Führungsanforderungen in Downsizing-Prozessen


Diplomarbeit, 2004

51 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Grundlegendes zur Führung
2.1.1 Der Führungsbegriff
2.1.2 Führungstheorien
2.1.3 Führungsanforderungen im Licht veränderter Umweltbedingungen
2.2 Grundlegendes zum Downsizing
2.2.1 Der Begriff des Downsizing
2.2.2 Ursachen und Ziele von Downsizing
2.2.3 Erscheinungsformen von Downsizing
2.2.3.1 Drei Implementierungsstrategien
2.2.3.2 Konvergenz versus Reorientierung
2.2.4 Folgen von Downsizing

3 Führungsanforderungen und Führungskonzepte im Downsizing
3.1 Veränderte Führungsanforderungen im Downsizing
3.1.1 Wandlung der Rahmenbedingungen und ein veränderter Führungskontext
3.1.2 Führungsanforderungen und Führungsstile im Downsizing
3.2 Führungskonzepte der „Neuen Führung“
3.2.1 Das Konzept der transformationalen Führung
3.2.2 Das Modell der charismatischen Führung
3.3 Das Konzept der unternehmerischen Mitarbeiterführung
3.3.1 Charakterisierung des Konzepts
3.3.2 Der Beitrag unternehmerischer Führung in Wandlungsprozessen

4 Durchführung von Downsizing-Maßnahmen auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse
4.1 Praktische Implikationen zur Durchführung von Downsizing-Maßnahmen
4.1.1 Die Führung von Downsizing in drei Phasen
4.1.2 Das Management von Entlassungen und die Bekämpfung der Überlebendenneurose
4.2 Dynamik des Psychologischen Vertrages und ein verändertes Karriereverständnis

5 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Downsizing im organisationalen Kontext hat innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte einen immensen Bedeutungsanstieg zu verzeichnen. So hat sich der Trend, aus Effizienzgründen Mitarbeiter zu entlassen und bzw. oder andere Ressourcen abzubauen, von einer einstmaligen Management-Modeströmung im nordamerikanischen Wirtschaftsraum zu einem globalen Instrument organisationalen Handelns gewandelt. Es fällt schwer, ein größeres Unternehmen der westlichen Industrieländer zu benennen, das seit Beginn der neunziger Jahre nicht mindestens einen geplanten Personalabbau größeren Ausmaßes durchgeführt hat.[1] Wurde Downsizing einstmals als finale Strategie für Organisationen in ernsten finanziellen Schwierigkeiten angewandt, so ist es mittlerweile auch in Unternehmen mit glänzenden Ergebnissen an der Tagesordnung.[2] Nicht umsonst werden die neunziger Jahre als das „Jahrzehnt des Downsizing“[3] bezeichnet, so dass diese potentiell so folgenreichen und ambivalenten Vorgänge eine Wandlung von einer Managementmethode hin zur Norm im organisationalen Alltag genommen haben.[4]

Überraschend scheinen angesichts der Verbreitung des Downsizing vor allem zwei Aspekte. Das ist zum einen die an den postulierten Zielen gemessen schlechte Erfolgsprognose von Downsizing, was der Beliebtheit des Konzepts aber nicht abträglich ist. Zum anderen ist es der bemerkenswert geringe Umfang systematischer Forschung zu diesen in der Praxis geborenen Vorgängen.[5] Gerade angesichts des geringen Erfolges vieler Downsizing-Maßnahmen, aber auch der sehr starken individuellen Betroffenheit, die Entlassungsmaßnahmen in aller Regel bei den Mitarbeitern auslösen, ist dieser Mangel an Hintergrundwissen fast schon tragisch.[6]

Eine wichtige Erkenntnis aus der vorhandenen Literatur ist die entscheidende Funktion der Führung im Downsizing. Auch und gerade in Phasen großer Unsicherheit und individueller Stresssituationen hängt organisationaler Erfolg vor allem von den Menschen und ihrem Handeln ab.[7] Um deren Aufmerksamkeit von der Überlebensperspektive zu einer Perspektive der Erneuerung, Innovation und Exzellenzentwicklung und somit zum Erfolg zu bringen, bedarf es der Führung.[8] Aufgrund der Funktion von Führung als kritischem Erfolgsfaktor im Downsizing „muss daher jede Anstrengung unternommen werden, mehr über die Charakteristik und die Auswirkungen von Führung unter diesen Situationen hinzuzulernen.“[9] Der Darstellung der speziellen Anforderungen, denen Führung im Kontext von Downsizing gerecht werden muss, dient daher diese Arbeit.

