Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet, inwieweit Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung bereits integriert sind. Die Ausarbeitung wird zunächst Einblicke über die Asylbewerber in Zahlen geben, übergehend zu juristischen Fragen rund um Asylverfahren in Deutschland, es wird ein Überblick verschafft über Erstaufnahmeeinrichtungen in der Vergangenheit, aktuelle Probleme und eine Beschreibung des Michaeliscamp dargeboten. Angelehnt an den Autor Hartmut Esser werden Indikatoren von Integration herausarbeitet, welche darauffolgend auf die Situation in der Erstaufnahmeeinrichtungen am Beispiel Michaeliscamp angewandt wird. Schließlich folgt die Soll – Ist Analyse.
Ziel ist es, die aktuelle Situation in einer Erstaufnahmeeinrichtung darzulegen, sowie Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation vorzustellen.
Inhaltsverzeichnis
Motivation der Arbeit
1 Einleitung
2 Einführungskapitel
2.1. Die Flüchtlingssituation in Zahlen
2.2. juristische Grundlagen in der Asylpolitik
2.2.1. Anerkennungsverfahren
2.2.2. Grundlagen zum Dublin Abkommen
2.2.3. Asylverfahren in Deutschland
2.3. Erstaufnahmeeinrichtungen
2.3.1. Erstaufnahmeeinrichtungen in der Vergangenheit
2.3.2. aktuelle Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Hessen
2.3.3. Beschreibung des Michaeliscamps Darmstadt
3 Anwendung der Methode - teilnehmenden Beobachtung
3.1. Teilnehmende Beobachtung
3.2. Problemanalyse im Michaeliscamp
3.3. Phasenmodell
4 Einblicke in die Theorie
4.1. Was ist Integration?
4.2. Theorieableitung
4.3. Anwendung auf das Michaelisamp
4.4. Von der Theorieableitung zum Interviewleitfaden
4.4.1. Methode Leitfadeninterview
4.4.2. Methode Experteninterview
4.5. Soll-Ist Analyse
4.5.1. Methodisches Vorgehen der Materialauswertung
4.5.2. Soll - Ist Analyse des Michaeliscamps
5 Fazit
6 Anhang
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Motivation der Arbeit
Diese Arbeit spiegelt neben sehr viel Recherchearbeit und persönlichem Interesse auch meinen eigenen Erfahrungsschatz wieder, welchen ich im Bereich Flüchtlingshilfe in Deutschland in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Hessen, dem Michaeliscamp machen durfte. Dort bin ich seit dem 11. November 2015 im Team Sozialarbeit hauptamtlich angestellt. Ich war unter anderem Ehrenamtskoordinatorin für den Bereich Kinderarbeit sowie mein Schwerpunkt im späteren Verlauf die aufsuchend Sozialarbeit, die Beziehungsarbeit zu Asylbewerbern, war. Die Überlegungen zu dieser Arbeit sind während den ersten Wochen im Michaeliscamp Darmstadt entstanden.
Meine Motivation mit Asylbewerbern zu arbeiten, zeugt zum einen von einem vorausgegangen Hilfseinsatz mit einem deutsch - amerikanischen Team, in Griechenland 2015.
Zum anderen möchte ich durch meine Arbeit die Probleme zur fehlenden Integration in Erstaufnahmeeinrichtungen aufzeigen und anschließende Lösungen zur schnelleren Integration für Asylbewerber in Aufnahmeeinrichtungen finden und beschreiben.
1. Einleitung
Weltweit waren zum Jahresende 2015 ca. 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Hälfte davon waren Kinder. Dies ist die höchste Zahl, die jemals von dem UNHCR verzeichnet wurde[1]. Die weltweiten Zahlen der Asylbewerber wirken sich auch auf die Bundesrepublik Deutschland aus. Nachdem die Zahl der Asylanträge 2012 den niedrigsten Stand erreichte, wurde sie bis 2015 kontinuierlich nach oben korrigiert. Ende 2015 waren 476.649 Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingegangen. In der Zeit von Januar bis Juni 2016 haben 387.675 Personen in Deutschland Asyl beantragt. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der angekommenen Asylbewerber in Deutschland, welche vom BAMF noch nicht erfasst wurden, weitaus höher liegt[2]. Seit Sommer 2015 erfährt das Thema “Flüchtlinge in Deutschland“ auch große mediale Aufmerksamkeit, es wird von einer Flüchtlingskrise in Deutschland gesprochen. Die Meinungen über die Aufnahme von Asylbewerbern in Deutschland klafft mehr und mehr auseinander, begleitet durch die jüngsten “Terrorattentaten“ und einer Welle von Vergewaltigungs- und Belästigungsopfern. Diese Unterkünfte sind die ersten Anlaufstellen zur Einleitung des Asylverfahrens der Asylbewerber. Dabei sind nach §44 AsylG die Länder dazu verpflichtet, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten[3]. Der plötzliche Zuwachs an Asylbewerber führte im Sommer 2015 zu einer Überforderung der Länder, wovon zunächst die Erstaufnahmeeinrichtungen betroffen waren. So mussten über Nacht Flüchtlingsunterkünfte geschaffen werden, eines davon ist das Michaeliscamp Darmstadt in der Starkenburgkaserne, worauf sich stellvertretend für andere Erstaufnahmeeinrichtungen in dieser Arbeit bezogen wird.
Laut dem Regierungspräsidium Gießen soll die Dauer der Unterbringung in der HEAE (Hessischen Erstaufnahme) so kurz wie möglich ausfallen: „ In der Regel sind die Betroffenen nicht l Änger als vier bis sechs Wochen in der Erstaufnahme untergebracht, bevor sie durch das Regierungspr Äsidium Darmstadt in die Landkreise weitergeleitet werden [4].“ Seit Sommer 2015 wurde die Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen stets nach oben korrigiert, es wird letztlich seit 01.11.2015 von einer Aufenthaltsdauer von bis zu sechs Monaten gesprochen. Die Dauer wurde somit mehr als verdreifacht, der Auftrag der Erstaufnahmen, nämlich den Asylbewerbern lediglich Basisversorgung zu bieten, blieb genauso erhalten. Nach wie vor ist das Thema Integration, welches im politischen Sinne erst in der kommunalen Zuteilungen behandelt wird, nicht Ziel der Erstaufnahme.
