Wie manipuliere ich Befragungen richtig? Einfluß der Fragebogengestaltung auf die Befragungsergebnisse


Seminararbeit, 2005

27 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Arten und Charakteristika von Befragungen
2.1 Mündliche und schriftliche Befragung
2.2 Unstandardisierte und standardisierte Befragungen

3 Antwortverhalten

4 Fragetypen
4.1 Fragearten: Zweck der Frage
4.2 Fragestellung: direkt - indirekt
4.3 Antwortmöglichkeiten: offene und geschlossene Fragen

5 Formale Fragenkonstruktion und Fragenformulierung
5.1 Inhaltliche und formale Gestaltung von Fragen
5.2 Frageverzerrungen
5.3 Fragenformulierung

6 Fragenreihenfolgeeffekte

7 Fragebogenlänge

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung:

„Ein Weiser gibt nicht die richtigen Antworten, sondern er stellt die richtigen Fragen“[1]. „Frag nur vernünftig, und du hörst Vernünftiges“.[2] Diese Zitate zeigen deutlich, dass man nur bei richtiger Fragestellung brauchbare und vernünftige Antworten erhalten kann. Fragen zählen zu den wichtigsten Instrumenten, die Menschen verwenden um an Informationen zu gelangen. Dabei geht es nicht um die Frage allein, sondern auch um die Antwort, die die Frage ermöglicht oder sie gegebenenfalls sogar vorgibt.[3] Besonders bei den Sozialwissenschaften und im Bereich der Markforschung steigt die Bedeutung der Befragung und der Befragungstechnik. Als hilfreiches Instrument dient hier der Fragebogen, welcher die Untersuchung von Einstellungen, Meinungen, Chancen von Produkten am Markt usw. ermöglicht. Bei der Beurteilung der Qualität einer Untersuchung kommt dem Fragebogen gegenüber dem Interviewer eine größere Gewichtung zu.[4] Die Reliabilität, Validität und Brauchbarkeit der Antworten hängt von der Qualität, dem Aufbau und der Gestaltung des Fragebogens entscheidend ab. Die Konstruktion eines Fragebogens wird ausschlaggebend dadurch geprägt, welche Informationen gesammelt, welche Arten von Aussagen getroffen, wofür und auf welcher Grundlage Validität für die Antworten in Anspruch genommen und in welcher Kommunikations-(Befragungs-)form der Fragebogen verwendet werden soll. Weiter interessiert, welche Determinanten des Antwortverhaltens der Auskunftgebenden in der Befragungssituation mutmaßlich wirksam sind.

2 Arten und Charakteristika von Befragungen

2.1 Mündliche und schriftliche Befragung

In der Konsumgüter- und Meinungsforschung wird häufig das persönliche Interview zur Gewinnung von Informationen verwendet.[5] Mündliche Befragungen können sowohl in unstandardisierter, als auch in standardisierter Form durchgeführt werden. Sonderform des persönlichen Interviews ist die telefonische Befragung. Sie ist gegenüber dem persönlichen Interview kostengünstiger und vermeidet Interaktionsprozesse zwischen der Auskunftsperson und dem Befragendem. Ein weiterer Vorteil liegt in der Erreichbarkeit von Befragten, allerdings beschränkt sich die relevante Stichprobe auf Menschen, die über einen Telefonanschluss verfügen.[6]

Bei einer schriftlichen Befragung füllen die Probanden standardisierte Fragebögen aus. Dabei wird zwischen individual-diagnostischen, deren Ziel es ist Aussagen über einzelne Menschen zu erlangen und demoskopischen Fragebögen, die Aussagen über Gruppen von Menschen anstreben, unterschieden.[7] Die Befragung kann in einer persönlichen Situation, postalisch oder aber auch über das Internet erfolgen. Aufgrund der besseren Vergleichbarkeit und größeren Stichproben werden hier größtenteils geschlossene Fragen angewandt.