Dazu wird zu Beginn im zweiten Kapitel ein konzeptioneller Überblick über die allgemeinen Aspekte der Führung auf der einen Seite und des Downsizing auf der anderen Seite vermittelt. Anschließend werden im dritten Kapitel die veränderten Anforderungen, die Downsizing an Führung stellt, aufgezeigt und mehrere Führungskonzepte analysiert, die diesen gerecht werden. Zuletzt werden vierten Kapitel praktische Handlungsempfehlungen für die Führung von Downsizing-Maßnahmen im organisationalen Umfeld abgeleitet, die zur Reduzierung negativer Folgen und zur Optimierung von Downsizing-Prozessen beitragen. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung samt Ausblick.

2 Konzeptionelle Grundlagen

Im Folgenden werden die konzeptionellen Grundlagen zur weiteren Analyse des Untersuchungsgegenstandes vermittelt. Hierzu wird zunächst die Thematik der Führung in der gebotenen Kürze dargestellt. Anschließend wird das organisationale Downsizing detaillierter analysiert.

2.1 Grundlegendes zur Führung

2.1.1 Der Führungsbegriff

Führung ist ein hoch komplexer, mit vielen Widersprüchlichkeiten und Verwertungsinteressen behafteter Untersuchungsgegenstand. Dies wird bereits offensichtlich, wenn man auf der Suche nach einer allgemeingültigen Begriffsdefinition ist. Hierzu listet Neuberger eine Vielzahl von Varianten auf, deren breites, z.T. widersprüchliches Aussagespektrum er auf die verschiedenen Theoriefundamente zurückführt, derer sie entstammen.[10]

Im Verlauf dieser Arbeit soll Führung als eine zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in bzw. mit einer strukturierten Arbeits-situation verstanden werden.[11] In diesem Zusammenhang sind einige zentrale Elemente näher zu beschreiben. Entscheidend ist die Zielorientierung der Führung, weshalb man Führung auch als zielgerichtetes Einflusshandeln bezeichnet.[12] Darüber hinaus vollzieht sich Führung immer im sozialen Rahmen, da eine Führungsnotwendigkeit spätestens dann auftritt, wenn Aufgaben von Personenmehrheiten ausgeführt werden, da diese Vorgänge der Steuerung, Koordination und Überwachung bedürfen.[13] Außerdem unterstützt diese Definition die Fokussierung auf die Analyse von Führung in und von Wirtschaftsorganisationen, folglich im Rahmen einer strukturierten Arbeitssituation.

Die Unterscheidung von Führung in Wirtschaftsorganisationen einerseits und der Führung von Wirtschaftsorganisationen andererseits ist eine ganz wesentliche. Die Führung in Wirtschaftsorganisationen betont mit dem personalen Aspekt die Menschenführung, man spricht im organisationalen Kontext auch von Personalführung. Hier steht die direkte Interaktion zwischen Führer und Geführtem[14] im Vordergrund. Bei der Führung von Wirtschaftsorganisationen, auch Unternehmensführung genannt, steht dagegen die Führung eines organisationalen Gebildes als Ganzes ohne den Fokus auf die soziale Ebene im Mittelpunkt.

WUNDERER schlägt in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen indirekter, strukturell-systemischer Führung auf der einen Seite und direkter, personal-interaktiver Führung auf der anderen Seite vor.[15] Während die erste Dimension eine Einflussnahme durch Kontextgestaltung mit den Ansatzpunkten Kultur, Strategie, Organisation als auch der qualitativen Personalstruktur darstellt, dient die zweite Dimension der Umsetzung struktureller Führung sowie der Feinsteuerung von Verhaltensweisen über direktive, situative und häufig individualisierte Kommunikation.

Sowohl für die Analyse von Führung als auch für den praktischen Einsatz im organisationalen Kontext sind diese zwei Dimensionen allerdings stark miteinander verbunden, weshalb i.d.R. nur eine integrierte, strategische Planung beider Dimensionen zu wirklichem Führungserfolg führt.

