Kunst und Wissenschaft sind in ihrer Wechselbeziehung in den letzten Jahren verstärkt ins Interesse der Forschung gerückt. Bezeichnenderweise bezieht man sich dabei hauptsächlich auf die Zeit um 1800. Kunst und Wissenschaft profilieren sich in dieser Zeit aneinander und schließlich gegeneinander. Die beiden Systeme der Kunst und der Wissenschaft trennen sich voneinander, was in der bekannten These von den "zwei Kulturen" bei Charles Snow seinen Niederschlag findet. In dieser "Sattelzeit" steht mit Johann Wolfgang Goethe eine Geistesgröße zur Verfügung, in dessen Leben und Werk beide Kulturen eine letzte große und fruchtbare Einheit bildeten.
Die vorliegende Arbeit setzt es sich zum Ziel, die Verbindungen und gegenseitige Durchdringung von Poesie und Wissenschaft exemplarisch an Goethes Roman "Die Wahlverwandtschaften" von 1809 zu untersuchen. Dabei wird sich herausstellen, dass das Experiment eine Schlüsselstellung zwischen beiden Sphären einnimmt.
Vornehmlich literaturwissenschaftlich belegte Begriffe wie Ironie, Symbolik und Spiegelung sind auch in Goethes Naturforschung beheimatet. Das wird besonders an den Wahlverwandtschaften deutlich. Sie sind ein literarisches Experiment, dessen Ausgangspunkt die Frage nach der Stellung des Menschen im Gefüge der Natur ist und zur Beantwortung dieser existenziellen Fragestellung wissenschaftliche Methoden literarisch verwertet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Goethe und die Naturwissenschaft um 1800
- Goethes Beitrag zur Wissenschaft aus wirkungsgeschichtlicher Sicht
- Poesie und Wissenschaft bei Goethe
- Goethes Zugang zur Chemie über die Alchemie
- Das Experiment und die Literatur
- Das Experiment in den Naturwissenschaften
- Versuch einer Begriffsbestimmung
- Das Experiment um 1800
- Das Experiment bei Kant
- Newton und das Experiment
- Goethe und Newtons Experimentation
- Theorie und Methode von Goethes Experimenten
- Experimentelle Dichtung und Experimentalroman
- Das literarische Experiment
- Das literarische Experiment der Wahlverwandtschaften
- Innerliterarische Auseinandersetzung
- Die chemische Gleichnisrede im Roman
- Die chemische Theorie: Bergman und Berthollet
- Aspekte poetischer Einbindung der chemischen Gleichnisrede in den Erzählzusammenhang
- Das Pendelexperiment
- Galvanismus und animalischer Magnetismus
- Die Symbolik der Wahlverwandtschaften
- Die Ironie in den Wahlverwandtschaften
- Die Spiegelung in den Wahlverwandtschaften
- Haltung des Erzählers und seine Sprache
- Der Erzähler als Chemiker
- Der erzählte Raum und die erzählte Zeit
- Die Sprache der Wahlverwandtschaften
- Die Idee des Romans
- Der Gegenstand des literarischen Experiments: Liebe und Ehe
- Autobiografische Spuren
- Schlussbemerkung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Verbindung und gegenseitige Durchdringung von Poesie und Wissenschaft in Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“ von 1809. Der Fokus liegt dabei auf dem Experiment als zentrales Erkenntnisinstrument neuzeitlicher Wissenschaft und dessen Einbindung in die Literatur, insbesondere im Kontext des „literarischen Experiments“.
- Die Rolle des Experiments in der naturwissenschaftlichen Forschung um 1800
- Die Verbindung von Experiment und Poesie bei Goethe
- Das literarische Experiment in Goethes „Wahlverwandtschaften“
- Die chemische Theorie und ihre Anwendung als Gleichnisrede im Roman
- Die Bedeutung der Symbolik, Ironie und Spiegelung im Kontext des Experiments
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die wachsende Bedeutung der Wechselbeziehung von Kunst und Wissenschaft in der Forschung, insbesondere im Kontext der Zeit um 1800, und stellt die Zielsetzung der Arbeit vor, die Verbindung von Poesie und Wissenschaft in Goethes „Wahlverwandtschaften“ zu untersuchen.
- Goethe und die Naturwissenschaft um 1800: Dieser Abschnitt analysiert Goethes Beitrag zur Wissenschaft aus historischer Perspektive und beleuchtet die Bedeutung von Poesie und Wissenschaft in seinem Werk. Zudem wird Goethes Zugang zur Chemie über die Alchemie untersucht.
- Das Experiment und die Literatur: Dieses Kapitel widmet sich dem Experiment als zentrales Erkenntnisinstrument der neuzeitlichen Wissenschaft und untersucht dessen Einbindung in die Literatur. Dabei werden verschiedene Aspekte des Experiments, von der Begriffsbestimmung bis hin zu Goethes Experimentation, beleuchtet.
- Das literarische Experiment der Wahlverwandtschaften: Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf der Analyse des Romans „Die Wahlverwandtschaften“ als literarisches Experiment. Dabei werden die chemische Gleichnisrede, die Symbolik, Ironie und Spiegelung im Roman, sowie die Rolle des Erzählers und seine Sprache untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit widmet sich der Analyse von Poesie und Wissenschaft in Goethes „Wahlverwandtschaften“ mit einem Fokus auf dem Experiment. Schlüsselbegriffe sind dabei "literarisches Experiment", "chemische Gleichnisrede", "Symbolik", "Ironie", "Spiegelung", "Erzähler", "Raum", "Zeit", "Liebe", "Ehe" und "autobiografische Spuren".
- Quote paper
- Benjamin Kristek (Author), 2003, Poesie und Wissenschaft in Goethes "Die Wahlverwandtschaften", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41368