Max Frisch bezog 1981 eine Wohnung in New York. Die Faszination für diese Stadt hatte ihn seit seinem ersten Besuch 1951 nicht mehr losgelassen. Obwohl es ihn in alle möglichen Winkel der Welt hinausgezogen hatte, prägte und fesselte keine andere Umgebung diesen „Dichter des Fernwehs“ nachhaltiger als Amerika. Frischs Auseinandersetzung mit diesem Kontinent bedeutet den Höhepunkt in seinem Schaffen. Aus der Phase dieser Reflexionen stammen seine drei bekanntesten und erfolgreichsten Romane.
Es wird gezeigt, bieten Frischs USA-Reisen ihm Erzählstoff, der sich in den drei Romanen Stiller, Homo faber und Mein Name sei Gantenbein entlädt, die daher als Roman-Trilogie verstanden werden können. Es ist sogar anzunehmen, dass seine Amerika-Erlebnisse überhaupt erst Auslöser seines Roman-Erzählens waren, die wie ein Brennglas längst angelegte Themen bündeln. Also gilt es herauszufinden, welchen Einfluss diese Amerika-Erfahrungen auf seine literarische Produktion hatten und inwieweit sie verantwortlich für die drei Romane sind, die zwischen 1954 und1964 entstanden
Die Arbeit verfährt mehrgleisig. Während ein Beweis der Trilogie geführt wird, soll es auch darum gehen, Parallelen zu früheren Arbeiten aufzuzeigen und historische Zusammenhänge darzustellen, um die Bedeutung Amerikas für Frisch deutlich werden zu lassen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, was er eigentlich nach seinen Amerika-Erlebnissen erzählte, welche Fragen diese Reise-Erfahrungen für ihn aufwarfen. Und was veränderte sich in Frischs Werk im Gegensatz zu früheren Themen, deren Vorläuferfunktion für die drei späteren Romane gezeigt werden muss.
Dabei richtet sich das Augenmerk auch auf persönliche Aussagen Frischs und einige biographische Daten. Denn in der Art und Weise, wie Frisch der Neuen Welt begegnete, unterschied er sich von seine Zeitgenossen. Nachdem Frisch in den drei Romanen seine großen Themen zusammengefasst hatte, folgten nur noch weitere Kleine Prosaschriften, Reden und Vorträge, Erzählungen. In Interviews, Zeitungsartikeln und Vorträgen bezog Frisch dann zu unzähligen Themen von Asylantenproblematik über Emanzipation und Tschernobyl bis hin zu Waldsterben kritisch Stellung. Zu einem Romanwerk gelangte er nicht mehr. Warum? War Amerika das Ferment seines Roman-Erzählens? Hatte er nach Umsetzung seiner Amerika-Eindrücke sämtliche Energien für die Romanform erschöpft? Was sind die Themen, die es ihn nach seinen Amerika-Erlebnissen zu erzählen drängt?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Vorbetrachtung
- 2. Einleitung
- 2.1 Amerika in der deutschsprachigen Literatur
- 2.2 Frischs Umsetzung seiner Amerika-Erlebnisse
- 2.3 Erkenntnis durch Distanz
- 2.4 Ambivalenz gegenüber Amerika
- 3. Amerika-Erfahrung als Auslöser einer Roman-Trilogie
- 3.1 Existenzielle Not als Schreibimpuls
- 3.2 Schreiben aus Angst (Amerika als Dämon?)
- 3.3 Zwei Romantrilogien
- 3.4 Erlebnis der Fremde führt in Romantrilogie
- 3.5 Inhaltliche Verknüpfung
- 3.6 Veränderte Rollenproblematik nach USA-Aufenthalt
- 4. Stiller - ein Roman mit amerikanischen Wurzeln
- 4.1 Stillers neues Wunsch-Leben als Mr. White
- 4.2 Gefangener von Bildnissen
- 4.3 Amerika als Kontrast und Impuls
- 4.4 Faszination für Farbige
- 4.5 Mexiko als verlorenes Paradies
- 4.6 Mittelamerika: Euphorie und Ekel
- 4.7 New York als Raum zur Selbstfindung
- 4.8 Ein Schweizer in New York
- 4.9 Leben im Zeitalter der Reproduktion
- 4.10 Amerika als fiktionaler Erzählhintergrund
- 4.11 Amerikaner in der Schweiz
- 5. Homo Faber - Frischs Amerika-Roman
- 5.1 Distanz als Produktivkraft
- 5.2 Prototyp des amerikanischen Menschen
- 5.3 Amerika-Erfahrung als Folie
- 5.4 Altern - ein amerikanisches Tabu
- 5.5 Amerika mit anderen Augen gesehen
- 5.6 Technik versus Mythos
- 5.7 Sabeth als Ideal
- 5.8 Abkehr vom amerikanischen Leben
- 5.9 Sprache als Ausdruck eines Lebensgefühls
- 5.10 Abkehr vom amerikanischen Way Of Life
- 5.11 Amerika als Matrix für Gesellschaftskritik
- 5.12 Intellekt versus Emotion
- 6. Gantenbein - ein Roman der unbegrenzten Möglichkeiten
- 6.1 Fabulieren in Fiktionen
- 6.2 Amerikanisch geprägte Motive
- 6.3 Denkmögliches als Wirklichkeitserfahrung
- 6.4 Theater-Theorie in Romanform
- 6.5 Mut zum Konjunktivischen
- 6.6 Zeit als Grenze des Möglichen
- 6.7 Altern und Tod
- 6.8 Erfahrung schreibt Geschichte
- 6.9 Eifersucht tötet Leben und Liebe
- 6.10 Befreiung von Rollenhaftigkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss von Max Frischs Amerika-Erfahrungen auf sein literarisches Schaffen, insbesondere auf seine drei Romane Stiller, Homo Faber und Mein Name sei Gantenbein. Ziel ist es, die These einer Roman-Trilogie zu belegen und die Bedeutung Amerikas als Impulsgeber und kontrastierenden Hintergrund für Frischs Werk aufzuzeigen.
- Die Amerika-Erfahrung als Auslöser für Frischs Roman-Schaffen
- Analyse der drei Romane als Trilogie mit Bezug auf die Amerika-Erfahrung
- Vergleich der Amerika-Thematik mit früheren Werken Frischs
- Die Rolle von Existenzialismus und Gesellschaftskritik im Kontext der Amerika-Erfahrung
- Die Veränderung von Frischs Schreibstil und Themen nach seinen Amerika-Reisen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Vorbetrachtung: Die Einleitung skizziert die zentrale These der Arbeit: Max Frischs intensive Auseinandersetzung mit Amerika, beginnend mit seinem ersten Besuch 1951, kulminierte in der Schaffung seiner drei bekanntesten Romane, die als Trilogie interpretiert werden können. Der Text weist auf die Vielschichtigkeit von Frischs Werk hin, unterstreicht die Schwierigkeit, ihn in ein Schema zu pressen, und hebt die Bedeutung seiner persönlichen Erfahrungen, insbesondere seiner Amerika-Reisen, für sein Schreiben hervor. Die Arbeit plant einen mehrgleisigen Ansatz, der sowohl die Trilogie-These belegen als auch Parallelen zu früheren Werken und historische Zusammenhänge aufzeigt, um die Bedeutung Amerikas für Frischs Werk umfassend zu untersuchen.
2. Einleitung: Dieses Kapitel liefert einen Überblick über die Darstellung Amerikas in der deutschsprachigen Literatur, analysiert Frischs Verarbeitung seiner Amerika-Erlebnisse in seinen Werken, betont die Bedeutung der Distanz für seine Erkenntnisgewinnung und untersucht die ambivalente Beziehung Frischs zu Amerika. Diese Einleitung legt den Grundstein für die detaillierte Analyse seiner drei Romane im weiteren Verlauf der Arbeit, indem sie den Kontext und die zentralen Fragestellungen festlegt.
3. Amerika-Erfahrung als Auslöser einer Roman-Trilogie: Dieser Abschnitt argumentiert, dass Frischs Amerika-Erfahrungen den entscheidenden Impuls für seine drei Romane bildeten. Er untersucht die existenzielle Not als Schreibmotivation, die Rolle Amerikas als möglicher "Dämon" in Frischs Werken und vertieft die These, dass die drei Romane als Trilogie verstanden werden können, die thematisch miteinander verknüpft sind und eine veränderte Rollenproblematik nach Frischs USA-Aufenthalt aufzeigen.
4. Stiller - ein Roman mit amerikanischen Wurzeln: Dieses Kapitel analysiert Stiller im Kontext von Frischs Amerika-Erfahrungen. Es untersucht Stillers Wunsch nach einem neuen Leben als Mr. White, seine Gefangenschaft in Bildnissen und wie Amerika als Kontrast und Impuls in der Romanhandlung wirkt. Besonders wird die Faszination Frischs für Farbige sowie die Darstellung Mexikos und Mittelamerikas als verlorenes Paradies bzw. Ort von Euphorie und Ekel beleuchtet. Des Weiteren wird New York als Raum der Selbstfindung untersucht, der Aspekt des "Schweizer in New York" beleuchtet und die Rolle des "Lebens im Zeitalter der Reproduktion" erörtert. Schließlich wird die Bedeutung Amerikas als fiktionaler Erzählhintergrund und die Darstellung Amerikaner in der Schweiz analysiert.
5. Homo Faber - Frischs Amerika-Roman: Die Analyse von Homo Faber konzentriert sich auf die Rolle der Distanz als Produktivkraft, die Darstellung des amerikanischen Menschen als Prototyp und Amerikas als Folie für Frischs Reflexionen. Der Text untersucht das Thema "Altern" als amerikanisches Tabu, den veränderten Blick auf Amerika, den Gegensatz von Technik und Mythos, Sabeth als Idealbild und die dargestellte Abkehr vom amerikanischen Lebensstil. Schließlich werden die Bedeutung der Sprache als Ausdruck des Lebensgefühls sowie Amerikas als Grundlage für Gesellschaftskritik und den Gegensatz von Intellekt und Emotion beleuchtet.