An diesem Missstand schließt sich die folgende Arbeit an, denn wie die Landesregierung im Aktionsplan Hessen selbst schreibt: es geht um den Start. „ Integration ist ein Marathonlauf, aber auch hier gilt nicht minder als beim Sprint: Es bedarf eines guten Starts [5].“ Integration muss sobald wie möglich erfolgen. So haben Wissenschaftler einen kausalen Zusammenhang herstellen können, zwischen den Wartezeiten in Unterkünften und der Entscheidung über das Asylverfahren. Forscher konnten nachweisen, dass schon eine Verkürzung der Wartezeit zur besseren Integration beiträgt und schneller einen Arbeitsplatz gefunden werden kann[6]. Dabei ist in der folgenden Arbeit die Forschungsfrage, inwieweit Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung bereits integriert sind. Die Ausarbeitung wird zunächst Einblicke über die Asylbewerber in Zahlen geben, übergehend zu juristischen Fragen rund um Asylverfahren in Deutschland, es wird ein Überblick verschafft über Erstaufnahmeeinrichtungen in der Vergangenheit, aktuelle Probleme und eine Beschreibung des Michaeliscamp dargeboten. Angelehnt an den Autor Hartmut Esser werden Indikatoren von Integration herausarbeitet, welche darauffolgend auf die Situation in der Erstaufnahmeeinrichtungen am Beispiel Michaeliscamp angewandt wird. Schließlich folgt die Soll - Ist Analyse. Ziel ist es, die aktuelle Situation in einer Erstaufnahmeeinrichtung darzulegen, sowie Lösungsansätze zur Verbesserung der Situation vorzustellen.
2. Einführungskapitel
2.1. Die Flüchtlingssituation in Zahlen
Flüchtlingszahlen weltweit:
Nach Angaben der UNHCR waren zur Jahresmitte 2015 weltweit ca. 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Top Herkunftsländer sind Somalia, Syrien, Afghanistan, Südsudan, Sudan, Kongo, Zentralafrikanische Republik, Myanmar, Eritrea und Irak. Die Top Ten der hosting countries sind die Türkei, Pakistan, Libanon, Iran, Äthiopien, Jordan, Kenia, Uganda, Chad und der Sudan. Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge schafft es nach Europa, da es keine legalen Fluchtwege gibt, wenden sich viele Flüchtlinge an „Schlepper“, welche sie auf illegalen Wegen nach Europa einführen. Die Schlepper verlangen für diesen Dienst einen hohen Preis. Trotzdem ist diese Reise lebensgefährlich.
Flüchtlingszahlen in Deutschland
Nach dem in der Bundesrepublik im Jahr 2007 die Zahl der Asylanträge den niedrigsten Stand mit 30.100 Asylanträge erreicht hat, stieg die Zahl bis 2015 kontinuierlich an und erreichte im Jahr 2015 mit 476.649 Asylanträgen den höchsten Stand. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass viele der Asylbewerber, die sich bereits in Deutschland befinden, noch nicht ihren Asylantrag gestellt haben, somit also noch nicht vom BAMF erfasst sind und die Zahl der Asylanträge im Jahr 2015 weitaus größer ausfällt.
Seit April 2015 gingen die Flüchtlingszahlen aufgrund der Grenzschließungen in den Balkanstaaten und aufgrund des EU-Türkei-Abkommen wieder zurück. Das Abkommen zwischen der Türkei und der EU, welches zum 20.03 in Kraft trat, sollte den Flüchtlingsstrom, von Flüchtlingen die über die Türkei einreisen, stoppen. Im Abkommen ist die Zurückführung von Flüchtlingen von Griechenland in die Türkei, geregelt. Gleichzeitig sollten von der Türkei aus syrische Flüchtlinge in die EU Staaten umgesiedelt werden[7]. Von Januar bis Juni 2016 waren die Hauptherkunftsländer ebenfalls Syrien mit 170.581 Asylanträgen, gefolgt von dem Irak mit 56.110 Asylanträgen und Afghanistan mit 60.398 Asylanträgen[8].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Herkunftsländer der Asylbewerber nach Deutschland, Januar - Juni 2016
Asylbewerber in Zahlen in Land Hessen:
Das Regierungspräsidium Gießen gibt an, dass im Jahr 2015 118.687 Asylbewerber in Hessen ankamen, wovon 79.788 Personen in Hessen untergebracht und aufgenommen wurden. Diese Zahl entspricht einen signifikanten Anstieg zum Vorjahr. Im Jahr 2013 waren es nur 17.231 ankommende Asylbewerber und im Jahr 2014 waren es 29.478.
Im Jahr 2015 stieg die Zahl der Asylbewerber, die in Hessen ankamen kontinuierlich an, beginnend mit 4.003 Personen im Januar, bis zum Höchststand im November mit 18.996 Personen. Die Zahl sank im Dezember auf 11.921 ankommende Asylbewerber. Bis Mitte 2016 verzeichnete das Regierungspräsidium Hessen 17.258 Neuzugänge[9].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Entwicklung monatliche Flüchtlingszahlen Hessen[10]
2.2. juristische Grundlagen in der Asylpolitik
2.2.1. Anerkennungsverfahren
Im rechtlichen Sinne bezeichnet „Asyl“ nur das politische Asyl, den nationalen Schutz, wie in Art.16a des GG definiert. In der Praxis der Asylverfahren spielt dies aber nur noch eine untergeordnete Rolle. Im Asylantrag werden neben dem Art.16a des GG auch andere Formen wie der internationale Schutz beachtet. Internationaler Schutz umfasst zwei Elemente, nämlich den Flüchtlingsschutz und den subsidiären Schutz. Treffen diese drei Formen des Schutzes nicht zu, wird geprüft, ob ein Abschiebungsverbot vorliegt. Zusätzlich kann die Abschiebung bei einer Duldung vorübergehend ausgesetzt werden. Nachfolgend werden die ebengenannten Möglichkeiten, die für asylsuchende Menschen bestehen, vorgestellt.
