Elemente der "gothic tradition" in den Kurzprosawerken Edgar Allan Poes


Diplomarbeit, 2005

102 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Die sechs untersuchten Kurzgeschichten
1.2 Die Gestaltung der Arbe.

2. Der Schauerroman als Gegenstand der Forschung
2.1 Der Schauerroman und seine Entstehungszeit
2.2 Der Schauerroman und seine Leserschaft
2.3 Elemente der gothic tradition
2.4 Schauerromane in England und dessen Elemente bei Poe
2.4.1. The Castle of Otranto und The Mysteries of Udolpho
2.4.2. The Monk und Frankenste.

3. Poe und seine Werke
3.1 „Ligeia”
3.1.1 Die Abtei und die gruslige Atmosphäre
3.1.2 Angst, das Übernatürliche und Inzucht als gothic elements
3.1.3 Halluzination
3.1.4 Ligeia als Dämon und das Thema der Seelenwanderung
3.1.5 Der Mord an zwei Ehefrauen
3.2 „The Fall of the House of Usher“
3.2.1 Das Schloss und die unheimliche Atmosphäre
3.2.2 Der Familienfluch und Inzest
3.2.3 Angst, Aberglaube und Halluzination
3.2.4 Eine Vampirgeschichte
3.3 „The Tell-Tale Heart“
3.3.1 Die gestörte Psyche des Erzählers
3.3.2 Todesangst und Wahnvorstellungen
3.4 „The Black Cat“
3.4.1 Die Psyche des Erzählers
3.4.2 Das Übernatürliche und die Rache der Katze
3.4.3. Seelenwanderung und das vom Teufel besessenes Tier
3.4.4 Die Ehefrau und die Katzen
3.5 „The Facts in the Case of M. Valdemar”
3.5.1 Hintergründe, Mesmerismus und eine wahre Geschichte?
3.5.2 Das Grauen: die Grenze zwischen Leben und Tod
3.5.3 Die Stimme aus dem Jenseits
3.6 „The Cask of Amontillado“
3.6.1 Das Familienmotto
3.6.2 Montresors Motiv
3.6.3 „Thousand injuries“
3.6.4 Ironie als Element um eine grauenvolle Atmosphäre zu schaff.

4. Zusammenfassu.

Endnot.

Bibliographi.

1. Einleitun.

Edgar Allan Poe (1809-1849) wird fälschlicher Weise oft als der Erfinder der Horror-Geschichte genannt. Als Poe Anfang des 19. Jahrhundert zu schreiben begann, blickte er bereits auf eine lange Tradition der so genannten gothic novel zurück. Für diese gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstandene englische Variante des Schauerromans sind der unheimlich-fantastische Schauplatz des Geschehens und die realistische Gestaltung des Dämonischen, Irrationalen und Grotesken charakteristisch. Die Hauptvertreter waren Horace Walpole, Ann Radcliffe, Matthew Gregory Lewis und Mary Shelley. Horrorgeschichten gab es also bereits vor Po.

Durch die Bedingungen des zeitgenössischen amerikanischen Literaturmarktes begünstigt, fanden die englischen Schauerromane in Amerika außergewöhnlich schnell Verbreitung. Walpoles The Castle of Otranto gehörte kurz nach seiner Erstveröffentlichung auch in den USA zu den meistgelesenen Büchern, was zu seiner Aufnahme in eine Liste amerikanischer Bestseller führte. In dieser Liste waren auch Ann Radcliffes The Mysteries of Udolpho und Matthew Gregory Lewis´ The Monk (vergleiche auch Schumacher 1990: 300). Poe und weitere amerikanische Autoren wie Hawthorne oder Melville können in ihren Erzählungen die Beeinflussung durch die kontinentaleuropäische Literaturmode jener Zeit nicht verberge.

Gegenstand dieser Arbeit ist es, die Elemente der gothic tradition, oder auch gothic elements genannt, in Kurzprosawerken von Edgar Allan Poe zu untersuchen. Zunächst wird ein kurzer Überblick über den englischen Schauerroman, über seine Entstehungszeit und der Leserschaft gegeben. Dann werden die einzelnen gothic elements aufgezählt und kommentiert. Im Unterkapitel „2.4 Schauerromane in England (1764-1820) und dessen Elemente bei Poe“ wird auf einige bestimmte Beispiele, Elemente hingewiesen, die von Autoren der gothic novels verwendet wurden und die sich in Poes Werken widerspiegel.

Diese Elemente der gothic tradition haben alle dieselbe Funktion: sie sollen eine gruselige Atmosphäre schaffen und den Leser das Fürchten lernen. Solch. Elemente verwandeln die einfachen Geschichten in etwas Außergewöhnliches, etwas Sonderbare.

Edgar Allan Poe schöpft aus dieser Tradition, entwickelt sie weiter und schafft somit etwas Neues. Aus den englischen Schauerromanen des 18. Jahrhunderts übernahm er die bildliche Darstellung der Schauplätze: heruntergekommene, bedrückende Landschaft, die Inquisition, das Spukschloss und all dies in einer Atmosphäre des Todes und des Vergehens. Aus den gothicized tales des Blackwood´s Magazine des 19. Jahrhunderts übernahm er die Form des Terrors: den Erzähler in der ersten Person, das langwierige Verweilen bei einem einzigen furchteinflössenden Thema, und schließlich der Höhepunkt, in dem der Erzähler nur Ohren für seine eigenen Gefühle hat und alles andere um Ihn herum nicht wahrgenommen wird (vergleiche auch Stuprich 2001: 101). Poe führt diese Traditionen weiter, indem er den psychologischen Aspekt in den Mittelpunkt stellt. In dieser Arbeit werden aber lediglich die gothic elements untersuch.

Es wird angesprochen, ob Poes außergewöhnliche und makabere Ideen von einer gestörten - und eventuell von Opiumkonsum beeinträchtigen - Seele stammen, oder ob die Gründe, warum er solch sonderbare Geschichten geschrieben hat, einen ganz anderen Ursprung haben könnt.

1.1 Die sechs untersuchten Kurzgeschichte.

Die sechs Erzählungen, „Ligeia“, „The Fall of the House of Usher“, „The Tell-Tale Heart“, „The Black Cat“, „The Facts in the Case of M. Valdemar” und „The Cask of Amontillado“ werden gemäß deren Erscheinung, in chronologischer Reihenfolge angeordnet und untersucht. Jede dieser Geschichten enthält mehrere gothic elements, die meisten dieser Elemente werden auch angesprochen und analysiert. Bei einigen Geschichten, wie zum Beispiel bei „Ligeia“ oder „The Fall of the House of Usher“ sind die Elemente so zahlreich, dass einige nur kurz angesprochen werden. Die Erzählungen wurden nach eigenem Bemessen ausgesucht, aber es wurde darauf geachtet, dass es sich um bekannte Geschichten handelt und dass sie gemäß der gothic tradition verfasst wurde.

Bei „Ligeia“, Poes Lieblingsgeschichte, wird zunächst der Schauplatz und dessen Auswirkung auf den Erzähler untersucht, denn ein unheimlicher Schauplatz kann eine gruselige Atmosphäre schaffen. Bei dieser Geschichte spiel. - je nach Interpretation - auch Inzucht, das Übernatürliche und die Seelenwanderung eine wichtige Rolle. Die letzten beiden Elemente erzeugen Angst, die der Erzähler und auch der Leser spüren kann. Man kann diese short story aber auch als eine Art Krimi lesen, wo der Erzähler seine Frauen tötet. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit erlaubt das Übernatürliche und die Seelenwanderung auszuschließen, denn nach dieser Deutung hat der opiumsüchtige Erzähler die seltsamen Ereignisse nur geträumt, es war eine Halluzination. Diese Möglichkeiten werden neben den unheimlichen Schauplatz und der Atmosphäre in Anbetracht gezogen und die daraus resultierenden gothic elements werden untersuch.