2.1.2 Führungstheorien

Führungstheorien sollen Bedingungen, Strukturen, Prozesse, Ursachen und Konsequenzen von Führung beschreiben, erklären und prognostizieren. Dabei kommt vor allem der Erklärungsaufgabe entscheidende Bedeutung zu. Diese ist wiederum auf die Kenntnis aller wesentlichen Führungsvariablen und deren Verknüpfung untereinander angewiesen.[16] Hierzu existieren zahlreiche Ansätze, aber noch kein von allen Seiten allgemein akzeptiertes Konzept.[17] Verbunden mit einer Vielzahl beteiligter Disziplinen an der Führungsforschung fördert dieser Zustand eine Perspektivenvielfalt und somit eine methodische Vielfalt der Erklärungsansätze[18], die zu einem Theoriepluralismus geführt haben, der in Abbildung 1 innerhalb eines Bezugsrahmens dargestellt ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Führungstheorien – Ein Bezugsrahmen[19]

Wie in Abbildung 1 ersichtlich, werden vier grobe Familien von Führungstheorien unterschieden. Die personenzentrierten Erklärungsansätze, die Kontingenz- oder auch Situationstheorien, die Positionstheorien und die Interaktionstheorien der Führung. Im Folgenden wird jeweils ein Vertreter innerhalb der personenzentrierten und der situativen Theorien kurz dargestellt, da sie die Basis für die später dargestellten Führungskonzepte im Downsizing bilden.

Führungstheorien suchen nach einer Erklärung für Führungserfolg bzw. Führungs-effizienz. Der eigenschaftstheoretische Ansatz innerhalb der personenzentrierten Führungstheorien sucht dabei nach Wesenszügen oder Merkmalen der Führungskraft, die erfolgreiche Führung verursachen. Dies ist die älteste und häufig in der Führungspraxis noch dominierende Alltagstheorie.[20] So ging man lange Zeit davon aus, das gewisse Eigenschaften wie Intelligenz, Schulleistung, aber auch sportliche Leistungen oder Faktoren wie die Kooperationsbereitschaft einer Führungskraft gute Indikatoren für Führungserfolg seien.[21] Mittlerweile wird eine solche ‚Theorie des großen Mannes‘ als zu eng gefasst und somit unzureichend angesehen, um Führung und Führungserfolg abzubilden und zu prognostizieren.[22] In diesem Zusammenhang ist die Eigenschaftstheorie allerdings ein Paradebeispiel, wie als überholt geltende Theorieansätze ähnlich den Modeströmungen immer wieder aktuell werden.[23] Ein gutes Beispiel ist hierbei die Theorie der charismatischen Führung, die sich vor allem im Kontext des organisationalen Wandels wie auch dem Downsizing aktuell einer sehr großen Beliebtheit erfreut und in Abschnitt 3.2.2 näher beschrieben wird.

Eine der ersten Erweiterungen dieses eigenschaftsorientierten Führungsansatzes sind die Situationstheorien der Führung. Hier wird davon ausgegangen, dass vor allem Einflussfaktoren einer Handlungssituation den Führungserfolg beeinträchtigen. Das Angebot an Einflussfaktoren ist hierbei nahezu unerschöpflich und die Auswahl der Faktoren hoch selektiv. Dennoch ist die Erweiterung des Theorierahmens sehr wertvoll, indem sie eine Perspektiverweiterung begründet, innerhalb derer es eine Vielzahl weiterer Faktoren gibt, die neben den personalen Eigenschaften das Führungsergebnis beeinflussen. Gerade im organisationalen Kontext ist diese Sicht viel versprechend, da situative Faktoren i.d.R. einfacher zu handhaben und zu ändern sind als personale Eigenschaften.

Interessant für die weitere Analyse ist hierbei vor allem der Systemansatz innerhalb der Situationstheorien, der zu den Makroansätzen gezählt wird. Der Kontingenzrahmen der Führung wird in diesem Zusammenhang so interpretiert, dass in erster Linie nach Rahmenbedingungen gesucht wird, in denen die Organisationsmitglieder eigenverantwortlich und selbstorganisierend agieren können.[24] Im Gegensatz zur Eigenschaftstheorie der Führung ist der Fokus hier auf die indirekte, strukturelle Dimen- sion der Führung gerichtet. Dieser Ansatz bildet die Basis für die unternehmerische Mitarbeiterführung, die in Abschnitt 3.3 beschrieben wird.

