Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Thema des Social Lending bzw. mit der Kreditgewährung zwischen Privatpersonen, ohne die Zwischenschaltung einer Bank innerhalb des Internets. Die Motivation, mich mit diesem spannenden Thema wissenschaftlich auseinanderzusetzen, entstand zum größten Teil aus den Einflüssen meines studienbezogenen Praktikums bei der Qitera GmbH. Durch das Praktikum wurde meine Affinität zur Internetwirtschaft allgemein und zu neuen Technologien und Vertriebswegen im Speziellen geweckt. Zusätzlich inspirierten mich die eng damit verknüpften Themen aus der Finanzwirtschaft und -politik, wodurch sich mein Blickwinkel auf diesen Themenkomplex zusätzlich erweiterte.
Mehreren Formen von elektronischen Kreditmarktplätzen, auf denen Kredite „von Mensch zu Mensch“ vergeben werden können, ist es seit dem Jahr 2005 gelungen, sich im Internet zu etablieren. Diese Kreditplattformen überführen den von Tim O’Reilly popularisierten Ansatz des Web 2.0 unter dem Namen Social Lending bzw. Peer to Peer Banking in die Finanzbranche. Die klassische, etablierte Kreditwirtschaft verfolgt die innerhalb des Social-Lending-Segments vollzogenen Entwicklungen sehr genau.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
1.3 Methodik
1.4 Definitorische Grundlagen
2 Theoretische und historische Grundlagen des Banken- und Kreditgeschäfts
2.1 Volkswirtschaftliche Funktionen der Kreditinstitute
2.2 Transaktionskostentheorie
2.3 Finanzmarktheorie
2.4 Historische Entwicklung des modernen Kredit- und Bankenwesens in Deutschland
2.5 Grundlagen des Endkundenkreditgeschäfts
3 Social Lending - Entwicklung und derzeitiger Stand
3.1 Grundlagen des Social Lending
3.2 Gründungsunternehmen als derzeitige Akteure
3.2.1 Smava
3.2.2 Zopa
3.2.3 Prosper
3.3 Risikodiversifizierung
4 Entwicklungschancen des Social Lending
4.1 Entwicklungsmöglichkeiten des Social-Lending-Konzepts
4.2 Risiken für die Social-Lending-Entwicklung
4.3 Marktausblick
5 Zusammenfassung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ohne Mittelsmann geht es auch
Abbildung 2: Banken als Finanzintermediäre
Abbildung 3: Prinzip des traditionellen Kreditgewährung
Abbildung 4: Prinzip des Social Lending
Abbildung 5: Kumulatives vermitteltes Kreditvolumen/Monat der Smava GmbH
Abbildung 6: Anleger-Pool Smava
Abbildung 7: Auswirkungen des Anleger-Pools
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gegenünerstellungen traditionelles Bankenwesen und Social Leding
Tabelle 2: Strukturzahlen des Bankensektors in Deutschland
Tabelle 3: Merkmale von Smava
Tabelle 4: Durchschnittszinsen Smava
Tabelle 5: Merkmale von Zopa
Tabelle 6: Durchschnittszinsen Zopa
Tabelle 7: Merkmale von Prosper
Tabelle 8: Durchschnittszinsen Prosper
Tabelle 9: Social Lending - Nicht notwendigerweise billiger
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Thema des Social Lending bzw. mit der Kreditgewährung zwischen Privatpersonen, ohne die Zwischenschaltung einer Bank innerhalb des Internets. Die Motivation, mich mit diesem spannenden Thema wissenschaftlich auseinanderzusetzen, entstand zum größten Teil aus den Einflüssen meines studienbezogenen Praktikums bei der Qitera GmbH.1 Durch das Praktikum wurde meine Affinität zur Internetwirtschaft allgemein und zu neuen Technologien und Vertriebswegen im Speziellen geweckt. Zusätzlich inspirierten mich die eng damit verknüpften Themen aus der Finanzwirtschaft und -politik, wodurch sich mein Blickwinkel auf diesen Themenkomplex zusätzlich erweiterte.
Mehreren Formen von elektronischen Kreditmarktplätzen, auf denen Kredite „von Mensch zu Mensch“ vergeben werden können, ist es seit dem Jahr 2005 gelungen, sich im Internet zu etablieren. Diese Kreditplattformen überführen den von Tim O’Reilly popularisierten Ansatz des Web 2.02 unter dem Namen Social Lending bzw. Peer to Peer Banking in die Finanzbranche.3 Die klassische, etablierte Kreditwirtschaft verfolgt die innerhalb des Social-Lending-Segments vollzogenen Entwicklungen sehr genau. Nach einem Bericht einer der weltweit führenden Anbieter für Marktforschung und -analyse in der Technologieindustrie, Gartner Inc., wird diese Art der Kreditvergabe ein Marktpotenzial von bis zu zehn Prozent im Kreditgeschäft des Privatkundenbereichs im Jahr 2010 haben.4 Allerdings existieren derzeit noch wenige Erkenntnisse zu diesem Thema, sodass es der Anspruch der vorliegenden Arbeit ist, einen Beitrag zum Erkenntnisstand zu leisten.
1.1 Problemstellung
Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andere werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. Stützungsakti- on, bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleiten erkennt man daran, dass die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr. 5
Die Worte von Kurt Tucholsky sind heute mindestens so aktuell wie vor knapp 80 Jahren. Die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise, die in den USA ihren Ursprung hat, lassen den deutschen Bankenmarkt nicht unberührt und haben dazu geführt, dass die aktuellen Entwicklungen in diesem Wirtschaftsbereich zunehmend im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen sind und dass das Marktagieren der Banken und ihrer Vorstände skeptischer betrachtet werden. Rund 75% der Teilnehmer einer Studie des Fraunhofer Instituts geben vor diesem Hintergrund an, dass sie das gestiegene Misstrauen in die monetären Finanzinstitute bzw. die Bankwirtschaft insgesamt als strategische Herausforderung ansehen.6 Aus diesen Erkenntnissen lässt sich schließen, dass die Manager der Banken bestrebt sind, vertrauensbildende Maßnahmen herbeizuführen, um den Reputationsverlust auszugleichen. Mehr Transparenz ist deshalb das entscheidende Kriterium, was kritische Anleger und Kreditnehmer derzeit von den Banken erwarten. Es dürfte somit nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Bankenwirtschaft ihre internen Vergütungsmodelle und Bonifikationen überdenken,7 um den Vertrauensverlust bei ihren Klienten zu kompensieren, denn ihr „Kapital“ ist das entgegengebrachte Vertrauen der Endkunden, wie in Kapitel 2.5 noch erläutert werden wird.
