Das juristische Wirken von Franz von Zeiller

Die Entstehung des ABGB


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. EINFÜHRUNG IN DAS THEMA

II. SCHWERPUNKTERÖRTERUNG
A. gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen
B. Die österreichische Naturrechtsschule
C. Die Entwicklung des ABGB
1. Von Martini zu Zeiller
2. Die Arbeit Zeillers
a. Ausgangspunkt
b. Philosophische Einflüsse auf das ABGB
3. Einige wesentliche Aspekte des ABGB
a. Trennung von Zivil- und öffentlichem Recht
b. Architektur des Rechts
c. Die Trennung von Recht und Moral
d. Die Freiheit des Individuums
e. Persönlichkeitsschutz
f. Der kategorische Imperativ
g. Eigentumsrecht
h. Der Gültigkeitsbereich
4. Ansatzpunkte für Kritik
a. Geschlechterverhältnisse
b. Arrangement mit dem Ancien Régime
5. Die kontroversielle Diskussion in Österreich

III. ZUSAMMENFASSUNG DER GEWONNENEN ERKENNTNISSE

IV. Literaturverzeichnis

I. EINFÜHRUNG IN DAS THEMA

Franz Anton Felix Edler von Zeiller war

„Hofrath bey der obersten Justiz-Stelle, Beysitzer der Hof-Commissionen in Gesetz- und Studien-Sachen, Director des juridischen Studiums und Präses der Juristen-Facultät an der Wiener Universität. Geboren zu Graz in Steyermark den 14. Januar 1752, gestorben zu Hietzing bey Wien am 23. August 1828“[1].

Franz von Zeiller war Schüler von Karl Anton von Martini (1726-1800) und übernahm als dessen Nachfolger 1788 den Lehrstuhl für Naturrecht und Römisches Recht an der Wiener Universität. In der Zeit der josephinischen Aufklärung war er Mitglied der „Loge Zur wahren Eintracht“ und möglicherweise auch Illuminat[2]. Zeiller fühlt sich in seinem Lehrbuch „Das natürliche Privatrecht“[3] dem Philosophen Immanuel Kant verpflichtet. Dies vor allem wegen dessen scharfer Trennung von Recht und Moral.

Die revolutionären Ideen von Rousseau und Kant fanden über Zeiller ihren Weg in sein Lebenswerk, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch („ABGB“). Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil diese Kodifikation in einer reaktionären Zeit vollendet wurde.

Dank der modernen naturrechtlichen Grundlage hat das ABGB aus 1811 mittlerweile zwei Jahrhunderte überlebt[4].

Obwohl Zeiller auch am westgalizischem Strafgesetzbuch maßgeblich gearbeitet hat, in der Vorbereitung zur neuesten österreichischen Gesetzkunde in Straf- und Civil-Justiz-Sachen beteiligt war und sich auch als Universitätsprofessor Verdienste erworben hat, ist das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch ohne Zweifel als das Hauptwerk seines Schaffens zu bewerten.

In der folgenden Abhandlung wird deshalb nur auf dieses Werk Bezug genommen und versucht die geschichtlichen Hintergründe und Einflüsse auf die Entstehung des ABGB zu beleuchten. Weiters sollen wesentliche Aspekte, die das ABGB auszeichnen, skizziert werden. Quasi als Schlusspunkt soll die durchaus heftige Diskussion über die Bedeutung und das Werk Zeillers angesprochen werden. Letztendlich wird versucht, die Defizite bzw. Schwächen aufzuzeigen, die mit dieser Kodifizierung einhergegangen sind.

Nichtjuristische Spuren Zeillers in Wien: Im Jahr 1894 wurde in Wien Ottakring (16. Bezirk) und Hernals (17. Bezirk) die Zeillergasse nach Franz von Zeiller benannt.

