Die Beeinflussung politischer Entscheidungen durch Lobbyismus und Korruption

Ein mikroökonomischer Vergleich


Diplomarbeit, 2010

62 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhalt

Einführung

Vorbemerkung

Vorgehensweise
Vergleichende Grunddarstellung von Korruption und Lobbyismus

Einführung in Lobbyismus
Adressaten und Organisationsformen von Lobbyismus
Inhalte und Aktionsformen von Lobbyismus

Zusammenfassung

Einführung in Korruption
Korruptionsarten
Hauptkategorien von Korruption

Zusammenfassung

Korruption und Lobbyismus – Substitute oder Komplemente?
Ökonomischer Vergleich von Korruption und Lobbyismus

Korruption und Lobbyismus in der Rent-Seeking-Theorie
Die traditionelle Rent-Seeking-Theorie
Rent-Seeking als Begriff
Das Grundmodell der traditionellen Rent-Seeking-Theorie
Schlussfolgerungen der traditionellen Rent-Seeking-Theorie
Kritik und Weiterentwicklung der traditionellen Rent-Seeking-Theorie
Endogene Renten
Transferkosten und Verschwendung
Anreize zur Schaffung politischer Renten
Zielsetzungen von Rent-Seeking-Aktivitäten

Zusammenfassung

Korruption und Lobbyismus in der Auktionstheorie
Eine kurze Einführung in die Auktionstheorie
Auktionsformen
Englische Auktion
Holländische Auktion
Simultane Erstpreisauktion
Das IPV-Modell als Ausgangspunkt der Betrachtung
Spieltheoretische Lösung der SBFP-Auktion
All-pay-Auktion

Das Auktionsmodell von Beckmann und Gerrits

Zusammenfassung

Schlussfolgerungen zum ökonomischen Vergleich von Korruption und Lobbyismus

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Korruptionstriade

Abbildung 2: Korruptionsarten

Abbildung 3: Entlastungskorruption

Abbildung 4: Belastungskorruption

Einführung

Vorbemerkung

In Zusammenhang mit der derzeitigen Staatskrise Griechenlands ist der Begriff Korruption nahezu täglich in den verschiedenen Medien präsent. Der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International zufolge zahl-ten Griechen in 2009 durchschnittlich 1.355 Euro Bestechungsgeld um staatliche Leistungen, wie zum Beispiel die Ausstellung eines Führer-scheins, zu beschleunigen:

„[…] Korruption gehöre neben der horrenden Staatsverschuldung zu den Hauptübeln der griechischen Misere“[1].

Es erscheint also wenig überraschend, dass Griechenland 2009 nur ei-nen Corruption Perception Index von 3,8 erreichte und damit der korruptes-te Staat der Europäischen Union ist.[2]

Diesen Corruption Perception Index (CPI) erstellt Transparency Interna-tional für mittlerweile 180 Staaten dieser Erde. Er beruht als Meta-Index auf Befragungen von Geschäftsleuten, Investoren, Länderanalysten und Staatsangehörigen. Dabei kann der CPI Werte zwischen 0 und 10 anneh-men. Je niedriger der CPI-Wert, desto höher ist die Korruption im jeweiligen Land. Der aktuelle Corruption Perception Index von 2009 zeigt, dass die Bandbreite von nahezu korruptionsfreien Ökonomien, wie beispielsweise Neuseeland (9,4), bis hin zu extrem korrupten Ländern, wie zum Beispiel Somalia (1,1), reicht. Deutschland befindet sich derzeit mit einem CPI von 8,0 gemeinsam mit Irland auf Platz 14, Griechenland folgt erst auf Platz 71.[3]