2.2.1.1 Anerkennung als Flüchtling nach Genfer Flüchtlingskonvention
Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
…“ aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalit Ät, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischenüberzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will [11]. “
Ein Flüchtling hat das Recht, in einem anderen Land Schutz und Sicherheit zu finden. Ein Flüchtling muss die Gesetze des Asyllandes respektieren[12].
Anmerkung: So werden zwar alle Asylbewerber Flüchtlinge genannt, dies ist juristisch gesehen aber nicht der korrekte Ausdruck. Daher wird in dieser Arbeit der Begriff „Asylbewerber“ verwendet.
2.2.1.2 Anerkennung als Asylberechtigter nach Grundgesetz Artikel 16
Neben der Anerkennung als Flüchtling nach §3 des Asylgesetzes ist auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Artikel 16a des Grundgesetzes möglich, wenn keine Anerkennung als Flüchtling möglich ist. Asylberechtigt nach dem Grundgesetz ist, wer wegen seiner politischen Überzeugung, religiösen Grundentscheidung und unveränderbaren Merkmalen, die sein Anderssein prägen (zum Beispiel die ethnische Gruppe) im Falle einer Rückkehr einem schwerwiegenden Eingriff in Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein wird[13].
Asylberechtigt Anerkannte haben die gleichen Rechte wie Personen, welche als Flüchtling anerkannt wurden, jedoch besteht nur nationalen Schutz.
2.2.1.3 Anerkennung als subsidiär Schutzbedürftig
Bei Asylbewerbern, welche keine Anerkennung als Asylberechtigt nach Art. 16a GG oder als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention Art. 3. erhalten können, ist zu prüfen, ob subsidiärer Schutz nach §4. Abs. 1. AsylIVfG besteht. Subsidiären Schutz steht jenem Asylsuchenden zu, denen im Herkunftsland im Falle einer Rückkehr die Gefahr eines “ernsthaften Schadens“ droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts[14].
Im Rahmen des Asylpakets II, welches zum 17.03.16 in Kraft trat, wurden neue Maßnahmen für subsidiär Schutzbedürftige getroffen. Der Familiennachzug ist für die folgenden zwei Jahre für Menschen mit subsidiären Schutz ausgesetzt, dafür sollen Flüchtlinge die aus Flüchtlingslagern außerhalb der EU nach Europa gebracht werden, leichter ihre Familien nachziehen dürfen[15].
2.2.1.4 Abschiebeverbot
Liegt bei dem Asylsuchenden keine Asylberechtigung oder eine internationale Schutzbedürftigkeit vor, ist zu prüfen, ob bei dem Asylsuchenden nach §60 Abs. 7 ein Abschiebungsverbot vorliegt.
Dieses liegt vor, wenn im Falle einer Rückkehr für den Asylsuchenden eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht[16]. Berücksichtigt werden hier unter anderen auch schwerwiegende Erkrankungen, welche im Herkunftsland nur unzureichend behandelt werden können.
2.2.1.5 Sichere Herkunftsstaaten vs. Unsichere Herkunftsstaaten
Das BAMF bezeichnet Staaten als sicher, in denen aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse die Vermutung besteht, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche erniedrigende Sanktionen oder Behandlungen stattfinden[17]. Sicher sind auch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Die Europäische Union plant, die sicheren Herkunftsstaaten auszubauen. So wurden Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, auch die Balkanstaaten sind betroffen.
2.2.1.6 Die Gesamtschutzquote der Asylsuchenden
Laut dem BAMF ist ein wesentlicher Faktor für einen positiven Asylantrag das Herkunftsland des Antragsstellers. Wenn Antragssteller im Falle ihrer Rückkehr einer besonders hohen Gefahr ausgesetzt sind, führt dies zu einer höheren Schutzquote. Werden hingegen Asylanträge von einem Herkunftsland gestellt, bei dem die Situation vor Ort keine Schutzgründe gewährt werden können, fällt die Quote geringer aus.
Die Gesamtschutzquote aller Herkunftsländer, welche Asyl in Deutschland suchen, stellt sich für die Jahre 2009 bis 2014 wie folgt dar. Die Gesamtschutzquote in Deutschland berechnet sich aus der Anzahl der Anerkennung der Asyls nach Art. 16a des Grundgesetzes, der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention 3. Abs. 1.AsylVfG, der Zuerkennung von subsidiären Schutz nach §4. Abs. 1. AsylIVfG und dem Abschiebeverbot nach §60 Abs. 5. Od 7 Aufenthaltsgesetz.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Gesamtschutzquote[18] (eigene Darstellung nach Statista „Gesamtschutzquote der Asylbewerber in Deutschland bis 2016)
2.2.2. Grundlagen zum Dublin Abkommen
Das Dublin Abkommen ist Teil des GEAS (= Gemeinsame europäische Asylpolitik) und wesentlicher Bestandteil der Europäischen Union seit 1997. Das Dublin Abkommen soll prüfen, welcher Staat im Dublinraum für den Asylsuchenden zuständig ist. Dies ist in der Regel der Staat, welchen der Asylsuchende als ersten betreten hat. Der Dublinraum umfasst zur Zeit 32 Mitgliedsstaaten, die 28 EU Staaten sowie die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island. Das Dublin Abkommen sollte mit Hilfe von EURODAC mehrfache Asylverfahren im Dublinraum vermeiden. EURODAC bezeichnet ein Identifizierungssystem. Von den Asylsuchenden werden Fingerabdrücke genommen, um so sicher zu stellen, dass es sich nicht um einen Mehrfachantrag handelt. Wird eine Mehrfachanmeldung erkannt, besteht eine Überstellungsfrist die binnen sechs Monaten verlaufen muss. Läuft die Überstellungsfrist aus, besteht die Zuständigkeit wieder bei dem aktuellen Land. Zudem soll das Dublin Abkommen sicherstellen, dass jede schutzsuchende Person Zugang zum Asylverfahren bekommt.
