Nicht nur in den Diskursen der Gender Studies um sexuelle Identität und Geschlechtlichkeit werden in letzter Zeit immer wieder Stimmen laut, die sich gegen die Einteilung in das traditionelle Geschlechtermodell „weiblich“ und „männlich“ aussprechen, auch in der Biologie gibt es immer mehr Befunde, die darauf hinweisen, eine binäre Geschlechtereinteilung wäre wohlmöglich zu simpel. Doch obwohl schon die alten Griechen das dritte Geschlecht kannten, etablierte sich in Europa das heterosexuelle Geschlechtermodel und dies auf Kosten einiger, die durch Operationen zwangsweise einem der beiden Geschlechter zugeordnet werden und anderen, die ihre Geschlechtsidentität außerhalb der Heteronormativität gefunden haben.
In diesem Essay möchte ich für eine differenziertere, aber offene Betrachtung der Geschlechtlichkeit im Allgemeinen plädieren. Zunächst soll anhand der gesellschaftlichen Entwicklungen und der Forschungsfortschritte seit dem 18. Jahrhundert mit Einbezug Foucault’s Machtmodell die Entstehung der Heteronormativität erklären. Im Anschluss darauf soll kurz erklärt werden, was die sexuelle Befreiung der 1968er Jahre geschafft hat und wo es anzusetzen gilt. In Anbetracht des heutigen Forschungsstands von Biologie soll schließlich gezeigt werden, warum es tatsächlich mehr als zwei Geschlechter gibt und welche Chancen es unserer Gesellschaft bieten könnte, offener mit peripheren sexuellen Identitäten umzugehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Viktorianisches Zeitalter: Vom Eingeschlecht - zum Zweigeschlechtermodell
- Entstehung einer neuen Sexualmoral: Die Repressionshypothese
- Foucault's Machtmodell und das Sexualdispositiv
- Die Pathologisierung des Anderen oder „die Psychiatrisierung der perversen Lust“
- Die Konstruktion von >>Natürlichkeit<<
- Die sexuelle Revolution - Freiheit für die Geschlechter?
- Das Dilemma der Frauen Bewegung
- Butler: Das Potential von Dekonstruktion
- Erkenntnisse der Biologie: Wider die Natürlichkeit
- Wer bestimmt unser Geschlecht? Chromosome, Hormone & Genetik
- Anne Faust-Sterling: Wie viele Geschlechter gibt es? Ein Vorschlag
- Ausblicke und Chancen: Mehr(wert) Queer
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay beschäftigt sich mit der Entstehung und Entwicklung des binären Geschlechtermodells und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Er analysiert die historischen, politischen und gesellschaftlichen Ereignisse, die zur Etablierung des heteronormativen Geschlechterverständnisses führten. Zudem werden aktuelle biologische Erkenntnisse betrachtet, die die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern belegen und somit die Notwendigkeit einer neuen Betrachtungsweise von Geschlechtlichkeit unterstreichen.
- Historische Entstehung des binären Geschlechtermodells
- Einfluss von Machtstrukturen auf die Konstruktion von Geschlechtlichkeit
- Die sexuelle Revolution und ihre Auswirkungen auf die Geschlechterrollen
- Biologische Erkenntnisse über die Vielfältigkeit von Geschlecht
- Die Notwendigkeit einer offenen und differenzierten Betrachtung von Geschlechtlichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Der Essay beginnt mit einem Rückblick in das Mittelalter, als das Geschlecht noch nicht binär betrachtet wurde. Es wird gezeigt, wie sich im viktorianischen Zeitalter mit Fortschritten in der Medizin und der Entwicklung der Humoralpathologie das Zwei-Geschlechtermodell etablierte. Anhand von Foucault's Machtmodell wird die Entstehung des Sexualdispositivs erklärt und die Pathologisierung des "Anderen" im Kontext der sexuellen Repression thematisiert. Im Anschluss werden die Auswirkungen der sexuellen Revolution auf die Geschlechterrollen und das Verständnis von Sexualität diskutiert. Es wird der Fokus auf die Herausforderungen für die Frauenbewegung und das Dekonstruktionspotenzial von Judith Butler's Theorie gelegt. Schließlich werden aktuelle biologische Erkenntnisse über die Vielfältigkeit von Geschlecht vorgestellt, die die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern belegen. Es wird argumentiert, dass die Gesellschaft offener mit peripheren sexuellen Identitäten umgehen muss und es Zeit für eine neue Betrachtungsweise von Geschlechtlichkeit ist.
Schlüsselwörter
Geschlechtlichkeit, Heteronormativität, Geschlechtermodell, Viktorianisches Zeitalter, Foucault, Machtmodell, sexuelle Revolution, Biologie, Intersexualität, Transidentität, Dekonstruktion, Mehrwert Queer.
- Arbeit zitieren
- Saskia Drapart (Autor:in), 2017, Über die (Un)Natürlichkeit der Geschlechter. Zeit für eine neue Betrachtungsweise von Geschlechtlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412229