Auch wenn Deutschland somit weit entfernt von griechischen Verhältnis-sen ist, berichten die Medien regelmäßig von „deutschen“ Korruptionsfäl-len. So erschütterte beispielsweise 2006 der Siemens-Korruptionsskandal die Republik. Mehrere Top-Manager der Siemens AG wurden verhaftet, weil sie bis zu 420 Millionen Euro veruntreut haben sollen. Dabei flossen pikanterweise über 12 Millionen Euro an griechische Staatsvertreter um lukrative Aufträge im Telekommunikationssektor zu erhalten.[4]

Korruption wird also von der Öffentlichkeit als ein bekämpfenswertes Übel betrachtet. Jedoch werden regelmäßig auch sogenannte Wahlkampf-spenden beziehungsweise Parteispenden kritisiert und als „Käuflichkeit“ politischer Entscheidungen beschrieben.[5]

Wenn solche Aktivitäten zunächst moralisch verwerflich erscheinen und an ihre Legitimität durchaus berechtigte Zweifel zu richten sind, sind sie dennoch – im Gegensatz zu korrupten Verhaltensweisen wie z.B. Beste-chungen – in der Bundesrepublik Deutschland legal und gängige Praxis von Unternehmens- und Interessenverbänden.[6]

Sogenannte Lobbyisten versuchen so politische Entscheidungsträger zu beeinflussen, um diverse Privilegien (z.B. bei der Gesetzgebung sowie bei Monopolstellungen, Regulierungen, Subventionen, Markteintrittsbarrieren) zu erwirken.[7]

Die Grenzen zwischen Korruption und Lobbyismus erscheinen fließend. Beide haben das Ziel, einen Vorteil für den Geber der Transferleistung, obgleich in welcher Form, zu erzielen. Dieser Diktion folgend würde Lobby-ismus lediglich eine weitgehend legale Form von Korruption darstellen, die die Möglichkeit der Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch private Unternehmen, mit Hilfe von indirekten anstelle von direkten Trans-ferleistungen, legalisiert.

Letztlich steht die Arbeit „Beeinflussung politischer Entscheidungen durch Lobbyismus und Korruption – ein mikroökonomischer Vergleich“ unter der Forschungsfrage, ob eine Form der Einflussnahme auf politische Entscheidungen vorzugswürdig ist. Hierbei gilt es insbesondere herauszu-finden, inwieweit Korruption und Lobbyismus negative Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft haben und welche Variante gegebenenfalls schäd-licher ist als die andere.

Vorgehensweise

Zunächst werden Lobbyismus und Korruption definiert, ihre Gemeinsam-keiten, Unterschiede und Erscheinungsformen diskutiert. Im Mittelpunkt steht dabei die

„[…] grand corruption […]“[8],

bei der der Prinzipal (die Regierung) selbst und nicht wie in den gängigen Definitionen[9] der Agent, seine Macht zu privatem Nutzen missbraucht. Nur in diesem Fall lässt sich Korruption sinnvoll mit Lobbyismus vergleichen. In diesem Teil der Arbeit soll ebenfalls verdeutlicht werden, ob Lobbyismus und Korruption Substitute oder Komplemente darstellen.

Die Diskussion der zentralen Fragestellung soll anhand zweier kontro-verser Ansätze illustriert werden. Nach der Vorstellung der traditionellen Rent-Seeking-Theorie wird in deren Modifikation in Anlehnung an Lambs-dorff zunächst deutlich, dass Korruption die schlechtere Lösung im Ver-gleich zu Lobbyismus ist. Anschließend soll eine auktionstheoretische Analyse von Beckmann und Gerrits zeigen, dass unter bestimmten Voraus-setzungen Lobbyismus zu einer schlechteren Lösung führen kann als Korruption.

Schließen wird die Arbeit mit einer Diskussion der Ergebnisse und einem Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten.

