten und Grenzen


Hausarbeit, 2003

17 Seiten


Leseprobe


GLIEDERUNG

1 Einleitung

2 Begriffsdefinitionen
2.1 Definition des Fernstudiums, Abgrenzung vom Fernunterricht
2.2 Definition des Selbstlernens
2.3 Lernen im Fernstudium

3 Möglichkeiten und Grenzen des Selbstlernens
3.1 Möglichkeiten
3.1.1 Zunehmende Bedeutung des Selbstlernens
3.1.2 Eignung des Fernstudiums für das Selbstlernen
3.1.3 Erwerb von Fachkompetenzen
3.1.4 Erwerb von Lernstrategien und Selbstmanagement.-Kompetenzen
3.2 Grenzen
3.2.1 Überforderung von Studierenden und Lehrenden
3.2.2 Erwartungen und Ziele der Studierenden und Lehrenden
3.2.3 Organisatorische und institutionelle Hindernisse
3.3 Lösungsvorschläge
3.3.1 Verbesserte Voraussetzungen für das Selbstlernen
3.3.2 Beschränkung des Selbstlernens auf bestimmte Kontexte

4 Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

1 EINLEITUNG

Faktoren wie die starke Fluktuation des in der Schule vermittelten Wissens, wodurch ein neuer Bedarf an Weiterqualifizierung entsteht (Vertecchi 1998, 3), die weiterhin vorhandene Schichtabhängigkeit von Bildung (Vertecchi 1998, 3) und die starke Nutzung eines berufsbegleitenden Fernstudiums (Miller 1991, 49) könnten zu einer wachsenden Bedeutung des Fernstudiums beitragen. In einem Studium „auf die Ferne“ sind die Studierenden oft auf sich selbst angewiesen – somit liegt das Thema „Selbstlernen“ und sein Verhältnis zum Fernstudium nahe. Die Betrachtung von Aspekten des Fernstudiums aus erziehungswissenschaftlicher Sicht könnte dabei zu verbesserten Lehr- und Lernbedingungen beitragen.

2 BEGRIFFSDEFINITIONEN

2.1 DEFINITION DES FERNSTUDIUMS, ABGRENZUNG VOM FERNUNTERRICHT

Um grundlegende Bildungsabschlüsse zu erlangen oder sich weiterzubilden, gibt es verschiedene Möglichkeiten, dies „auf die Ferne“ zu erreichen. Zunächst gibt es dafür Formen des Fernunterrichts, wobei mit „Fernunterricht“ im Bildungssystem Bezug auf die Sekundarstufe II genommen wird; außer einer Ergänzung des schulischen Bildungsangebots kann sich Fernunterricht aber auch als Teilbereich des Bildungswesens auf die Erwachsenenbildung beziehen (Ross 1992, 22). Laut Ross (1992, 44) spielt die berufliche Weiterbildung dabei die größte Rolle. Laut Fernunterrichtsschutzgesetz ist der Fernunterricht definiert durch die überwiegende räumliche Trennung von Lehrenden und Lernenden, die mit Hilfe von Medien wie Lehrbriefen oder audiovisuellen Hilfsmitteln überwunden werden soll, sowie die Überwachung des Lernerfolgs durch Selbst- und Fremdkontrollaufgaben (ZFU 2002, 2). Dabei lassen sich grundsätzlich alle Bildungsziele erreichen, die auch durch anderweitige Formen der Weiterbildung angestrebt werden können, so z. B. berufliche Umschulung, berufliche Weiterbildung oder berufliche und schulische Abschlüsse (ZFU 2002, 2). Davon wird das Fernstudium abgegrenzt durch seinen Anspruch einer Lehre auf Hochschulniveau (Peters 1997, 22). Die Lernbedingungen im Fernstudium entsprechen zwar den oben beschriebenen, es nimmt aber eine andere Rolle im Bildungssystem ein, nämlich die, einen Hochschulabschluss anzubieten. Damit kann es auch eine „zweite Chance“ darstellen für diejenigen, denen ein Präsenzstudium aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich war (Peters 1997, 28). Laut Peters (1997, 32) gibt es folgende Typen der Institutionalisierung: „Single mode“, „dual mode“ und „mixed mode“, d.h. reines Fernstudium, Präsenzuniversität mit Fernstudienangebot und Parallelität der Studienformen, die je nach Bedürfnissen und Möglichkeiten mischbar sind. In Deutschland stellt die FernUniversität Hagen die einzige Fernhochschule dar.

