Navalismus: Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich


Bachelorarbeit, 2003

53 Seiten, Note: A ++


Leseprobe


Inhalt

Einleitende Bemerkungen

Teil I: Die Flotte: Ein soziales Identifikationsobjekt der Deutschen
1.1 Politikpsychologisches Identitätssymbol einer verspäteten Nation
1.2 Die Ästhetisierung der deutschen Flotte …

Teil II: Die Flotte: Das personalisierte Instrument Kaiser Wilhelm II.
2.1 Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich
2.1.1. Innenpolitisches Kampfinstrument gegen die Sozialdemokraten (SPD) ...
2.1.2 Ein Platz an der Sonne: Zukunft durch Expansionismus

Abschließende Bemerkungen

Literaturverzeichnis

Einleitende Bemerkungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Lotse geht von Bord

Karikatur in der englischen Zeitung

Punch (1890)[1]

Am 29. März 1890 ist die Karikatur „ Der Lotse geht von Bord “ (anders als die englische Version: „ Dropping the Pilot[2]) in der britischen satirischen Wochenzeitschrift Punch erschienen. Es handelt sich dabei um eine Karikatur, die das Ende der Bismarck‘schen Kanzlerschaft am 18. März 1890 darstellt. Diese Karikatur ist sehr oft interpretiert worden, wobei der Umstand immer betont worden ist, dass es sich auf den Abschied Bismarcks vom Staatsschiff und den Regierungs-

aufgaben bezieht[3]. Da es sich aber um eine satirische Karikatur des Punch handelt, könnte vermutet werden, dass sie nicht nur im allgemeinen metaphorischen Sinne ein Staatsschiff darstellt, sondern zudem auch das Symbol der kaiserlichen Flottenpolitik, von der sich der Reichskanzler Otto von Bismarck verabschiedet, weil er mit dem Flottenprojekt des Kaisers nichts zu tun haben will. Wie aus der Sekundärliteratur über Bismarck hervorgeht, liegt die Vermutung nahe, dass der Abgang Bismarcks vom Staatsschiff nicht allein auf die Flottenpolitik zurückzuführen ist, sondern auf andere Faktoren. Unter anderem wären der negative Einfluss des Kreises der Bismarck-Gegner im Dienste des Kaisers zu nennen, sowie der offene Konflikt zwischen Kaiser und Kanzler über den Bergarbeiterstreik (1889) und die Meinungsverschiedenheit in den Fragen der Sozialgesetzgebung und der Sozialistengesetze. Neben diesen Gründen lässt sich im Zusammenhang mit der Illustration von Sir John Tenniel ein von den Historikern quasi unberücksichtigter weiterer Hauptfaktor für Bismarcks Rücktritt feststellen: Der Meinungskonflikt zwischen Kaiser und Reichskanzler zur Rolle der deutschen Flotte. Auf der einen Seite vertritt Bismarck ungefähr seit 1880 die These der „ jeune école[4], dass die Grösse der Flotte auf ein Minimum beschränkt sein solle, damit sie lediglich zur Küstenverteidigung diene. Er befürwortet den rein pragmatischen Einsatz der deutschen Flotte zum Schutz der Küste, aber er wendet sich gegen einen Ausbau der Flotte aus imperialen Gründen; daher will Bismarck keinen Navalismus. Zur Untermauerung des Bismarck‘schen Standpunktes in der Flottenpolitik braucht man nur die Worte Wilhelm Treues aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung anzuführen:

„Die Zukunft Mitteleuropas [aus der Sicht Bismarcks] hat wohl nicht wirklich „auf dem Wasser“ oder in einer imperialen Existenz nach der Art Großbritanniens und Frankreichs, sondern stets auf dem Weltmarkt gelegen […] . Auch die Flottenpolitik ist letzten Endes europäischen motiviert gewesen und hat mehr das „Nasse Dreieck“ der Nordsee als den Atlantik oder gar den Pazifik im Auge gehabt“[5]