Vergleichende Grunddarstellung von Korruption und Lobbyismus

In welchem Zusammenhang stehen Korruption und Lobbyismus? Allge-mein gesprochen sind beides Methoden zur Beeinflussung des öffentlichen Sektors – verbunden mit dem Ziel, Privilegien zu erhalten.[10]

Dennoch wäre es vermessen, Korruption und Lobbyismus als gleichartig zu betrachten. Allein die Frage nach der Legalität der Methode verdeutlicht bereits implizit, dass Korruption und Lobbyismus nicht nur zwei Seiten einer Medaille sind.

Auch wenn Lobbyismus in der deutschen Öffentlichkeit als

„[…] organisierte Einflussnahme von Interessengruppen auf die Politik mit fließendem Übergang zu Patronage und Korruption wahrgenommen […]“[11]

wird, soll in den kommenden Abschnitten zunächst eine Definition von Lobbyismus und Korruption erfolgen. In einer abschließenden Betrachtung wird dann diskutiert, ob sich Korruption und Lobbyismus als Substitute oder Komplemente darstellen.

Einführung in Lobbyismus

Unter Lobbyismus wird allgemein

„[…] die systematische und kontinuierliche Einflussnahme von wirt-schaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen oder auch kulturellen Interes-sen auf den politischen Entscheidungsprozess […]“[12]

subsumiert.

Im Folgenden soll Lobbyismus anhand der Dimensionen Adressaten, Organisationsformen, Inhalte und Aktionsformen analysiert werden.[13]

Adressaten und Organisationsformen von Lobbyismus

Der Begriff Lobbyismus leitet sich aus dem Englischen „lobby“ ab, mit dem die Wandelhalle des britischen Parlaments bezeichnet wird. Ursprüng-licher Adressat des Lobbyismus war somit das Parlament. Da das Parla-ment der Gesetzgeber ist, sind auch heute noch Parteien, Fraktionen und Abgeordnete des Deutschen Bundestages wichtige Ansprechpartner von Lobbyisten.[14]

Primäres Ziel von Lobbyismus ist jedoch nicht das Parlament, sondern die jeweilige Regierung. Dies folgt der politischen Realität, in der ein Groß-teil der Gesetzesentwürfe nicht von der Legislative, sondern von der Exe-kutive mit ihrer umfangreichen Ministerialbürokratie vorbereitet und erst an-schließend in das Parlament zur Verabschiedung eingebracht wird. Neben Kontakten zur Regierungsspitze werden daher auch Verbindungen zu Be-amten einzelner Referate und Abteilungen der Ministerien gehalten.[15]

Lange Jahre war der Verband die klassische Institution zur Vertretung gesellschaftlicher Interessen. Damit stellt er die Grundform dar, in der Lob-byismus seine Entsprechung findet.[16]

Jedoch ist der Verband bei Weitem nicht die einzige Form, in der sich Lobbyismus verwirklicht. Kammern, wie zum Beispiel die Industrie- und Handelskammern, auch Kirchen und Bürgerinitiativen sowie immer mehr einzelne Konzerne haben berechtigte Interessen, die sie unabhängig von Verbänden vertreten. Daneben existiert eine Vielzahl von Public-Affairs-Unternehmen, Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien, die als Dienstleister unterschiedlicher Interessen engagiert werden.[17]

Schätzungen gehen von bis zu 4.500 ständig in Berlin tätigen Lobby-isten aus, wobei demgegenüber die im Deutschen Bundestag geführte Lobbyliste derzeit nur ca. 1.900 Einträge enthält.[18],[19]

Inhalte und Aktionsformen von Lobbyismus

Ziel von Lobbyisten ist es, eigene Interessen durch die Beeinflussung rechtlicher Rahmenbedingungen durchzusetzen. Vor dem Hintergrund einer pluralistischen Gesellschaft, mit einer grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit und der aus Artikel 21 Grundgesetz abgeleiteten Möglich-keit, dass neben den darin privilegierten Parteien auch andere Organisa-tionen am Prozess der politischen Willensbildung teilhaben sollen, er-scheint dies durchaus legitim.[20]

Die Aktivitäten von Lobbyisten reichen dabei von Telefongesprächen mit Abgeordneten über Pressekonferenzen – also zusammenfassend Informa-tionsvermittlung – sowie von der Organisation von Demonstrationen und Streiks, bis hin zur Politikfinanzierung. Dabei ist zu beachten, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist.[21]

An dieser Stelle ist es angemessen, noch ein Wort zum Thema Politik-finanzierung in Deutschland zu verlieren. In der Bundesrepublik Deutsch-land müssen Parteispenden grundsätzlich diffus sein. Das heißt, es ist verboten, Parteispenden an unmittelbare Handlungserwartungen zu knüp-fen. Auch wenn die Parteienfinanzierung in Deutschland gerade bei größeren Spenden äußerst transparent ist, existiert dennoch eine Grau-zone, da

„[…] Parteien stets Interessen der Wähler/-innen im Auge behalten […]“[22]

und somit Parteispenden politische Entscheidungen forcieren könnten.[23]

Zusammenfassung

Ausgehend von der Definition des Lobbyismus als Beeinflussung poli-tischer Entscheidungen [24] wurde das Phänomen Lobbyismus anhand der Dimensionen, Adressaten, Organisationsformen, Inhalte und Aktionsfor-men beschrieben.

Dabei wurde deutlich, dass Lobbyismus grundsätzlich ein legitimer und legaler Bestandteil deutscher Politik ist. Jedoch existiert unter anderem im Bereich der Politikfinanzierung eine Grauzone, in der Lobbyismus in einen Bereich der Illegitimität und Illegalität geraten kann.

Da aber Leif und Speth (2003) festhalten, dass „[…] Lobbyismus […] zwischen dem Anspruch legitimer demokratischer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme [changiert], [und] bis hin zu […] Korruption reichen kann […]“[25], ist es nun an der Zeit, sich intensiver mit dem Phänomen Korruption zu beschäftigen.

Einführung in Korruption

In einer weitverbreiteten Definition wird Korruption als Missbrauch öffent-licher Gewalt für privaten Nutzen beschrieben.[26] Dabei schließt diese Art der Definition Korruption in der Privatwirtschaft aus. Unter Berücksichtigung der statistischen Ausführungen des Bundeslagebildes 2008 scheint diese Definition jedoch fraglich. So wird dort zwar einerseits gezeigt, dass die Mehrzahl der Korruptionsfälle mit 46 Prozent bei der öffentlichen Verwal-tung auftreten, jedoch folgt der private Wirtschaftssektor mit immerhin 37 Prozent aller Fälle.[27]

Andere Definitionen rekurrieren auf die Prinzipal-Agent-Problematik.[28] In Abbildung 1 wird diese Problematik anschaulich anhand der sogenannten „Korruptionstriade“[29] verdeutlicht.

Abbildung 1: Korruptionstriade

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Oswald, I. (2002). Elemente einer Theorie der offenen Hand. Zur Verbindung von Korruptions- und Gesellschaftsanalyse am Beispiel Russlands. In: H. Bluhm u. K. Fischer (Hrsg.), Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Macht. Theorien politischer Korruption, S. 41-66. Baden-Baden: Nomos Verlags-gesellschaft, S. 44

In dieser triadischen Beziehung ist der Prinzipal als Dienstherr zu verstehen, dessen Beamter (= Agent) eine Mittelfunktion zum Bürger (= Klienten) innehat. Zwischen dem Agenten und dem Prinzipal existiert ein gegenseitiger Vertrag. Dieser Vertrag alimentiert den Beamten für seine loyale Dienstpflichterfüllung.[30] Jedoch steht die Verletzung genau dieses Vertrages im Mittelpunkt der Korruption:

„Der Agent, dem durch einen Vertrag mit dem Prinzipal systematisch besondere Entscheidungs- oder Handlungsmöglichkeiten (= Aktionen) eingeräumt sind, handelt oder entscheidet im Rahmen dieser Möglich-keiten regelwidrig und erhält dafür vom Klienten, der von dem Regel-verstoß profitiert, eine Gegenleistung“[31].

Eine definitorische Herausforderung liegt jedoch dann vor, wenn nicht der Agent, sondern vielmehr der Prinzipal selbst korrupt ist. Diese Proble-matik entsteht immer dann, wenn Politiker in Korruptionsfälle verwickelt sind. Bei dieser sogenannten „grand corruption“[32] ist die Feststellung eines Regelverstoßes nicht ohne Weiteres möglich. So könnte ein korrupter Prinzipal durchaus die Möglichkeit haben, durch entsprechende Regeln korruptes Handeln zu legitimieren.[33]

Diese Problematik kann jedoch aufgelöst werden, indem wiederum in einer Prinzipal-Agent-Klient-Betrachtung der Prinzipal als Staatsvolk, die Agenten als Volksvertreter und die Klienten als Korrumpierende (z.B. Unternehmen, Verband etc.) definiert werden. Denn zumindest in einer Demokratie sind Regierung und Legislative dem Volk verpflichtet.[34]

Dass Korruption nicht gleich Korruption ist, verdeutlicht auch die nach-folgende Abbildung:

Abbildung 2: Korruptionsarten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Beckmann, K. u. Gerrits, C. (2008). Armutsbekämpfung durch Reduktion von Korruption: eine Rolle für Unternehmen?. Discussion Papers in Economics Nr. 83. Hamburg: Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Ham-burg, S. 9

In den folgenden beiden Abschnitten sollen daher zunächst die verschie-denen Korruptionsarten und anschließend deren Gegenstandsbereiche (Selektion, Qualität, Zeit und Straftat) beschrieben werden.

Korruptionsarten

Bezugnehmend auf Abbildung 2 sollen die Korruptionsarten An-fütterungskorruption, Entlastungs- und Belastungskorruption vorgestellt werden.

Anfütterungskorruption beschreibt die Vergabe von Geschenken zum Aufbau einer positiven persönlichen Beziehung.

Dabei soll beim Empfänger der Geschenke ein Goodwill erzeugt werden.[35]

Die Besonderheit der Anfütterungskorruption liegt darin, dass der Kor-rumpierende keine unmittelbare spezifische Gegenleistung des Korrumpier-ten erwartet, sondern sich vielmehr im Sinne einer Investition in „[…] social capital […]“[36] eine Grundlage für spätere Korruptions- oder Lobbyismus-Aktivitäten verspricht.[37]

In Deutschland ist diese Form der Korruption gemäß § 331 StGB als Vorteilsnahme strafbar.[38]

Die Unterscheidung zwischen Entlastungs- und Belastungskorruption wurde von Pies eingeführt und orientiert sich an den Ausführungen von Shleifer und Vishny.[39] Dabei ist Entlastungskorruption nach Pies vergleich-bar mit „[…] corruption with theft […]“[40] nach Shleifer und Vishny.

Entlastungskorruption, beziehungsweise Korruption mit Diebstahl, tritt dann auf, wenn ein Agent (z.B. Beamter) gegen eine finanzielle Leistung b dem Klienten (z.B. Unternehmer) beispielsweise eine Genehmigung oder Begünstigung erteilt. Dabei liegt der Wert der finanziellen Leistung b unter-halb des offiziellen Preises p und die Mittel fließen ausschließlich auf das Konto des Agenten.[41]

Abbildung 3: Entlastungskorruption

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Shleifer, A. u. Vishny, R. W. (1993). Corruption. Quarterly Journal of Economics 108: S. 603

Abbildung 3 zeigt zunächst einmal ein klassisches Monopolmodell[42] mit der Nachfragekurve N, dem Grenzerlös MR und den Grenzkosten GK innerhalb der Achsen Preis p und Güter x. Der korrupte Agent (Monopolist) verkauft hier jedoch das Gut unterhalb des offiziellen Preises p gegen eine Bestechungszahlung in Höhe von b. Dadurch erhöht sich die Anzahl der verkauften Güter von x0 auf x*. Deutlich wird, dass zwischen Agent und Klient im Falle der Entlastungskorruption eine klassische Win-Win-Situation vorliegt. So erhält der korrupte Agent eine Bestechungszahlung in Höhe der Fläche AEFG, der Klient als Nachfrager erhält die Leistung zu einem geringeren Preis b. In dieser Variante der Korruption besteht also Interes-senharmonie zwischen Klient und Agent. Jedoch führt diese

„[…] Koalition zu Lasten Dritter […]“[43]

zu einem Wohlfahrtsverlust des Gemeinwesens in Höhe der Fläche ABCD, da der Staat keinerlei Einnahmen generiert.[44]

Die Belastungskorruption nach Pies ist gleichzusetzen mit[45] „[…] corruption without theft […]“[46] nach Shleifer und Vishny.

Abbildung 4: Belastungskorruption

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Shleifer, A. u. Vishny, R. W. (1993). Corruption. Quarterly Journal of Economics 108: S. 602 und Thum, M. (2004). Korruption. Dresden: Discussion Paper in Economic 11, S. 8

Wie in Abbildung 4 gezeigt, erhebt der Agent für eine Leistung neben dem offiziellen Preis p eine zusätzliche Bestechungszahlung b, wodurch sich der Gesamtpreis für den Klienten auf p+b erhöht. Im Gegensatz zur Interessenharmonie bei der Entlastungskorruption liegt hier nun ein Interes-senkonflikt vor.[47]

Zum einen werden solche Klienten von der Leistung des Agenten aus-geschlossen, die nicht in der Lage sind einen Preis zwischen p und p+b zu zahlen und zum anderen erleidet der bestechende Klient selbst einen direk-ten Nachteil, da er einen höheren Preis zahlen muss.[48]

Während die Fläche ABCD somit den Gewinn des Agenten darstellt, beschreibt die Fläche ABE dagegen den entsprechenden „Harberger-Wohl-fahrtsverlust“ dieser ineffizienten Lösung.

[...]


[1] http://www.ftd.de/politik/europa/:transparency-studie-korruption-laehmt-griechenland; 02.03.2010, 08:28 Uhr

[2] Vgl. Transparency International (2009). Global Corruption Report 2009. Cambridge: University Press, S. 369 ff. sowie http://www.transparency.de/Tabellarisches-Ranking.1526.0.html ; 03.07.2010, 11:06 Uhr

[3] Vgl. http://www.transparency.de/Tabellarisches-Ranking.1526.0.html ; 03.07.2010, 11:06 Uhr

[4] Vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/977/342819/text/; 28.09.2009, 21:16 Uhr sowie Transparency International (2009), S. 369 ff.

[5] Vergleiche hierzu bspw. die Millionenspende des Hoteliers August von Finck an die FDP im Zuge des Bundestagswahlkampfes 2009. Die anschließende Mehrwertsteuersenkung für die Hotelbranche erschien daher in einem äußerst dubiosen Lichte. Siehe hierzu beispielsweise http://www.noows.de/fdp-korrupt-oder-burgernah-14522; 24.07.2010, 18:19 Uhr

[6] Vgl. Pies, Ingo (2003). Korruption: Diagnose und Therapie aus wirtschaftsethischer Sicht. Discussion Paper 03-7. Wittenberg: Center for Global Ethics

[7] Vgl. von Lambsdorff, J.G. (2002). Corruption and rent-seeking. Public Choice 113: 97-125

[8] von Lambsdorff, J.G. (2004). Korrupte Staatsangestellt oder korrupte Regierungen – Was schadet mehr?. Viertelsjahreshefte zur Wirtschaftsforschung 73: S. 202

[9] Vgl. bspw. Klitgaard, R. (1988), Controlling Corruption, Berkeley: University of California Press; Rose-Ackerman, S. (1975). The Economics of Corruption. Journal of Public Economies 4: 187-203; Eskeland, G.S. u. Thiele, H. (1999). Corruption under Moral Hazard. Policy Research Working Paper 2204. Washington D.C.: World Bank; Dietz, M. (1998), Korruption – eine institutionenökonomische Analyse. Berlin: Berlin Verlag Arno Spitz GmbH

[10] Vgl. Campos, N.F. u. Giovanni, F. (2007). Lobbying, corruption and political influence. Public Choice 131: S. 1

[11] Belwe, K. (2006). Editorial. Aus Politik und Zeitgeschichte 15/2006: S. 1

[12] von Allemann, U. u. Eckert, F. (2006). Lobbyismus als Schattenpolitik. Aus Politik und Zeitgeschichte 15/2006: S. 4

[13] Vgl. von Allemann, U. u. Eckert, F. (2006), S. 4

[14] Vgl. ebd. S. 5

[15] Vgl. von Allemann, U. u. Eckert, F. (2006), S. 5

[16] Vgl. ebd. S. 4

[17] Vgl. von Allemann, U. u. Eckert, F. (2006), S. 5 sowie Wehrmann, I. (2007). Lobbying in Deutschland – Begriff und Trends. In R. Kleinfeld, A. Zimmer u. U. Willems (Hrsg.), Lobbying – Strukturen, Akteure, Strategien, S. 36-64. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 41

[18] Vgl. Speth, R. (2006). Wege und Entwicklungen der Interessenpolitik. In T. Leif u. R. Speth (Hrsg.), Die fünfte Gewalt – Lobbyismus in Deutschland, S. 38-52. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 40

[19] Anm. d. Verf.: Auch wenn es in dieser Arbeit nicht thematisiert wird, sei hier dennoch angemerkt, dass der Lobbyismus auf europäischer Ebene eine mindestens ebenso bedeutsame Rolle spielt wie auf nationaler Ebene. So finden ca. 10.000 Arbeitnehmer in etwa 3.000 Interessengruppen mit ständigem Büro in Brüssel eine dauerhafte Beschäftigung. Vgl. im Detail van Schendelen, R. (2006). Brüssel: Die Champions League des Lobbying. In T. Leif u. R. Speth (Hrsg.), Die fünfte Gewalt – Lobbyismus in Deutschland, S. 132-162. Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, S. 137

[20] Vgl. von Allemann, U. u. Eckert, F. (2006), S. 5-6 sowie Wehrmann, I. (2007), S. 38-39

[21] Vgl. von Allemann, U. u. Eckert, F. (2006), S. 6

[22] Ebd. S. 8

[23] Vgl. ebd. S. 8-9

[24] Vgl. ebd. S. 4

[25] Leif, T. u. Speth, R. (2003). Lobbyismus in Deutschland. Fünfte Gewalt – einflussreich und unkontrolliert?. In A. Klein, J. Legrand u. T. Leif (Hrsg.), Lobbyismus in Deutschland. Fünfte Gewalt: einflussreich und unkontrolliert?, S. 24-36. Forschungsjournal Neue Soziale Bewegung 16 (3), S. 24

[26] Vgl. hierzu bspw. Shleifer, A. u. Vishny, R. W. (1993). Corruption. Quarterly Journal of Economics 108: S. 599; Thum, M. (2004). Korruption. Dresden: Discussion Paper in Economic 11, S. 2; Pies, I (2003), S. 3 oder Méon, P.-G. u. Weill, L. (2008). Is Corruption an Efficient Grease?. Strassburg: Large Papier 2008-06, S. 1

[27] Vgl. Bundeskriminalamt (2009). Korruption – Bundeslagebild 2008. Wiesbaden: Bundeskriminalamt, S. 8. Interessant ist bei dieser Studie, dass die Korruption in der allgemeinen öffentlichen Verwaltung von 79 % in 2007 auf 46 % in 2008 gesunken ist. Demgegenüber ist in der Wirtschaft ein Anstieg von 15 % in 2007 auf nunmehr 37 % in 2008 zu verzeichnen. Dies könnte im Bereich der öffentlichen Verwaltung auf verbesserte Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen zurückzuführen sein. Einschränkend sei hier hinzugefügt, dass das Bundeskriminalamt hinsichtlich der Korruption zwischen allgemeiner Verwaltung, Strafverfolgungs- und Justizbehörden sowie der Politik unterscheidet. Insgesamt können daher 63 % aller Korruptionsstraftaten dem öffentlichen Sektor zugerechnet werden.

[28] Vgl. bspw. Klitgaard, R. (1988) und Rose-Ackerman, S. (1975) oder Eskeland, G. S. u. Thiele, H. (1999) sowie Dietz, M. (1998)

[29] Oswald, I. (2002). Elemente einer Theorie der offenen Hand. Zur Verbindung von Korruptions- und Gesellschaftsanalyse am Beispiel Russlands. In: H. Bluhm u. K. Fischer (Hrsg.), Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Macht. Theorien politischer Korruption, S. 41-66. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S. 44

[30] Vgl. Oswald, I. (2002), S. 43

[31] Dietz, M. (1998), S. 29

[32] von Lambsdorff, J. G. (2002), S. 202

[33] Vgl. ebd. S. 202

[34] Vgl. von Alemann, U. (2005). Politische Korruption: Ein Wegweiser zum Stand der Forschung. In U. von Alemann (Hrsg.), Dimensionen politischer Korruption: Beiträge zum Stand der internationalen Forschung, S. 13-49. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 30

[35] Vgl. Beckmann, K. u. Gerrits, C. (2009). Lobbying and corruption as substitute forms of rent-seeking. In W. Schäfer, A. Schneider, T. Thomas (Hrsg.), Märkte und Politik – Einsichten aus Perspektive der Politischen Ökonomie, S. 115-133. Marburg: Metropolis Verlag, S. 118

[36] Beckmann, K. u. Gerrits, C. (2009), S. 118

[37] Vgl. ebd. S. 118 sowie Beckmann, K. u. Gerrits, C. (2008), S. 9

[38] § 331 Abs. 1 – 3 Strafgesetzbuch, zitiert nach http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__331.html; 24.07.2010; 19:17 Uhr

[39] Vgl. Pies, I. (2003), S. 3

[40] Schleifer, A. u. Vishny, R. W. (1993), S. 601

[41] Vgl. ebd. S. 601-602 sowie Pies, I. (2003), S. 3-4

[42] Weiterführende Details zum Monopolmodell und den gesellschaftlichen Kosten einer Monopolmacht finden sich anschaulich in Pindyck, R. u. Rubinfeld, D. (2003). Mikroökonomie. München: Pearson Studium, S. 467-496

[43] Vgl. Pies, I. (2003), S. 5

[44] Vgl. ebd. S. 4 -5

[45] Vgl. ebd. S. 3

[46] Shleifer, A. u. Vishny, R. W. (1993), S. 601

[47] Vgl. Pies, I. (2003), S. 5

[48] Vgl. ebd. S. 5-6

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Die Beeinflussung politischer Entscheidungen durch Lobbyismus und Korruption
Untertitel
Ein mikroökonomischer Vergleich
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
3,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
62
Katalognummer
V413388
ISBN (eBook)
9783668644069
ISBN (Buch)
9783668644076
Dateigröße
923 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
beeinflussung, entscheidungen, lobbyismus, korruption, vergleich
Arbeit zitieren
Matthias Benner (Autor:in), 2010, Die Beeinflussung politischer Entscheidungen durch Lobbyismus und Korruption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/413388

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