2.2 DEFINITION DES SELBSTLERNENS

„Selbstlernen“ ist ein gängiger Oberbegriff für Arten des Lernens, in „denen im Kontext der Berufsbildungsdiskussion auf ein (...) näher zu bestimmendes Element der Eigeninitiative bzw. Eigenaktivität der Lernenden abgehoben wird“ (Drees 2002, 59). Zwar kann „man (...) nicht nicht selbst lernen" (Drees 2002, 63), da Lernen immer auf einem bewussten Vorsatz des Subjekts beruht. Da jedoch in der gesellschaftlichen Bildungspraxis und der typischen Bildungsbiografie Lernen stets an äußere Veranlassung gebunden ist, was erst die Ursache für didaktische Bemühungen darstellt (Drees 2002, 63), erscheint die Betonung des Selbstanteils nötig, zumal untergeordnete Begriffe oftmals beliebig oder nach privaten Definitionen verwendet werden (Drees 2002, 59). Die mangelnde theoretische Fundierung und den uneinheitlichen Gebrauch bemängelt auch Schreiber (1998, 9); die Rede ist u. a. von „selbstgesteuertem“, „autonomem“, „selbstorganisiertem“, „selbstreguliertem“ oder „offenem“ Lernen, im englischen Sprachraum von „autodidaxy“, „self-directed learning“ oder „self-regulated learning“. Gemeinsam ist den Definitionsansätzen jedoch die grundlegende Annahme, dass „Lernen durch den Lerner geschieht und nicht mit ihm“ (Schreiber 1998, 10). Dies impliziert die stärkere Berücksichtigung des Lernenden, dem verschieden geartete individuelle Freiräume zugestanden werden, und eine bestimmte pädagogische Tradition, die mit dem antiken Ideal einer selbstbestimmten, möglichst freien Entwicklung beginnt und in der Renaissance, im Neuhumanismus, in der Pädagogik der Romantik und in verschiedenen Formen humanistischer Bildungskonzepte aufgegriffen wurde (Greif/Kurtz 1996, 21f). Dies gilt auch für heutige Konzepte, die durch die bildungspolitische Diskussion der 60er Jahre über das fremdbestimmte Lernen initiiert wurden (Deitering 1996, 46). Außerdem steht das „Lernen durch den Lerner“ in einem konstruktivistischen und kognitionspsychologischen Kontext, in dem im Gegensatz zum Behaviorismus nicht mehr von einer Übermittlung vorhandenen Wissens ausgegangen wird, sondern von eigenständigen Prozessen der Wissenskonstruktion, die jeder Lernende selbst leisten muss. Formen des Selbstlernens sollen dies alles ermöglichen und die nötige Offenheit gewährleisten.

Konkret unterscheiden sich die verschiedenen Begriffe jedoch wieder sehr. Peters (1997, 75f) geht von weitreichender Autonomie aus, so dass die Lerner „die Funktionen der Lehrenden übernehmen und selbst ausüben. D. h. also, wenn sie selbst ihre Lernbedürfnisse erkennen, Lernziele formulieren, Inhalte auswählen, Lernstrategien entwerfen, Lehrmaterialien und -medien beschaffen, zusätzlich menschliche und dingliche Ressourcen identifizieren und in Anspruch nehmen sowie das Lernen selbst organisieren, steuern, kontrollieren und evaluieren." (S. 76). Schreiber (1998, 10ff) bezieht sich dagegen auf präzise Definitionen aus der Regelungstechnik: Bei Selbststeuerung und Selbstregulation werden Prozesse selbstständig auf einen selbstgesetzten Sollwert hin ausgerichtet, wobei aber bei der Regulation zusätzlich Informationen über den augenblicklichen Ist-Wert des Prozesses herangezogen werden. Demnach stellen dann im Rahmen der Handlungstheorie Planung, Ausführung und Kontrolle des Lernens die Komponenten der Selbststeuerung bzw. -regulation dar. Ebenfalls enger definiert Deitering (1996, 45): Bei selbstgesteuertem Lernen wird lediglich über Aufgaben, Methoden und Zeitaufwand mitentschieden, bei selbstorganisiertem Lernen wird der schon vorgegebene Lernstoff nur noch selber aktiv strukturiert. Greif und Kurtz (1996, 28) argumentieren jedoch, dass Lernen immer partiell selbstorganisiert sei, da die Lerninhalte individuell umstrukturiert werden müssen.