II. SCHWERPUNKTERÖRTERUNG

A. gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen

Die Regierungsform der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird als aufgeklärter Absolutismus bezeichnet, der Herrscher sieht sich als „Erster Diener des Staates“. Gesellschaftspolitisch entwickelte sich etwa mit Beginn dieses Jahrhunderts das Weltbild der Aufklärung. Der menschliche Verstand entwickelt sich zum Maß aller Dinge.

Das tägliche Leben dieser Zeit sah jedoch noch anders aus. Mittelalterliche Strukturen, Inquisition, Hexenverfolgung, ständische Unterschiede und rechtliche Ungleichbehandlung umreißen die reale Ausgangslage. Die Zeit war jedoch reif für tiefgreifende Veränderung. Die Philosophen dieser Zeit entwickelten Ideen, die von gebildeten Bürgern aufgegriffen wurden und somit in weiterer Folge gestalterische Kraft entfalten sollten.

Freiheit statt Absolutismus, Gleichheit statt Ständeordnung, Erkenntnis statt Vorurteil und Aberglauben, Toleranz statt Dogmatismus - so könnte man die neuen Ideen kurz umreißen. Gleichzeitig sollte folgerichtig die Macht der Kirche beschränkt werden. Die Erziehung zum idealen vernünftigen Menschen wurde zum Angelpunkt der aufgeklärten Bewegung. Sie sollte den Menschen befähigen, sein Leben ohne autoritäre Führung zu meistern und die Beziehung zu den Mitmenschen selbst zu gestalten.[5] Die Gleichheit aller Menschen wurde propagiert. Letztendlich galt diese Sichtweise jedoch nur für männliche Menschen, Frauen werden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Als Begründung diente die besondere Natur der Frau[6].

Ein modernes Bürgertum entstand gegenüber westeuropäischen Staaten in der Habsburgermonarchie erst mit einiger Verspätung. Man könnte sagen, die rückständigen Strukturen erzwangen Reformen, die in anderen Ländern bereits durch die Philosophie der Aufklärung in Bewegung gesetzt wurden.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es in der Habsburgermonarchie eine wahre Flut signifikanter Reformbestrebungen, die vor allem auf eine praktische Aufklärung zur Förderung der Vernunft abzielten. Mit der Verbesserung des Verstandes erwartete man sich zugleich eine bessere Moral, Glück und Freiheit der Menschen. Vorurteile und Aberglauben, Schwärmerei, Fanatismus und Dogmatismus sollten bekämpft und damit die herrschende Unvernunft beseitigt werden[7].

Beeinflusst vom Gedankengut der Aufklärung wurde der Staat im Sinne einer rationalen, am Wohl der Untertanen ausgerichteten Ordnung umgestaltet. Unter der Herrschaft Maria Theresias und ihres Sohnes Joseph II. führten Reformen zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung, zur Aufhebung der Leibeigenschaft, zur vorrübergehenden Abschaffung der Todesstrafe, zu religiöser Toleranz, und zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Der Monarch behält zwar seine losgelöste Stellung, versteht sich jedoch zunehmend als „Erster Diener des Staates“.

„Joseph war nicht ein Kind seiner Zeit; sondern er war ihr weit, weit vorangeeilt, und darum traf ihn das Geschick, inmitten seiner herrlichen Schöpfungen einsam zu stehen, von Niemand in seinem Wesen und Streben begriffen, unterstützt, gefördert zu werden, darum wälzte er vergebens den Stein des Sysiphus zu den lichten Höhen der Zukunft empor, darum brach sein Herz im tiefen, unermesslichen Jammer!“[8]

Es ist wohl diesem „Feuerwerk“ der Reformen, der Radikalität seiner Maßnahmen und auch dem Tempo der angestrebten Umsetzung zuzuschreiben, dass diese Reformen in breiten Schichten der Bevölkerung nicht auf die notwendige Akzeptanz stießen. Joseph II hat wohl auch die tiefe Verankerung der Religion in der Bauernschaft unterschätzt. Jedenfalls musste Joseph II. große Teile seiner Reformen kurz vor seinem Tod wieder rückgängig machen. Letztendlich kann man aber festhalten, dass sein Reformwille trotz gravierender Widerstände zu einer, wenn auch zurückhaltenden, Modernisierung in der Habsburgermonarchie führte, die noch weit ins 19. Jahrhundert hineinwirken sollte.