Bei „The Fall of the House of Usher“ gibt es genauso wie bei “Ligeia” mehrere Deutungsmöglichkeiten. Dementsprechend gibt es Elemente, die nur bei der jeweiligen Interpretation in der Geschichte zu finden sind. Der gruselige Schauplatz, die unheimliche Atmosphäre und die Angst der beiden Protagonisten sind die Grundbausteine der Erzählung. Hinzu kommt ein dunkles Familiengeheimnis, Familienkrankheit oder Familienfluch der Ushers. Inzest und die Möglichkeit, dass es sich bei der short story um eine Vampirgeschichte handelt, wird auch erläuter.

In „The Tell-Tale Heart“ wird der psychologische Aspekt so sehr in den Mittelpunkt gestellt, dass es fast schon eine psychologische Studie ist. Der psychisch kranke oder verrückte Erzähler berichtet über seine grausamen Taten und beteuert immer wieder, dass er nicht verrückt sei. Diese Geschichte präsentiert den Leser puren Horror: nach dem Mord wird die Leiche zerstückelt und versteckt. In dem Unterkapitel „3.4.1 Die Psyche des Erzählers” wird gezeigt, dass der Erzähler, obwohl er dies abstreitet, vom Leser als ein Verrückter identifiziert wird. Die Angst, vor allem die Todesangst, spielt auch hier eine große Rolle, den beide, Täter und Opfer kennen dieses Gefühl. Angst und psychologische Einblicke in das Seelenleben des Protagonisten sind beide Elemente der gothic tradition und werden ausführlich untersuch.

Die nächste Erzählung, „The Black Cat“ hat mit „The Tell-Tale Heart“ viel gemeinsam. Der psychisch kranke Erzähler quält seine Haustiere, schneidet der Katze ein Auge aus, erhängt sie und bringt schließlich seine Frau mit einer Axt um, indem er ihr den Schädel spaltet. Es ist also eine Geschichte, die auch grausame Horrorszenen beinhaltet. Neben den gothic elements wie Rache und da. Übernatürliche, wird auch hier - wie bei „The Tell-Tale Heart“ - die kranke Psyche des Erzählers untersucht. Das Übernatürliche kann, je nach Interpretation, mehrere Formen annehmen, auf diese wird eingegangen. Schließlich ist in „The Black Cat“, wie bei „Ligeia“, das Thema der Seelenwanderung eins der untersuchten Element.

In „The Facts in the Case of M. Valdemar” steht der Tod und das Sterben im Mittelpunkt. Poe verbindet in dieser Erzählung die Wissenschaft mit dem Grauen. Daraus resultiert eine Gruselgeschichte, die seinerzeit viele Leser als Tatsache betrachteten. Wo das Leben aufhört und wo der Tod wohl beginnen mag, beschäftigte die Menschen schon seit längerer Zeit. Poe bietet hier eine Alternative, die unfassbar grauenvoll ist. Die Hintergründe und der Effekt der Geschichte werden untersucht, denn falls die Leser dem Bericht glaubten, müssen die Ereignisse für diese gutgläubigen Leser noch unheimlicher erscheinen. Angst und Grauen sind die hauptsächlichen Elemente, die analysiert werde.

In der letzten Erzählung, „The Cask of Amontillado“ sind der Schauplatz, das düstere Familienmotto - nämlich Rache - und die bedrückende Atmosphäre die wichtigsten Elemente der gothic tradition, die angesprochen werden. Ironie ist in dieser short story ein weiteres wichtiges Gestaltungselement, denn dieses verstärkt die grauenvolle Atmosphäre. Im Detail wird auf das Familienmotto, das Mordmotiv und die Ironie eingegange.

1.2 Die Gestaltung der Arbei.

Die sechs Erzählungen werden nicht vollständig analysiert und interpretiert. Es werden lediglich die Elemente der gothic Tradition aufgezählt und besprochen. Bei einigen Geschichten ist eine tiefgründigere Untersuchung und Darlegung von mehreren Interpretationsmöglichkeiten notwendig, um die jeweiligen gothic elements anzugeben, die nur dann vorkommen, wenn die eine oder die andere Interpretation angestrebt wird. So ist es zum Beispiel bei „Ligeia“, „The Fall of the House of Usher“ oder „The Black Cat.

Die einzelnen Elemente werden so gut wie möglich separat untersucht, oft hängen diese aber zusammen und/oder man kann das eine von dem anderen ableiten. In diesen Fällen kann es zu Überschneidungen in der Analyse kommen, bzw. ein bereits erwähntes Element wird in einem späteren Kapitel noch einma. angesprochen und tiefgründiger analysiert. Einige Male gibt es auch Querverweise zwischen den Geschichte.

Die Textpassagen, die aus der zahlreichen Sekundärliteratur zitiert werden, bzw. die übernommenen Ideen werden hinter der jeweiligen Stelle in Klammern mit Name, Erscheinungsdatum und Seitenzahlen angegeben. Sobald aus den jeweiligen Kurzgeschichten Poes zitiert wird, ist bei dem ersten Zitat immer die Bandnummer angegeben, bei weiteren Zitaten nur noch die Seitenzahle.

2. Der Schauerroman als Gegenstand der Forschun.

2.1. Der Schauerroman und seine Entstehungszei.

Als Horace Walpole 1764 seinen Roman The Castle of Otranto veröffentlichte, löste er damit eine kleine literarische Revolution aus. Dem Leser des 21. Jahrhunderts, der durch Horror- und Katastrophenfilme an ‚Special Effects’ mit technischer Präzision und Höchstleistung gewöhnt ist, erscheint der enorme Respons auf Walpoles Werk unverständlich, da in diesem die Geistererscheinungen ziemlich primitiv dargestellt wurden. Für den Leser von heute ist dieser erste englische Schauerroman eher von dokumentarischem Interesse, als dass er vor dem Übernatürlichen erzittert.

Für den Leser des 18. Jahrhunderts bedeutete dieser Roman dagegen etwas Neues, das Buch war so beliebt, dass es zwischen 1765 und 1800 zwanzigmal neu aufgelegt wurde. Über Nacht war der Grundstein für eine neue Literaturgattung gelegt, deren Ziel es war, den Leser in Angst und Schrecken zu versetzen. Neu war jedoch nicht nur die Gattung, die eine breite Leserschaft fand, sondern auch dass die schaurigen Effekte mittels des Übernatürlichen bewerkstelligt wurden, die damit in offenen Widerspruch mit der Aufklärung bzw. den realitätsorientierten Romanen der ersten Jahrhunderthälfte standen. "Die Aufklärung, der das Übernatürliche und Wunderbare als Aberglaube verdächtig war, hatte der dichterischen Phantasie Zügel angelegt" (Weber 1983:15). Der Schauerroman aber war zum Teil eine Reaktion auf die Dominanz von Rationalismu.