In die brisante Vertrauenslücke der etablierten Institute springen aber auch neuartige Internetanbieter mit einem vielversprechenden Geschäftsmodell hinein.8 Diese sogenannten Social-Lending-Plattformen haben den Anspruch, sowohl für den Kreditnehmer als auch für den Kreditgeber einen Vorteil zu generieren,9 weil sie die Finanzintermeditation der Bank, die mit hohen Transaktionskosten10 einhergeht, eliminieren. Daraus lässt sich ableiten, dass Fehlallokationen innerhalb des Kreditsystems womöglich verringert werden können, da eine Ausleihe von Geld zwischen Privatpersonen über eine Internet-Plattform ermöglicht wird. Online-Kreditbörsen sind kein lokales Phänomen, sondern ein weltweiter Trend. Die größte Plattform, Prosper.com, wurde im Jahr 2006 in den USA gegründet. Rund 890.000 Mitglieder haben sich seitdem bei diesem Portal registriert und Kapital in Höhe von 184.000.000 US$ verliehen.11 35 Anbieter dieser Geschäftsmodelle haben sich bislang global etabliert, darunter auch die aus Großbritannien stammende Plattform zopa.com und die in Deutschland tätige Smava GmbH (smava.de). Smava, die erfolgreichste und seriöseste12 Online-Kreditbörse Deutschlands, hat seit ihrem Start im März 2007 Kredite von rund 19 Mio. € vermittelt.13 Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich der vorhandene positive Kurs noch einmal verstärkt. Anleger und Kreditnehmer haben sich innerhalb des letzten Jahres vervierfacht. Das vermittelte Kreditvolumen liegt inzwischen bei 1,5 Mio. € pro Monat.14
Warum gelingt es diesen Portalen, wachsenden Anklang zu finden, wenn doch das Angebot an Kreditprodukten von konventionellen Banken bei Weitem etablierter ist? Da die Anforderungen an die Kreditvergabe bei den meisten Plattformen genauso groß ist wie bei den traditionellen Kreditinstituten, kann es nicht der schnellere Prozess der Kreditvergabe sein, den Kreditnehmer suchen. Auch die attraktiven Zinsen, die zwischen 6% und 15% liegen, liefern keine hinreichende Begründung für eine Teilnahme von Kreditgebern. So ist die Verzinsung mitunter höher als die eines Sparbuches, jedoch wird der Anleger in Abhängigkeit vom Zinssatz mit offenkundigen Ausfallrisiken konfrontiert.15 Vielleicht liegt es eher daran, dass die Anleger selbst entscheiden wollen, was mit ihrem Geld passiert und dass sich die Position der Kreditnehmer von einer Art Bittsteller zu einem gleichberechtigten Verhand- lungspartner gewandelt hat.
Märkte sind essenziell für ökonomische Aktivitäten, da sie die Vermittlung von Angebot und Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen übernehmen.16 Intermediäre erleichtern Transaktionen zwischen Käufern und Verkäufern, indem sie erstens die Möglichkeit der Transaktionsabwicklung bereitstellen und zweitens in Bezug auf die gegebenen Güter und Dienstleistungen über ein erhöhtes Maß an Wissen und Expertise verfügen.17
Die Evolution der Informationstechnologie hat in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer Entwicklung von elektronischen Marktplätzen geführt, bei denen die Funktionen des traditionellen Vermittlungsgeschäftes weniger wichtig oder gar unnötig geworden sind (z.B. bei Buchhändlern und Reisebüros).18 Erforderlich für derartige Entwicklungen waren sinkende Verbindungskosten für Anwender und Betreiber, technische Neuerungen, um den aktiven Part des Kunden zu fördern, neue Anwendungssysteme, soziale Netzwerke und innovative Geschäftsmodelle.19
Durch den Einsatz des Internets wurde der elektronische Vertrieb (E-Commerce) ermöglicht, und elektronische Märkte haben bei der Koordination von Angebot und Nachfrage eine immer wichtigere Stellung eingenommen.20 Ökonomische Aktivitäten können durch elektronische Märkte auch unter komplexen und unsicheren Bedingungen erleichtert werden, sodass sie in einem signifikanten Ausmaß Informationsund Transaktionskosten reduzieren und dadurch ggf. traditionelle Intermediäre ersetzten.21 Manche Autoren argumentieren, dass traditionelle Intermediäre seit der Entstehung der elektronischen Märkte durch den Prozess der Disintermeditation gefährdet seien.22
Zusätzlich zu diesen Entwicklungsfaktoren ist aber auch das gestiegene Vertrauen in internetbasierte Transaktionssysteme bzw. Bezahlsysteme zu nennen, die sich ne ben den dominierenden Systemen, wie z.B. Vorkasse, Rechnung und Lastschrift, einer immer größeren Beliebtheit erfreuen. Diese innovativen Bezahlsysteme sind ein Beispiel dafür, wie Web-2.023 -Applikationen in das konventionelle Geschäft der Finanzdienstleister eingreifen. So stiegen die weltweit durch PayPal24 initiierten eBay-Zahlungen25 von 2003 bis 2007 um durchschnittlich 39% p.a., und lagen Ende 2007 bei rund USD 45 Mrd.US$.26
Der Bedeutungszuwachs, den die Social-Lending-Plattformen erfahren haben, führt zu einer neuen Art der Disintermeditation, in der die Bank als traditionelle Vermittlungsstelle abgelöst wird.27 Wie die folgende Abbildung veranschaulicht, ermöglichen die Online-Kreditbörsen die direkte Zusammenführung von Krediteur und Debiteur. Das Internet bietet das Potenzial, Dienstleistungen zu geringeren Kosten anzubieten, da der Intermediär - also die Bank umgangen wird.28
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ohne Mittelsmann geht es auch29
Wie aus der Abbildung hervorgeht, erfolgt beim Social Lending30 auch eine Risikodi versifizierung, da der Geldanleger Projekte i.d.R. nicht eins zu eins31 finanziert, sondern die Anlagesumme auf verschiedene Projekte streut.32 Erwähnenswert sind aber auch die erheblichen regulatorischen Bedenken33 bei den P2P-Kreditplattformen. Problematisch wird es dann, wenn die Kreditgeber anfangen, ihre „privaten“ Kredite entweder gewerbsmäßig oder in einem Umfang vergeben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Und die Schwelle der Gewerbsmäßigkeit ist laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) schnell erreicht:
Dies ist der Fall, wenn der Geschäftsbetrieb [also die Aktivität des Nutzers] auf eine gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber ihn mit Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. Hiervon ist bereits beim Abschluss eines einzelnen Geschäfts auszugehen, wenn die Absicht der - auch nur unregelmäßigen - Wiederholung besteht. 34
Neben den regulatorischen bzw. aufsichtsbehördlichen Problemen treten aber auch Vertrauensprobleme auf, da das Internet durch seine dezentrale Struktur generell ein unsicheres Medium ist. So fragte Klafft, inwiefern die oft unerfahrenen Investoren, die im Online-Umfeld agieren, in dem ein potenziell hohes Maß an asymmetrischen Informationen steckt, fähig seien, attraktive Renditen zu erzielen? Es bieten sich also viele „Angriffspunkte“, die bis zum ökonomischen Scheitern der Social-LendingPlattformen führen können. Weitere Fragestellungen sollen in der Zielsetzung der Arbeit aufgegriffen werden.