In jedem Land gibt es Behörden, welche für das Dublin Verfahren zuständig sind, in Deutschland ist es das BAMF. Im Dublin III von 2013 kamen noch weitere Regelungen hinzu, wie die Regel von systemischen Mängeln. Von den Asylsuchenden werden Fingerabdrücke genommen, um so sicher zu stellen, dass es sich nicht um einen Mehrfachantrag handelt. Wird eine Mehrfachanmeldung erkannt, besteht eine Überstellungsfrist die binnen sechs Monaten verlaufen muss. Läuft die Überstellungsfrist aus, besteht die Zuständigkeit wieder bei dem aktuellen Land. Ähnliche Verfahren werden in den Ländern Italien, Ungarn und Bulgarien durchgeführt. Sie wurden von vielen Gerichten als Länder mit systemischen Mängeln eingestuft, sodass auch in diese Länder kaum Dublin-Abschiebungen vorgenommen werden[19] [20]. Aufgrund dieser Vorkommnisse ist das Dublin Verfahren in der aktuellen Flüchtlingskrise 2015 in Kritik geraten. Non-Gouvernement Organisationen kritisieren das starke Ungleichgewicht in der Verteilung von Asylbewerbern im Dublinraum, die Südstaaten Ungarn, Griechenland, und Italien sind überlastet. Das führt dazu, dass das Dublinsystem in den Hauptankuftsstaaten nicht mehr funktioniert und die Asylbewerber mit Hilfe von EURODAC nicht mehr aufgenommen werden[21].
Auf diese Weise konnten Asylbewerber nach Dublin III im Sommer 2015 rechtmäßig nach Deutschland einreisen, da viele Asylbewerber die Fluchtroute über das Mittelmeer nach Griechenland wählten. Von dort reisten sie über den Balkan, nach Ungarn, um nach Deutschland einzureisen. Die beiden ärmsten Länder der Dublinstaaten Ungarn und Bulgarien haben sich im Sommer 2015 mit Grenzzäunen abgezäunt.
2.2.3. Asylverfahren in Deutschland
Zunächst müssen die Asylsuchenden, welche die Grenze nach Deutschland übertreten, im Zeitraum von binnen einer Woche ein Asylgesuch stellen. Dies geschieht durch die Bundespolizei oder andere Behörden. Diese stellen ein „Asylgesuch“ (nicht zu verwechseln mit dem Asylantrag) beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und leiten den Asylsuchenden an die nächstgelegene ErstaufnahmeEinrichtung weiter. Die Asylsuchenden erhalten eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BÜMA), dies ist eine vorläufige Aufenthaltsgestattung für den Zeitraum von sechs Monaten, im Rahmen des Asylverfahrens. Die BÜMA ist alle sechs Monate zu verlängern, bis das Asylverfahren entschieden wurde.
Wird ein Asylgesuch vor der Grenze gestellt, kann die Bundespolizei darüber entscheiden, die Einreise zu verweigern, da z.B. der Asylsuchende über einen sicheren Drittstaat eingereist ist und somit die Zuständigkeit nicht Deutschland ist[22]. eine Antragsstellung am Flughafen nach §18a des Asylgesetzes ist möglich, welches als Flughafenverfahren bezeichnet wird. Das Flughafenverfahren bezeichnet ein Asylschnellverfahren, welches im Transitbereich von größeren Flughäfen in Deutschland stattfindet. In beiden Fällen kann die Einreise nach Deutschland verweigert werden und Asylsuchende zurückgeschoben werden.
Für die erste Unterbringung von Asylsuchende sind die Bundesländer zuständig, welche Aufnahmeeinrichtungen schaffen müssen, sogenannte Erstaufnahme Einrichtungen. Die Bestimmung der zuständigen Aufnahmeeinrichtung erfolgt mit Hilfe des bundesweiten Verteilungssystems „EASY“ (Erstverteilung der Asylbegehrenden): Zuständig für die Aufnahme des Asylbegehrenden ist diejenige Aufnahmeeinrichtung, bei der er sich gemeldet hat, sofern diese über einen freien Unterbringungsplatz im Rahmen der oben genannten Quote verfügt und die Außenstelle des BAMF die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, Asylanträge aus dem Herkunftsland des Asylbegehrenden bearbeitet[23]. Die Quotenverteilung erfolgt nach dem Königssteiner Schlüssel, der sich nach den Steuereinkommen und dem BIP der Bundesländer des Vorjahres orientiert. So musste Nordrhein Westfalen (21,21%) am meisten Asylbewerber aufnehmen, gefolgt von Bayern (15,52%) und Baden Württemberg. (12,86%)[24].
In den Aufnahmeeinrichtungen erhalten Asylsuchende hauptsächlich Sachleistungen in Form von Kleidung, Hygieneprodukte, Essen und Unterbringung, sowie einen Taschengeldbetrag zur Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse in Höhe von 135€ (2015 143 €) pro alleinstehender Person und Monat[25].
Dabei haben Asylsuchende keinen Anspruch darauf in einem bestimmten Bundesland oder in einer bestimmten Stadt zu wohnen, es sei denn ein Familienmitglied befindet sich bereits dort. Auf diese Weise wird die Familieneinheit gewährt. Dabei muss es sich aber um die Kernfamilie handeln, wie den Ehegatten oder die minderjährigen ledigen Kinder.
Spätestens in der Erstaufnahme werden auch die Fingerabdrücke abgenommen und es wird mit Ausnahme von syrischen Staatsangehörigen geprüft, ob ein anderer Dublinstaat zuständig ist. Im späteren Verlauf, bis zu 12 Monaten nach der Meldung als Asylsuchender, erfolgt die Anhörung. In der Anhörung wird versucht, ein Bild über die Person zu erlangen, sowie deren Glaubwürdigkeit einzuschätzen. Daher ist die Anhörung die Grundlage der Entscheidung des Asylverfahrens. Familien werden getrennt angehört. Erst bei der Anhörung wird eine offizielle Registrierung vorgenommen und eine Akte beim BAMF wird angelegt, die Personalien werden aufgenommen oder ein Datenabgleich gemacht. Bei der Anhörung muss der Asylsuchende alle Tatsachen und erforderlichen Angaben hervorbringen, die die Furcht vor politischer Verfolgung begründen sowie alle weiteren Tatbestände und Umstände, welcher einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Die Entscheider prüfen, ob der Asylsuchende schutzbedürftig ist. Es wird unterschieden zwischen nationalem Schutz, der Asylberechtigung sowie dem internationalen Schutz, wie der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und dem Subsidiären Schutz. Trifft keine Schutzbedürftigkeit und kein Abschiebeverbot auf dem Asylsuchenden zu, kann der Asylsuchende eine einfache Ablehnung, mit der Möglichkeit auf rechtlichen Wiederspruch innerhalb zweier Wochen, erhalten oder eine Ablehnung, welche als offensichtlich unbegründet gewertet wird mit der Möglichkeit der Klage innerhalb von einer Woche. Ebenfalls kann eine Ablehnung als unzulässig durchgehen, wenn das Asylverfahren in die Zuständigkeit eines anderen Dublin Staats fällt. In diesem Fall muss der Asylsuchende binnen einer Woche einen Eilantrag stellen. Bei einer unanfechtbaren Abschiebung besteht die Pflicht zur Ausreise. Bei einer positiven Entscheidung des BAMF oder des Gerichts wird dem Asylsuchenden eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Personen mit Asyl und Flüchtlingsstatus können nach drei Jahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten. Es sei denn, die Schutzbedürftigkeit erlischt. Personen mit subsidiärem Schutz, sowie Personen mit Abschiebeverbot können sieben Jahre, nach Prüfung der Schutzbedürftigkeit, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten[26].