Treue argumentiert, dass Bismarck als Reichskanzler eines „ europäisch orientierte [n] Staat [es]“[6] dem Handel einen höheren Stellenwert beimisst, aber er strebt nicht nach einer deutschen Seegeltung in der Art der größten Seemächte zu der damaligen Zeit (Großbritannien und Frankreich[7]). Im entgegen steht der Kaiser mit einem ausgeprägten Militarismus und einer ausgesprochenen Marinebegeisterung, die – um es mit den Worten Röhls zu sagen – „ den Ausgangspunkt eines atemberaubenden langfristigen Strebens [bildete] , das deutsche Kaiserreich zur ersten Großmacht der Welt – zur europäischen Welt – zu erheben[8]. Es ist hinlänglich bekannt, was aus dieser Weltvorstellung Kaiser Wilhelms II. wurde: Eine Navalisierung[9] der deutschen Innen- und Außenpolitik, die zum tödlichen Antagonismus mit Großbritannien führen musste. Doch das Zusammenwirken von Wilhelms Charakter, der Machtkonstellation um den Kaiser, des seltsamen Verhältnisses mit England, des Weltmachtstrebens sowie der internationalen Spannungen jener Zeit hatte den Navalisierungsprozess in einem fünfjährigen Zeitraum (1897-1902) zwangläufig beschleunigen müssen. Wie diese Arbeit darstellen wird, hat die kaiserliche Flotte eine innenpolitische Funktion als auch eine außerordentlich wichtige Funktion im politikpsychologischen Bereich. Weiterhin ist sie auch für den kulturellen und auch für den wirtschaftlichen Bereich bedeutend.

Der Schwerpunkt dieser Facharbeit liegt auf der Rolle der Flotte im Kaiserreich im Zeitalter des Navalismus. Die Arbeit konzentriert sich vor allem auf einen speziellen Zeitraum von fünf Jahren (1897-1902), nämlich auf die Zeitspanne, während die eigentliche Durchführung des kaiserlichen Flottenprojektes erfolgte. Drei Ereignisse in der navalistischen und imperialistischen Geschichte des Kaiserreiches machten das Jahr 1897 zu einem Schlüsseldatum in der kaiserlichen Marinegeschichte: Die Ernennung Admiral Alfred Tirpitz[10] zum Staatssekretär im Reichsmarineamt am 15. Juni 1897, das vom Admiral eingebrachte Flottengesetz und die oft zitierte „ Platz an der Sonne “-Rede von dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Bernhard Bülow[11] am 6. Dezember 1897. Man könnte sagen, dass dieser Ablauf von Ereignissen der eigentliche Beginn einer bewusst betriebenen Navalisierung war – ein Unternehmen, das nur zwei Jahrzehnte später nicht nur zur Selbstzerstörung des wilhelminischen Traumes, sondern auch zur der des Deutschen Reiches führte.

Diese Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile. Unter dem Oberbegriff „Die Flotte: Ein soziales Identifikationsobjekt der Deutschen“ wird im ersten Teil der Versuch gemacht, zu zeigen, dass sich hinter der Flottenbegierigkeit des Kaisers auch ein konkretes Ziel für die Marine verbirgt; nämlich die Stiftung eines deutschen Identifikationsobjekts, das alle Volksschichten begeistern sollten. Zum Schluss dieses Teiles wird bewiesen werden, dass die deutsche Flottenpolitik zu der Zeit des Flottenkaisers ästhetisiert worden ist. Sie wurde zum Objekt der Literatur, Musik, Mode und Kunst. Zu diesem Zwecke wird erstens ein Flottengedicht von 1848 analysiert, um zu zeigen, dass es tatsächlich eine Literarisierung der deutschen Flotte vor der Thronbesteigerung Kaiser Wilhelms (1888) gegeben hat. Zweitens wird die Flotte selbst als Thema der Musik unter die Lupe genommen; das bekannteste Beispiel liefert hier Emil Walthers „ Deutsches Flottenlied “ und seine Klaviervertonung des Schäfenacker-Gedichtes über die deutsche Marine. Es stellen sich an dieser Stelle die Fragen: Wie tritt die Flotte als musikalisches Leitmotiv in diesem berühmten Musikstück auf? Was für eine musikalische Vorstellung bekommt der Zuhörer von der kaiserlichen Flotte? Und schließlich gehört zum Phänomen der Ästhetisierung der deutschen Marinepolitik auch die sogenannte Piktoralisierung. Um die Frage zu beantworten, auf welche Art und Weise damals die Flotte bildlich dargestellt wurde, sollen aussagekräftige Beispiele hinzugezogen und analysiert werden.