2.1.3 Führungsanforderungen im Licht veränderter Umweltbedingungen

Führungsanforderungen sind als diejenigen Charakteristika bzw. Eigenheiten der Führungselemente zu interpretieren, die diese aufweisen müssen, um effektiven Führungserfolg zu gewährleisten. Dabei ist zu beobachten, dass diese Anforderungen an strukturell-systemische und personal-interaktive Führungselemente sehr stark von den zugrunde liegenden Annahmen der Führungstheorien abhängen. So gibt es vor allem im Bereich der personal-interaktiven Führung eine Vielzahl an Führungsstilen[25], die laut der jeweiligen Theorien der Führungskraft in der entsprechenden Situation zum Erfolg verhelfen sollen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich diese Führungsanforderungen, dem Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft folgend, ebenfalls als sehr dynamisch erweisen. Trotzdem lassen sich Führungsanforderungen ausmachen, die eine verstärkte Bedeutung erlangt haben und bei denen dieser Trend auch zukünftig anhalten wird.

Faktoren wie der zunehmende globale Wettbewerb, die Integration der internatio-nalen Märkte, ein Trend zur zunehmenden Arbeitsmarktfähigkeit statt Beschäftigungssicherheit, aber auch ein gesellschaftlicher Wertewandel hin zu mehr hedonistischen Werten und dem Streben nach vermehrter Work-Life-Balance schaffen veränderte Umweltbedingungen für Organisationen. Diese wiederum erhöhen den Druck zur Anpassung des Führungsverständnisses innerhalb dieser Organisationen. Die vielleicht wichtigste Entwicklung ist in diesem Zusammenhang die zunehmende Bedeutung der weichen Faktoren struktureller Führung wie z.B. der Organisationskultur. Laut einer Studie von Wunderer schätzen Führungskräfte deren Bedeutung als Führungsinstrument im Jahre 2010 bereits höher als die der direkten, personalen Einflussnahme ein, deren Bedeutungseinschätzung heute noch stark dominiert.[26]

Auch bezüglich der anderen Pfeiler struktureller Führung gibt es neue Anforderungsprofile. So wird es im Bereich organisationaler Strukturen vermehrt auf laterale Kooperationen ankommen und es werden organisationale Netzwerkstrukturen und Selbststeuerungskonzepte im Mittelpunkt stehen.[27] Dies hat direkte Folgen für die qualitative Personalstruktur als Instrument struktureller Führung. So kommt es hier vor allem darauf an, die Selbstentwicklung der Mitarbeiter zu fördern, eine strukturelle Personalentwicklung auch von Nichtführungskräften zu etablieren und potentielle Motivationsbarrieren der Mitarbeiter systematisch abzubauen.[28] Die Erfolgsaussichten unternehmerischer Veränderung nehmen in dem Maß zu, wie die Unternehmensleitung alle Komponenten der Führung wie Vision und Leitbild, Gesamtstrategie und Unternehmenskultur systematisch und gleichzeitig verbessert.[29] Einige Autoren sprechen bereits von einer zukünftigen Prozessorientierung der strukturellen Führung, die die Aufgabe hat, Kontexte zu schaffen, die Selbstprozesse bei den Geführten erlauben und auslösen, sie kanalisieren und unterstützen.[30]

Da man die personal-interaktive Dimension der Führung als eine Art Umsetzungs- und Feinsteuerungsinstrument der strukturellen Führung ansehen kann, haben die veränderten Führungsanforderungen struktureller Art direkten Einfluss auf die Anforderungen personal-interaktiver Führung. Die Entwicklungen bezüglich dieser Führungsdimension kann man in der Kurzformel ‚Mehr Führung - weniger Management‘ zusammenfassen.[31] Das Rollenverständnis der Führungskraft verschiebt sich von den Funktionen des Anweisens und Delegierens hin zum visionären Handeln und der Ermächtigung der Geführten zu eigenverantwortlichem Handeln. Die Führungskraft selbst agiert mehr und mehr als Personalentwickler ihrer Mitarbeiter, indem sie die Geführten durch anregende Arbeitsinhalte fordert und deren Fähigkeiten vor Ort erweitert. Korrespondierend mit einer zunehmenden Vernetzung vieler gesellschaftlicher Bereiche und der Auflösung ehemals organisationaler Grenzen wird auch die Rolle des Netzwerkers und Schnittstellenkoordinators immer wichtiger.[32]