Neue Verfahrensanweisungen zum Asylverfahren traten mit dem Asylpaket II am 17.03.16 in Kraft. Damit sollte vor allem das Asylverfahren von Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten beschleunigt werden. Außerdem sollte die Abschiebung mit §30a vereinfacht werden. Hier sollten Einrichtungen geschaffen werden, für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, deren Abschiebung droht um eine schnelle Rückführung zu gewährleisten[27].
2.3. Erstaufnahmeeinrichtungen
2.3.1. Erstaufnahmeeinrichtungen in der Vergangenheit
Die Aufnahmeeinrichtungen sind im Asylverfahrensgesetz im §44 Abs. 1 fest verankert. Das Ausfertigungsdatum war am 26.06.1992 und trat am 01.07.1992 in Kraft. Die schnelle Umsetzung des Gesetzes, lässt die damalige Dringlichkeit erahnen. In dem Jahr 1992, während dem Jugoslawienkrieg, bewarben sich 438.191 Personen um Asyl in Deutschland, der höchste damalige Stand seit 1945. So verpflichtete die Bundesrepublik die Länder, Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber zu schaffen.
„ Die L Änder sind verpflichtet, für die Unterbringung Asylbegehrender die dazu erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten sowie entsprechend ihrer Aufnahmequote die im Hinblick auf den monatlichen Zugang Asylbegehrender in den Aufnahmeeinrichtungen notwendige Zahl von Unterbringungspl Ätzen bereitzustellen [28].“
Aber auch schon vor der Gesetzgebung von 1992 lassen sich ähnliche Aufnahmeeinrichtungen, unter einem anderen Namen finden. Nach dem zweiten Weltkrieg, im Jahr 1945 wurden in der Bundesrepublik sogenannte Regierungsdurchgangslager oder kurz Durchgangslager errichtet. Diese Lager sollten insbesondere Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone aufnehmen, sowie Spätaussiedler und Heimkehrer, um sie im Anschluss auf die anderen drei Besatzungszonen, bzw. späteren Bundesländern aufzuteilen[29]. Insgesamt gab es in der BRD fünf Durchgangslager, darunter war das Lager Friedland das größte Lager.
Später im Jahr 1950 - mit in Kraft treten des Notaufnahmegesetzes - wurden die Lager zu Notaufnahmelager umbenannt. Das Notaufnahmegesetz regelte die Aufnahme von Flüchtlingen aus der sowjetischen Besatzungszone, um eine gleiche Belastung auf die Bundesländer zu gewährleisten. Dementsprechend gab es in jeder Zone nur ein bis zwei Notaufnahmelager. Darunter die spätere Erstaufnahmeeinrichtung Gießen[30].
2.3.2. aktuelle Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Hessen
Als im August 2015 die Zahl der Asylbewerber mit 19.041 Asylbewerber alleine in den HEAEs (=Hessische Erstaufnahme Einrichtungen) seinen Höhepunkt erreichte, wurden in den Städten notdürftige Unterkünfte geschaffen (Zahlen siehe Abbildung 1). In vielen Landkreisen wurde in Deutschland der Katastrophenschutz ausgerufen, in Hessen betraf das nur einen Landkreis, wie die FAZ mitteile, dies hätte politische Gründe gehabt[31].
“So blieb es in den meisten Fällen beim sogenannten ausgerufenen Katastrophenfall, der jedoch gleichermaßen die Leistungsfähigkeit aller beteiligten Organisationen einer harten Prüfung unterzog. Gemessen an der Zahl der zu versorgenden Personen und geleisteten Arbeitsstunden stellt die Flüchtlingssituation des Jahres 2015 wahrscheinlich gar den größten Hilfseinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dar[32].“
Zur Entlastung der völlig überlasteten zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen wurden ab August 2015 weitere Zweigstellen der Erstaufnahmeeinrichtung, sowie sogenannte vorübergehende Notunterkünfte geschaffen, welche im materiellen Sinne sehr notdürftig ausgestattet waren. Dafür wurden alte Lagerhallen in Industrievierteln angemietet, US Kasernen ausgeräumt, aber auch viele Bundeswehrzelte kamen zum Einsatz. Es war das Ziel, bis zum Wintereinbruch die Zelte durch feste Unterkünfte ersetzen zu können. Im späteren Verlauf ab März 2016, als die Zahl der ankommenden Asylbewerber in Hessen abnahm, wurden die Notunterkünfte leer geräumt, Asylbewerber wurden auf die Zweigstellen der verbliebenen Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt.
Die Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen wurde kontinuierlich nach oben korrigiert, bis sie ab dem 01. November 2015 laut dem BAMF 6 Monaten erreichte. Während der Zeit in der Erstaufnahme unterliegen Asylbewerber der Residenzpflicht. Asylbewerber dürfen den Landkreis lediglich in Ausnahmefällen verlassen und sind dazu verpflichtet, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu nächtigen.
Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht in Hessen einen Taschengeldbetrag von 112 Euro für alleinstehende Personen, sowie von 99 Euro für verheiratete Personen vor. (Beträge wurden mit dem Asylpaket II gekürzt). Zusätzlich sind Sachleistungen vorgesehen in Form einer einmaligen Erstausstattung. Enthalten sind Duschgel, Zahnbürste, Zahncreme, Tasse, Teller, Besteck. Asylbewerber erhalten kostenlose Unterkunft und Verpflegung. In den Kommunen erhalten Asylbewerber grundsätzlich Geldleistungen[33].
Zusätzlich haben Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen die Möglichkeit, sich etwas hinzu zuverdienen bei der Mithilfe bei der Essensausgabe oder im Waschdienst bei der Waschmaschinenbedienung. Asylbewerber erhielten hierfür bis August 2016 1,05€ in der Stunde.
Dieser Betrag wurde im August 2016 mit dem Integrationsgesetz auf 0,80€ gesenkt[34].
2.3.3. Beschreibung des Michaeliscamps Darmstadt
Das Michaeliscamp, auch Michaelisdorf genannt, befindet sich in der Starkenburgkaserne in Darmstadt, in der Michaelisstraße. Die Michaelisstraße befindet sich ca. 1500 Meter vom Hauptbahnhof entfernt, direkt in einem schönen Wohngebiet. Direkt vor dem Camp ist eine Bushaltestelle angebracht.
Das Michaeliscamp ist eine Zweigstelle der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen und wurde im August 2015 aufgebaut, um die Einrichtung in Gießen, welche während den Sommermonaten überlastet war, zu entlasten.
In der Erstaufnahmeeinrichtung befinden sich zwischen 250 und 700 Personen. Die Personen bleiben im Schnitt ca. vier bis sieben Monate im Michaeliscamp. Es arbeiten verschiedene Arbeitsgruppen im Camp zusammen. Insgesamt sind es ca. 60 Mitarbeiter in den Bereichen Hauswirtschaft, Verwaltung, Sozialarbeit und Sanitäter. Hinzukommend 140 ehrenamtliche Helfer, Ärzte und Psychologen. Auf dem abgezäunten Gelände befinden sich drei alte Kasernengebäude, eine Thermohalle (Essensausgabe sowie Platz zum Sitzen für 300 Personen), sowie mehrere Containerholzhütten, die vom November 2015 bis Januar 2016 neu errichtet worden sind. In den Containern befinden sich außerdem Waschanlagen. In den drei alten Kasernengebäuden befinden sich die sanitären Anlagen, die Waschanlagen waren anfangs nur teilweise geschlechtlich getrennt. In einem Kasernengebäude befinden sich die Waschanlagen außerhalb des Gebäudes in einem aufgestellten Waschcontainer, welcher sich eher in einem schlechten Zustand befand (keine abtrennbaren Duschen, Schimmel an den Decken). Im Mai wurden die Container komplett saniert. In zwei von drei Kasernengebäuden gibt es einen Waschraum, in dem sich Trockner und Waschmaschinen befinden, welche mit 7 Maschinen auf bis zu 700 Menschen aber nicht ausreichend sind. Nach dem Rückgang der Asylbewerber wurden ab April die alten Kasernengebäude nach und nach überholt und renoviert.
Es befindet sich kein Gemeinschaftsraum im Camp, welcher 24 Stunden geöffnet ist. Allerdings verfügt das Camp über ein großes Spielzimmer, es ist morgens von 9 bis 12 Uhr geöffnet, sowie jeden Nachmittag. Außerdem gibt es ein zweites Spielzimmer, welches besonders Bewegungselemente enthält. Im August 2016 wurde ein kleiner Spielplatz für die Außenfläche in Betrieb genommen. Verfügbar sind auch drei Unterrichtsräume. Morgens und nachmittags unterrichten hier ehrenamtliche Deutschlehrer Erwachsene und Kinder.
Auf dem Gelände befindet sich noch eine Krankenstation, welche 24 Stunden von Sanitätern besetzt ist, regelmäßig sind dort Ärzte und Hebammen vertreten. Außerdem wurde im Mai 2016 ein Frauenraum eröffnet, welcher am Freitag geöffnet ist und von ehrenamtlichen Kräften geleitet wird.
Manche Frauen nutzen diesen Raum und lernen mit Ehrenamtlichen deutsch.
Es gibt nur wenig grüne Außenflächen im Camp. Große Schotterflächen, und hohe Stacheldrahtzäune. Im Camp finden viele Angebote für Kinder statt: Tischtennis, Leichtathletik, Filmabende, Kindergarten, eine therapeutische Malgruppe und Deutschunterricht für Kinder. Seit Februar 2016 findet im Camp montags und mittwochs ein Erwachsenenprogramm statt, welches mäßige Begeisterung weckt. Auch an zwei Tagen in der Woche findet ein Programm für Jugendliche statt.
Bisher gibt es im Camp keinen geschützten Bereich für alleinreisende Frauen.
Ein 20 Quadratmeter Zimmer teilen sich bis zu acht Personen zusammen, also eine Familie. Ein 10 Quadratmeter Zimmer können sich bis zu vier Personen teilen. Alleinreisende teilen sich ein Zimmer mit fremden Personen, dabei wird ein Augenmerk auf die Nationalitäten genommen. Die Zimmernachbarn und das Zimmer lassen sich nur wenig beeinflussen.
Seit Ende Januar ist das Michaeliscamp ein Pilotprojekt zur Betreuung von geflüchteten traumatisierten Frauen und Kindern, welches in Kooperation mit dem Sigmund Freud Institut umgesetzt wird. Damit wurde das Camp Anlaufort für schwangere Frauen und Kinder mit psychischen Problemen aus ganz Hessen[35].
3. Anwendung der Methode - teilnehmenden Beobachtung
Im folgenden Abschnitt der Ausarbeitung werden die Probleme, die in dem Michaeliscamp aufgetreten sind, erfasst und analysiert. Ziel der teilnehmenden Beobachtung sollte es sein, die Ansammlung von spezifischem Wissen über das Michaeliscamp zu erhalten, sowie dies korrekt für die anschließende Soll-Ist Analyse einschätzen zu können.
Anhand der Forschungsfrage, inwieweit Asylbewerber in der Erstaufnahme integriert sind, war die Herangehensweise, im ersten Schritt die Probleme im Camp anzusehen, im Hinblick auf die Integration von Asylbewerbern.
Dafür wurde die Methode der teilnehmenden Beobachtung gewählt. Da sich der Zugang zum Feld von Erstaufnahmen als schwierig erweist, eignet sich die Methode der teilnehmenden Beobachtung gut. Die Einrichtung erscheint verkapselt und stellt eine Art Subkultur dar. Dies wird durch verstärkte Einlasskontrollen provoziert, nur Campmitabeiter wird der Einlass gewährt. Es ist zu vermuten, dass die Innen- und Außenperspektive im medialen Sinne, von Flüchtlingscamps weit auseinanderklafft. Für die Einschätzung der Probleme diesbezüglich der Integration der Asylbewerber war es wichtig, das Camp von der Innenperspektive zu erleben, um Situationen im Alltag des Camps besser einschätzen zu können und Zugang zum Feld zu erhalten. Als Sozialmitarbeiterin habe ich aktiv im Feld teilgenommen und über einen privilegierten Zugang verfügt. Forschungen waren durch Gespräche mit der Leitung nicht verdeckt, jedoch durch die Mitarbeit in der Sozialarbeit verschleiert. Die Forschungsarbeit wurde neutral zur Kenntnis genommen. Interesse, die Ergebnisse zu präsentieren, war vorhanden.
Der Schwerpunkt wurde dabei auf die tatsächlich aktuelle Situation gesetzt. Außerdem sollte analysiert werden, welche Hindernisse bei der Integration vorhanden sind. Die Schwierigkeit war dabei, dass die Einrichtung einem permanenten Wandel unterlag.
Für die Beobachtungen wurden Hauptinformanten beziehungsweise Schlüsselpersonen genutzt. Diese hatten Zugang zu weiteren Informationen, darunter war das Leitungsteam welche weitere interne personale und politische Informationen weiter gegeben haben. Darüber hinaus wurde der Kontakt zu Übersetzern und Bewohnern mit englischen Sprachkenntnissen gesucht.
3.1. Teilnehmende Beobachtung
Die Beobachtungen wurden in drei Phasen eingeteilt.
In der deskriptiven Beobachtung, der ersten Phase der Beobachtung, von November 2015 bis Januar 2016 wurde versucht, einen Überblick über das Camp zu realisieren.
Erste Gespräche mit der Leitung wurden angegangen, es wurde einen Überblick über das Team geschaffen und erste Kontakte mit den Campbewohnern geführt. Die Beobachtungen gingen in dieser Miriam Wagner 15 Phase in keine bestimmte Richtung. Es wurde versucht, möglichst neutral, unvoreingenommen und gründlich in alle Richtungen zu beobachten. Trotz aller Unvoreingenommenheit war die erste Phase kulturell schockierend, die Arbeitsweisen in der Erstaufnahmeeinrichtung passten ganz und gar nicht zur gewohnten deutschen Arbeitsweise. Verhältnismäßig erschien die Arbeit frei und unstrukturiert, was sich im späteren Verlauf veränderte.
In der zweiten Phase von Februar bis April 2016, der fokussierten Beobachtung wurde der Blick auf die Forschungsfrage gerichtet und Probleme im Camp und dessen Ursachen bewertet. Muster und Zuordnungen konnten getroffen werden. Durch Übersetzer konnten längere Gespräche mit Bewohnern verwirklicht werden.
In der dritten Phase, der selektiven Beobachtung von Mai bis Juli 2016 wurden Beobachtungen lediglich auf wesentliche Merkmale gerichtet, welche in der zweiten Phase bereits aufgefallen sind. Neu gewonne Kenntnisse konnten mit Hilfe eines kleinen Blocks noch vor Ort verschriftlicht werden.
3.2. Problemanalyse im Michaeliscamp
Zur Bearbeitung der Problemanalyse wurde zunächst folgende Frage zur Leitfrage gemacht.
Welche Probleme und Hindernisse bestehen und bestanden im Michaeliscamp Darmstadt im Hinblick auf die Integration von den Bewohnern vor Ort?
Basierend auf der Forschungsfrage wurden zuerst in ungeordneter Reihenfolge Probleme und Hindernisse in der Integration von Bewohnern im Michaeliscamp erstellt. In weiteren Schritten, wurde versucht, die Probleme in eine Reihenfolge zu bringen. Dabei ließ sich die vermeintliche Kernproblematik heraus arbeiten und deren bereits sichtbaren Folgen darlegen. Es wurden drei Interaktionsgruppen im besonderen Maße mit einbezogen. Die Bewohner des Camps, politische Einflüsse und personelle Aspekte. In einer Problematik konnten noch materielle Aspekte hinzugezogen werden.
Es wurden folgende Probleme ermittelt: Sprachbarrieren, Massenunterkunft, Diskrepanzen von Anforderungen der Vertreiber Verträge (zwischen sozialer Einrichtung und Regierungspräsidium), Verlust von Materialien durch Diebstahl oder Vandalismus, Sachleistungen statt Geldleistungen, keine Nutzung der öffentlichen Bildungseinrichtung, fehlendes Personal, und letztlich das Verantwortungsbewusstsein der Eltern. Diese Probleme wurden auf unter verschiedenen Aspekten betrachtet, wobei sich diese bei verschiedenen Problemen durchaus überschnitten.
Problem I: Sprachbarrieren
Politische Aspekte Personelle Aspekte Campbewohner
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fazit: Mit der Einführung der Dolmetscher ab dem 15.03.16 durch den Auftragsgeber des Regierungspräsidium Gießen hatte sich die Situation etwas verbessert und es konnten Kontakte zu den Bewohnern hergestellt werden. Dadurch wurden psychosoziale Probleme von Bewohnern sichtbar gemacht und konnten teilweise abgearbeitet werden. Das Sicherheitspersonal konnte sich zurückziehen. Leider ist die Bereitstellung eines Dolmetschers pro Tag und pro Sprache zu wenig und es wird weiterhin an der Kommunikation zwischen den Campbewohnern und dem Personal gespart. Auch durch den ständigen Wechsel der Dolmetscher ist die Herstellung von Vertrauen von Bewohnern zu Dolmetscher nicht möglich.
