Friedrich List als Industrieökonom


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zeitliche und historische Einordnung
2.1. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert
2.2. Das Verkehrswesen zu Beginn des 19. Jahrhunderts

3. Die theoretische Begründung des Verkehrswesens durch Friedrich List
3.1. Die Vision eines Nationaltransportsystems
3.1.1. List und der Eisenbahnbau
3.1.2. List und der Kanalbau
3.2. Schriftliche Beiträge Lists zum Verkehrswesen

4. Friedrich List – Der Eisenbahnpionier
4.1. Die Anfänge des Eisenbahngedankens
4.2. Der Eisenbahnbau in den USA
4.3. Der Eisenbahnbau in Frankreich
4.4. Der Eisenbahnbau in Deutschland
4.4.1. Die „Mitteilungen aus Nordamerika“
4.4.2. Die Leipzig – Dresdner Eisenbahn
4.4.3. Weitere Eisenbahnprojekte in Lists Leipziger Zeit
4.4.4. Lists Konzepte für das deutsche Eisenbahnsystem ab 1840

5. Schlußbetrachtung

1. Einleitung

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts standen die deutschen Staaten unter dem Einfluß der sich langsam entwickelnden Industrialisierung, die die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verhältnisse fundamental verändern sollte. Für industrielle Veränderungen war ein adäquates Verkehrswesen entscheidend. Schon früh erkannte Friedrich List die Bedeutung des Eisenbahnbaus für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und wurde zu dessen größten Befürworter. Daher liegt der Schwerpunkt der vorliegenden Abhandlung mit dem Thema „Friedrich List als Industrieökonom“ auf seinen Konzepten zum Verkehrswesen und hierbei insbesondere den Eisenbahnbau.

Der erste Abschnitt dieser Seminararbeit befaßt sich mit der zeitlichen und historischen Einordnung der verkehrspolitischen Tätigkeiten Lists. Darunter fällt zum einen die beginnende Industrialisierung sowie die Lage des Verkehrswesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Daraus begründet List seine Theorie des Nationaltransportsystems, die sich im folgenden Abschnitt anschließt und sich vornehmlich mit dem Eisenbahn- und Kanalbau befaßt. Im Hauptteil dieser Seminararbeit werden die praktischen Erfahrungen Lists als Eisenbahnpionier erörtert, wobei sich die chronologische Darstellung als schwierig erweist, da List oftmals mit mehreren Projekten gleichzeitig beschäftigt war. Daher erfolgt die Erläuterung nach Tätigkeitsfeldern. Eine Schlußbetrachtung beschließt diese Arbeit.

2. Zeitliche und historische Einordnung

2.1. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert

Der Begriff Industrialisierung wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Vielfach wird er als der Übergang von der handarbeitsorientierten zur maschinenorientierten Tätigkeit dargestellt.[1] Einen konkreten Anfangspunkt der Industrialisierung zu nennen, ist problematisch, denn die Entwicklung dehnte sich über einen längeren Zeitraum aus. Die Betrachtung aus dem geschichtlichen Zusammenhang heraus wird notwendig. In das Zeitalter der Industrialisierung fielen eine Vielzahl von Erfindungen, die neue Technologien erst ermöglichten sowie zahlreiche gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Neuerungen.

Von großer Relevanz ist die starke Bevölkerungszunahme in Europa seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, welche die Weiterentwicklung agrarischer Produktionsformen zur Versorgung der Menschen erforderte.[2] Die sogenannte Bauernbefreiung[3] in Deutschland ermöglichte den Bauern eine größere Mobilität, und viele wurden in den expandierenden Städten Arbeiter im Verlags- und Industriewesen. Einen ähnlichen Effekt hatte die Gewerbefreiheit, welche das alte Zunftwesen beendete und wiederum eine Vielzahl von Arbeitskräften freisetzte.

Besonders bedeutend im Rahmen der deutschen Industrialisierungsentwicklung war die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834, an der Friedrich List maßgeblich beteiligt war. Der Zollverein baute überholte Handelsstrukturen ab und stärkte die wirtschaftliche Einheit Deutschlands.[4]

Die aufkommende Industrie zog aus dem Zollverein großen Nutzen. Die Binnennachfrage stieg, und der Außenhandel nahm zu. Von enormer Bedeutung waren die Veränderungen in den Produktionsmethoden, so daß Deutschland sich im 19. Jahrhundert von einem Agrarland zu einer Industrienation wandelte. Das Zunftsystem verlor seine Bedeutung und wurde vom Manufaktursystem, welches sich durch Arbeitsteilung, Lohnarbeit und eine Zentralisierung auszeichnet, abgelöst. Durch die neue Produktionsweise konnte ein großer Produktivitätsfortschritt erreicht und ein Markt zur Versorgung mit Massengütern geschaffen werden. Das arbeitsteilige Fabriksystem wurde ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zum entscheidenden Träger der industriellen Entwicklung, vor allem im Bereich der chemischen und der Eisenindustrie. So kam es beispielsweise durch den Eisenbahnbau[5] zu einer großen Nachfrage nach Eisen bzw. Stahl, was durch neue Verfahren der Gewinnung wie zum Beispiel das sogenannte Puddelverfahren kompensiert werden konnte.[6]

Erfindungen wie z.B. die Dampfmaschine durch James Watt steigerten den technischen Fortschritt und ermöglichten erst die Entwicklung moderner Transportsysteme wie Eisenbahn oder Dampfschiffe.

Zusammenfassend kann angeführt werden, daß die zahlreichen Erfindungen im technischen und chemischen Bereich der Industrialisierung ihre Schwungkraft gaben, weshalb sie auch Kern der Industrialisierung genannt werden können.[7]

2.2. Das Verkehrswesen zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Die ständig fortschreitende Industrialisierung mit einer ansteigenden Güterproduktion benötigte ein adäquates Beförderungsmittel. In der damaligen Zeit wurden drei Transportmittel für die Bewegung von Gütern und Personen benutzt. Dieses waren der Landtransport auf Straßen und Wegen, der Seeweg sowie die Binnenschiffahrt auf Flüssen und Kanälen.[8] Eisenbahnen befanden sich erst am Anfang ihrer Entwicklung und Verbreitung. Die Situation im Verkehrswesen Europas zu Beginn des 19. Jahrhunderts war sehr unterschiedlich. So war Englands Industrialisierungsprozeß durch ein bestehendes Straßen- und Binnenschiffahrtsnetz erleichtert worden. Auch entstand in England die erste Eisenbahn[9], wobei aufgrund der günstigen topographischen Situation die Eisenbahn anfänglich das Verkehrsnetz lediglich ergänzte.[10]

In Deutschland war der Transport durch Reiter bzw. Kutschen auf meist ungepflasterten Straßen noch sehr verbreitet. Diese Straßen befanden sich vielfach in einem schlechten Pflegezustand, was den Transport zusätzlich erschwerte. Allerdings nahm der Chausseebau, d.h. der Bau einer Straße mit fester Unterschicht sowie glatter und fester Oberschicht unter Vermeidung großer Steigungen, im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in Deutschland zu.[11]

Hierdurch ergaben sich insbesondere Erleichterungen für den Massengüterverkehr als Nahverkehr. Außerdem verbanden diese Chausseen einzelne Teile der deutschen Kleinstaaten.

Bezüglich der Seeschiffahrt überwog in Deutschland die Küsten- und Ostseeschiffahrt. Einen entscheidenden technischen Fortschritt gab es hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht. Die Bedeutung der deutschen Handelsflotte im Welthandelsverkehr war vergleichsweise gering. Der Anteil Englands war hier weltweit der größte.[12]

Auch im Bereich der Binnenschiffahrt hatte England durch die Küstenschiffahrt, die Flußregulierung und den Kanalbau eine Vormachtstellung inne.[13] In Deutschland hatte das gesamte Binnenschiffahrtsnetz eine größere Ausdehnung als das Netz der befestigten Straßen. Allerdings orientierte man sich wegen der hohen Kosten des Kanalbaus meist an vorhandenen Wasserläufen und konnte so die Vorteile der Binnenschiffahrt insbesondere beim Massengütertransport nur lokal nutzen.[14]

Die Entwicklung der Eisenbahn begann wiederum in England. Die erste Eisenbahn in Deutschland fuhr von Nürnberg nach Fürth und wurde 1835 eingeweiht.[15] Wenn die Eisenbahn durch Gütertransporte später auch zum Zugpferd der Industrialisierung werden sollte, so diente diese erste Eisenbahnlinie doch primär dem Personentransport. Allerdings ebnete nicht zuletzt der große finanzielle Erfolg dieses Projektes den Weg für die weitere Ausdehnung des Schienennetzes.

Denn ein leistungsfähiges Transportsystem konnte Deutschland, welches ein bergiges Hinterland aufwies, vor allem durch ein flächendeckendes Schienennetz erreichen, wodurch auch Binnenländer „schiffbar“ werden und die Tiefe des Raumes erschlossen wird.[16]

Der Ausbau der Verkehrsnetze war für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung. Dieses erklärt, wie hoch Lists Aktivität auf dem Verkehrsgebiet einzuschätzen ist, die über seine Hauptleistung, der Eisenbahnförderung hinausgeht, da er auch andere Verkehrszweige wie See- und Binnenschiffahrt unterstützte.[17]

3. Die theoretische Begründung des Verkehrswesens durch Friedrich List

3.1. Die Vision eines Nationaltransportsystems

Friedrich List erkannte die Gesamtwirkung eines nationalen Transportsystems im Hinblick auf die Weiterentwicklungen und Verbesserungen im geistigen und politischen Leben, im Personenverkehr, in der Produktivkraft sowie der Macht der Nationen[18]. Diese Wirkungen übersteigen bei weitem den Effekt des einzelnen Transportmittels. List sah beispielsweise die Eisenbahnlinien als Glieder eines künftigen einheitlichen Nationaltransportsystems und dieses wiederum als Glied der nationalen Wirtschaft. Ein vollkommenes Transportsystem wirkt in intellektueller und ökonomischer Hinsicht auf das Fortschreiten eines Volkes ein, so daß sowohl das Geisteskapital als auch Manifakturen und Agrikulturen gefördert werden. Diese Wechselwirkungen erklären die Nützlichkeit und Notwendigkeit der Transportsysteme.[19]

Lists Hauptaktivität auf dem Verkehrsgebiet galt der Eisenbahnförderung, was im folgenden dargestellt wird. Er widmete aber auch der Schiffahrt seine Aufmerksamkeit, so daß auch dieser Bereich im Anschluß an das Eisenbahnkonzept kurz erläutert wird.

3.1.1. List und der Eisenbahnbau

Für List bestand der hauptsächliche Nutzen des zur damaligen Zeit noch jungen Transportmittels Eisenbahn in seiner nationalökonomischen Wirkung. So führte er zwar aus, daß bereits unverbundene Einzelstrecken den lokalen Handel und das regionale Gewerbe fördern, doch ein Schienensystem für ganz Deutschland hätte einen noch größeren wohlstandsfördernden Effekt.

[...]


[1] Vgl. Henning, Friedrich - Wilhelm: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, Tübingen u.a. 1993, S. 111.

[2] Vgl. Mottek, Hans: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands – Ein Grundriß, Band 2, Berlin 1969, S. 93.

[3] Vgl. Henning, Friedrich - Wilhelm: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, a.a.O., S. 37.

[4] Vgl. Bedürftig, Friedemann und Dr. Peter Göde>

[5] Die Verbreitung der Eisenbahn ist das vorherrschende Thema dieser Seminararbeit und wird hinsichtlich ihrer Bedeutung und der Konzeption durch Friedrich List im folgenden erläutert.

[6] Vgl. Henning, Friedrich - Wilhelm: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, a.a.O., S. 118.

[7] Vgl. ebenda, S. 114.

[8] Vgl. ebenda, S. 80.

[9] 1801 wurde in England erstmals ein mit Dampfantrieb betriebener Wagen mit Passagieren gesteuert. Ihm folgte 1806 eine in Wales eingesetzte Grubenlokomotive, bevor erstmals eine Lokomotive auf der 1825 begonnenen Eisenbahnlinie zwischen Stockton und Darlington verwendet wurde. Vgl. Mottek, Hans: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands – Ein Grundriß, Band 2, a.a.O., S. 151.

[10] Vgl. Hörrmann, Michael: Friedrich List und die Frühgeschichte der deutschen Eisenbahn, in: Stadt Reutlingen (Hrsg.): Friedrich List und seine Zeit, Reutlingen 1989, S.132-161, hier S. 132-134.

[11] Vgl. Henning, Friedrich - Wilhelm: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, a.a.O., S. 80.

[12] Vgl. ebenda, S. 85.

[13] Vgl. Mottek, Hans: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands – Ein Grundriß, Band 2, a.a.O., S. 145.

[14] Vgl. Henning, Friedrich - Wilhelm: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, a.a.O., S. 83-84.

[15] Vgl. Bedürftig, Friedemann und Dr. Peter Göde>

[16] Vgl. Jürgensen, Harald: Der Beitrag Friedrich Lists zur Verkehrspolitik, in: Hans Besters. Die Bedeutung Friedrich Lists in Vergangenheit und Gegenwart, Baden-Baden 1990, S. 102-119, hier, S. 104.

[17] Vgl. Napp - Zinn, Anton Felix: Friedrich List als Verkehrspolitiker, Mainz 1948, S. 7.

[18] Vgl. Randak, Harald: Friedrich List und die wissenschaftliche Wirtschaftspolitik, Basel und Tübingen 1972, S.45.

[19] Vgl. ebenda, S. 45.

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Details

Titel
Friedrich List als Industrieökonom
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Wirtschaftssysteme, Wirtschafts- und Theoriegeschichte)
Veranstaltung
Friedrich List
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V4117
ISBN (eBook)
9783638125512
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Friedrich, List, Industrieökonom, Friedrich, List
Arbeit zitieren
Mirja Schüler (Autor:in), 2000, Friedrich List als Industrieökonom, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4117

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