Der weit verbreitete Rationalismus wertete das spirituelle, religiöse Erleben von Wundern und dem Übernatürlichen herab. Die Mehrheit der Menschen im 18. Jahrhundert glaubte zwar an Gott, erlebte Ihn aber nicht mehr in der tiefen spirituellen Weise, wie im Mittelalter. Gothic hat die Bevölkerung in gewisser Weise wieder näher an das Übernatürliche gebracht. Der Schauerroman brachte sinnlose Angst und Aberglauben wieder zurück, die Aufklärung und der Rationalismus bem&hten sich dagegen, dies in den Menschen auszulöschen. Die aufgeklärte Vernunft verachtete das Mittelalter als abergläubisch und dunkel, die Phantasie andererseits belebte sich gerade am Reiz seines Dunkels und seine. Aberglaubens mit Bildern von düster-exotischer Pracht und schuf so den so genannten Gothic style (siehe auch Weber 1983:17). „In der Architektur, aber auch in der Malerei (Piranesi; Goya) hatte er sich längst schon neben dem klassizistischen Stil durchgesetzt, als Walpole ihn auf die Literatur übertrug“ (Weber 1983:17.

Das englische Wort gothic hat eine lange Geschichte, im Laufe der Zeit änderte und vervielfältigte sich auch die Bedeutung. Historisch gesehen waren the Goths eine von vielen Germanischen Stämmen, die zu dem Zerfall des Römischen Reiches im 4. Jahrhundert geführt haben. Knappe eineinhalbtausend Jahre später, im 18. Jahrhundert wurde „goth“ zu einem allgemeinen Begriff für alle germanischen Stämme geworden, die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Stämmen war nicht signifikant. Die Stämme Angeln, Sachsen und Jüten, die in England 449 nach Christus residiert haben, wurden auch Teil dieser Gruppe angesehen. So entwickelte sich für den Begriff gothic eine Bedeutung, die für alles stand, was mit mittelalterlicher Kultur zu tun hat. Diese Zeit wurde in England auch „the Dark Ages“ genannt und umfasst das Zeitintervall 7-13. Jahrhundert. Diese Zeit wurde oft als barbarisch degradiert, demzufolge wurde alles was davon übrig blieb, Architektur, Literatur etc. auch als barbarisch bezeichne.

Im Laufe des 18. Jahrhundert wurde der Begriff gothic überarbeitet und transformiert. Das Wort, welches früher Unbeliebtes und Zerfallenes bezeichnete, wurde nun zu einem Wort mit positiver Bedeutung. Die alte Zeit, mit all den positiven Eigenschaften wie Ehre und Rittertum wurde nun idealisiert, die Vergangenheit wurde neu bewertet und der Gegenwart höher gestellt. "Gothic signified the lack of reason, morality and beauty of feudal beliefs, customs and works" (Botting: 2000:3). Heute hat gothic im Englischen viele Bedeutungen. Es kann als ein historischer Begriff betrachtet werden, als ein Kunstbegriff oder ein Begriff aus der Architektur. Als literarischer Begriff hat es in den heutigen Tagen eine Menge Bedeutungen, am meisten bezieht er sich aber auf die Schauerromane die zwischen 1760 und 1820 verfasst wurden. Laut Hennessy kann man die Bedeutung des Wortes in drei Gruppen einteile.

The term ‘Gothic’ has three main connotations: barbarous, like the Gothic tribes of the Middle Ages - which is what the Renaissance meant by the word; medieval, with all the associations of castles, knights in armour, and chivalry; and the supernatural, with th. associations of the fearful and the unknown and the mysterious (Hennessy 1978: 7.

Der Ausdruck gothic änderte sich also über die Jahre, das Wort etablierte sich auch als eine Stilrichtung in der Kunst und in der Literatu.

Die Idealisierung des gothic ging im England des 18 Jahrhunderts so weit, dass sich viele reiche Adelige gotische Gebäude gekauft haben oder sich bauen ließen. Dies war eine Mode, die bis ins 19. Jahrhundert und weiter andauerte. Viele Autoren von Schauerromanen wie auch Horace Walpole und William Beckford haben kein Geld gespart und sich gothic Gebäude wie Strawberry Hill in Twickenham oder Fonthill Abbey bauen lassen. Nachgebaute Abteikirchen, Schlösser und Jagdhäuser, alle angemessen verfallen, waren weit verbreitet. Außerdem standen in England zu dieser Zeit sowieso viele Ruinen von Schlössern und Klostern, vernachlässigt und kurz vor dem Zusammenfallen (siehe auch Varma 1987:22.

Neben Architektur und Kunst entwickelte sich nun auch in der Literatur eine Richtung, die gothic novel, in der mit Erfolg versucht wurde alles was mit gothic zu tun hat in eine Literatursprache zu übersetzen und niederzuschreiben. In wie fern der Schauerroman in Wirklichkeit etwas Neues darstellt, wurde in der Einfluss- und Quellenforschung, eine der frühsten Untersuchungsrichtungen, die zum Schauerroman unternommen wurden und die unmittelbare Vorläufer dieser Romanen feststellen sollte, untersucht. Einerseits findet sich laut Lichius jedes Element, jeder Charakter, jede Örtlichkeit oder atmosphärische Besonderheit in Shakespeare oder Schiller, Prévost oder Richardson eine authentische Vorlage und so schleicht sich der Verdacht ein, dass der Schauerroman gar nichts Neues, sondern lediglich das Aufgreifen und Zusammenstellen altbekannter Details sei (siehe auch Lichius 1978: 6). Andererseits könnte man argumentieren, dass in gewisser Weise alles, was in der Literatur entsteht, auf frühere Autoren, vor allem auf Shakespeare zurückzuführen ist. Tatsache ist aber, dass Walpole 1764 den Anfang für eine Gattung schuf, die von vielen weiteren Autoren angenommen und weiterentwickelt wurde. Der Schauerroman ist daher kein statisches Gebilde, im Laufe seiner fast sechzigjährigen Existenz entwickelt er sich immer weiter, einzelne Motive, Elemente und Charaktere wurden zu neuen Strukturmustern verbindet (siehe auch Lichius 1978:3.

Das gothic gerade im Roman ihren literarischen Ausdruck fand, ist von großer Bedeutung. Die Anfänge der Schauerromane kann man nicht von den Anfängen des Romans überhaupt, trennen. Das 18. Jahrhundert war die Zeit, in der sich der Roman entwickelte und etablierte. Lyrik war die angesehenste aller literarischen Gattungen. Der Roman (novel) war etwas Neues. Laut Sage ist die gothic novel eine Spezialform der historical romance, einer Fantasie über vergangene Geschichte und fremde Kulturen1. “While `gothic´ invokes a historical enquiry, ´novel´ implicitly refers to a literary form; while ´gothic´ implies the very old, the novel claims allegiance with ´the new´” (Ellis 2000:17). So scherzte dann auch Ian Watt: "It is hardly too much to say that etymologically the term ´Gothic Novel´ is an oxymoron for ´Old New´" (Ellis 2000:17). Die Gattung ist also neu und worüber geschrieben wird ist etwas Alte.

Der Schauerroman und the romantic movement in poetry hatten gemeinsame Ursprünge, nämlich die Interesse am Mittelalter und am Übernatürlichen. Gothic und romanticism existierten parallel nebeneinander und hatten mehrere Punkte, wo sie sich trafen. Das Dunkle, Abgründige im Seelenleben, was die klassizistische Ästhetik aussparte, wird in der Romantik und in the gothic bevorzugt Gegenstand ihres Spiels mit dem Möglichen. Die Schauerromantik, die von Weber als "vorromantisch" bezeichnet wird, teilt mit der Romantik den antiaufklärerischen Impuls (siehe auch Weber 1983:16.

