Unmittelbar nach der Thronbesteigung Wilhelm II. (1888), der als Flottenkaiser verstanden werden wollte, trieb er eine Politik voran, deren Leitlinien durch seine starken navalistischen Tendenzen geprägt waren. Inspiriert durch den Kerngedanke des amerikanischen Admirals T. Mayan „Seemacht bedeutet Weltmacht“, war es das Hauptziel des Kaisers, eine starke Schlachtflotte aufzubauen. Die Flotte richtet sich aber nicht nur gegen das Mutterland des Empires, also England; sondern sie war eben auch ein multifuktionelles Instrument. Der Kaiser sah in der Flottenpolitik eine Konvergenz von Innen- und Außenpolitik, wobei die Hauptfunktionen der Schlachtflotte darin bestanden, erstens die Küste Deutschlands zu verteidigen; zweitens den Handel und die Kolonien zu schützen; drittens ein patriotisches Identifikationssymbol zu stiften; viertens innenpolitische Krisen zu bewältigen und letztendlich Deutschland mehr Gewicht auf der politischen Weltbühne zu geben.
Gleich am Anfang seiner Regentschaft versprach der Kaiser den Deutschen „herrliche Zeiten“ mit der Zukunft der Nation „auf dem Wasser“ liegend, aber er führte sie in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Ein wesentlicher Faktor für den Untergang des Reiches lag in der Navalisierung der deutschen Politik. Doch das Zusammenwirken von Wilhlems Charakter, der Machtkonstellation um den Kaiser, des seltsamen Verhältnisses mit England, des Weltmachtstrebens sowie der internationalen Spannungen jener Zeit hatte den Navalisierungsprozess in einem fünfjährigen Zeitraum (1897-1902) zwangsläufig beschleunigen müssen.
Natürlich ist diese Diplomarbeit kein Ersatz für detaillierte Darstellungen der kaiserlichen Flotte von der Thronbesteigung des Kaisers bis zum Ende des Deutschen Reiches; und zwangsläufig bleiben viele Dimensionen der Flottenpolitik in diesem Beitrag unberücksichtigt. Doch diese Arbeit bietet den Lesern einen Blick auf neue Aspekte der kaiserlichen Flottenpolitik, die historischen und wissenschaftlichen Darstellungen bisweilen fehlen. Eine Betonung liegt hier darauf, den bereits historisch bereiteten Boden für eine eigentliche Navalisierung der deutschen Politik zu beleuchten, die kulturelle und literarische Seite der Flotten zu zeigen, sowie die Pläne des Kaisers für eine Landinvasion der USA darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Bemerkungen
- Teil I: Die Flotte: Ein soziales Identifikationsobjekt der Deutschen
- 1.1 Politikpsychologisches Identitätssymbol einer verspäteten Nation
- 1.2 Die Ästhetisierung der deutschen Flotte
- Teil II: Die Flotte: Das personalisierte Instrument Kaiser Wilhelm II.
- 2.1 Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich
- 2.1.1 Innenpolitisches Kampfinstrument gegen die Sozialdemokraten (SPD)
- 2.1.2 Ein Platz an der Sonne: Zukunft durch Expansionismus
- 2.1 Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich
- Abschließende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht die Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich von 1890 bis 1918. Sie beleuchtet, wie die Flotte nicht nur ein militärisches Instrument, sondern auch ein soziales und politisches Identifikationsobjekt für die Deutsche Nation war. Die Arbeit analysiert die Verbindung zwischen der Flotte und dem Aufstieg des deutschen Imperialismus sowie die Bedeutung des Navalismus für die deutsche Innen- und Außenpolitik.
- Die Flotte als Identifikationsobjekt für die deutsche Nation
- Die Flotte als Instrument der deutschen Machtpolitik
- Die Flotte und der Aufstieg des deutschen Imperialismus
- Der Einfluss der Flotte auf die deutsche Innenpolitik
- Der Navalisierungsprozess und die Spannungen mit Großbritannien
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitende Bemerkungen
Die Einleitung beginnt mit der Analyse einer satirischen Karikatur aus der englischen Zeitschrift „Punch“, die den Abgang Otto von Bismarcks vom „Staatsschiff“ darstellt. Die Arbeit stellt die These auf, dass die Karikatur nicht nur metaphorisch für den Abschied von Bismarck, sondern auch für seine Ablehnung der kaiserlichen Flottenpolitik steht. Sie beleuchtet den Konflikt zwischen Bismarck und Kaiser Wilhelm II. hinsichtlich der Rolle der deutschen Flotte.
Teil I: Die Flotte: Ein soziales Identifikationsobjekt der Deutschen
1.1 Politikpsychologisches Identitätssymbol einer verspäteten Nation
Dieses Kapitel untersucht die psychologische Bedeutung der Flotte als Identifikationsobjekt für die deutsche Nation. Es analysiert den Wunsch nach einer starken Flotte als Ausdruck des deutschen Strebens nach Anerkennung und Macht auf der Weltbühne. Die Arbeit beleuchtet die Rolle der Flotte im Kontext der deutschen „Spätnation“, die sich im Vergleich zu anderen Großmächten im 19. Jahrhundert noch in einem Prozess der nationenbildung befand.
1.2 Die Ästhetisierung der deutschen Flotte
Dieses Kapitel konzentriert sich auf die ästhetische Dimension der deutschen Flotte. Es beleuchtet, wie die Flotte in Kunst, Literatur und Musik zum Ausdruck der nationalen Größe und Stärke eingesetzt wurde. Die Arbeit zeigt die Propagandafunktion der Flotte und ihre Bedeutung als kulturelles Symbol für das deutsche Volk.
Teil II: Die Flotte: Das personalisierte Instrument Kaiser Wilhelm II.
2.1 Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich
Dieses Kapitel beleuchtet die Bedeutung der Flotte für die deutsche Politik unter Kaiser Wilhelm II. Es zeigt auf, wie der Kaiser die Flotte als Instrument seiner Machtpolitik und zur Durchsetzung seiner außenpolitischen Ziele einsetzte.
2.1.1 Innenpolitisches Kampfinstrument gegen die Sozialdemokraten (SPD)
Dieses Kapitel analysiert die innenpolitische Funktion der Flotte als Kampfinstrument gegen die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD). Die Arbeit zeigt die Strategie des Kaisers, die Flotte als Symbol der nationalen Einheit und Stärke zu nutzen, um die SPD zu diskreditieren.
2.1.2 Ein Platz an der Sonne: Zukunft durch Expansionismus
Dieses Kapitel untersucht die Rolle der Flotte im Kontext des deutschen Imperialismus. Es beleuchtet, wie die Flotte als Instrument zur Durchsetzung der deutschen Kolonialpolitik eingesetzt wurde und die Ambitionen des Kaiserreichs auf eine weltweite Hegemonie unterstützte.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema des deutschen Navalismus, der deutschen Flottenpolitik und der Bedeutung der Flotte im Kaiserreich. Zu den wichtigsten Schlüsselbegriffen zählen: Kaiser Wilhelm II., Otto von Bismarck, deutsche Nation, Identifikationsobjekt, Imperialismus, Expansionismus, Weltmachtstreben, Navalisierung, Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).
- Arbeit zitieren
- John Goodyear (Autor:in), 2003, Navalismus: Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40956