1.2 Zielsetzung und Forschungsfragen
Da zwar einige Studien zum Wesen des Social Lending vorhanden sind, diese sich aber entweder auf einzelne Plattformen beziehen35 oder sich mit spezifischen Details auseinandersetzen,36 ist es Zielsetzung der Arbeit, einen umfassenden Einblick in die Thematik zu erhalten. Der Status quo soll dargestellt und Entwicklungschancen sowie -risiken analysiert werden. Aus diesen wird versucht, einen Marktausblick zu geben.
Hierzu bedarf es des Transfers zwischen den theoretischen Grundlagen des Kreditgeschäftes und dem aktuellen Entwicklungsstand des Social Lending, die bisher weitestgehend isoliert betrachtet wurden. Es wird versucht, wissenschaftliche und praxisrelevante Erkenntnisse aus beiden Themengebieten zusammenzuführen und neue zu gewinnen, indem überprüft wird, inwiefern die theoretischen Grundlagen für die weitere Entwicklung des Social Lending von Relevanz sind.
In einem ersten Schritt soll ein theoretisch-konzeptioneller Bezugsrahmen geschaffen werden. Dieser soll den Kontext der Kreditvergabe über das Internet herstellen und als Basis für weitere Überlegungen dienen. Darüber hinaus sollen durch die Auswertung empirischer Studien zum Untersuchungsgegenstand des Social Lending die Zukunftsentwicklungen der Online-Kreditplattformen prognostiziert werden. Um die Prognose der zukünftigen Entwicklung zu präzisieren, werden an dieser Stelle vier Forschungsfragen gestellt.
Forschungsfragen der Arbeit:
1. Wie sehen die theoretischen Grundlagen des Bankengeschäts aus?
2. Wie ist der Status quo des Social Lending und wie sehen die Geschäftsmodelle der Social-Lending-Plattformen aus?
3. Welche Entwicklungschancen oder -risiken bestehen für das Social Lending?
4. Wie könnte der zukünftige Social-Lending-Markt aussehen?
Die Reflexion und Beantwortung der Fragen geschieht in den Kapiteln 2 bis 4. Am
Ende von Kapitel 4 erfolgt ein Marktausblick, der als Grundlage weiterer Forschungsfragen dienen soll.
1.3 Methodik
Die in dieser Arbeit angewandte Forschungsmethodik besteht im Wesentlichen in der Analyse von Standardwerken zum Thema Banken- und Finanzwirtschaft,37 der Untersuchung von sekundären Literaturquellen, Artikeln aus Fachzeitschriften und Studien zum Thema Social Lending sowie der Interpretation von Unternehmensangaben.
Darüber hinaus wurde eine intensive Internetrecherche betrieben, wie z.B. die Sichtung von unternehmens- und themenspezifischen Blogs und die Eruierung themenbasierter Beiträge aus Webforen. Die sich daraus ergebenden Resultate wurden zur theoretischen Fundierung herangezogen. Bedingt durch das sehr neue Gebiet des Kreditmarktes, lässt sich im engeren Sinne auf keine Primärquelle zum Social Lending zurückgreifen, jedoch wurden Telefoninterviews mit dem führenden deutschen Blogger zum Thema Social Lending, Claus Lehmann, dem Geschäftsführer der Smava GmbH, Alexander Artopé, und dem Vorstandsreferenten der Fidor Bank AG, Thomas Habicher, geführt, um direkte und aktuelle Informationen zu diesem jungen Themengebiet der Kreditwirtschaft zu erhalten.
Aufgrund der wenigen wissenschaftlichen und empirischen Erkenntnisse zum Thema Social Lending hat die Arbeit überwiegend explorativen Charakter. Dementsprechend bedarf es der Vermittlung zwischen der klassischen Finanz- und Bankenliteratur sowie den Erkenntnissen aus der Social-Lending-Forschung. Im weiteren Sinne kann die primäre Quellenanalyse von Zinsniveaus, Kreditvolumen und der Anzahl der tätigen Unternehmen bzw. der Teilnehmer genannt werden.
Zunächst werden im Abschnitt 1.4 die definitorischen Grundlagen zum besseren Verständnis der Arbeit dargestellt. Kapitel 2 wird die theoretischen Aspekte des Finanz- und Kreditgeschäftes sowie die moderne Bankengeschichte Deutschlands beschreiben. Im nachfolgenden Kapitel werden die Grundlagen und der Status quo der führenden Social-Lending-Unternehmen dargestellt. In Kapitel 4 wird der Versuch unternommen, Entwicklungsmöglichkeiten und -risiken des Social Lending zusammenzutragen und einen Marktausblick zu geben.