Im zweiten Teil dieser Arbeit soll ein weiterer bedeutender Aspekt untersucht werden. Diskutiert wird die Marine als ein personalisiertes Instrument des Kaisers. Dieser Teil beschäftigt sich mit der eindeutigen Rolle der Marine im persönlichen Regiment des Kaisers. Daher wird auf die ganz allgemeine Rolle der Flotte in dem Rahmen des oben festgesetzten Zeitraumes eingegangen werden. Anhand zweier Beispiele im Bereich der Innen- und Außenpolitik wird nochmals versucht werden, die Rolle der Flotte genauer zu definieren. In den abschließenden Bemerkungen wird der Frage nachgegangen werden, welche Rolle der kaiserlichen Flotte tatsächlich zugeschrieben werden kann. Es wird letztendlich aufgezeigt, dass die Wichtigkeit dieser Frage gar nicht genug eingeschätzt werden kann, wenn es darum geht, die Beweggründe für eine bewußt betriebene Navalisierung der deutschen Politik zu verstehen.

Teil I: Die Flotte: Ein soziales Identifikationsobjekt der Deutschen

1.1 Politikpsychologisches Identitätssymbol einer verspäteten Nation

Zu einer der wichtigsten Hauptaufgaben der Nationalbildung, so Wehler, gehört die Stiftung von Identifikationsobjekten, denn „ die neue nationale Welt [muss] wirkungsvoll symbolisch repräsentiert, die Nation mental und emotional erfahrbar gemacht werden[12]. Der Nationalstaat Deutschlands bildete nach seiner vergleichsweise späten Geburt keine Ausnahme zu dieser Regel und benötigte ebenfalls die besagten Identifikationssymbole. Doch 1888, als Kaiser Wilhelm II. den Thron bestieg, war er der tiefsten Überzeugung, dass das deutsche Reich immer noch nicht existiere. Nach seiner Einschätzung brauchte es Symbole, mit denen sich die Deutschen identifizieren konnten. Nicolaus Sombart unterstützt diese These in einem FAZ -Zeitungsartikel: „ Der Kaiser ging davon aus, dass es das „Reich“ überhaupt noch nicht wirklich gab. Man mußte es erfinden. Darin sah Wilhelm seinen historischen Auftrag[13]. Aus diesem einfachen Grunde brauchte der Kaiser Symbole. Wenn man den Standpunkt Sombarts annimmt, drängt sich die Frage auf, welches symbolträchtige Instrument den Traum deutscher Größe und deutscher Einigkeit in dieser „ verspäteten Nation[14] erfüllen mochte, um den Nationalstaat Deutschlands zu erfinden? Die Antwort lag letztendlich in einem Instrument: der Marine. Es ist historischen Quellen und zeitgenössischer Literatur zu entnehmen, dass im deutschen Reich binnen kürzester Zeit grosse Begeisterung für das nationale Flottenprojekt aufflammte. Golo Mann unterstützt diese These in seinem Beitrag über die deutsche Geschichte: „ Das Flottenprogramm fand beim breiten Bürgertum begeisterte Aufnahme[15] Die Tatsache, dass 1899, nur zwei Jahre nach der Implementierung einer bewusst betriebenen Flottenpolitik, 600 000 Mitglieder aus allen Volksschichten dem Deutschen Flottenverein beitraten, darunter zahlreiche angesehene deutsche Wissenschaftler, Historiker und Schriftsteller, die sich im gleichen Jahr für das Vorhaben „ Für eine deutsche Flotte “ in Gestalt einer Unterschriftssammlung aussprachen, beweist diese Welle von Masseneuphorie für die Flotte. Wie kam es aber, dass die Flotte überall populär gemacht werden konnte?

Der Schlüssel für die Antwort auf diese Fragestellung liegt nicht nur in der Flottenpropaganda eines Admiral Tirpitz, von dieser wird später noch die Rede sein, sondern de facto in dem Streben nach einer nationalen Einheit Deutschlands. Rein politisch gesehen steht das 19. Jahrhundert im Zeichen des aufkommenden Phänomens des Nationalstaats. Nach England und Frankreich gründeten sich Italien (1861) und Deutschland (1871) als Nationalstaaten. Man spricht von der Geburt des deutschen Nationalstaates eher als verspätet. Allerdings noch älter als das Nationalstaatprinzip ist die Begeisterung für die Schaffung eines einigen Deutschen Reiches verbunden mit dem Streben nach einer starken deutschen Flotte. Diese These lässt sich vor allem von einem FAZ -Artikel von dem Bismarck-Forscher Schüßler ableiten:

„Seit 1848 ist deutsche Einheit und deutsche Seegeltung für die Nation fast identisch. Und als das Reich gegründet war, gab es zwar preußische, bayerische Kontingente, aber nur eine deutsche Flotte. So ist die Tragödie der deutschen Flotte zugleich diejenige des deutschen Bürgertums und Volks“[16]

In der Flotte, so Schüßler, realisiert sich eine Art nationaler deutscher Einheit, doch abgesehen von der Flotte, sah die Wirklichkeit ganz anders aus: Im Spannungsfeld zwischen katholisch geprägtem Bayern und protestantischen geprägtem Preußen gab es oft Widerstreit hinsichtlich der sehr unterschiedlichen Weltvorstellungen. Das Datum 1848 sei hier besonders hervorgehoben, weil es den historischen Zeitpunkt der deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche im Mai 1848, sowie die mehrheitlich von 585 gewählten Volksvertreter unterstützte Bewilligung der Nationalflotte im selben Jahr markierte. In diesem Zusammenhang könnte argumentiert werden, dass das Streben der Nationalisten nach deutscher Seegeltung und deutscher Einigkeit die Grundlage bot, auf der sich ein Flottenaufbau realisieren ließ. Oder anders gesagt: Der deutsche Flottenpolitikkurs und die Entwicklung des Nationalstaates befanden sich quasi auf dem gleichen Wege, der mit der Navalisierung der deutschen Politik unter Kaiser Wilhelm II. seinen Höhepunkt fand. Als Beweis für die Verbundenheit des nationalen Prinzips mit der Marine mögen die Worte Buchheims stehen, die den Eindruck hervorrufen, dass der Kaiser sowohl die Flottenbegeisterung früherer Zeiten als auch den Nationalismus ausgenutzt haben mag:

Die Flotte war […] tatsächlich eine Sache, die mit der Reichsgründung und Reichsgesinnung zusammenhing […] . Die Marine war […] mit dem nationalen Prinzip und der neuen Reichswirklichkeit verbunden[17].

Da die Flotte, wie bereits aufgezeigt und nachgewiesen wurde, schon seit 1848 einen hohen Symbolwert in der Bevölkerung als ein Objekt der nationalen Einheit genossen hatte, könnte angenommen werden, dass die Vorbedingungen für eine Navalisierung der deutschen Politik nach jenem Drei-Kaiser-Jahr (1888) gegeben waren, um die Marine als nationales Projekt erfolgreich zu präsentieren.

Wie und warum ist die Flotte zu einem politikpsychologischen Identitätssymbol einer verspäteten Nation geworden? Der erste Grund ist natürlich, wie schon eingangs erwähnt, dass die Nationalflotte schon im Unterbewußtsein der Deutschen als ein Instrument der nationalen Einheit präsent war, als Kaiser Wilhelm II. den Thron bestieg. Ein weiterer Grund, der nicht außer Acht gelassen werden sollte, taucht bei Krockow auf:

„Die Marine war nicht nur der Ausdruck eines neuen Nationalbewußtsein, sondern zugleich der Beweis für technische Leistungsfähigkeit und Modernität. […] . Die Marine dagegen [im Gegensatz zu der Armee] stellte sich als Ingenieursmodernität dar, als die Macht aus Maschinen: nicht als die Nostalgie, sondern als die Zukunft der Gewalt“[18].

Betrachtet man die Kernaspekte der Argumentationslinie Krockows, dann wird deutlich, dass die Marine nicht nur ein Identifikationsobjekt darstellte, um ein deutsches Nationalbewußtsein zu erwecken, sondern auch ein wirtschaftspsychologisches Identitätssymbol einer führenden Industrienation. Man sollte auch nicht vergessen, dass das deutsche Reich England in der Weltwirtschaft in den Jahren 1871 bis 1911 einholte; Deutschland wird – um es mit dem amerikanischen geprägten Wirtschaftsbegriff auszudrücken: – zu einem führenden Global Player in den Bereichen der elektronischen Industrie, der chemischen Industrie und des Maschinenbaus. Es läßt sich daraus interpretieren, dass die Flotte „ Made in Germany[19] deutsche Innovation und technische Überlegenheit im Bereich Maschinebau und Schiffbau symbolisierte, die den letzten Stand der Technik reflektieren sollte.