Auffallend erscheint in diesem Zusammenhang die Diskrepanz zwischen Vision und Wirklichkeit. Während 67% der befragten Führungskräfte innerhalb einer empirischen Studie dem Schaffen von Vertrauen die zukünftig größte Führungsbedeutung im personal-interaktiven Rahmen zuweisen, und noch 42% selbiges der Funktion des Schaffens von Visionen zuschreiben, so sehen sie gleichzeitig diese zwei Kernkompetenzen zukünftig als besonders schlecht erfüllt an.[33] Damit ist mit den Defiziten in den Führungsqualifikationen gleichzeitig ein weiteres zukünftiges Führungsproblem benannt.

Die angesprochenen Aspekte, verbunden mit der steigenden Bedeutung des Management des Wandels und der Paradoxien rückt das Führungskonzept der transformationalen bzw. transformativen Führung in den Mittelpunkt. Der auf diesem Konzept basierende Führungsstil beinhaltet das Aufzeigen von Visionen, die intellektuelle Stimulation der Geführten als auch das Eingehen auf deren individuelle Bedürfnisse[34] und wird in Kapitel 3.2.1 dargestellt.

2.2 Grundlegendes zum Downsizing

Der Trend, Unternehmen aus Effizienzgründen zu verschlanken, kommt wie viele andere Managementkonzepte aus den USA. Wurden dort im Gefolge dieser organisationalen Strategie seit 1979 bereits über 10 Mio. Arbeitsplätze eingespart[35], so sind die Folgen, unterstützt durch verstärkte Privatisierungsanstrengungen und einem stetig intensivierten globalen Wettbewerbsdruck, spätestens seit Beginn der neunziger Jahre auch in Europa zu spüren. Die relative Schwäche des europäischen Arbeitsmarktes verstärkt dabei zusätzlich das Dilemma, welches der hohe Restrukturierungsbedarf hierzulande verursacht.[36] Dienten diese Abbaumaßnahmen einstmals als Mittel zum Zweck für in Schieflage geratene Unternehmen, so sind Massenentlassungen ohne unmittelbaren Handlungsdruck seither zu einer normalen Zeiterscheinung einer Vielzahl von Organisationen in den westlichen Industrieländern geworden.[37] Es ist der rasante Aufstieg dieses Managementkonzepts, der eine weitergehende theoretische Analyse von Downsizing und der Führung dieser Maßnahmen verlangt. Die Verständnisgrundlagen dazu bilden die folgenden Abschnitte.

2.2.1 Der Begriff des Downsizing

Downsizing ist ein Prozess des Personalabbaus im Unternehmen, der durch Intentionalität, Personalreduktion, Effizienzsteigerung und unmittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsprozess gekennzeichnet ist.[38]

Aspekte wie die relativ junge Geschichte des Downsizing, aber auch die Tatsache, dass das Konzept in der Praxis geboren und lange Zeit in der Forschung schlicht ignoriert wurde, erklären die Schwierigkeiten bei der Systematisierung dieser Vorgänge und der Einigung auf eine einheitliche Definition.[39] Dies wird auch an der nahezu unerschöpflichen Fülle von Synonymen deutlich, die sowohl im praktischen Gebrauch als auch in der Theorie für den Downsizing-Begriff auftauchen.[40] Während jeder dieser Begriffe einen spezifischen Schwerpunkt setzt, so bezeichnen sie doch denselben organisationalen Vorgang.[41] Gerade deshalb ist es unerlässlich, die Vorgänge, die sich hinter diesem Begriff verbergen, genauer zu präzisieren. Dieses dient dem inhaltlichen Verständnis, beugt aber auch Missverständnissen vor, indem andere organisationale Veränderungsprozesse klar vom Downsizing abgegrenzt werden.

Wie in der obigen Definition zu erkennen, handelt es sich bei Downsizing um einen Vorgang des Personalabbaus, der darüber hinaus durch weitere Kriterien gekennzeichnet ist. Dieses sind die Intentionalität des Prozesses, die Fokussierung auf die Steigerung organisationaler Produktivität und Effizienz als auch die gewollte oder ungewollte Beeinträchtigung von Arbeitsprozessen. Nicht zu verwechseln ist Downsizing mit organisationalem Niedergang (organizational decline), da dieser i.d.R. nicht intentional geschieht, sondern durch fehlende Aktionen bzw. Reaktionen auf eine sich wandelnde Umwelt bedingt ist.