1.4 Definitorische Grundlagen
Dieser Abschnitt erörtert die für die Arbeit relevanten Begriffe Social Lending, Social Web bzw. Web 2.0 und Mikrokredit.
Social Lending Social Lending, auch Peer-to-Peer-Lending (P2P) genannt, ist eine Unterkategorie des Social Web,38 das einen Anstieg der Verbrauchermacht innerhalb des Internets herbeigeführt hat.39
Der Begriff Peer to Peer stammt ursprünglich aus der Netzwerktechnik, wobei er übersetzt so viel bedeutet wie Gleich zu Gleich. Ein direkter IT-Bezug lässt diese Übersetzung noch nicht zu, jedoch verwalten diese Gleichen etwas. Dies kann sowohl den Informationsaustausch, z.B. in der Gesellschaft oder Wirtschaft, bedeuten als auch den Austausch von Kräften am Beispiel der Physik.40 Des Öfteren wird Peer to Peer im Bereich der Wirtschaftinformatik als Netzwerktopologie41 verstanden, in der Gleichgestellte als Kommunikationspartner interagieren.42
Da Peer to Peer nicht nur den Informationsaustausch behandelt, sondern auch den Austausch von materiellen Gütern, lässt sich auch die Vermittlung von Geld zwischen gleichgestellten Personen unter diesem Begriff subsumieren. Die Anwendung dieser Vermittlungsfunktion auf die Geschäftsmodelle der Online-Kreditplattformen führt zum Begriff des Social Lending.43 Deswegen handelt es sich bei den Online-
Kreditbörsen um vermittlungszentrierte Marktplätze, da die Vermittlung zweier Par teien, meist aus Käufer und Verkäufer bestehend, im Vordergrund steht.
Auch wenn sich ab dem Jahr 2005 im Internet ein Trend zum Social Lending zeigt, bei dem Geld im kleinen Rahmen direkt an andere Personen verliehen wird, ist die Idee des Social Lending nicht neu. Wahrscheinlich ist es sogar das älteste Konzept von Investition und Finanzierung, da auf die Möglichkeit zurückgegriffen wird, dass Individuen sich gegenseitig Finanzmittel überlassen können, ohne dabei auf große Institutionen oder Vermittler wie z.B. Banken zurückzugreifen. Die Idee ist gegenläufig zu Individualismus und Profitabilität, sondern bezieht sich auf die traditionellen „Friendly Societies“44 des frühen 17. Jahrhunderts, die nach Rumiany als ältester Beweis des Social Lending anzusehen sind.45 Ziel dieser „Friendly Societies“ war es, die Wohlfahrt der Mitglieder zu steigern, indem Personen mit vergleichbaren finanziellen Bedürfnissen und Zielen durch die Kreditvergabe miteinander in Berührung kamen.46 Wiederum andere Quellen verwiesen auf Ursprünge, die bis in das Jahr 300 v. Chr. zurückreichen.47 Das Aufkommen von Bankinstitutionen und einem verstärkten Individualismus am Anfang des 18. Jahrhunderts führte zu einer peripheren Bedeutung des Social Lending, jedoch geben junge Technologien dem Konzept einen neuen Sinn, sodass die ursprüngliche Überlegung in Gestalt des internetbasierten Social Lending wieder aufleben kann.48 Die nachfolgende Tabelle soll die Differenzen zwischen dem traditionellen Bankenwesen und dem Social Lending darstellen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Gegenüberstellung traditionelles Bankenwesen und Social Lending49
Social Web/Web 2.0
Tim O’Reilly hat diesen Begriff im Jahr 2004 geprägt, jedoch ist er bis heute nicht eindeutig abgegrenzt.50 Ein Grund dafür ist, dass das Web 2.0 im Gegensatz zum Web 1.0 keine technische Basisinnovation repräsentiert. Mit Angeboten für die soziale Interaktion, wie facebook, Flickr, YouTube und Wikipedia, dokumentiert das Web 2.0 lediglich die Erkenntnis, dass das Internet niemals nur digitaler Marktplatz, sondern schon immer ein sozialer Raum zum Austausch von Meinungen und Inhalten war. Das entscheidende Charakteristikum der Web-2.0-Anwendungen ist damit die Vermenschlichung der Information.51 Allerdings ist der Ausdruck Web 2.0 lediglich ein Begriff, der als Schlagwort dient, was anhand der unterschiedlichen Interpretationen in der Literatur deutlich wird.52 So beschreibt Lange das Web 2.0 als eine Vielzahl neuer interaktiver Technologien, Dienste und Anwendungen im Internet (z.B. Wikis, Weblogs, Social Networking).53 Einen anderen Standpunkt vertreten Salmen und Haber: „Web 2.0 ist keine neue Technologie und auch nicht als eine neue Versi on des Internets zu verstehen. Web 2.0 steht für eine evolutionäre Änderung der Wahrnehmung, Gestaltung und Nutzung des Internets.“54 Das Alleinstellungsmerkmal des Web 2.0 ist der sogenannte „User generated Content“.55
Web 2.0 bedeutet im Kern nichts anderes, als mithilfe nutzerfreundlicher Tools die Kommunikation zu forcieren und dabei auch das eigene Qualitätslevel zu stimulieren. Die Anstöße dazu erfolgen jedoch primär über den Kunden (bottom-up) und nicht von oben herab (top-down). Durch dieses Konzept wird der Kerngedanke des Web 2.0 deutlich, nach dem nicht die Kontrolle über die eigenen Ideen und Kommunikationskanäle das Unternehmen weiterbringt, sondern Kriterien wie Offenheit und Kooperationsfähigkeit.56 O’Reilly stellt mehrere Kernprinzipien des Web 2.0 vor, welche von Koch/Richter spezifiziert wurden und auf denen sich die Kernkompetenzen eines Web 2.0 Unternehmens berufen sollen:57
- Dienste, keine Paketsoftware, mit kosteneffizienter Skalierbarkeit
- Vertrauen in Anwender als Mitentwickler
- Nutzung kollektiver Intelligenz
- Erreichen des „Long-Tail“58 mittels Bildung von Communities etc.