Drees (2002, 59f) setzt sich mit den Definitionen der Kultusministerkonferenz 2002 auseinander: Demnach sei Lernen selbstgesteuert, wenn „über (...) Ziele, inhaltliche Schwerpunkte, Wege und äußere Umstände die Lernenden im Wesentlichen selbst entscheiden und (...) sie die von anderen entwickelten Lernmöglichkeiten und fremdorganisierten Lernveranstaltungen jeweils nach den eigenen Bedürfnissen und Voraussetzungen gezielt ansteuern und nutzen" (S. 60). Dabei komme es im Gegensatz zum selbstorganisierten Lernen darauf an, „dass das Individuum darüber entscheidet, welche selbst- oder fremdorganisierten Lernmöglichkeiten jeweils in seinen Lernprozess einbezogen werden" (Drees 2002, 60). Drees (2002, 60) kritisiert diese Grenzziehung, da gerade solche Entscheidungen für das Organisieren von Lernprozessen ausschlaggebend seien. In einschlägigen Veröffentlichungen wird selbstgesteuertes Lernen auf die Gestaltung der äußeren Bedingungen wie Lernort und -zeitpunkt bezogen, während bei selbstorganisiertem Lernen die Verarbeitung meist schon definierter Lernstoffe dem Lernenden überlassen bleibt (wie Lernbedarf, Auswahl der Medien, Feststellung des Lernerfolgs, Drees 2002, 61).

In den Definitionen existiert also ein großes Kontinuum, das sich von Freiraum in allen Bereichen bis zu Freiraum nur in Ort und Zeit erstreckt. Gemeinsam ist ihnen jedoch die Betonung des Eigenanteils des Lernenden, weshalb ich mich wie Drees (2002, 59) unter Vorbehalt für den Begriff Selbstlernen entscheide. Dabei ist der Kontext, in dem der Begriff verwendet wird, zum besseren Verständnis immer mit zu berücksichtigen (Drees 2002, 62).

2.3 LERNEN IM FERNSTUDIUM

Zwar wird in der englischsprachigen Literatur offenes Lernen häufig in Verbindung mit dem Fernstudium gebracht, die Begriffe gehen sogar ineinander über - dies wird aber oft nur auf die erweiterte formale Zugänglichkeit bezogen (Peters 1997, 146, 148). Von drei möglichen subjektiven Lernkonzeptionen - reproduktivem Lernen (Bearbeiten vorgegebener Aufgaben), gebrauchswertorientiertem Lernen (Auswahl treffen innerhalb angebotener Ziele, Inhalte und Methoden) und konstruktivem Lernen (Selbstorganisieren von Zielen, Inhalten und Methoden) - entspricht das konstruktive Lernen am ehesten offenen Lernformen (Zimmer 1994, 22).

Generell hat das Lesen von Material und das selbstständige wissenschaftliche Arbeiten wie im Präsenzstudium einen hohen Stellenwert, wobei allerdings im Fernstudium das Lernen durch Lesen viel stärker betont wird und die Teilnahmemöglichkeiten an Übungen und Seminaren sehr eingeschränkt sind (Peters 1997, 22). Dichanz (1984, 279) betont deshalb die Wichtigkeit des didaktischen Moments in der Wissenschaft durch die nötige Kommunikation über Ergebnisse, was auch im Fernstudium realisiert werden sollte. Arnold (2003, 1) dagegen stellt die Frage, ob heute "Ferne" und "Nähe" in der Hochschuldidaktik überhaupt noch relevant sind. Demnach sei Wissen längst lernförderlicher und didaktisch sinnvoller präsentierbar als in Vorlesungen, die sich nur wegen der Zähigkeit kultureller Muster gehalten haben, während der Disput im Hintergrund steht. Die angeblich defizitäre Fernlehre sieht Arnold (2003, 2) somit als historische Chance, um die überflüssige Präsenz im Studium zugunsten anderer Lernformen verschwinden zu lassen. Arnold (2003, 4f) argumentiert sogar, dass die Fernaspekte eine größere Nähe zwischen Lehrer und Lerner als im Präsenzstudium ermöglichen können: Dies zum einen mit Hilfe größerer inhaltlicher Transparenz durch die deutliche Strukturiertheit der Kursmaterialien und die virtuelle Interaktivität der Übungs-, Transfer- und Reflexionsaufgaben, zum anderen mit Hilfe besserer Lernermotivation durch mehr inhaltliche Auswahlmöglichkeiten.

[...]

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Details

Titel
Selbstlernen im Fernstudium. Möglichkeiten und Grenzen
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung)
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V40802
ISBN (eBook)
9783638392297
ISBN (Buch)
9783638790642
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Eine sehr gute Hausarbeit."
Schlagworte
Selbstlernen, Fernstudium, Möglichkeiten, Grenzen
Arbeit zitieren
Sabine Pfisterer (Autor:in), 2003, Selbstlernen im Fernstudium. Möglichkeiten und Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40802

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