Bis einschließlich Ann Radcliffe nimmt der englische Schauerroman eine Zwitterstellung zwischen Aufklärung und Romantik ein. Erst Matthew Gregory Lewis vollzieht in The Monk den endgültigen Bruch mit der Aufklärung, indem er dem anarchischen menschlich.

Seelenleben ein ebenso anarchisches Bild der Wirklichkeit korreliert (Weber 1983:16.

So existieren gothic und romantische Literatur parallel aber mit gemeinsamen Punkten nebeneinander bis sie sich immer mehr auseinander bewegte.

2.2 Der Schauerroman und seine Leserschaf.

Das Entstehen der gothic novel fällt in eine Epoche mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft. Kaum ein Kritiker verzichtet darauf, diese Gattung aus den sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Umständen der Zeit zu erklären. Als faktische Grundlagen hierzu dienen die Anfänge einer industriellen und agrarischen Revolution, die den Mittelstand stärkt und der Aristokratie die Führungsrolle streitig macht; die Entstehung eines Massenpublikums durch ein verbessertes Erziehungssystem, Verbilligung der Papier- und damit der Buchpreise und die Einrichtung von Leihbibliotheken; die steigende Verbreitung von Zeitungen und Wochenblättern durch eine Verbesserung der Transportwege; und nicht zuletzt die Anerkennung des Unterhaltungswerts der Literatur (sieh auch Lichius 1978:26). Löwenthal und Hauser sehen die Funktion des Schauerromans in der Befriedigung der Sensationssucht der Massen, die nach Abwechslung verlangt (siehe Löwenthal 1972:154f.

Die bürgerliche Literatur hatte in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch einen durchaus praktisch-relaistischen Charakter; sie war von einem gesunden Realitätssinn getragen und von einer Liebe zur unmittelbaren Wirklichkeit erfüllt. Nach der Jahrhundertmitte besteht sie auf einmal aus lauter Fluchtversuchen, dem Versuch vor allem, aus der strengen Vernünftigkeit und Bewußtheit in die unverantwortliche Emotionalität, aus der Kultur und Zivilisation in den unverbindlichen Naturzustand und der eindeutigen Gegenwart in die beliebig deutbare Vergangenheit zu fliehen (Hauser 1973: 579.

Die gelangweilte Gesellschaft nutzte also den Schauerroman als stimulierende Literatur, da er weit von der zeitgenössischen Realität entfernt stand. Auf der Basis neuer Idealvorstellungen entwirft er mit Alternativwelten ein positives Programm zur Daseinsbewältigung und zur Befriedigung von nostalgischen Sehnsüchte.

Trotz wirtschaftlichen Änderungen waren die Preise für ein Buch dennoch zu hoch um von Jedermann bezahlt werden zu können. Der Schauerroman wurde aber trotzdem von einem "Massenpublikum"2 gelesen. Dies ermöglichten die so genannten circulating libraries, die die Literatur schließlich für eine breite Leserschaft zugängig machte. Die Minerva Press war die wohl meist verbreitete Bibliothek, aber gleichzeitig auch eine Druckerei, die viele gothic Werke hervorgebracht hat. Die vielseitigen Veränderungen in der Gesellschaft ermöglichten es, dass eine neue Gattung ihren Weg zu der Leserschaft fand und sich als sehr beliebte Literatur etabliert.

Laut zeitgenössischer Kritiker hatte der Schauerroman eine schlechte Wirkung auf die Leser und daher wurde er stark in den Magazinen kritisiert. Vor allem für Frauen und junge Leser sollte der Konsum von gothic novels gefährlich sein, denn diese Literatur könnte den Spannungsfaktor (was die naiven Leser vom Leben erwarten) höher schrauben. Da das ‚richtige Leben’ aber nicht annähernd so spannend ist wie die Geschichten in einem Schauerroman, kann das Verzehren solcher Literatur zu Enttäuschung und Desillusion führe.

Ein weiterer Faktor war die als Pornographie herabgewertete Darstellung von Szenen in The Monk von Lewis. In der zweiten Ausgabe musste Lewis unter Vorwurf der Pornographie den Roman von den konkreten Schilderungen sexueller Aggression reinigen, obwohl gerade das psychologische Einfühlungsvermögen des 19-jährigen Autors in die Beziehung von Sexualität und Aggression eine Besonderheit des Romans ist. Somit macht dies das Werk zu einem Knotenpunkt in der Entwicklung der englischen gothic novel, denn es war etwas Revolutionäre.

Der Schauerroman war normalerweise als eine Literatur angesehen, die auch Jüngere und Frauen lesen können, The Monk beinhaltet aber Passagen, die laut Kritiker nicht für solch ein Publikum geeignet sind. Da zum Beispiel der Leser die wahre Identität von Rosario nicht kennt, ist die sexuelle Spannung, die sich zwischen Rosario und Ambrosio entwickelt als homosexuell zu werten. Dieses Thema wurde im 18 Jahrhundert noch nicht so freizügig behandelt wie heute. Durch die Preisgabe der wahren Identität Rosarios ‚kriegt der Autor in letzter Sekunde noch die Kurve’ aber die späteren Vergewaltigungs- und Tötungsszenen untermauern die Bedenken der Kritiker, denn diese Themen wurden genauso wenig angesehen wie das Thema Homosexualität. Trotz unterschiedlich scharfer Kritik blühte die Schauerliteratur und fand eine breite Leserschaf.

2.3 Elemente der gothic traditio.

Es gibt bestimmte Elemente, die einen Schauerroman ausmachen. Diese können neu oder auch solche sein, die bereits in der Literatur verwendet wurden. Es müssen nicht alle Elemente gleichzeitig präsent sein, damit das Werk als gothic bezeichnet werden kan.

Die Schauerliteratur entwickelte sich in einer Zeit, als sich die Menschen für das Mittelalter interessiert haben, die feudale Vergangenheit faszinierend fanden und diese als eine Art Vorbild oder Idealbild betrachtet haben. Die gothic des 18. Jahrhunderts war also das Wiederbeleben von etwas Älteren. Die Faszination für alte Ruinen und Relikte durchdrang alle gothic Kunstformen von Architektur bis Literatur und war oft mit einer Nostalgie verbunden, die das Frühere im Gegensatz zu der komplizierten und nicht akzeptierbaren Gegenwart idealisierte. Shakespeare war zu dieser Zeit auch sehr beliebt, man denke nur an die Anfangszene von Hamlet, wo die Soldaten nachts auf der Burg ein Geist erwartet, oder an Romeo und Julia, die tragisch in der Familiengruft sterben. Diese Faszination für die Vergangenheit hatte seine Auswirkung auch in der Literatur, so findet man dies in der gothic novel wieder. Daher wurde die gothic novel auch als eine Spezialform der historical romance bezeichnet, einer Fantasie über vergangene Geschichte und fremde Kulturen. Somit ist das erste und wichtige Element der gothic novel, dass die Handlung meist in der Vergangenheit spielt. In den Schauerromanen existiert eine Vorliebe für das Außergewöhnliche, für das Übernatürliche und Magische. Die Aufklärung und der Rationalismus hielten diese Elemente von den Gedanken der Menschen fern. Der Schauerroman hat die Menschen in gewisser Weise wieder in Kontakt mit dem Übernatürlichen bzw. dem vermeintlich Übernatürlichen gebracht. Alte Mythen, Legenden und Folklore; magische Welten, Geschichten über Ritter, Monster oder Geister wurden neu bearbeitet. Themen wie Gewalt, Prophezeiungen, Inzucht, Vampirgeschichten, Doppelgängermotive, dunkle Familiengeheimnisse und Mottos, Leidenschaft oder Agonie sind alles Elemente, die der Schauerroman beinhalten kan.