- Erstellung von Software über die Grenzen einzelner Geräte hinaus
- „Software as a Service“ (SaaS)59
Konsequenterweise soll die Basis der Social Lending Systeme, also das Internet, als eine „Ermöglichungstechnologie“ verstanden werden, in der neue Dienste bereitgestellt werden, die den Abschluss von internetbasierten Finanztransaktionen fördern.
Mikrokredite
Dieser Unterabschnitt soll zur Abgrenzung und Einstufung genutzt werden. Auch wenn eine einheitlich strukturierte Zuordnung in der Literatur nicht zu finden ist,60 soll das Social Lending im Verlauf der vorliegenden Arbeit als eine Sub-Kategorie der Mikrokredite angesehen werden,61 weswegen Letztere kurz beschrieben werden sollen.
Unter der Bezeichnung Mikrokredite wird im Allgemeinen verstanden, dass es Armen ermöglicht werden soll, Zugang zu Krediten, Spareinlagen und zu weiteren StandardFinanzinstrumenten zu erhalten.62 Die Mikrokredite ihrerseits lassen sich wiederum unter dem Überbegriff Mikrofinanz-Dienstleistungen zusammenfassen. Mikrokredite werden mit dem Selbsthilfe- und Solidaritätsprinzip betrieben.63 Die wohl populärste Institution, welche im Teilgebiet der Mikrokredite ihr Hauptgeschäftsfeld hat, ist die Grameen Bank, die gemeinsam mit ihrem Gründer Muhammad Yunus im Jahr 2006 „for their efforts to create economic and social development from below“ mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.64 Nachdem Yunus eine Odyssee mit diversen Banken zur Finanzierung seiner Idee der Kleinstkreditvergabe erfolglos beendete, entschloss er sich 1983, sein bereits in erfolgreichen Experimenten geprüftes Projekt in eine richtige Bank zu überführen. Sie firmierte unter dem Namen Grameen Bank, was so viel bedeutet wie Dorf-Bank.65
Die Vergabe und Überwachung eines Mikrokredits erfolgt in einer sozial akzeptablen Weise. Als Beispiel seien hier die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Folgekrediten und die Bildung von Kreditnehmergruppen genannt.66 Darüber hinaus vergeben viele Mikrokreditorganisationen Kredite nur an Frauen, da sie sich als verlässlicher und damit kreditwürdiger erwiesen haben.67
Durch die Einhaltung dieser „Sicherheitsfaktoren,“68 wie Yunus die verschiedenen Ansatzpunkte der Arbeitsweise beschreibt, sowie einer wachsenden Professionalisierung gelingt es vielen Mikrokreditinstituten, Rückzahlungsquoten von 95 bis 100% zu realisieren.69 Die Refinanzierung der Mikrokreditinstitutionen kann in unterschiedlicher Weise erfolgen, z.B. aus Spareinlagen der regionalen Bevölkerung, durch internationale Kapitalgeber oder aus privaten Spenden.
Seit 2004 gibt es die Möglichkeit, Mikrokredite über das Internet direkt an selbst ausgewählte Kreditnehmer eines Entwicklungslandes zu vergeben.70 An dieser Stelle soll nur beispielhaft das gemeinnützige Unternehmen Kiva.org genannt werden, welches international für Non-profit-Kreditgeber zugänglich ist. Der Kreditgeber kann sich online Kreditnehmer mit bestimmten Kreditprojekten aussuchen und finanzieren. So genannte „field partners“ der Kiva.org übernehmen dann die Vermittlung und Überwachung der Geldanlage.71
2 Theoretische und historische Grundlagen des Banken- und Kreditge schäfts
Die Feilbietung von Finanzdienstleistungen lässt sich in ihrer Beschaffenheit und ihrer Verrichtung kaum oder nur schwer mit der aus anderen Wirtschaftssektoren vergleichen. Es gibt zentrale Unterschiede zwischen dem Bankensektor und anderen Wirtschaftsbranchen, so z.B. den Vertrauensaspekt der Akteure oder die speziellen Regulierungsvorschriften, die im Gegensatz zu anderen Branchen keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Da die Eigenschaften des untersuchten Gegenstandes für die Beantwortung der Forschungsfragen einen hohen Stellenwert aufweisen, ist es zum einen Ziel dieses Kapitels, das fundamentale allgemeine Grundwissen über die Theorie der Banken bereitzustellen, und zum anderen, die theoretischen Merkmale spezieller Aspekte zu erläutern.