Die schriftliche Fixierung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Vorstellungen des Aufgeklärten Absolutismus unter Joseph II (Josephinismus in Österreich) verlangte zwangsläufig auch nach qualifizierten Juristen, die einerseits das bestehende vielschichtige Recht beherrschten und andererseits die Reformvorgaben in Normen umsetzen sollten.

Aus juristischer Sicht könnte man feststellen, dass die Verbindung aus Reformen und Gesetzgebung den ersten Schritt zur Entwicklung eines Rechtsstaates im heutigem Sinn in Gang gesetzt hat. Die Gelegenheitsgesetzgebung wird nunmehr von planvoller Gesetzgebung abgelöst.

Der Nachfolger von Joseph II, Leopold II nahm einen weiteren Teil der Reformen seines Bruders zurück. „Er war ein praktischer Mann, ein solcher, wie er eben nöthig war, um den Sturm der Gemüther, welchen Joseph durch seine kühnen Reformen an allen Enden des Reiches erregt hatte, wieder zu beschwichtigen und den Wagen der innern Politik allmälig und vorsichtig wiederum in das alte, gewöhnliche Geleis zurückzuführen“.[9]

Nach dessen nur kurzer Regentschaft folgte sein Sohn Franz II. Dieser hat ein System geschaffen, welches auf die Bewahrung der Vorherrschaft des Staates und der sozialen Ordnung im Kampf gegen die gesellschaftspolitische Modernisierung abzielte. In dieser Zeit der Restauration wurden die letzten Schritte zur Kodifikation des ABGB gesetzt. In diesem Umfeld war es verständlich, dass einige revolutionäre Ideen, wie z.B. die Geschlechtergleichheit, keinen Einzug in die Gesetzgebung finden konnten.

B. Die österreichische Naturrechtsschule

Die Naturrechtsschule entwickelte sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts; sie wandte sich von der kirchlich-theologisch bestimmten Kultur ab und befasst sich mit den Gesetzlichkeiten des menschlichen Zusammenlebens und den Rechten und Pflichten des Einzelnen. Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich daraus, im Rahmen des naturrechtlichen Weltbildes, das sogenannte Vernunftrecht, das einen bedeutenden Einfluss auf die neuzeitliche Privatrechtsentwicklung ausübte[10]. Diese gesamteuropäische Bewegung sah die menschliche Vernunft als Kernpunkt jeden Rechts. Aufgrund dieser neuen Vorstellungen und der bestehenden Rechtszersplitterung wurden Naturrechtler mit der Aufgabe betraut ein Gesetz zu verfassen, das durch eine einfache und klare Sprache für alle verständlich sein und das Gemeinwohl verwirklichen sollte. Die angestrebte Verständlichkeit führte letztendlich auch zur Umstellung von lateinischer auf die deutsche Sprache; dazu genügte allerdings nicht eine einfache Übersetzung, es musste zuerst eine deutsche Rechtssprache geschaffen werden[11].

Karl Anton von Martini war der erste Naturrechtsprofessor in Wien, als sein bekanntester Schüler gilt Franz von Zeiller[12]. Laut einer anderen Quelle (Brauneder) war der erste Naturrechtsprofessor in Wien Joseph Riegger, der Lehrer von Martini. Nicht dass dieser Widerspruch von Bedeutung wäre, er sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Als Lehr- und Lernunterlage an der Universität Wien dienten Martinis „Positiones de lege naturali“, sowie seine „Positiones de iure civitatis“. 1805 wurde statt ersterer Unterlage Zeillers „Natürliches Privatrecht“ zum Standardwerk und sollte es gemeinsam mit dem zweitgenannten Werk Martinis bis 1848 bleiben[13].