2.2 Unstandardisierte und standardisierte Befragungen

Unstandardisierte mündliche Befragungen können in der Form eines freien Interviews abgehalten werden und sind durch freie Formulierung der Fragen durch den Interviewer sowie offene Antwortmöglichkeiten der Befragten charakterisiert. Dadurch kann man den Ablauf der Informationsgewinnung steuern. Dieses Verfahren, bei dem der Fragebogen die Funktion eines Gesprächsleitfadens einnimmt, der weder Art noch Reihenfolge der Fragen bestimmt, wird in der Praxis häufig bei der Durchführung von Expertengesprächen angewendet. Weil der Interviewer bei dieser Art der Befragung einen großen Einfluss auf den Befragten ausübt, woraus sich oft immense Verzerrungen der Antworten ergeben[8], wird auf diese Form der Befragung im Weiteren nicht eingegangen.

Von einer standardisierten Befragung spricht man, wenn der Befragung ein starrer Fragenkatalog zugrunde liegt und der Interviewer keinen Einfluss auf die Reihenfolge und Formulierung der gestellten Fragen hat. Die standardisierte Befragung ermöglicht dem Befragenden nicht, flexibel auf sich ergebende individuelle Situationen zu reagieren, aber sie stellt den Vergleich zwischen den Antworten einer großen Stichprobe her. Weiter reduziert dieses Verfahren den Interviewer-Bias, also Verzerrungen der Ergebnisse, die durch Einflussnahme des Interviewers auf die Befragten bedingt sind. Bei der standardisierten Befragung wird die Befragungstaktik allein durch Gestaltung und Aufbau des Fragebogens determiniert[9], und daher beziehen sich die folgenden Ausführungen dieser Arbeit hauptsächlich auf das standardisierte Interview.

3 Antwortverhalten

Um die Konstruktion und den Aufbau eines Fragebogens verstehen und beurteilen zu können, ist es notwendig sich mit dem Antwortverhalten von Befragten auseinanderzusetzen. Dabei kommen verschiedene Untersuchungen (u. a. von Turner & Fiske (1968), Nowakowska (1971), Kuncel(1973), Schneider-Düker & Schneider (1977) und weitere) zu dem Ergebnis, dass das Verständnis der gleichen Frage von Befragtem zu Befragtem durchaus unterschiedlich sein kann.[10] Dies lässt darauf schließen, dass Fragebeantwortungsprozesse bei Versuchspersonen itemspezifisch verschiedenartig ablaufen. So konnten Turner und Fiske (1968) nachweisen, dass nur ungefähr die Hälfte aller Auskunftgebenden die Frage adäquat im Sinne der Intention des Fragebogens bzw. seiner Konstrukteure beantworteten[11], weil die Probanden unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Fragebogenitems haben. So werden Angaben wie z.B. „oft“, „manchmal“ oder „wenig“ von den Befragten unterschiedlich interpretiert.[12] Zu den verschiedenen Iteminterpretationsabläufen bei den Befragten kommen Antworttendenzen hinzu. Darunter kann man all diejenigen Teile der Antworten verstehen, die nicht durch den subjektiven Fragensachverhalt, sondern durch die Art und Weise der Fragestellung determiniert sind. Antworttendenzen können frageinhaltsorientiert oder antwortsorientiert (im engeren Sinne response sets) sein. Unter ersteres fällt hauptsächlich die soziale Erwünschtheit, es kommt also hierbei zu Antworten, die mit gesellschaftlichen Normen konform gehen. Gründe für dieses Antwortverhalten sind einerseits das Streben nach sozialer Anerkennung und andererseits die befürchteten Konsequenzen bei Offenbarung der wahren Sachverhalte.[13] Bei den response sets werden Antworten mit ganz speziellen Inhalten gegeben, ohne überhaupt die Frage zu berücksichtigen. Darunter fallen auch Bejahungs- bzw. Zustimmungstendenzen (Acquiescence), Verneinungstendenzen, Mittendenzen, Extremtendenzen und Variationstendenzen. Um die Bejahungstendenz in Grenzen zu halten wird empfohlen, Items teils positiv und teils negativ zu formulieren. Dies birgt aber andererseits die Gefahr der doppelten Verneinung, die oft eine Fehlerquelle darstellt. Mittlerweile wird aber speziell die Acquiescence als eigenes Persönlichkeitsmerkmal betrachtet und daher selbst als Fragebogenvariable erhoben.[14] Zu den nicht inhaltsorientierten Antworttendenzen zählt u. a. der Positionseffekt, auf den an späterer Stelle noch näher eingegangen wird. Die dargestellten Verständnisunterschiede und Antworttendenzen stellen für die Zusammenstellung eines Fragebogens ein großes Problem dar und können durch geschickte Zusammenstellung und Formulierung von Fragen allenfalls gemildert, jedoch nicht vollständig verhindert werden.[15]