Als Bank, Kreditinstitut oder monetäres Finanzinstitut wird ein Unternehmen bezeichnet, das neben dem Kredit- auch den Zahlungs- und Kapitalverkehr entgeltlich als Dienstleistung anbietet. Das Kreditwesengesetz (KWG) definiert Banken in Deutschland wie folgt: „Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.“72
Nach Schumpeter soll das Bankensystem die finanzielle Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand bereitstellen sowie die vielfältigen Forderungen von Mitarbeitern, Eigentümern und der gesamten Gesellschaft möglichst gut erfüllen.73 Banken wurden in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft erforderlich, da die Leistungen der Wirtschaftssubjekte unter Zwischenschaltung von Geld ausgetauscht wurden. Mit der Erfüllung der volkswirtschaftlichen Funktionen des Bankensektors ermöglichen die Banken die „Trennung von unternehmerischer Tätigkeit und deren Finanzierung“.74 Finanzintermediäre als Vermittler zwischen Kapitalangebot und Kapitalnachfrage sind nötig, um die störungsfreie Distribution mit finanziellen Mitteln zu gewährleisten
sowie den gesamtwirtschaftlichen Geldkreislauf aufrechtzuerhalten. Das Bankensys tem (Aggregat) soll im besten Fall mit der Erfüllung seiner einzelwirtschaftlichen Interessen mittelbar Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Ressourcenallokation haben und somit Unterstützung für die optimale Verwendungsart des Kapitals bieten. Die Hinführung zur optimalen Verwendungsart bzw. das Aufsuchen von lukrativen Investitionsmöglichkeiten wird auch als Signalisierungs- und Kanalisierungsfunktion bezeichnet.75 Um einen Ausgleich zwischen Sparern und Investoren zu schaffen, nehmen die Banken Finanzmittel von originären Geldgebern, die über Finanzmittelüberschüsse verfügen, auf Kreditbasis an sich, und stellen diese Finanzmittel originären Geldnehmern, bei denen finanzielle Defizite bestehen, gleichermaßen auf Basis von Kreditkontrakten zur Verfügung.76 In einer modellierten Welt, in der die neoklassischen Theorien zur Anwendung kämen, wären Banken als Finanzintermediär zwischen Kapitalanbietern und -nachfragern jedoch entbehrlich, da wegen vollkommenen Wettbewerbs und Transparenz keine Transaktionskosten entstünden, sodass auftretende Differenzen unverzüglich einen Prozess auslösen würden, der den Markt ausgliche.77
Jedoch treten Diskrepanzen zwischen der neoklassischen Modelltheorie und der ökonomischen Realität auf, die die Existenz der Banken und deren Dienstleistungen rechtfertigen. Auf den real vorhandenen Kapitalmärkten kommt es je nach spezifischer Ausstattung zu Unvollkommenheiten und intransparenten Zuständen, die für die agierenden Wirtschaftssubjekte, z.B. wegen mangelnder Informationen, zu hohen Transaktionskosten führen können. Als Folge treten die Banken als Agenten auf und bündeln viele kleine Anlagebeträge, da es für einen Kleinanleger wegen zu hoher Informationskosten, die aus nötigen Informationssammlungen resultieren, nicht vernünftig ist, Kosten für die Selektion einer geeigneten Kapitalanlage aufzuwenden. Laut Neuberger sind die auftretenden Unvollkommenheiten und intransparenten Zustände im besonderen Maße für Kapitalmärkte relevant, die privaten Wirtschaftsubjekten sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen zugänglich sind.78 Als Aufgabe der Banken lassen sich die Minimierung der Transaktionskosten79 und die Ge währleistung der Funktion der Kapitalmärkte sowie ihre Effizienzsteigerungen festhalten. An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass es sich bei Finanzdienstleistungen nicht um lagerbare Güter handelt, sondern dass sie durch die Eigenschaften der Immaterialität und die Notwendigkeit zur Integration eines externen Faktors definiert sind.80 Als externen Faktor bezeichnet man einen Produktionsfaktor, der vom Kunden in den Produktionsprozess eingeführt wird und der dabei eine Zustandsveränderung erfährt.81 In der Haushaltstheorie sind Finanzdienstleistungen zudem Vertrauensgüter, da es dem Kunden nicht möglich ist, die Qualität des Produktes vor dem Kauf zu prüfen.
In Abschnitt 2.1 werden die drei wesentlichen Funktionen der Kreditinstitute behandelt. Folgen werden die Transaktions- und Finanzmarkttheorie. In Abschnitt 2.4 wird die historische Entwicklung des modernen Kredit- und Bankenwesen dargestellt. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels wird sich mit den Grundlagen des Endkundenkreditgeschäfts befassen
2.1 Volkswirtschaftliche Funktionen der Kreditinstitute
In diesem Abschnitt sollen die drei wesentlichen Funktionen von Kreditinstituten in den Vordergrund gestellt werden. Die Banken, auch als Finanzintermediäre bezeichnet, nehmen die Umgestaltung des Faktors Kapital in dreierlei Hinsicht vor, welche sich unter dem Begriff der Transformationsfunktionen zusammenfassen lässt.82 Bei den Funktionen handelt es sich im Einzelnen um:83
- Losgrößen- oder Betragstransformation:
Diese Funktion besteht darin, dass von den Banken eine Vielzahl kleiner Geldeinlagen in wenige große Kredite mit hohem Einzahlvolumen transformiert wird. Verbraucherkredite wären dagegen eine Transformation in umge- kehrter Richtung. Die Such- und Informationskosten, aber auch die Verhand- lungs-, Abschluss-, Überwachungs-, und Ausführungskosten werden dadurch gesenkt, dass ein Kreditnehmer nicht mit allen infrage kommenden Anlegern in Kontakt treten muss. Schlussfolgernd kann die Aktivierung vieler kleiner Geldanlagen das Kapitalangebot für Finanzierungen erhöhen. Darüber hinaus erreicht die Bank durch die Bündelung von vielen kleinen Anlagebeträgen sogenannte economies of scale (Größenvorteile/steigende Skalenerträge).
- Fristentransformation:
Diese Funktion ist dadurch gekennzeichnet, dass Banken Gelder mit anderen Laufzeiten annehmen, als sie diese ausgeben. Banken erlauben demnach eine harmonisierte Fristentransformation von Überlassungs- und Nutzungsdauer.84 Durch Erfahrungskurveneffekte ist es den Banken möglich, formal kurzfristige Mittel langfristig auszuleihen. Ermöglicht wird dies den Banken durch das Prolongations-85 sowie das Substitutionsprinzip86. Der aus diesen beiden Prinzipien resultierende Bodensatz fälliger Einlagen kann längerfristig ausgeliehen werden. Der Vorteil für den Kunden besteht darin, dass er nicht mehrere langfristige Kredite für ein und denselben Zeitraum aufnehmen muss, sondern einen einzelnen langfristigen Kredit, was einer Kostensenkung gleichkommt.