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u Allerdings steht im Mittelpunkt des Arguments Krockows die These, dass die Flotte, also das wilhelminische Traumprojekt, letztendlich nicht ein Kriegsinstrument war, sondern ein Riesenspielzeug des Kaisers. Sie sollte nicht mit der englischen Seemacht ersten Ranges, so Krockow, Kriege führen, sondern in erster Linie der britischen Marine Paroli bieten. Krockow fügt hinzu:

„Er [Kaiser Wilhelm II.] betrieb Symbolpolitik. Im Grunde war seine Vision nicht die blutige Entscheidungsschlacht, sondern die gemeinsame Flottenparade, bei der der englische König in deutscher und der Kaiser in britischer Admiraluniform auftrat. […] . Darum war in seinen Augen die Flotte eigentlich nicht dazu bestimmt, dereinst vor Helgoland zu siegen oder unterzugehen, sondern dazu, die kaiserliche Macht zur Schau zu stellen. Und warum denn nicht? Symbole sind wichtig und bewegen die Herzen[20]

Dass sich die kaiserliche Flotte als ein sogenanntes Riesenspielzeug definieren läßt, liegt dem eigentlichen Charakter des Kaisers zugrunde. Röhl bestätigt in seiner Biographie, dass der Kaiser ganz und gar von kindischen Spielen besessen war. Zur Unterstützung dieser Argumentationslinie zitiert Röhl das Tagebuch des Vize-Admirals Paul Hoffmann vom 23. Oktober 1889, das während einer Mittelmeerreise entstand: „ Dieses Spiel [Bleiglatt] wird bis zur Erschaffung betrieben und ich habe absolut keinen Sinn dafür. Auch allen anderen Teilnehmern ist es auf die Dauer herzlich langweilig geworden, aber der Kaiser ist unermüdlich[21]. Den Tatsachen entsprechend, dass der Kaiser ganz und gar von kindischen Spielen besessen war und er eine große Marineaffinität besaß, läßt sich vermuten, dass die Marine ein Riesenspielzeug des Kaisers darstellte. Vor allem ist Christian Graf von Krockow nicht der erste Historiker, der die Flotte des Kaisers mit einem Spielzeug vergleicht. Schon im Jahre 1983 verweist Golo Mann auf „ ein Spiel. Aber mit schwerem Spielzeug[22]. Es wäre hier zu bemerken, dass Krockow in seinem Beitrag fast auf die gleiche Stoßrichtung von Golo Mann zurückgreift: Beide Historiker sprechen von der gleichen Vorstellung des Kaisers in bezug auf die Flotte und belegen ihre Argumentation mit denselben Beispielen. Um nur ein paar anzuführen: der Austausch von Marinenuniformen und die gemeinsamen Flottenveranstaltungen der britischen und deutschen Marine gelten hier als wichtige Bestandteile.

[...]


[1] Die Quelle des Bildes „Der Lotse geht von Bord“: Aus dem Internet: http://mitglied.lycos.de/TicoFluck/bismarck/Bismarck2.html [Zugang: 3. März 2003, 14 Uhr 17]

[2] Röhl, John C. G.: Wilhelm II.: Der Aufbau einer Persönlichen Monarchie 1888-1900. München 2001, S.612.

[3] Vgl. Berhorst, Robert: Otto von Bismarcks Entlassung. Im Internet: http://www.erziehung.uni-giessen.de/studis/Robert/bismar4.html. Giessen 2003. [Zugang: Donnerstag, den 6. März 2003, 22 Uhr 10]

[4] Unter dem Begriff jeune école (frz.: neue Schule) versteht man eine Denkrichtung in der Flottenpolitik, die besagt, dass die technischen Eigenschaften der Kampfsysteme einen höheren Stellenwert haben als die taktischen Gegebenheiten. Leo Graf von Caprivi hat diese Linie in der Flottenpolitik von 1883-88 verflochten, die von Otto von Bismarck unterstützt wurde, indem er sich den Fokus der Marinerüstung auf den Bau von Torpedobooten zum Schutz der langen deutschen Küste verschob.