Diese Beobachtung deckt sich mit der Aussage der Expertin in einem Interview:
„ Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und den Bewohnern, also es ist... ja... zum einen sind ja sprachliche Barrieren vertreten, ja Äh, also für mich eher weniger, weil ich ja auch arabisch spreche. Für mich hat sich das auch dahingehend ver Ändert, dass natürlich durch die Sprachmittler, man die Leute auch anderen Sozialarbeitern, beziehungsweise anderen Sozialarbeitern vorstellig machen kann, die sich der Sache annehmen mit den Sprachmittlern. Die Sprachmittler sind natürlich als Sprachrohr, da. Ich erlebe es auch immer wieder, dass natürlich auch Inhalte nicht 1: 1 wiedergegeben werden oder dass es auch falsch verstanden wird und dementsprechend anders,übersetzt wird. Aber das ist eine Frage, die ist sehr persönlich ausgerichtet ist … Ich nehme an, ja. Ja das man die Möglichkeit hat, die Menschen zu verstehen. Ja also das
war ja am Anfang gar nicht gegeben, dass man alle verstehen kann. Es gibt natürlich auch Farsi sprechende Bewohner. ( Ähm) klar man kann immer improvisieren “…
Problem II: Massenunterkunft, welche für bis zu 1000 Bewohner geplant war
Problem III: Diskrepanzen von den Anforderungen der Vertreiberverträgen
(Verwaltungsaufgaben vs. Integrative Aufgaben)
Personelle Aspekte Politische Aspekte Materielle Aspekte Campbewohner
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fazit:
Es ist zu beobachten, dass Bewohner noch immer in kulturelle Gepflogenheiten gefangen sind, obwohl sie diese sogar ablegen möchten. Dies wird durch die räumliche Nähe zu den Landsleuten provoziert. Besonders beobachten ließ sich dies bei der afghanischen Volksgruppe. „as soon as I am outside of the camp, I put away my headscarf.“
Auch die Expertin wurde zum Thema Rückzugsmöglichkeit im Camp befragt:
„ Rückzugsmöglichkeiten gibt es, sie sind allerdings gekoppelt mit dem Ehrenamt, weil
entsprechende R Äume natürlich auch für eine Gleichheit zur Verfügung stehen und die geht nur, wenn ehrenamtliche gewisse Angebote (sehr leise) ... , es ist unglaublich schwierig, Verantwortung an die Bewohner heranzutragen, ihnen die Schlüssel zu geben. … und dann ungleiche Behandlung stattfindet. (lauter) Um dies zu vermeiden, (leiser) wird es schlussendlich nur mit dem Ehrenamt möglich sein. “
[...]
[1] vgl. UNHCR (2015) Globale Trends Forced Displacement in 2015
[2] vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016) Aktuelle Zahlen zu Asyl
[3] vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1992) § 44 Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen
[4] Regierungspräsidium Gießen (2016) Aufgaben der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung
[5] Hessische Landesregierung (2015) Hessischer Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts, S. 6
[6] vgl. Florian Rötzer (2016) Asyl: Lange Wartezeiten senken Aussichten für Flüchtlinge auf einen Job
[7] vgl. Bundesregierung (2016) EU Rat zur Flüchtlingskrise - Europa wird es schaffen
[8] vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016) Aktuelle Zahlen zu Asyl, S. 8
[9] vgl. Regierungspräsidium Hessen (2016) Flüchtlingszugänge nach Hessen
[10] vgl. ebd
[11] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1992) Asylgesetz (AsylG) § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
[12] vgl. ebd
[13] vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1992) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 16a
[14] vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1992) Asylgesetz (AsylG) § 4 Subsidiärer Schutz
[15] Die Bundesregierung (2016) Asylpaket II in Kraft - Kürzere Verfahren, weniger Familiennachzug
[16] vgl. Dejure.org (2016) Aufenthaltsgesetz - § 60 Verbot der Abschiebung
[17] vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1996) Asylgesetz (AsylG) § 29a Sicherer Herkunftsstaat; Bericht; Verordnungsermächtigung
[18] vgl. Statista (2016) Gesamtschutzquote - Anteil der als Flüchtling oder asylberechtigt anerkannten Asylbewerber in Deutschland von 2005 bis 2016
[19] vgl. Verwaltungsgericht Berlin (2015) Systemische Mängel - Vorerst keine Abschiebung von Flüchtlingen nach Ungarn
[20] vgl. Europäischer Komission (2016) Empfehlung der Kommission, S.1
[21] vgl. Kleist, Olaf (2015) Das Dublin System und Alternativen der europäischen Solidarität in der EU Flüchtlingspolitik
[22] vgl. Kalkmann, Michael (2015) Das Asylverfahren in Deutschland - Ablauf des Verfahrens, Fallbeispiele, weiterführende Informationen, S. 4
[23] vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2014) Das deutsche Asylverfahren- ausführlich erklärt Zuständigkeiten, Verfahren, Statistiken, Rechtsfolgen, S. 6
[24] vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2014) Das deutsche Asylverfahren- ausführlich erklärt Zuständigkeiten, Verfahren, Statistiken, Rechtsfolgen
[25] vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1992) Asylgesetz (AsylG) § 47 Aufenthalt in Aufnahmeeinrichtungen
[26] vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2015) Rechtsfolgen der Entscheidung
[27] vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1992) § 30a Beschleunigte Verfahren
[28] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (1992) § 44 Asylgesetz Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen
[29] vgl. Kleineke, Dagmar, (1994), S.24
[30] vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2013) Das Notaufnahmelager Gießen
[31] vgl. Roth, Florian (2016) Lehren der Flüchtlingskrise - Warum der Katastrophenschutz modernisiert werden muss
[32] Ebd.
[33] vgl. Eckl, Forian (2016) Wirtschaft Geld und Sachleistungen - Ob Bayern oder Bremen ist für Flüchtlinge ein großer Unterschied
[34] vgl. Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (2016) IAB Stellungnahme - Integration von Geflüchteten, S. 17.
[35] vgl. Schumacher, Kerstin (2016) In Darmstadt startet ein Pilotprojekt für traumatisierte Frauen und Kinder
- Quote paper
- Miriam Wagner (Author), 2016, Integrationsstrategien in Erstaufnahmeeinrichtungen. Eine Soll-Ist-Analyse am Beispiel des Michaeliscamps in Darmstadt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412734
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.