Des Weiteren ermöglicht der Schauerroman Einblicke in das Seelenleben der Charaktere. Dies sind psychologische Einblicke, vor allem in die Sexualität, die im besten Fall über faszinierende Charakterisierung oder im schlechtesten Fall über stereotypische Charaktere den Leser dargelegt werde.

Die gothic novel operiert mit Gefühlen, die von den bereits erwähnten Elementen wie das Magische, das Außergewöhnliche, das Übernatürliche, bzw. vermeintlich Übernatürliche hervorgerufen werden: Angst, Ehrfurcht, Schrecken, Entsetzen, Gefühl des Eingeschlossenseins, der Hilflosigkeit, Terror und Horror. Gothic ist an der ‚Ausbeutung’ von Gefühlen interessiert. Dies wird durch Beschreibung der Gedanken und Gefühlen des Charakters, sowie dadurch, dass sich der Leser damit identifiziert, erreicht. Dies zieht mit sich, dass zum Beispiel nicht nur die Heldin des Romans Angst hat, sondern auch der Leser, der um die Heldin bang.

Die Handlungen dieser Romane spielen oft an außergewöhnlichen oder exotischen Schauplätzen. Diese können sehr unterschiedlich sein, am beliebtesten sind aber gotische Kloster- oder Schlossruinen mit versteckten Gängen und Kerker, unterirdische Gefängnisse in denen die Inquisition Ihre Opfer quält, kommen aber auch vor. Die ganze Handlung ist umgeben von Finsternis, Dunkelheit und die Atmosphäre ist düster und bedrückend. Die Schlösser in den Schauerromanen sind nie neu, sie haben immer mindestens einen Flügel, der zerfallen ist, der in Trümmern liegt. Die Räume und vor allem die Kerker zeugen von Gewalt, die Heldin bahnt Ihren Weg zum Beispiel durch verrottende Knochenreste. Die Architektur, die in diesen Romanen beschrieben wird, wurde stark von Giovanny Battista Piranesis Ideen und Arbeiten über ein imaginäres Gefängnis, Carceri d´ Invenzione, beeinflusst (siehe auch Cornwell 2000:28.

Eine mittelalterliche Burg war eine Festung mit einem Ziel: die Macht des Herrn zu erhalten und zu vergrößern. Mittelalterliche Burgen entstanden, als Fürsten absolute Macht auf jeden, der in oder nahe der Burgen lebte, ausüben konnten. Solch eine Macht symbolisiert die Burg, oder das Schloss in den Schauerromanen. Sobald sich die Opfer oder Gefangenen in den Verliesen einer Burg befinden, ist ihre Schwäche ebenso absolut wie die Macht des Fürsten über sie. Die Burg verstärkt die Macht des Bösewichts und die Schwäche des Opfers, indem sie es dem Opfer unmöglich macht, der Gefahr durch den Fürsten zu entkomme.

Nicht nur das von Menschen Geschaffene, wie Schlösser oder Kerker können eine düstere Atmosphäre schaffen und Ehrfurcht hervorrufen, sondern auch Mutter Natur. Hohe Berge, die einen zu erdrücken scheinen, finstere Wälder oder Mondschein, der durch den Nebel schimmert, erzeugen auch eine finstere und mysteriöse Atmosphäre. Dies wurde auch in einer Theorie behandel.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts debattierten diverse Autoren und Theoretiker über das so genannte „Erhabene“. Das Erhabene wurde mit Größe, Macht und Herrlichkeit assoziiert. Felsige Berglandschaften zum Beispiel, vor allem die Alpen, erzeugen bei dem Leser starke und mächtige Gefühle wie Terror und Staunen. In A Philosophical Enquiry into the Origin of our Ideal of the Sublime and the Beautiful (1757) beschreibt Edmund Burke, dass schöne Objekte meistens klein, weich, geschmeidig und zart sind. Sie rufen Liebe und Zärtlichkeit im Menschen hervor, im Gegensatz zu dem Erhabenen, das Erfurcht und Terror erzeugt. Erhabene Objekte sind groß, prachtvoll und dunkel. (Siehe auch Botting: 1996:39). ‘A Gothic cathedral raises ideas of grandeur in our minds, by its size, its height, its awful obscurity, its strength, its antiquity, and its durability’ (Blair 1783: 59). Nicht nur die Architektur, sondern auch die Natur kann Erhaben sein. Klein unterscheidet hierbei sogar zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, und ordnet alles was die düstere Atmosphäre schafft, in diese zwei Kategorien ein. Die Gebäude werden von wilden Gebirgen und düsteren Wäldern umgeben, Vögel kreischen, große Bäume stehen in unmittelbarer Nähe des Gebäudes, Stürme heulen, Gewitter ziehen auf und Nebel bildet sich. Irgendwo, meist in einem versteckten Winkel der Gebäude finden sich Blutspuren. Dies und Ähnliches gehört laut Klein zum Mikrokosmos, der die düstere Atmosphäre hervorruft. Zum Makrokosmos gehören die Jahreszeiten, die Gezeiten, der Wechsel von Tag und Nacht der Mond und die Farben. In den Schauerromanen werden im konkreten Tagesende, Dämmerung, Nacht, ein bleicher Mond und Nachtschwärze bevorzugt. Außer von Menschen erschaffenen Schauplätzen wie Kloster und Schlossruinen spielt also auch die Natur eine große Rolle in der gothic novel um die erwünschte Atmosphäre herzustelle.

Auf der Handlungsebene gibt es in den Schauerromanen auch Besonderheiten. Oft gibt es Handlungen innerhalb von Handlungen, manchmal mit multiplen Erzählern. Diesbezüglich wurde der Schauerroman oft kritisiert, dass es keine formelle Einheit gäbe und die Kohäsion fehl.

All diese Elemente müssen Selbstverständlich nicht alle gleichzeitig in einem Roman vorhanden sein, damit es als ein Schauerroman bezeichnet werden kann. Die Elemente sind mehr oder weniger als Richtlinien anzusehen, aus denen einige immer vorhanden sin.

2.4 Schauerromane in England und dessen Elemente bei Po.

2.4.1 The Castle of Otranto und The Mysteries of Udolph.

Das für den Leser von heute The Castle of Otranto eher von dokumentarischen Interesse ist, wurde bereits erwähnt. Für den Leser des 18. Jahrhunderts war dieser Schauerroman trotzdem eine Neuheit, in ihm befinden sich bereits fast alle von dieser Gattung bevorzugten Charaktere und Motiv.

[it] introduces many of the features that came to define a new genre of fiction, like the feudal historical and architectural setting, the deposed noble heir and the ghostly, supernatural machinations (Botting 2004: 4.

Da es sich um eine Neuheit handelte, hatte Walpole Bedenken, wie die Lese. wohl reagieren werden, so gab er seine im 12. Jahrhundert in Italien spielende Geschichte als eine Übersetzung eines Italienischen Manuskripts aus. Da sich seine Befürchtungen jedoch als unnötig erwiesen, berichtigte er sich bereits in der zweiten Auflag.