6. Gantenbein - ein Roman der unbegrenzten Möglichkeiten: Das Kapitel analysiert Mein Name sei Gantenbein unter Berücksichtigung der amerikanischen Einflüsse. Es untersucht das Fabeln in Fiktionen, die amerikanisch geprägten Motive, das Denkmögliche als Wirklichkeitserfahrung, die Theatertheorie in Romanform, den Mut zum Konjunktivischen, die Grenzen der Zeit und die Themen Altern und Tod. Die Analyse erörtert die Rolle der Erfahrung im Geschichtsprozess, die Bedeutung der Eifersucht und die Befreiung von Rollenhaftigkeit im Kontext der im Roman präsentierten Überlegungen.
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu Max Frischs Amerika-Romanen
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit untersucht den Einfluss von Max Frischs Amerika-Erfahrungen auf sein literarisches Schaffen, insbesondere auf seine drei Romane Stiller, Homo Faber und Mein Name sei Gantenbein. Die zentrale These ist, dass diese drei Romane als Trilogie verstanden werden können, die durch Frischs Amerika-Erfahrungen stark geprägt sind.
Welche These wird in der Arbeit vertreten?
Die Arbeit vertritt die These, dass Max Frischs intensive Auseinandersetzung mit Amerika, beginnend mit seinem ersten Besuch 1951, die Entstehung seiner drei bekanntesten Romane (Stiller, Homo Faber und Mein Name sei Gantenbein) maßgeblich beeinflusste und diese Romane als thematisch miteinander verbundene Trilogie interpretiert werden können. Amerika fungiert dabei als Impulsgeber und kontrastierender Hintergrund.
Welche Romane werden analysiert?
Die Arbeit analysiert detailliert die drei Romane Stiller, Homo Faber und Mein Name sei Gantenbein von Max Frisch. Der Fokus liegt auf der Interpretation dieser Romane im Kontext von Frischs Amerika-Erfahrungen und der Untersuchung ihrer thematischen Verknüpfungen.
Wie wird die Amerika-Thematik in den Romanen behandelt?
Die Arbeit untersucht, wie Amerika in den drei Romanen als Kontrast, Impulsgeber, fiktionaler Hintergrund und als Folie für Frischs Reflexionen über existenzielle Fragen, Gesellschaftskritik und die Rolle des Individuums in der modernen Welt dargestellt wird. Dabei werden verschiedene Aspekte wie die Faszination für andere Kulturen, das Thema des Exils, die Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Lebensstil und die Kritik an der amerikanischen Gesellschaft beleuchtet.
Welche Aspekte der Amerika-Erfahrung werden untersucht?
Die Analyse umfasst die existenzielle Not als Schreibimpuls, die Ambivalenz Frischs gegenüber Amerika, die Bedeutung der Distanz für seine Erkenntnisgewinnung, die Veränderung seiner Rollenproblematik nach seinem USA-Aufenthalt, die Darstellung des „amerikanischen Menschen“ als Prototyp, die Auseinandersetzung mit Themen wie Altern und Tod, sowie die Rolle der Technik und des Mythos im amerikanischen Kontext.
Wie sind die Kapitel der Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Vorbetrachtung, eine Einleitung, ein Kapitel zur Amerika-Erfahrung als Auslöser der Roman-Trilogie und Einzelkapitel zu den drei Romanen (Stiller, Homo Faber, Gantenbein). Jedes Kapitel analysiert die jeweilige Thematik im Kontext von Frischs Amerika-Erfahrungen und legt die Verknüpfungen zwischen den Romanen dar.
Welche weiteren Themen werden behandelt?
Neben der zentralen Amerika-Thematik werden auch andere relevante Aspekte von Frischs Werk behandelt, wie z.B. Existenzialismus, Gesellschaftskritik, die Veränderung von Frischs Schreibstil und Themen nach seinen Amerika-Reisen, der Vergleich der Amerika-Thematik mit früheren Werken Frischs, und die Rolle der Sprache als Ausdruck eines Lebensgefühls.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass Max Frischs Amerika-Erfahrungen einen entscheidenden Einfluss auf sein literarisches Schaffen hatten und dass seine drei analysierten Romane als thematisch verknüpfte Trilogie interpretiert werden können. Amerika fungiert dabei als zentraler Impulsgeber und kontrastierender Hintergrund, der Frischs Auseinandersetzung mit existentiellen und gesellschaftlichen Fragen prägt.
- Quote paper
- Ute Witt geb. Hoffmeister (Author), 1992, Max Frischs Amerika-Erfahrung als Ferment seines Erzählens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41277