Weiterhin ist auch die Planung ein Aspekt, der Downsizing von anderen Vorgängen abgrenzt.[42] Dieses, aber auch die Tatsache, dass Downsizing neben dem reinem Personalabbau in aller Regel weitere Reorganisationsmaßnahmen beinhaltet, grenzt es darüber hinaus sowohl von Fehlanpassungen (maladaptation) als auch von reinen Entlassungsvorgängen (layoffs) ab.[43]

Zusammenfassend kann Downsizing also als ein in mehr oder weniger weitreichende Restrukturierungsprozesse eingebetteter Prozess angesehen werden, der das Ziel hat, die Produktivität einer Organisation zu erhöhen, Bürokratie im Unternehmen zu reduzieren, Entscheidungs- und Kommunikationswege zu verkürzen und der dabei die Personalkapazität des Unternehmens, die Kosten und die Arbeitsprozesse beeinflusst.[44]

2.2.2 Ursachen und Ziele von Downsizing

Die Durchführung von Downsizing ist i.d.R. von der Verfolgung zweier Haupt-gruppen von Zielen geprägt, den finanzwirtschaftlichen Zielen auf der einen Seite und den organisationalen Zielen auf der anderen. Bei den finanzwirtschaftlichen Zielen handelt es sich um die Steigerung der organisationalen Effizienz und Produktivität, damit zusammenhängend auch dem Abbau von Gemeinkosten im Personalbereich und der Gewinnsteigerung. Weitere organisationale Ziele sind der Abbau von Bürokratie oder auch die Fokussierung auf schnellere Entscheidungswege und eine verbesserte Kommunikationsarchitektur.[45]

Allerdings ist festzustellen, dass die Steigerung der organisationalen Effizienz im Vergleich zu Wettbewerbern immer das primäre Ziel von Downsizing ist.[46] Folglich ist die Effizienz- und Produktivitätssteigerung noch mehr als der Personalabbau an sich das entscheidende Charakteristikum eines jeden Downsizing-Prozesses. Ursächlich für diesen Druck zu Effizienz- und Produktivitätssteigerungen sind wiederum vier Faktoren.

Der erste ist der rasante Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die dadurch entstehenden Effizienzgewinne in der Informationsverarbeitung verursachen einen enormen Druck zum Personalabbau im mittleren Management.

Zweitens sind Privatisierungsoffensiven und die Deregulierung staatlicher Monopole zu nennen, was in Europa spätestens seit Beginn der neunziger Jahre zunehmenden Handlungsdruck aufbaut. Ein intensivierter globaler Wettbewerb durch die zunehmende Integration der internationalen Waren- und Finanzmärkte ist der dritte Faktor. Verstärkend kommt der Trend des globalen Benchmarking, des Kostenstruktur-vergleichs mit Mitbewerbern aus aller Welt hinzu.[47] Viertens führt die zunehmende Orientierung am Shareholder-Value zu erhöhtem Kostensenkungsdruck, der wiederum oft in Stellenabbaumaßnahmen resultiert.[48]

Neben diesen vier Hauptfaktoren lassen sich weitere Aspekte finden, die Organisa- tionen dazu bringen, einen Personalabbau im Rahmen mehr oder weniger weitreichender Reorganisationsprogramme durchzuführen. Während die obigen Aspekte meist organisationsexterner Natur sind, seien hier beispielhaft strategische Fehler des Top-Managements genannt. Die Bezeichnung „Erfolg verursacht Fehler“[49] steht für ein übersteigertes Selbstvertrauen von Organisationen bzw. der sie führenden Personen in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten. Nicht wenige Beispiele organisationalen Niedergangs sind darauf zurückzuführen, dass es Organisationen in Phasen, in denen noch Spielraum für strategische Korrekturen herrschte, durch mangelnde Weitsicht und Festhalten an bewährten Strategien verpassten, die Grundlagen für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft zu legen.[50]

Resümierend kann man sagen, dass es neben dem obersten Ziel der Steigerung der Effizienz und Produktivität eine Reihe von ursächlichen Faktoren gibt, die den Handlungsdruck zur Durchführung von Downsizing begründen und verstärken. Diese erzeugen einen derart hohen Druck zu Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen, dass sich Downsizing mittlerweile von einer einstmals amerikanischen Modeströmung zu einer Managementmethode globalen Ausmaßes gewandelt hat und als Norm im organisationalen Alltag akzeptiert ist.[51]

Ausschlaggebend für den Erfolg von Downsizing ist aber neben vielen Einflussfaktoren vor allem auch die Wahl der Downsizing-Variante. Die hierbei auftretende Vielfalt der Möglichkeiten wird im Folgenden dargestellt.