Der Roman gehorcht fast allen Vorschriften eines Dramas. Die Geschichte spielt an drei Orten: Im Schloß, im Kloster und im Wald. Die Erzählung ist linear, es gibt keine Flashbacks. Der Ton der Geschichte erinnert an die Tragödien von Shakespeare, die Aufteilung in 5 Teile genauso. Um ‚auf Nummer Sicher zu gehen’ arbeitete Walpole also mit bereits etablierten und anerkannten Vorschriften. Wie bereits erwähnt, war der Autor aber auch sehr erfinderisch, er war derjenige, der 1764 mit der Veröffentlichung eine kleine literarische Revolution auslöst.

Es befinden sich drei grundsätzliche Innovationen in seinem Werk. Erstens nutzte er ein gotisches Schloss als Schauplatz, welches dunkle Gänge und Kerker hat, in denen Ketten rasseln und in denen der Mond durch die Fenster scheint. Italien als Schauplatz wurde später von vielen nachgeahmt, Spanien war aber wegen der Schrecken der Inquisition auch sehr belieb.

Zweitens nutzte Walpole die Natur als Beitrag für die Schaffung einer bestimmten Atmosphäre: Der Mondschein trägt zu dem unheimlichen Aussehen von Alfonsos Statue bei und überhaupt begleitet der Mond in der Zukunft Geister. Diese Atmosphäre trägt dazu bei, dass die Heldin Angst hat - Angst ist auch eines der wichtigsten gothic elements. Der Wind spielt auch eine große Rolle, denn er bläst Isabellas Kerze, als sie aus dem Schloß flieht, aus. In zukünftigen Werken taucht dieses Motiv immer wieder auf, der Wind wird im Laufe der Literatur und später in Filmen noch vielen Heldinnen die Kerze auslösche.

Als dritte Neuheit zählt das Aussehen von Theodore, er ist dunkelhaarig, gut aussehend, melancholisch und mysteriös. Er bildet die Grundlage für den späteren Byronischen Held. Die anderen Charaktere des Buches sind grundlegende Charaktere der Schauerliteratur. Walpole reduziert sie auf einfache Grundzüge: der Tyrann, die Heldin, der Herausforderer, der Mönch. Von dem Letzteren wird es später heilige und dämonische Variationen gebe.

Im Ansatz ist bei Walpole also alles vorhanden was die Gattung charakterisieren wird: ein willens- und affektstarker Schurke, der die Unschuld verfolgt, ein Schloss mit labyrinthischen Gewölben, das Kloster, die Natur, die die ‚richtige’ Atmosphäre schafft, und das Übernatürliche, welches hier allerdings noch nicht dämonisiert wird, denn der Geist steht im Dienste des divine will und schadet nur dem Schurke.

Eine Dekade nach Castle of Otranto erschien Ann Radcliffes The Mysteries of Udolpho, ein Werk, in dem sie auf die Ästhetik von Edmund Burke zurückgreift, die allerdings den eigenen Schöpfungswillen anpasste. S.

hat in Ihren Romanen immer wieder das Thema des Erhabenen von neuen experimentell variiert, bis sie, auf dem ersten Höhepunkt ihres Schaffens, in The Mysteries of Udolpho (1974) einen Gleichklang der seelischen Erhabenheit ihrer Heldin mit der Erhabenheit ihrer Außenwelt komponiert, bis also der seelische Innenraum und die Außenräume gleich gestimmt erscheinen, mag es sich bei dem Außen um die heiter-erhabene Stimmung einer Naturlandschaft handeln oder aber um den Eindruck düsterer Erhabenheit, der Schloß Udolpho umgibt (Weber 1983: 39.

Ann Radcliffe unterscheidet zwischen Terror und Horror. Diese Differenzierung wurde von verschiedenen Kritikern im Laufe der Zeit weiterdefiniert, so dass man laut Weber zwei Phasen der gothic novel unterscheiden kann: die School of Terror von Horace Walpole bis Ann Radcliffe und die School of Horror ab Matthew Gregory Lewi.

In Udolpho findet man auch zahlreiche Elemente die dieses Werk zu einem Schauerroman heben: alte Manuskripte die Geheimnisse offenbaren oder die Angst der Heldin vor dem Tyrann Montoni. Emily erlebt im Schloss Udolpho viele reale und imaginäre Schrecken. Sie wird immer wieder in einen Bewusstseinszustand versetzt, bei dem eine klare Unterscheidung zwischen wirklichen und eingebildeten Wahrnehmungen nicht länger möglich ist. Bis zum Rande des Wahnsinns wird sie getrieben bei ihrem Selbsterfahrungsprozess. In den Bergen geht ihre Phantasie mit ihr durch. Sie scheint Hannibals Armee zu sehen, Elefanten und Dorfbewohner, die die Armee angreifen. In einem Turmzimmer voller Folterwerkzeugen sieht sie eine blutüberströmte Leiche, sie hält Montoni für den Mörder, daher vertraut sie sich niemanden an, sondern flieht lieber in den Wahnsinn. Im Laufe der Zeit kämpft sie aber gegen diesen Zustand an und Ihre Tränenausbrüche und Ohnmachtanfälle nehmen langsam ab. Es scheint, dass viele unheimliche Sachen passieren, Emily sieht viel Unheimliches, am Ende findet sich aber für alles eine rationale Erklärung. Dieses „explained supernatural“ findet man in vielen Werken der 1790-er Jahre, im Vergleich zu dem ‚realen’ Übernatürlichen in The Castle of Otranto ist es aber ein Rückschrit.

Die erwähnten Elemente findet man fast alle auch in den Geschichten von Edgar Allan Poe. Den italienischen und spanischen Schauplatz verwendete er in „The Cask of Amontillado“ bzw. in „The Pit and the Pendulum“. Das Schloss und die Abtei als Ort der Handlung werden zum Beispiel in „The Fall of the House of Usher“ und „Ligeia“ angewandt. Die Natur spielt bei Poe auch eine Rolle, indem zum Beispiel der Sturm in „Usher“ oder der Wind in „Ligeia“ zur Schaffung einer unheimlichen Atmosphäre beiträgt. Ähnlich wie Emily, die oft nicht zwischen den wirklichen und eingebildeten Wahrnehmungen differenzieren kann, ist der Erzähler in „The Pit and the Pendulum“ oft durcheinander, am Rande zwischen Schlaf und Wachsein, überhaupt durchzieht die ganze Geschichte eine Art Traumqualität. Das Übernatürliche findet man in „Ligeia“, „Usher“ und „The Black Cat“ um nur einige zu nenne.

2.4.2 The Monk und Frankenstei.

Am Ende von The Mysteries of Udolpho siegt die Unschuld und das Böse verfällt seiner gerechten Strafe. Moralisch schaut die Welt der Ann Radcliffe so naiv in Ordnung wie die eines Horace Walpole aus. „Mit der romantischen Wende, also ab The Monk (1976) erfährt das Peiniger-Opfer-Verhältnis eine entscheidende Veränderung: Es wird reversibel“ (Weber 1983: 91.

Ab The Monk von Matthew Gergory Lewis leiden die Schurken nicht weniger als ihre Opfer, und dies wirkt sich auf beider Rollen im Roman aus. Die Rollen werden austauschbar. Frankensteins Monster z.B. wandelt sich unter dem Leidensdruck, dem es ausgesetzt ist, vom Opfer zum Peinige.

The Monk bildet einen wesentlichen Knotenpunkt in der Entwicklung der Englischen gothic novel, und zwar in doppelter Hinsicht: zum einen wird in diesem Roman der Einfluss des deutschen Sturm und Drang auf den Schauerroman spürbar (Lewis verbrachte die Zeit zwischen Juli 1792 und Februar 1793 zu Studienzwecken in Weimar), zum anderen wird jetzt erst das aufgeklärt vernunftoptimistische Weltbild im Schauerroman abgelöst durch ein romantisches Weltbild, für das die Insekurität das essentielle Lebensgefühl ist (siehe auch Weber 1983: 61). Ambrosio, der Peiniger, der sein Opfer vergewaltigt und tötet ist selbst Opfer einer Hexe und auch des Teufels. Das Schema vom Bösewicht, der die Unschuld verfolgt, findet man hier nicht meh.