Durch das Wirken beider konnte das Vernunftrecht an Boden gewinnen.

C. Die Entwicklung des ABGB

1. Von Martini zu Zeiller

Martini begleitete die rechtspolitische Entwicklung seit 1773. Im Jahr 1797 vollendete Martini den „Urentwurf“, oder „Entwurf Martini“ zum später von Zeiller realisierten Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch. Wesentliche Eckpunkte des ABGB gehen auf Martini zurück, viele Vorentscheidungen sind während seiner Arbeit gefallen. Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten („ALR“) und der Code Civil in Frankreich entwickelten sich im gleichen Zeitraum. Durch Martinis modernes legistisches Denken hat sich Martinis Gesetzbuch von diesen bemerkenswerten Gesetzbüchern abgehoben.

1790 wurde Martini Gesetzgebungsminister und konnte diese Position nutzen, um die Kodifikation des österreichischen Privatrechtes weiter voranzutreiben. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst 1797 widmete Martini einen großen Teil seiner Arbeit diesem Werk. Seine Vorarbeiten für die endgültige Fassung des ABGB können zurecht als herausragende Leistung gewertet werden. Trotzdem hat es den Anschein, dass seine diesbezügliche Tätigkeit und sein Engagement nicht im entsprechenden Ausmaß anerkannt werden. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass Zeiller, der letztendlich als der „Vater“ des ABGB gilt, sich von Martini emanzipiert hat und diesen in seinen Publikationen auch kaum zitiert.[14] Wie auch in vielen anderen Lebensbereichen zählt letztlich das Resultat und die damit verbundene Persönlichkeit.

[...]


[1] Vgl „von einer Gesellschaft inländischer Gelehrter“ (Hrsg), Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes, I. Band (1810).

[2] Vgl Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration, Beiträge zur Geschichte des Frühkantianismus in der Donaumonarchie (1982).

[3] Vgl Zeiller, Das natürliche Privatrecht3 (1819).

[4] Kubes, Theorie der Gesetzgebung, in Forschungen aus Staat und Recht 76 (1987).

[5] Vgl Floßmann/Kalb, Rechtsgeschichte Teil 2 (2004) 142.

[6] Vgl Greif/Schobesberger, Einführung in die Feministische Rechtswissenschaft2 (2009), 9f.

[7] Vgl Reinalter, Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus (2008) 125ff.

[8] Vogler, Kaiser Franz der Erste von Österreich und seine Zeit (1846) 3.

[9] Vogler, Kaiser Franz der Erste von Österreich und seine Zeit (1846) 7.

[10] Vgl Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte6 (2008) 13.

[11] Vgl Barta/Pallaver (Hrsg), Karl Anton von Martini – Ein österreichischer Jurist, Rechtslehrer, Justiz- und Bildungsreformer im Dienste des Naturrechts (2007) 278ff.

[12] Vgl Lässer, Martinis Rechtsphilosophie und das österreichische Privatrecht (2008) 8.

[13] Vgl Brauneder, Vom Nutzen des Naturrechts für die Habsburgermonarchie in Klippel (Hrsg), Schriften des Historischen Kollegs – Kolloqien 57 - Naturrecht und Staat – Politische Funktionen des europäischen Naturrechts (2006) 145.

[14] Vgl Barta/Pallaver (Hrsg), Karl Anton von Martini – Ein österreichischer Jursit, Rechtslehrer, Justiz und Bildungsreformer im Dienste des Naturrechts (2007).

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Details

Titel
Das juristische Wirken von Franz von Zeiller
Untertitel
Die Entstehung des ABGB
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Rechtsgeschichte)
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
21
Katalognummer
V414002
ISBN (eBook)
9783668649903
ISBN (Buch)
9783668649910
Dateigröße
579 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches
Arbeit zitieren
Hans-Peter Dick (Autor:in), 2011, Das juristische Wirken von Franz von Zeiller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414002

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