- Risikotransformation:
Diese Funktion wird von den Banken dadurch wahrgenommen, dass sie das in jeder einzelnen Anlage und jedem einzelnen Kredit unterschwellig existierende Risiko eines Ausfalls durch Risikoselektion, -kompensation und -streuung so diversifizieren, dass das Gesamtrisiko der Kredit- und Anlagenportefeuilles im Gegensatz zu der Summe der Einzelrisiken ein geringeres Ausfallrisiko aufweist.87 Die Zwischenschaltung der Banken zwischen Sparer und Investoren erlaubt es ihnen, unterschiedliche Risikobereitschaften von Schuldnern
(Privatpersonen, Unternehmen und dem Staat) zusammenzuführen und in
Übereinstimmung zu bringen. Risiken müssen also bewertet und ggf. umverteilt werden, denn Wirtschaftsubjekte, die überdurchschnittlich hohe Erträge in Aussicht gestellt bekämen, würden nur dann investieren, wenn nicht zugleich mit überdurchschnittlich hohen Kapitalverlustrisiken zu rechnen wäre.88
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Banken als Finanzintermediäre89
2.2 Transaktionskostentheorie
90 Wie in der Einleitung dieses Kapitels angedeutet, kommen außerhalb der neoklassischen Theorie keine vollständigen Verträge zustande.91 Im Abschnitt 2.3 wird erläutert, warum auf Finanzmärkten keine vollständigen Informationen vorhanden sind, wobei dieser Abschnitt die Existenz von Transaktionskosten begründet.
Die Transaktionskostentheorie wird der institutionsökonomischen Forschung zugeordnet. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf dem Transaktions- bzw. Koordinationsvorgang, der bei einer Geschäftsbeziehung zwischen zwei oder mehr Partnern unumgänglich ist. Nach Coase92 werden die Transaktionskosten als die Kosten bezeichnet, die potenzielle Vertragspartner für Information und Koordination aufwenden müssen, um den Vertrag abzuschließen und durchzusetzen.93 Es entwickelt sich der Antrieb, die die bestmögliche Organisationsform zu identifizieren und zu implementieren, da das Volumen der Transaktionskosten durch die jeweilige Organisation der spezifischen wirtschaftlichen Abläufe bedingt ist. Dieser Gedankengang hat für die exakte Einrichtung von Geschäftsprozessen ein enormes Gewicht.
Da auf Finanzmärkten direkte Transaktionen zwischen Schuldnern und Gläubigern nicht kostenlos sind, treten zunächst Suchkosten auf. Der potenzielle Schuldner muss jemanden suchen bzw. finden, der ihm die gewünschte Geldsumme für den gewünschten Zeitraum zu möglichst günstigen Konditionen überlässt. Auch für den möglichen Gläubiger treten Suchkosten auf, und zwar muss er eine Finanzanlage finden, die seinen Vorstellungen bezüglich der Faktoren Fristigkeit, Losgröße und Risiko entspricht. Zusätzlich zu den Suchkosten fallen noch weitere Transaktionskosten an, z.B. für die Vertragsgestaltung zwischen Schuldner und Gläubiger.94
Spezialisierte Unternehmen (Finanzintermediäre) können zur Reduktion dieser Kosten beitragen, wenn es ihnen gelingt, economies of scale oder economies of scope zu realisieren. Von economies of scale spricht man, wenn die Grenzkosten der Produktion eines Gutes niedriger sind als die Durchschnittskosten. Daraus resultieren sinkende Durchschnittskosten bei der Produktion einer zusätzlichen Einheit. Econo mies of scope werden dann realisiert, wenn es kostengünstiger ist, mehrere Produkte zusammen anzubieten als jedes Produkt einzeln.95
Zusammenfassend lässt sich der Transaktionskostenansatz als Basis einer generellen Organisationslehre beschreiben, wobei er aber einen erklärungskräftigen und anwendungsorientierten Bezugsrahmen für die Konzeption ökonomischer Tätigkeiten
[...]
1 Die Qitera GmbH ist ein junges Technologie- und Medienunternehmen, das sich bei seiner Arbeit auf die suchbezogenen Herausforderungen von Mitarbeitern im Unternehmen fokussiert. Das Unternehmen entwickelt Suchlösungen, die die Mitarbeiter in Marketing, Produktmanagement, Vertrieb und Business Development bei ihrer täglichen Such- und Recherchearbeit unterstützt.
2 Vgl. O’Reilly (2005).
3 Vgl. Kupp/ Anderson (2007) S. 11 17.
4 Gartner Inc. (2008).
5 Tucholsky (1931), S. 393.
6 Spath (2009), S. 7.
7 Auch wenn falsche Anreizsysteme der Banken mit Sicherheit nicht unschuldig an den Ursachen der Finanzkrise sind, so gab es doch auch noch andere entscheidende Faktoren, die zu ihrer Entstehung beigetragen haben. So sind die globalen wirtschaftlichen Ungleichgewichte, die expansive Kreditvergabe US-amerikanischer Banken, aber auch die zu lockere Geldpolitik seitens der USA zu nennen.
8 Lochmaier (2009a).
9 Detailliertere Ausführungen folgen im Abschnitt 3.1.
10 Eine ausführliche Darstellung der Transaktionskostentheorie, im Speziellen der Kreditvergabe, findet sich in Abschnitt 2.1.
11 Vgl. Lin/Prabhala/Viswanathan (2009), S. 7.
12 Stiftung Finanztest (2008).
13 Stiftung Finanztest (2009).
14 Artopé (2009a), S. 19.
15 GHS Report (2008).
16 Berger/Gleisner (2007), S. 3.
17 Chircu/Kaufmann (2000).
18 Evans/Wurster (1997); Benjamin/Wiegand (1995).
19 Richter/Koch/Kirsch (2007), S. 3f.
20 Grieger (2003).
21 Cordella (2006).
22 Hagel/Singer (1999) sprechen von einer neuen Art der Intermeditation durch elektronische Märkte.
23 Der Begriff des Web 2.0 wird innerhalb der definitorischen Grundlagen genauer erläutert.
24 PayPal ist ein Internet-Bezahlsystem zur Begleichung von Mittel- und Kleinbeträgen, das z.B. beim Ein- und Verkauf im Online-Handel genutzt wird.
25 Die eBay-Zahlungen entsprechen dem Transaktionsvolumen von PayPal, das nur über die OnlineAuktionsbörse eBay abgewickelt wurde.
26 Heng (2008).
27 Meyer (2007); Hulme/Wright (2006).
28 Heng (2007), S. 6.
29 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Meyer (2006), S. 2.