[5] Treue, Wilhelm: Die Theorie von Bismarck und dem deutschen Imperialismus. In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG am 11. Juli 1969 in der Rubrik „ Politische Bücher “. [Seitenangaben nicht bekannt]

[6] Ebd., [Seitenangaben nicht bekannt]

[7] Vgl. Hobsbawn, Eric J.: Das imperiale Zeitalter 1875-1914. Frankfurt am Main 1997. S.432 (Tabelle 11). Nach Angaben Hobsbawn liegt die Zahl der Schlachtschiffe Großbritanniens und Frankreichs im Jahre 1900 weit über der Anzahl an Schlachtschiffen, über die das deutsche Reich im Jahre 1900 verfügt: Großbritannien (49), Frankreich (23) und Deutschland (14).

[8] Röhl, John C. G.: Wilhelm II.: Der Aufbau einer Persönlichen Monarchie 1888-1900. a.a.O., S.15.

[9] Unter dem Begriff Navalisierung verstehe ich eine quasi ideologische

Instrumentalisierung der Flottenpolitik.

[10] Um Missverständnisse zu vermeiden, muss es deutlich gemacht werden, dass Tirpitz im Jahr 1849 in eine bürgerliche Familie hineingeboren und im Jahre 1900 vom Kaiser geadelt wurde.

[11] Wie auch bei Tirpitz, muss man beim Reichskanzler Hans Bülow unterscheiden, dass er im Jahr 1899 in den Grafenstand und danach im Jahr 1905 in den Fürstenstand erhoben wurde.

[12] Wehler, Hans-Ulrich: Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen. München 2001, S.76.

[13] Sombart, Nicolaus: Der letzte Kaiser war so, wie die Deutschen waren. Wilhelm II. – Vergangenheitsbewältigung und Wiedergutmachung. In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (Ereignisse und Gestalt) vom 27. Januar 1979. [Seitenangaben nicht bekannt]

[14] Der Begriff einer „ verspäteten Nation “ wurde von Helmut Plessner geprägt. Wie auch Italien, so Plessner, sei Deutschland weitaus später als alle anderen europäischen Staaten zu einem Nationalstaat geworden. Die Nation habe sich im Sinne des politischen Staates verspätet, d.h. die Nation sei später reif geworden.

[15] Mann, Golo: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1983, S.515.

[16] Schüßler, W: Die Aera Tirpitz – Geschichte einer Tragödie. In: FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG vom 30. Juli 1955.

[17] Buchheim, Karl: Das deutsche Kaiserreich 1871-1918. Vorgeschichte, Aufstieg und Niedergang. München 1969, S.183.

[18] Krockow, Christian Graf von: Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit. Biographie einer Epoche. Berlin 1999, S.129-130

[19] Die englische Bezeichnung „ Made in Germany “ wird von der britischen Regierung durch den „ Stamp Act “ [Stempelakte] (1887) eingeführt, um die in Deutschland produzierten Waren und in Britannien und seinem Besitz vertriebenen Waren zu kennzeichnen. Die Intention der konservativen Regierung Salisburys war nämlich gegen deutsche Waren zu diskriminieren und die deutsche Konkurrenz zu schwächen. Sie wirkte das Gegenteil und „ Made in Germany “ wurde zum Wertbegriff und Gütesiegel.

[20] Krockow, Christian Graf von: Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit. Biographie einer Epoche. a.a.O., S.143.

[21] Zitiert nach Vize-Admiral Paul Hoffmann. In: Röhl, John C. G.: Wilhelm II.: Der Aufbau einer Persönlichen Monarchie 1888-1900. a.a.O., S.143.

[22] Mann, Golo: Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhundert. a.a.O., S.515.

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Navalismus: Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich
Hochschule
Aston University  (School of Languages and European Studies)
Note
A ++
Autor
Jahr
2003
Seiten
53
Katalognummer
V40956
ISBN (eBook)
9783638393409
ISBN (Buch)
9783638706421
Dateigröße
906 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit bietet den Lesern einen Blick auf neue Aspekte der kaiserlichen Flottenpolitik, die historischen und wissenschaftlichen Darstellungen bisweilen fehlen. Eine Betonung liegt hier darauf, den bereits historisch bereiteten Boden für eine eigentliche Navalisierung der deutschen Politik zu beleuchten, die kulturelle und literarische Seite der Flotte aufzuarbeiten, sowie die Pläne des Kaisers für eine Landinvasion der USA darzustellen. Benotung A++ entspricht einer sehr gut
Schlagworte
Navalismus, Rolle, Flotte, Kaiserreich
Arbeit zitieren
John Goodyear (Autor:in), 2003, Navalismus: Zur Rolle der deutschen Flotte im Kaiserreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40956

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