2.2.3 Erscheinungsformen von Downsizing

Die Wirkung der Wahl eines ‚falschen Ansatzes‘ bezüglich Downsizing-Maßnahmen ist nicht zu unterschätzen, wenn man in Betracht zieht, dass laut einer Studie der Society for Human Resource Management bei mehr als der Hälfte der teilnehmenden 1.468 Unternehmen mit der Produktivität das erklärte Hauptziel des Downsizing tatsächlich abnahm.[52] Eine Studie der American Management Association kommt zu einem ähnlichen Ergebnis und zeigt, dass lediglich ein Drittel der teilnehmenden Unternehmen steigende Produktivitätsraten zu verzeichnen hatten, dagegen aber nahezu drei Viertel nach dem Downsizing mit einer gesunkenen Arbeitsmoral der Belegschaft kämpften.[53]

2.2.3.1 Drei Implementierungsstrategien

Basierend auf einer empirischen Studie innerhalb der amerikanischen Automobilzulieferindustrie identifizieren Cameron et al. drei verschiedene strategische Grundtypen von Downsizing. Dieses sind der Belegschaftsabbau (workforce reduction), Reorganisation der Arbeit (work redesign) und systemische Veränderungen (systemic changes).[54]

[...]


[1] So hatten laut Cameron 85% aller 1994 in der Fortune 500-Liste der am meisten geschätzten Unternehmen Nordamerikas innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre bereits Downsizing-Maßnahmen durchgeführt und 100% gaben an, dieses in der Periode von 1994 - 1999 zu beabsichtigen. Tendenziell dürfte sich dieser Trend bis dato verstärkt haben und mittlerweile auch die europäischen Unternehmen in ähnlichem Ausmaß erfassen. Vgl. Cameron, Kim S. (1994b), S. 190.

[2] Vgl. Kieser, Alfred (2002), S. 31.

[3] Deal, Terrence; Kennedy, Allan (1999), S. 72.

[4] Vgl. Kieser, Alfred (2002), S. 32.

[5] Vgl. Cameron, Kim S.(1994b), S. 183,

Cameron, Kim S.; Freeman, Sarah J.; Mishra, Aneil K. (1993), S. 20,

Cascio, Wayne F.; Young, Clifford, E.; Morris, James R. (1997), S. 1188,

Whetten, David (1987), S. 354.

[6] Vgl. Cameron, Kim S.; Freeman, Sarah J.; Mishra, Aneil K. (1993), S. 60.

[7] Vgl. Rosen, Robert (1998), S. 226.

[8] Vgl. ebenda.

[9] Murray, Victor M. (1994), S. 1856.

[10] So spricht er davon, dass die Attraktivität der Führungsthematik gerade darin besteht, dass man sie aus einer abstrakten Begriffsdefinition nicht herleiten kann. Eine solche „lexikalische“ Definition würde voraussetzen, dass die zur Bestimmung herangezogenen Grundbegriffe eindeutig sind, was hier nicht der Fall ist. Vgl. Neuberger, Oswald (1995), S. 5.

[11] Vgl. Wunderer, Rolf (1995b), S. 667.

[12] Vgl. Schanz, Günther (2000), S. 651.

[13] Vgl. Schanz, Günther (2000), S. 650.

[14] Ich bitte insbesondere die weibliche Leserschaft um Nachsicht für die einseitige Verwendung der männlichen Wortformen vieler Begriffe. Sowohl das Anhängen weiblicher Wortformen als auch das Ausschreiben beider Formen hätten viele Textstellen umständlich und schwerfällig gemacht und so die Lesequalität der Arbeit gemindert.

[15] Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 5.

[16] Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 271.

[17] Vgl. ebenda.

[18] Vor allem die zwei Hauptstränge der an den Naturwissenschaften angelehnten „exakten“ als auch der hermeneutisch-intuitiven Methoden innerhalb der Führungsforschung seien hier genannt. Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 272.