Des Weiteren kommt die Dämonisierung des Übernatürlichen hinzu. In Walpoles Caslte of Otranto wirken die Geister noch nicht als bedrohlich, sie treten dort noch in den Dienst einer vernünftig-aufgeklärten Weltordnung, die Gerechten müssen die Geister nicht fürchten. Bei Ann Radcliffe stellt sich das Übernatürliche als ein Phantasieprodukt einer übersensiblen Heldin heraus. Lewis hingegen durchbricht das aufgeklärte Weltbild und erschafft eine chaotische Wirklichkeit, indem das Individuum unkontrollierbaren und undurchschaubaren Mächten ausgesetzt ist, die eigentlich das Produkt der unterdrückten Triebe seines eigenen Unbewussten sin.

[T]he ´intense school´ of ´Monk´ Lewis introduced stalking spectres, devils, evil spirits, sorcerers and demons, magic mirrors, enchanted wands, phosphorescent glow, and other paraphernalia associated with black magic (Varma 1987: 143.

Lewis hatte das Talent, die Energie und die richtigen Instinkte um das Übernatürliche mit der Realität glaubwürdig zu verbinden, Walpole konnte dies nicht und Radcliffe wollte es nicht. Lewis durchbrach auch die Grenze zwischen Terror und Horror. „The difference between Terror and Horror is the difference between awful apprehension and sickening realization: between the smell of death and stumbling against a corpse” (Varma 1987:130). Lewis macht diesen Schritt und bildet den Anfang der bereits erwähnten School of Horror. In The Monk werden Menschen auf verschiedene Weise umgebracht und es gibt konkrete Schilderungen Ambrosios sexueller Aggression. Indem er seine Schwester vergewaltigt, begeht der dämonische Mönch (unbewusst) Inzest und seine Morde stellen sich als Mutter- und Schwestermord heraus. Der Schauerroman entwickelte sich in den Händen von Lewis also weiter, es kamen neue Elemente hinzu und das Grauen wurde auch größer, denn Lewis durchbrach die Schranken zwischen Terror und Horro.

Lewis lies sich, wie viele andere gothic Autoren, von früheren Werken inspirieren und viele Elemente wurden von anderen Geschichten ‚geborgt’. Der dämonische Mönch Ambrosio wurde zum Beispiel von Montoni abgeleitet, die Todesszenen in den vaults stammen von Elizabethanischen und Jakobinischen Dramaturgen. Die Geschichte der blutenden Nonne und die Art, wie Ambrosio stirbt, stammt von deutschen Terrorgeschichten. Dieses ‚Borgen’ nahm in der Geschichte des Schauerromans unterschiedliche Ausmaße an. Es erschienen in England viele gothic novels die sich alle sehr ähnelten. Auch nach Lewis setzte sich diese Tradition des ‚Borgens’ fort. Percy Shelleys schwächere Werke wurden zum Beispiel von Lewis inspiriert und diverse sehr gute Autoren, die über das Übernatürliche schrieben, wie Sheridan Le Fanu und auch Edgar Allan Poe, borgten sich Ideen von früheren Werke.

All dies erscheint noch plausibler, wenn man bedenkt, dass sich die verschiedenen Autoren der Schauerromane oft persönlich kannten. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Entstehungsgeschichte des berühmten Romans von Mary Shelley, die die Sekundärliteratur immer wieder erwähnt. Im Sommer von 1816 machten die Shelleys mit Freunden in einer Villa in der Nähe von Genf Urlaub. Zu den Gästen zählten auch Byron, sein Arzt Dr. John Polidory und Matthew Lewis. Byron las deutsche Geistergeschichten und schlug vor, selber welche zu schreiben. So entstand die erste englische Vampirgeschichte, Dr. Polidori´s The Vampyre und Mary Shelley fand Inspiration zu Ihrem Roman Frankenstei.

In Frankenstein (1818) verbindet Shelley Wissenschaft und Schrecken. Am Anfang des 19. Jh wurde Wissenschaftliche Aufklärung oft mit utopischem Radikalismus assoziiert. Dabei entstanden auch diverse geheime Organisationen wie die Freemansons3 und die Illuminati4. Der Roman zeigt wie gefährlich es sein kann die Geheimnisse des Lebens zu entdecken und zählt als ein Vorläufer der späteren Sciencefiction Geschichte.

Dass seit The Monk das Peiniger-Opfer-Verhältnis reversibel ist, wurde bereits erwähn.

Mary Shelley hat das Drama romantischer Bewußtseinsspaltung auf eindringliche Weise gestaltet, indem sie dem Peiniger-Opfer-Verhältnis das Doppelgängermotiv unterlegt. Frankenstein, der einen künstlichen Menschen geschaffen hat, erkennt in dem Monster, das er auf die Welt losließ, eine Externalisierung des dunklen Teils seines eigenen Selbst. Das Ahnen der Wahrheit, daß das Monster in Wirklichkeit die monströse Verdoppelung seines Selbst, ja mit ihm identisch sei (daher seine Namenlosigkeit!), sowie die Flucht vor dieser Wahrheit machen die Qual ihrer wechselseitigen Verstrickung und Verfolgung aus (Weber 1983: 97-98.

Da das Buch so aufgebaut ist, dass mehrere Personen die Geschichte erzählen (wie später auch in Dracula), ist es ein gutes Beispiel für die bei Schauerromanen so oft kritisierte Erzähltechnik mit multiplen Erzählern. Die Geschichte beinhaltet die meisten der gothic elements, aber oft in einer abgewandelten Art: „The mouldering abbey is transformed into Victor´s laboratory, with Victor as cloistered monk/student. A buried incest motif underlies Victor´s betrothal to his ´more than sister´, Elizabeth” (Crook 2000: 58). Im Roman wird auch beschrieben wie das Monster aus verschiedenen Leichenteilen geschaffen wurde und wie dieser später zu den Morden getrieben wurde. All diese Elemente zusammen genommen, kann man also mit Recht sagen, dass es sich hier um eine gruselige Horrorgeschichte handel.

Viele der Elemente, die in The Monk und in Frankenstein angewandt wurden, findet man auch in Poes Erzählungen. Das töten der Ehefrau mit einer Axt in „The Black Cat“ oder die Zerstückelung der Leiche in „The Tale Tell Heart“ ist purer Horror, wie ihn Lewis und Shelley schon verwendet haben. In „The Facts in the Case of M. Valdemar“ verbindet Poe genauso wie Shelley die Wissenschaft mit Schrecken. Das Inzest Motiv findet man bei „Ligeia“ und bei „The Fall of the House of Usher“. Das Doppelgängermotiv ist in „William Wilson“ eindeutig vorhanden und laut einigen Kritikern auch in „Usher.

Zu den „großen“ englischen Schauerromanen gehören noch Maturins Melmoth the Wanderer (1820) und William Beckfords Vathek (1786). Die Schrecken der Inquisition, die in Maturins Werk dargestellt werden, findet man auch in „The Pit and the Pendulum“. Die Juden sind bei Maturin genauso von den Skeletten der eigenen Familienmitglieder umgeben, wie Montresor in „The Cask of Amontillado“. In Melmoth the Wanderer wird ein Liebespaar zum Sterben verurteilt, als sie unterirdisch eingeschlossen werden. Dieses ‚lebendig begraben sein’ taucht bei Poe in vielen Geschichten wieder auf. In „The Cask of Amontillado“ wird Fortunato tatsächlich beim lebendigen Leib begraben und in „The Fall of the House of Usher“ wurde Lady Madeline anscheinend auch lebendig begraben. In „The Premature Burial“ wird darüber berichtet und in „The Pit and the Pendulum“ und „The Narrative of Arthur Gordon Pym“ fühlen sich die Erzähler wie lebendig begraben, da sie keinen Ausweg aus Ihrer Lage finde.

Poe blickte also auf eine lange Tradition der gothic novel zurück als er seine eigenen Kurzgeschichten zu schreiben anfing. Er schöpft aus dieser Tradition, führt sie aber weiter, indem er den psychologischen Aspekt in den Mittelpunkt stellt. Sein Publikum kannte diese Art von Literatur und war gierig immer etwas Neues zu lesen. Auch heute findet man noch diverse Autoren, die Elemente der gothic tradition in ihren eigenen Werken verwenden, nicht zu schweigen von den vielen Horrorfilmen die die Säle der Kinos füllen. Auch die Gruselgeschichten von Edgar Allan Poe begeistern auch heute noch viele Leser auf der ganzen Wel.

3. Poe und seine Werk.

Edgar Allan Poes Erzählungen weisen eine vielschichtige Struktur auf, die verschiedene Interpretationsebenen zulassen. Es bleibt dem Leser überlassen, auf welche dieser Ebenen er sich begibt. In den meisten seiner Geschichten tauchen mehrere gothic elements auf. Diese Elemente wirken auch aufeinander, oder können sich gegenseitig verstärken. Ein unheimlicher Schauplatz kann zum Beispiel Angst hervorrufen. Die Angst wiederum kann den Schauplatz noch unheimlicher erscheinen lasse.

Angst, eins der wichtigsten Elemente der gothic novel, spielt in Poes Geschichten eine zentrale Rolle. Die meisten der Charaktere in seinen Horrorgeschichten sind Sklaven dieses Gefühls. Durch Edmund Burkes Werk beeinflusst, wusste Poe, dass kein anderes Gefühl größeren Einfluss auf das Denken und Handeln von Menschen hat, wie die Angs.

Einige Kritiker argumentieren zwar nicht zu Gunsten von Poe, sie meinen, dass die Geschichten nichts mehr mit dem täglichen Leben zu tun haben, dass man solche Charaktere wie in Poes Erzählungen im wirklichen Leben nicht trifft (siehe auch Kendrick 1991: 174-175), daher wirken die Geschichten nicht realistisch und sie kommen einem vor wie ein Scherz. Andererseits meinen viele Kritiker, dass Poe seinen Leser mit Erfolg das Fürchten und Schrecken lehrte, indem er das unmöglich Erscheinende so darstellt, dass es realistisch wirkt (siehe auch Voss, 1973: 53). Die Horrorgeschichten sind realistisch, weil sie die Angst, das Schlüsselelement die Erzählungen, wahr erscheinen lasse.

Oft bezeichnen Leser die Geschichten als morbide. Wegen dem Verharren bei solchen Themen wie bizarrer Tod und Folter, stellen sich einige Leser die Frage, ob Poe, vorsichtig formuliert, auch wirklich geistig gesund gewesen sei. In den Kritiken liest man auch immer wieder, dass Poe oft unter Opium und Alkoholrausch stan.

Perhaps every Poe scholar has encountered professors and students who feel that only a drug-crazed madman could have produced the Gothic horrors usually evident in Poe´s sketches (Burduck 1992: xiii.

Außerdem hat Poe einige Geschichten geschrieben, in denen der Erzähler zugibt unter Opium- oder Alkoholrauch gestanden zu haben als er seine fürchterliche Tat begangen hat. Die Annahme, dass Poe aus dem Grund solche makaberen Horrorgeschichten geschrieben hat, weil er Alkohol und Opium konsumiert hat, wird sicher auch in Zukunft noch unter Poe-Lesern diskutiert werden. 1992 veröffentlichte Michael L. Burduck sein Buch Grim Phantasms: Fear in Poe´s Short Fiction, in dem er die Frage, warum Poe solch makabren Geschichten geschrieben hat, nicht mit dem Alkohol- und Opiumrausch beantwortet, sondern eine ganz andere Theorie aufstellt. Burduck berichtet, dass er - nachdem er Stephen Kings Buch Danse Macabre gelesen hat - versteht warum Poe solch außergewöhnliche Themen behandelt ha.

Danse Macabre discusses horror fiction and film and analyzes the intentions of writers and directors working in the horror genre. According to King, these artists rely a great deal on deeply rooted psychological and societal fears which he calls ”phobic pressure points”. Writers and film makers, then, consciously exploit the fears present in a particular society at a given point in history (Burduck 1992: xiv.

Poe hat also, wie King, den Wert der Sitten und der Ängste der zu seiner Zeit lebenden Menschen erkannt, und arbeitete mit den „phobic pressure points“ der im neunzehnten Jahrhundert lebenden Menschen, nutzte diese aus, um seine Leser anzusprechen und zu fesseln. Leider konnte aber Poe nicht Kings Buch gelesen haben, denn es erschien ungefähr hundertfünfzig Jahre nach seinem Tod. Es ist aber durchaus möglich, dass Poe seine Geschichten auch nach diesem Schema geschrieben ha.

Um dies zu beweisen argumentiert Burduck, dass Poe sicherlich die Werke von Dr. Benjamin Rush kannte (siehe auch Burduck 1992: xv). Rush war ein im 19. Jahrhundert bekannter Wissenschaftler, der sich mit der Natur der Angst befasst.

A well-known man of science whose works dealt with many aspects of the medical profession, Rush published Medical Inquiries and Observations upon the Diseases of the Mind in 1812. One section of this book deals with the nature of fear and also lists specific fears that Rush observed in many of his patients. Such a work would provide Poe with the theories and observations of one of the century´s most prominent physicians (Burduck 1992: xv.

Burduck argumentiert weiter, dass Poe höchstwahrscheinlich die Arbeit von Rush kannte und sie so für seine eigenen Zwecke benutzen konnte. Außerdem ist es sicherlich kein Zufall, dass viele von Poes Charaktere dieselben Symptome haben, die Rush in seinem Buch beschreibt (siehe auch Burduck 1992: 33). So wusste Poe genau, wovor seine Leser Angst hatten und nutzte dies, wie auch die Autoren in England während der Entstehungszeit der gothic novel, als ein Element, um seine Schauergeschichten zu vervollständige.

Mit diesen Erkenntnissen scheint es, dass Opium oder Alkoholrausch nicht, oder nicht alleine für die morbiden Geschichten von Poe verantwortlich sin.

[...]

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Elemente der "gothic tradition" in den Kurzprosawerken Edgar Allan Poes
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Anglistik und Amerikanistik)
Note
1,6
Autor
Jahr
2005
Seiten
102
Katalognummer
V41535
ISBN (eBook)
9783638397773
ISBN (Buch)
9783638706599
Dateigröße
943 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Elemente, Kurzprosawerken, Edgar, Allan, Poes
Arbeit zitieren
Renate Bagossy (Autor:in), 2005, Elemente der "gothic tradition" in den Kurzprosawerken Edgar Allan Poes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41535

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