Die Antwortgenese beschäftigt sich damit, wie eine potentielle Antwort beim Befragten zustande kommt. So hat der Proband verschiedene Möglichkeiten eine Antwort zu generieren, sei es, dass er aus welchen Gründen auch immer nicht bereit ist, den Fragebogen auszufüllen, aus der Befragung aussteigt oder generell die Mitarbeit verweigert und dies zu einer psychologisch unbedeutsamen, willkürlichen Antwort führt. Weiter besteht die Gefahr von vorschnellen Antworten (bevor die Frage vollständig vorgetragen wurde). Es empfiehlt sich daher, die eigentliche Frage erst am Schluss, nach Schilderung des gesamten Sachverhaltes zu stellen.[16] Wird hingegen eine Frage von der Versuchsperson inhaltlich verstanden, kann eine Antwort durch Einbeziehung kognitiver Prozesse (Meinungen, Erfahrungen, Einstellungen usw.) entstehen. Der Befragte kann sich nun für eine subjektiv wahre, eine sozial erwünschte oder für eine Kombination aus beiden Antworten, im Sinne einer zweckmäßig verfälschten, entscheiden.[17] Kann der Befragte die Frage mangels Kriterien für eine der aufgeführten Antwortalternativen nicht beantworten, wählt er einen response set. Man spricht hier von Fragen ohne eindeutige Zieldimension. Ferner kann allerdings auch die Art und Weise der Fragestellung eine sozial erwünschte Antwort hervorrufen, wenn sie eine große Suggestivwirkung auf den Befragten ausübt. Als Informationsquelle für die Generierung von Antworten werden auch die Antwortalternativen selbst herangezogen. So nehmen die Befragten häufig an, dass der Wertebereich der Alternativen die Verteilung des z.B. erfragten Verhaltens wiederspiegele. Das typische Verhalten wird dann von den Probanden im mittleren Bereich der Verhaltenshäufigkeit angenommen, an dem sie ihr eigenes Verhalten orientieren.[18] Insgesamt sollte bei der Konstruktion eines Fragebogens darauf geachtet werden, dass die gestellten Fragen valide Antworten generieren, da die Untersuchenden von vornherein nicht wissen, um welchen Typ Antwort es sich bei den vorliegenden handelt.[19]