30 Social Lending wird auch als Peer-to-Peer Lending bezeichnet (P2P).
31 Ein Kreditprojekt wird komplett durch einen einzigen Investor finanziert.
32 Ausführlichere Erklärungen zur Risikodiversifizierung folgen im Abschnitt 3.3.
33 Eine ausführliche Darstellung der regulatorischen Bedenken folgt in Abschnitt 4.2.
34 Mitschke (2007).
35 Vgl. Ryan/Reuk/Wang (2007); Steelman (2006); Hulme/Wright (2006).
36 Vgl. hierzu u.a. Typke (2009); Meyer (2009); Meyer (2007); Klafft (2008); Berger/Gleisner (2007).
37 Vgl. exemplarisch: Hartmann-Wendels (2007); Büschgen (1999); Neuberger (1994); Holtemöller (2008).
38 Der Begriff Social Web wird im nächsten Unterabschnitt erläutert.
39 Slavin (2007), S. 1.
40 Gehrke (2004), S. 10.
41 Unter dem Begriff Netzwerktopologie versteht man ursprünglich die physikalische Anordnung von Netzwerkstationen, aus denen sich verschiedenste Arten von Netzwerkarchitekturen bilden lassen.
42 Gehrke (2004), S. 15.
43 Schumann (2008), S. 5.
44 Der Begriff Friendly Society wird übersetzt als gemeinnütziger Verein.
45 Rumiany (2007).
46 Für detailliertere Informationen siehe Hulme/Wright (2006).
47 Vgl. Schulz (2007), S. 76.
48 Rumiany (2007).
49 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Auxmoney GmbH (2009a).
50 O’Reilly (2005).
51 Heng (2007), S. 2.
52 Vgl. Bienert (2007), S. 6 ff.
53 Lange (2007), S. 64 f.
54 Salmen/Haber (2007), S. 69.
55 Vgl. Bienert (2007), S. 6 ff.
56 Lochmaier (2009a), S. 16 ff.
57 O’Reilly (2005); Koch/Richter (2008), S. 3 f.
58 Nach der „Long Tail“-Theorie kann ein Anbieter im Internet Gewinne durch eine große Anzahl an Nischenprodukten generieren. Für nähere Informationen siehe Anderson (2007).
59 Darunter wird verstanden, dass Web-2.0-Applikationen eine mit Desktop-Anwendungen vergleichbare Interaktivität bei gleichzeitiger Benutzbarkeit von überall her (auch ohne Installation) bieten sollen.
60 Dies ergaben die Recherche des Autors in zahlreichen Bibliotheksbeständen und Datenbanken sowie diverse Suchabfragen im Internet (Stand Dezember 2009).
61 Man kann die Social-Lending-Plattformen als Kleinkreditvermittler für Industrienationen ansehen. Bütikofer
(2006) spricht davon, dass das Social Lending das Konzept des Mikrokredits in einem gewissen Grad ins Internet übertrage und es so westlichen Konsumenten zugänglich mache. Slavin merkt an, dass das Prinzip des Social Lending lokal agierenden Mikrofinanzunternehmen sehr ähnlich sei, in denen sich Familien, Freunde und Nachbarn gegenseitig und damit zum Nutzen der Allgemeinheit Geld liehen Slavin(2007).
62 Consulative Group to Assist the Poor (CGAP) (2009).
63 Vgl. Yunus/Jolis (2006), S. 151 ff.
64 Nobel (2009); Schumann (2008), S. 31.
65 Vgl. Spiegel (2006), S. 27.
66 Ca. fünf Kreditnehmer erhalten abwechselnd einen Kredit und bürgen füreinander.
67 Yunus/Jolis (2006), S. 116 ff.
68 Für detailliertere Ausführungen zu den „Sicherheitsfaktoren“ siehe Spiegel (2006), S. 28 ff.
69 Grameen (2009).
70 Dietrich (2007).
71 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird jedoch nicht näher auf den Zusammenführungsprozess bzw. die Online-Mikrokreditvergabe eingegangen.
72 § 1 KWG.
73 Für eine umfassende Darstellung der Bedeutung der Bankentätigkeit für die wirtschaftliche Entwicklung siehe Schumpeter (1912).
74 Schrooten (2004), S. 11.
75 Vgl. Stöttner (1998), S. 39.
76 Bitz (1989), S. 430.
77 Holtemöller (2008), S. 89 ff.
78 Neuberger (1997).
79 Zu Such- und Informationskosten, Verhandlungskosten, Abschluss- und Ausführungskosten und Vertragsüberwachungskosten siehe auch Abb. 2.
80 Meffert/Bruhn (2006).
81 Donabedian (1980), S. 77 ff.
82 Vgl. Büschgen (1999), S. 39.
83 Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 5 ff.
84 Holtemöller (2008), S. 89.
85 Nicht alle Einlagen werden bei Fälligkeit abgezogen, sondern eine gewisse Quote wird über die Fälligkeit hinaus prolongiert (verlängert) Börner (2000), S. 161.
86 Die Bank kann davon ausgehen, dass ein bestimmter Teil fälliger Einlagen, die dann tatsächlich in Anspruch genommen werden, bei Fälligkeit durch neue Einlagen ersetzt (substituiert) wird (ebd.).
87 Büschgen (1999), S. 40.
88 Stöttner (1998), S. 39.
89 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Büschgen (1999), S. 36.
90 Siehe auch bei Coase (1937), S. 386 405; Williamson (1990).
91 Ein vollständiger Vertrag ist ein Vertrag, den rationale, eigennutzenmaximierende Parteien bei vollständiger Information und Abwesenheit von Transaktionskosten schließen würden. Vgl. Schäfer/Ott (2005), S. 401 ff.
92 Coase (1960), S. 1 ff.
93 Williamson (1996), S. 379, beschreibt die Transaktionskosten als “[…] the ex ante cost of drafting, negotiating and safeguarding an agreement and, more especially, the cost of maladaption and adjustment that arise when contract execution is misaligned as a result of gaps, errors, omissions, and unanticipating disturbances; the cost of running the economic system.”
94 Holtemöller (2008), S. 96.
95 Ebd., S. 97.
- Arbeit zitieren
- Carlo Schlichterle (Autor:in), 2009, Social Lending. Entwicklungsstand und Zukunft des internetbasierten Kreditgeschäfts zwischen Endkunden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412716
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