Walther hat in der mediävistischen Forschung eine Sonderstellung. Er hat Minnesang und Spruchdichtung zur höfischen Lieddichtung erhoben und beide Gattungen erstmals einander angenähert, aber vor allem schien er lange Zeit durch seine ‚Ich-Aussagen‘ herauszustehen; Halbach nannte es „Ichhaftigkeit“, „Kraft des ich-Sagens“ nannte es Mundhenk. Inzwischen weicht man im Allgemeinen von diesen zu stark auf Walthers Person bezogenen Begrifflichkeiten ab, da man eingesehen hat, dass die häufigen Personalpronomen in der ersten Person nicht zwingend auf den Autor bezogen sein müssen, sondern ebenso auf fiktive Rollen deuten können, die Walther besonders im Sangspruch häufig einsetzt. Wie jüngst Claudia Lauer gezeigt hat, sind diese Rollen im Sangspruch zahlreich und vielfältig, und sie sind es, die Walthers Dichtung so besonders machen. Sie bieten einen Zugang zu den Stropheninhalten und bestimmen gleichzeitig die Perspektive auf Walthers Themen, von milte-Mahnung bis Weltklage.
Eine dieser Rollen taucht dabei besonders häufig auf: die des Ratgebers. Ob im Leopoldston (z. B. 83,27) oder im König Friedrichston (z. B. 29,35), im Sangspruch nimmt Walther häufig die Rolle desjenigen ein, der andere durch weisen Rat unterstützen will.
Mit ebendieser Rolle beschäftigt sich die vorliegende Arbeit. Abgesehen von der getrennten Analyse der Strophen auf vorwiegend inhaltliche Aspekte stehen der strophenübergreifende Vergleich und damit die Charakterisierung der Ratgeber-Rolle im Vordergrund. Zum Abschluss erfolgt neben einer Zusammenschau der Ergebnisse auch die Auslotung der Frage, inwieweit der Ratgeber individuelle und soziale Funktionen und Eigenschaften vereint.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Zur Ratgeber-Rolle im politischen und weltlichen Sangspruch Walthers
- 2.1. Vorüberlegungen
- 2.2. Im politischen Sangspruch: Erster und Zweiter Philippston (19,17 und 16,36)
- 2.3. Im weltlichen Sangspruch: Wiener Hofton (22,18 und 22,33)
- 3. Fazit: Die Ratgeber-Rolle als soziale Funktion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Ratgeber-Rolle im Werk Walthers von der Vogelweide, fokussiert auf deren Darstellung in politischen und weltlichen Sangsprüchen. Die Zielsetzung besteht darin, die Funktion dieser Rolle innerhalb der Gedichte zu analysieren und deren Bedeutung im Kontext des mittelalterlichen Verständnisses von „Rolle“ zu beleuchten.
- Die Definition und Anwendung des Begriffs „Rolle“ im mittelalterlichen und modernen Kontext.
- Analyse der Ratgeber-Rolle in politischen Sangsprüchen Walthers.
- Untersuchung der Ratgeber-Rolle in weltlichen Sangsprüchen Walthers.
- Vergleich der Darstellung der Ratgeber-Rolle in verschiedenen Sangsprüchen.
- Die Unterscheidung zwischen individueller und sozialer Funktion der Ratgeber-Rolle.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und erläutert die Sonderstellung Walthers von der Vogelweide in der mediävistischen Forschung. Sie hebt die Bedeutung der von Walther eingesetzten Rollen im Sangspruch hervor, insbesondere die des Ratgebers, und begründet die Fokussierung auf politische und weltliche Aspekte dieser Rolle aufgrund von Platzgründen. Die Arbeit stützt sich auf die von Claudia Lauer vorgenommene Einteilung der Sangsprüche nach thematischer Ausrichtung.
2. Zur Ratgeber-Rolle im politischen und weltlichen Sangspruch Walthers: Dieses Kapitel beginnt mit der Definition des Begriffs „Rolle“, wobei sowohl das mittelalterliche als auch das moderne Verständnis berücksichtigt werden. Es wird betont, dass das Einnehmen einer Rolle individuelle und soziale Aspekte verbindet. Zur Vermeidung von Missverständnissen wird der Begriff „Ratgeber“ verwendet, um die fiktive Figur im Sangspruch von der Person des Autors zu trennen. Das Kapitel konzentriert sich auf eine textimmanente Analyse der Ratgeber-Rolle und berücksichtigt nur am Rande historische Kontexte. Der Fokus liegt auf der Analyse von Strophen aus dem Philippston (politischer Ratgeber) und dem Wiener Hofton (weltlicher Ratgeber) sowie dem Vergleich dieser Strophen und der Charakterisierung der Ratgeber-Rolle.
Schlüsselwörter
Walther von der Vogelweide, Sangspruch, Ratgeber-Rolle, politische Sangsprüche, weltliche Sangsprüche, Philippston, Wiener Hofton, mittelalterliche Literatur, Rollenverständnis, textimmanente Analyse, soziale Funktion, individuelle Funktion.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Ratgeber-Rolle im Werk Walthers von der Vogelweide
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Rolle des Ratgebers in den politischen und weltlichen Sangsprüchen Walthers von der Vogelweide. Sie untersucht die Funktion dieser Rolle innerhalb der Gedichte und beleuchtet deren Bedeutung im Kontext des mittelalterlichen Rollenverständnisses.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in drei Kapitel: Eine Einleitung, ein Hauptkapitel zur Ratgeber-Rolle in politischen und weltlichen Sangsprüchen Walthers und ein Fazit. Das Hauptkapitel unterteilt sich weiter in Unterkapitel, die Vorüberlegungen, den politischen Sangspruch (Philippston) und den weltlichen Sangspruch (Wiener Hofton) behandeln.
Wie wird der Begriff "Rolle" definiert?
Die Arbeit berücksichtigt sowohl das mittelalterliche als auch das moderne Verständnis des Begriffs "Rolle". Es wird betont, dass das Einnehmen einer Rolle sowohl individuelle als auch soziale Aspekte verbindet. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird der Begriff "Ratgeber" verwendet, um die fiktive Figur im Sangspruch von der Person des Autors zu trennen.
Welche Sangsprüche werden analysiert?
Die Analyse konzentriert sich auf Strophen aus dem Philippston (politische Sangsprüche) und dem Wiener Hofton (weltliche Sangsprüche). Die Arbeit vergleicht diese Strophen und charakterisiert die Ratgeber-Rolle anhand dieser Vergleiche.
Welche Methode wird angewendet?
Die Arbeit verwendet eine textimmanente Analyse. Historische Kontexte werden nur am Rande berücksichtigt. Der Fokus liegt auf der Analyse der Texte selbst.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Zielsetzung besteht darin, die Funktion der Ratgeber-Rolle in den Gedichten Walthers zu analysieren und deren Bedeutung im Kontext des mittelalterlichen Verständnisses von „Rolle“ zu beleuchten. Die Arbeit untersucht die Definition und Anwendung des Begriffs "Rolle", analysiert die Ratgeber-Rolle in politischen und weltlichen Sangsprüchen und vergleicht deren Darstellung in verschiedenen Sangsprüchen. Schließlich wird die Unterscheidung zwischen individueller und sozialer Funktion der Ratgeber-Rolle untersucht.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Walther von der Vogelweide, Sangspruch, Ratgeber-Rolle, politische Sangsprüche, weltliche Sangsprüche, Philippston, Wiener Hofton, mittelalterliche Literatur, Rollenverständnis, textimmanente Analyse, soziale Funktion, individuelle Funktion.
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- Lisa Maria Koßmann (Author), 2012, "Ich will dich lêren einen list". Zur Ratgeber-Rolle im politischen und weltlichen Sangspruch Walthers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412094