Gibt ein Proband eine aus seiner Sicht subjektiv richtige Antwort, aktiviert er bestimmte, mit der Frage in Zusammenhang stehende Gedächtnisinhalte um zu einer Antwort zu gelangen. Hierbei kann ein Fragebogenkonstrukteur durch richtige Manipulation der Fragenstellung wichtige Hilfestellung leisten. Untersuchungen von Cannel et. al. haben gezeigt, dass Fragen im Probanden die bei Beantwortung ablaufenden Gedächtnisabläufe zielgerichtet stimulieren müssen. So startet eine Gedächtnisspur nicht beim subjektiv wahren, sondern bei dem vom Befragten erlebten kognitiven Sachverhalt. Mit anderen Worten: der erfragte, erlebte Sachverhalt, ist im Gedächtnis der Versuchsperson auf bestimmte, dem Fragensteller unbekannte, Art und Weise kodiert. Um beim Befragten eine valide Antwort zu generieren, muss es dem Untersuchenden gelingen, durch seine Fragestellung die relevanten Gedächtnisinhalte zu aktivieren. So können Befragte z.B. zahnärztliche Behandlungen unter „schmerzhaften Erfahrungen“ oder „finanziellen Belastungen“ gespeichert haben. Die Kunst des Fragenstellers ist es nun eine Frage zu konstruieren, die möglichst viele alternative Vorstellungen eines Sachverhaltes beinhaltet. So wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, beim Befragten die richtigen Gedächtnisinhalte zu aktivieren. Fragt man bspw. nicht nur nach Krankheiten, sondern gibt gleichzeitig noch verschiedenartige Symptome zu bedenken, erhöht sich die von Versuchspersonen genannte, Anzahl der Krankheiten.[20] Weiter ist anzunehmen, dass die Versuchspersonen für ihre Urteilsbildung nicht alle relevanten, sondern nur die am schnellsten verfügbaren Informationen heranziehen und die Suche nach weiteren Informationen abbrechen sobald aus ihrer Sicht ein subjektiv richtiges Urteil möglich ist. Häufig sind dies gemäß dem „recency Prinzips“ die Informationen, die für die Beantwortung vorausgegangener Fragen benötigt wurden. Dadurch sind sie im Gedächtnis der Probanden aktiviert und gegenüber anderen Informationen kognitiv leichter verfügbar.[21] Dies kann sich der Fragebogenkonstrukteur zu Nutze machen, indem er bei den Versuchspersonen die Gedächtnisinhalte aktiviert, die zur Beantwortung der Frage relevant sind und ihnen keine Informationen gibt, die sie evtl. schon haben.

[...]


[1] Claude Levi-Strauss (*1908), frz. Anthropologe.

[2] Euripides (480 - 407 v. Chr.), griechischer Tragödiendichter.

[3] Vgl. Friedrichs (1985), S. 192.

[4] Vgl. Kastin (1995), S. 92.

[5] Vgl. Nieschlag, Dichtl, Hörschgen (1999.), S. 738.

[6] Vgl. Nieschlag, Dichtl, Hörschgen (1999), S. 742.

[7] Vgl. Tränkle (1983), S. 223.

[8] Vgl. Nieschlag, Dichtl, Hörschgen (1999), S. 742.

[9] Vgl. Nieschlag, Dichtl, Hörschgen (1999), S. 738.

[10] Vgl. Turner, Fiske (1968), S. 297, vgl. auch Tränkle (1983), S. 229.

[11] Vgl. Turner, Fiske (1968), S. 311.

[12] Vgl. Tränkle (1983), S. 229.

[13] Vgl. Schnell, Hill, Esser (1999), S. 332.

[14] Vgl. Tränkle (1983), S. 231.

[15] Vgl. Tränkle (1983), S. 230.

[16] Vgl. Tränkle (1983), S. 261.

[17] Vgl. Tränkle (1983), S. 233.

[18] Vgl. Schwarz, Strack, Hippler (1991), S. 177-178.

[19] Vgl. Tränkle (1983), S. 234-235.

[20] Vgl. Tränkle (1983), S. 236-237.

[21] Vgl. Schwarz, Strack, Hippler (1991), S. 181.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Wie manipuliere ich Befragungen richtig? Einfluß der Fragebogengestaltung auf die Befragungsergebnisse
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Fachbereich für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
27
Katalognummer
V40884
ISBN (eBook)
9783638392860
ISBN (Buch)
9783638655804
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Seminararbeit im Wahlfach Marketingtheorie an der Johannes Gutenberg Universität Mainz im Sommersemester 2005
Schlagworte
Befragungen, Einfluß, Fragebogengestaltung, Befragungsergebnisse
Arbeit zitieren
Lars Obernberger (Autor:in), 2005, Wie manipuliere ich Befragungen richtig? Einfluß der Fragebogengestaltung auf die Befragungsergebnisse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40884

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