[19] Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 274.

[20] Vgl. ebenda.

[21] Vgl. Schanz, Günther (2000), S. 663.

[22] Vgl. Staehle, Wolfgang (1999), S. 331f.

[23] Vgl. Neuberger, Oswald (1995), S. 3.

[24] Vgl . Wunderer, Rolf (2003), S. 318.

[25] Unter einem Führungsstil wird hier ein innerhalb von Bandbreiten und Führungskontexten konsistentes, typisiertes und wiederkehrendes Führungsverhalten verstanden. Vgl. Wunderer, Rolf (2003),

S. 204.

[26] Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 532.

[27] Vgl. Schanz, Günther (1994), S. 430.

[28] Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 537.

[29] Vgl. Hinterhuber, Hans; Popp, Wolfgang (1995), S. 130.

[30] Vgl . Probst, Gilbert J.B. (1995), S. 318.

[31] Vgl. Wunderer, Rolf (1995c), S. 482.

[32] Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 538.

[33] Vgl. Wunderer, Rolf; Dick, Petra (2002), S. 168.

[34] Vgl. Wunderer, Rolf (2003), S. 538.

[35] Vgl. Kieser, Alfred (2002), S. 30.

[36] Vgl. Baeckmann, Susanne von (1998), S. 1.

[37] Vgl. Kieser, Alfred (2002), S. 31.

[38] Vgl. Cameron, Kim S. (1994b), S. 192,

Cameron, Kim S; Freeman, Sarah;Mishra, Aneil (1993), S. 24.

[39] Dies liegt u.a. an praktischen Problemen bei der Datengewinnung von Organisationen, die sich in Situationen des Niedergangs, des Schrumpfens oder des Abbaus befinden, als auch an einer gesellschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fokussierung auf Wachstum und Fortschritt, die konträre Vorgänge z.T. schlicht ignoriert. Vgl. Whetten, David A. (1987), S. 338.

[40] Beispielhaft seien hier building-down, compressing, reorganising, downshifting, retrenching, streamlining, re-engeneering und derecruiting als Synonyme für den englischsprachigen Raum und Begriffe wie Verschlankung, Rationalisierung, Umstrukturierung, Abspecken oder Reorganisation als deutschsprachige Synonyme erwähnt. Vgl. Cameron, Kim S. (1994b), S. 192.

[41] Vgl. Cameron, Kim S. (1994b), S. 192.

[42] Vgl. Kets de Vries, Manfred F.R.; Balazs, Katharina (1997), S. 11.

[43] Vgl. Kane, Robert L. (1998), S. 43.

[44] Vgl. Cameron, Kim S. (1994b), S. 194.

[45] Vgl. Burke, Ronald; Cooper, Cary (2000), S. 11.

[46] Vgl. Kets de Vries, Manfred F.R.; Balazs, Katharina (1997), S. 12.

[47] Vgl. ebenda .

[48] Vgl. Kieser, Alfred (2002), S. 31.

[49] Whetten, David (1987), S. 346.

[50] Vgl. Whetten, David (1987), S. 346.

[51] Vgl . Deal, Terrence; Kennedy, Allan (2000), S. 68.

[52] Vgl. Cameron, Kim S.; Freeman, Sarah; Mishra, Aneil (1993), S. 23.

[53] Vgl. Feldman, Stuart (1993), S. 16.

[54] Vgl. Cameron, Kim S. (1994b), S. 197.

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Führungsanforderungen in Downsizing-Prozessen
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Unternehmensführung)
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
51
Katalognummer
V40831
ISBN (eBook)
9783638392556
Dateigröße
727 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit befasst sich mit den speziellen Anforderungen, denen Führung innerhalb von Downsizing-Prozessen gerecht werden muss, um diese zum Erfolg zu führen. Angesichts der Aktualität der Downsizing-Thematik eine wertvolle wissenschaftliche Untersuchung, die neben einem fundierten Analyserahmen auch konkrete praktische Handlungsempfehlungen für die organisationale Praxis bietet.
Schlagworte
Führungsanforderungen, Downsizing-Prozessen
Arbeit zitieren
Nils De Rop (Autor:in), 2004, Führungsanforderungen in Downsizing-Prozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40831

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Führungsanforderungen in Downsizing-Prozessen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden