Online-Wahlen - Sind Online-Wahlen notwendig für die Reform der Wahltechnologie in Deutschland?


Hausarbeit, 2005

32 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Wahlrecht und Wahltechnik in Deutschland
2.1 Wahlrecht
2.2 Wahltechnik

3 Online-Wahl
3.1 Definition und Einordnung
3.2 Die Grundmodelle von Online-Wahlen

4 Warum Online-Wahlen
4.1 Finanzielle Aspekte
4.2 Modernisierung der Gesellschaft
4.3 @home-voting und Briefwahl

5 Voraussetzungen für Online-Wahlen
5.1 Politische Aspekte
5.2 Gesellschaftliche Aspekte
5.3 Sicherheits-(Technische) Aspekte
5.4 Rechtliche Aspekte

6 Erfahrungen mit Online-Wahlen/Praxisprojekte
6.1 Wahlkreis
6.2 Forschungsgruppe Internetwahlen
6.3 Techniker Krankenkasse Hamburg, Sozialwahlen 1999
6.4 Universität Osnabrück
6.5 Initiative D21 e. V.

7 Fazit

1 Einleitung

Die seit Jahren zu beobachtende sinkende Wahlbeteiligung bei Parlamentswahlen in Deutschland ist ein nicht zu unterschätzendes Problem für die Demokratie, da die demokratische Legitimation und damit die Akzeptanz der gewählten Volksvertreter immer mehr abnimmt. Ein Grund für die sinkende Wahlbeteiligung ist, neben der zunehmenden Politikverdrossenheit im Volk, sicherlich die antiquierte, der Mobilität, bzw. der Bequemlichkeit der Bevölkerung nicht gerecht werdende Wahltechnik der Urnenwahl. Eine Modernisierung der Wahltechnik durch die Nutzung von Computern und der Internettechnologie bei der Stimmenabgabe und -Zählung könnte Abhilfe schaffen und wird seit Ende der neunziger Jahre in Politik und Forschung diskutiert und durch die jetzige SPD-geführte Bundesregierung auch offiziell angestrebt.[1] Neben der Steigerung der Wahlbeteiligung werden noch eine Reihe anderer möglicher positiver, wie negativer Auswirkungen von Online-Wahlen kontrovers diskutiert, auf die wir in unserer Arbeit eingehen und die wir kritisch bewerten wollen.

In Politik und Forschung besteht weitgehende Einigkeit in der Ansicht darüber, dass es auf lange Sicht in Deutschland Online-Wahlen geben sollte und geben wird. Die Meinungen gehen aber bei Fragen über die konkrete Ausformung auseinander:

- Soll die Onlinewahl als obligatorische Wahltechnik, als zusätzliche Möglichkeit der Wahl oder nur als Ausnahmewahltechnik eingeführt werden?
- Bis zu welcher Ausprägung will man Online-Wahlen einführen, nur von Computern an öffentlichen Plätzen oder sogar vom eigenen Mobiltelefon?
- Bei welchen Arten von Wahlen soll die Online-Wahl eingeführt werden, nur bei nichtparlamentarischen Wahlen, wie Vereinswahlen oder auch bei Parlamentswahlen auf Landes- und Bundesebene?
- Soll die Online-Wahl nur eine Modernisierung der momentanen Wahltechnik sein, oder ein Schritt in Richtung mehr direkter Demokratie in Form von Volksabstimmungen über das Internet?

Abhängig von der konkreten Ausformung einer etwaigen Online-Wahl, müssen unterschiedliche rechtliche und sicherheitstechnische Voraus-setzungen erfüllt werden. In den letzten Jahren gab es in Deutschland verschiedene erfolgreich durchgeführte Feldtests von Online-Wahlen auf nichtparlamentarischer Ebene. Die wichtigsten Projekte und die daraus gesammelten Erkenntnisse möchten wir vorstellen und aufzeigen, ob die angewandten technischen Lösungen die Vorraussetzungen einer sicheren und rechtsgültigen Wahl erfüllen und inwieweit sie auf eine, den im Grundgesetz und Landesverfassungen verankerten Wahlrechtsgrund-sätzen zu entsprechenden, Parlamentswahl übertragbar sind.

2 Wahlrecht und Wahltechnik in Deutschland

2.1 Wahlrecht

Wahlen bilden das Fundament der Demokratischen Staatsform in der Bundesrepublik Deutschland. Sie gewährleisten, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht und sind im Artikel 20 II Grundgesetz festgeschrieben. Die Wahlrechtsgrundsätze, welche im Artikel 38 GG für Bundes-tagswahlen und im Artikel 28 GG für Wahlen auf Landesebene und darunter verankert sind, beschreiben die konkreten Anforderungen, die eine nach demokratischen Maßstäben rechtsgültige Wahl erfüllen muss. Sie besagen, dass Wahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein müssen.

allgemein: Jede zur Wahl berechtigte Person kann an der Wahl teilnehmen.

unmittelbar: Die Wahl der Kandidaten/Parteien erfolgt direkt. Es sind keine Wahlfrauen und Wahlmänner zwischengeschaltet.

frei: Jede zur Wahl berechtigte Person kann ohne Zwang und Kontrolle entscheiden, ob sie wählt und wen sie wählt. Es darf außerdem die „Aufstellung von Kandidaten bzw. die Teilnahme von Parteien an Wahlen nicht beeinflusst oder gar gesteuert werden“.[2]

gleich: Jede Wählerstimme ist gleich gewichtet.

geheim: Jede wahlberechtigte Person hat die Möglichkeit und ist verpflichtet, die Stimme unbeobachtet abzugeben. Die abgegebene Stimme darf der Person nicht mehr zuzuordnen sein.[3]

Die Durchsetzung dieser obligatorischen Wahlrechtsgrundsätze wird durch eine starke Regulierung, wie das Bundeswahlgesetz, die Bundes-wahlordnung und die Wählgeräteverordnung gewährleistet.[4] Neben den politischen Wahlen gibt es noch Wahlen in Körperschaften, wie z.B. Vereinen oder Aktiengesellschaften, welche sich nicht zwingend an die Wahlrechtsgrundsätze halten müssen.

2.2 Wahltechnik

Die aktuell in Deutschland bei Parlamentswahlen auf allen Ebenen praktizierte Wahltechnik der Urnenwahl, die eine so genannte Präsenzwahl ist, funktioniert so, dass jeder Wahlberechtigte, der wählen möchte im Wahllokal erscheint, dort von Wahlhelfern anhand des Wähler-verzeichnisses überprüft wird, ob er noch keine Stimme abgegeben hat, und wenn das der Fall ist, allein in die Wahlkabine geht, um dort auf dem Stimmzettel unbeobachtet sein Kreuz bei dem Kandidaten, bzw. bei der Partei seiner Wahl zu setzen. Der ausgefüllte Stimmzettel wird in eine versiegelte Urne geworfen, wonach die Stimme dem Wähler nicht mehr zuzuordnen ist.

Die Einhaltung der durch die Wahltechnik unmittelbar betroffenen Wahlrechtsgrundsätze der Wahlfreiheit und des Wahlgeheimnisses wird einfach durch den Fakt gewährleistet, dass jeder Wähler nur alleine in die Wahlkabine gehen darf und dort automatisch frei und geheim seine Entscheidung treffen kann. Da es aber nicht allen wahlberechtigten Personen möglich ist, am Wahltag im Wahllokal zu erscheinen, wird dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl durch eine ausschließliche Urnenwahl nicht ausreichend Rechnung getragen. Aus diesem Grund ist es seit 1957 möglich, bei Wahlen auf Bundesebene per Briefwahl zu wählen, wenn man am Wahltag aus „wichtigem Grund“[5] nicht im Wahllokal erscheinen kann. Die Briefwahl ist eine so genannte Korrespondenzwahl. Bei Sozialversicherungs-, Betriebsrats- oder Personalratswahlen zum Beispiel wird sie schon seit längerer Zeit verwendet.[6] Im Gegensatz zur Urnenwahl, welche in Wahlkabinen in der Öffentlichkeit stattfindet, ereignet sich bei der Briefwahl der Wahlvorgang im privaten Bereich und eine öffentliche Kontrolle, ob der Wahlvorgang auch frei und geheim stattfindet, kann nicht gewährleistet werden. Trotzdem hat das Bundesverfassungsgericht in Entscheidungen von 1967 und 1981, angesichts der damaligen geringen Briefwähleranteile bei Bundes-tagswahlen (5-7%), die Rechtsgültigkeit der Briefwahl, insofern sie Ausnahme bleibt, bestätigt[7] und damit der Allgemeinheit der Wahl eine höhere Bedeutung, als der Freiheit und des Geheimnisses der Wahl beigemessen. Allerdings ist mittlerweile angesichts eines Briefwähler-anteils von 18 Prozent bei der Bundestagswahl 2002 (in Großstädten betrug er sogar schon fast ein Drittel) von einer Ausnahme nicht mehr zu sprechen, so dass eine erneute verfassungsrechtliche Überprüfung der Briefwahl, auch vor dem Hintergrund neuer technischer Möglichkeiten für Wahlen, zu einer anderen Entscheidung führen könnte.

3 Online-Wahl

3.1 Definition und Einordnung

Um unserer Fragestellung, ob die Einführung von Online-Wahlen eine notwendige Reform der vorherrschenden Wahltechnik ist, nachzugehen, bedarf es einer genauen Definition und Erklärung, was unter dem Begriff Online-Wahl zu verstehen ist. In der Literatur findet man auch die Begriffe elektronische Wahl, Internet-Wahl, i-voting und e-voting. Allen Begriffen ist die Nutzung von Computern als Medium der Stimmabgabe und Stimmzählung gemein. Inhaltlich zu unterscheiden sind die Begriffe allenfalls in der Hinsicht, dass i-voting und Internet-Wahl schon die verwendete Technologie des Internets implizieren. Den Begriff Online-Wahl erklärt das Lexikon der Innenpolitik als „Abwicklung von Wahlen über das Internet [...], sei dies über vernetzte PCs oder auch via Mobiltelefon“.[8] An dieser Definition wollen wir uns auch in der weiteren Arbeit orientieren.

3.2 Die Grundmodelle von Online-Wahlen

Ausgehend von der Definition von Online-Wahlen kann man vier Grundmodelle von Online-Wahlen unterscheiden[9], die sich grob auf zwei Dimensionen abbilden lassen. Die eine Dimension beschreibt den Grad der Öffentlichkeit des Ortes des Wahlakts. Die andere Dimension beschreibt die Mobilität, die dem Wähler ermöglicht wird. Allerdings ist anzumerken, dass die Übergänge zwischen den vier Modellen teilweise fließend sind und dass man noch eine Reihe von möglichen Zwischenformen nennen könnte, worauf wir hier zugunsten der Übersichtlichkeit verzichten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: 4 Grundmodelle von Online-Wahlen (frei nach Neymanns)

@community: Die Stimmabgabe erfolgt von einem Computer im, mit allen anderen Wahllokalen vernetzten, Wahllokal. Der Wähler muss nicht mehr unbedingt in seinem ansässigen Wahllokal wählen gehen. Er kann sich frei für ein Wahllokal entscheiden und von dort die Stimme für seinen Wahlkreis abgeben. Die mögliche Mobilität und Flexibilität des Wählers wird, abhängig davon, auf welcher geographischen Ebene die Wahl ist, erhöht. Bei einer Bundestagswahl ist es dann z.B. für einen Rostocker möglich, in einem Freiburger Wahllokal wählen zu gehen. Bei einer Landtagswahl wäre der Mobilitätsgewinn allerdings auf das betroffene Bundesland beschränkt, da für eine Landtagswahl, wie auch für Kommunalwahlen nicht in ganz Deutschland Wahllokale öffnen würden.

@kiosk: Die Stimmabgabe erfolgt von zentral vernetzten Computern, die an öffentlichen Orten, wie Bürgerämtern, Bibliotheken oder Einkaufszentren, stehen. Im Vergleich zum @community-Modell wird die mögliche Mobilität noch etwas gesteigert, da es mehr mögliche Wahlplätze gibt. Eine staatliche Kontrolle, dass der Wahlakt geheim erfolgt, wird hier eher durch eine Kontrolle durch die allgemeine Öffentlichkeit an den Wahlplätzen ersetzt. Die Mobilität findet auch hier in der geographischen Dimension der Wahl ihre Grenzen.

[...]


[1] Schily, 2001: Rede „Politische Partizipation in der Informationsgesellschaft“, www.forum-informationsgesellschaft.de/fig/extern/VorlagenDownload/Schily_Rede.doc.

[2] Andreas Gaumann, 1996: Seminararbeit Wahlsystem und Wahlverhalten in der Bundesrepublik Deutschland, http://homepages.compuserve.de/agaumann/pol_sys_brd/.

[3] Vgl. braunschweig.de, 2004: Wahlrechtsgrundsätze, http://www.braunschweig.de/rat_verwaltung/verwaltung/ref0120/wahlen/abc/wahlrechtsgrundsaetze.html.

[4] Vgl. Rüß in Neymanns/Buchstein (2002: 40).

[5] § 25 Abs.1 der Bundeswahlordnung.

[6] Forschungsprojekt W.I.E.N, 2002: „Die Bedeutung der Briefwähler bei der Bundestagswahl 2002“, http://www.forschungsprojekt-wien.de/wien.html.

[7] Vgl. Buchstein in Neymanns/Buchstein (2002: 57).

[8] Lexikon der Innenpolitik, http://www.bmi.bund.de/nn_121572/ sid_A7B1E9ABD3D82C95D3A981A896F345FB/nsc_true/Internet/Navigation/DE/Service/Lexikon/GenericDynCatalog,lv2=121708,lv3=132814.html.

[9] Vgl. Neymanns in Neymanns/Buchstein (2002: 26).

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Online-Wahlen - Sind Online-Wahlen notwendig für die Reform der Wahltechnologie in Deutschland?
Hochschule
Universität der Künste Berlin  (Institute of Electronic Business)
Veranstaltung
Electronic Business - E-Government
Note
1,7
Autoren
Jahr
2005
Seiten
32
Katalognummer
V41217
ISBN (eBook)
9783638395182
ISBN (Buch)
9783656065722
Dateigröße
742 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Analyse des aktuellen Stands und der Entwicklungspotentiale von Online-Wahlen in Deutschland. Sichworte: Onlinewahlen Online-Wahlen Internetwahlen Internet-Wahlen E-Voting Evoting
Schlagworte
Online-Wahlen, Sind, Online-Wahlen, Reform, Wahltechnologie, Deutschland, Electronic, Business, E-Government
Arbeit zitieren
Peter Ulrich (Autor:in)Marcelin Dunikowski (Autor:in), 2005, Online-Wahlen - Sind Online-Wahlen notwendig für die Reform der Wahltechnologie in Deutschland?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41217

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