Die Frage, was mit uns nach dem Tod geschieht, ist so alt wie die Menschheit selbst. Dabei ist der Versuch, darauf eine wissenschaftlich fundierte Antwort zu finden, bislang erfolglos geblieben: Tote lassen sich nicht mehr befragen – auch wenn parapsychologische und spirituelle Untersuchungsansätze oder sogenannte „Geisterbeschwörer“ das Gegenteil behaupten. Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre brach in Deutschland ein regelrechter Esoterik-Boom aus, der diesem Thema zahlreiche Bücher widmete. Die Arbeit „Über den Tod und das Leben nach dem Tod“ 1 von der Schweizer Ärztin Elisabeth Kübler-Ross bereicherte die Sterbeforschung durch identische Aussagen von Sterbenden und ehemals klinisch tot erklärten Patienten. Thorwald Dethlefsen nimmt dagegen in seinem Buch „Das Leben nach dem Leben“ 2 das Medium der Hypnose zu Hilfe und hinterfragt in seinen „Gesprächen mit Wiedergeborenen“ den Tod als Ende der persönlichen Existenz.
So widersprüchlich, wie sich die einzelnen Reaktionen in Bezug zur wissenschaftlichen Forschungsliteratur darstellen, gestaltet sich der seit jeher geführte Kampf der Religionen um die unterschiedlichen Positionen in Bezug auf die Vorstellungen von Leben und Tod. Trotz der interessanten Thematik würde eine vergleichende Darstellung der verschiedenen religiösen Sichtweisen auf den menschlichen Tod jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb möchte ich mich im Folgenden ausschließlich mit dem hinduistischen Glauben und seiner Lebens- und Todesphilosophie auseinandersetzen. Viele Aspekte des hinduistische Glaubens, wie z.B. des Yoga oder Tantra, erfuhren im Zuge des neuen esoterischen und spirituellen Bewusstseins großes Interesse. Der Hinduismus mit seinem untrennbaren zyklischen Konzept von Leben, Tod und Wiedergeburt bietet mir in diesem Zusammenhang eine beeindruckende Bandbreite von religiösen Schriftstücken, spirituellen Weisheiten und rituellen Handlungen, die es im weiteren Verlauf genauer zu untersuchen gilt. Dabei muss erwähnt werden, dass eine vollständige Darstellungen der im Hinduismus vorhandenen Totenrituale an dieser Stelle nicht möglich ist. Vielmehr soll es darum gehen, mit Hilfe zentraler hinduistischer Rituale Einblick in die indische Kultur und Religion zu bekommen, um am Ende dieser Arbeit die hinduistische Auffassung von Leben und Tod aus dem christlichen Kontext heraus zu reflektieren und – gegebenenfalls – kritisch zu hinterfragen.
1 Kübler-Ross, Elisabeth: Über den Tod und das Leben danach. Die Silberschnur GmbH: Melsbach 1988.
2 Dethlefsen, Thorwald: Das Leben nach dem Leben. Bertelsmann: München 1974/1978.
Inhaltsverzeichnis
- Zur Einführung
- Was zeichnet den hinduistischen Glauben aus?
- Zeitgeschichtliche Hintergründe
- Problematisierung des Begriffs Hinduismus
- Der Hindu und seine Einstellung zu Leben und Tod
- Die symbiotische Beziehung von Leben und Tod
- Die 4 Lebensstufen und die Menschwerdung
- Zeugung und Geburt
- Kindheit und Studienzeit
- Heirat und Familiengründung
- Der gesellschaftliche Rückzug und die Entsagung
- Karma, Wiedergeburt und die Erlösung moksa
- Der Dienst an den Toten
- Die Bedeutung der Totenrituale im Hinduismus
- Das brahmanische Toten- und Sterberitual
- Ahnenverehrung und hinduistische Ahnenrituale
- Besondere Todesarten
- Der „lebende“ Tote: Samnyasin
- Formen der Askese, Witwenverbrennung und Selbstmord
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Verhältnis von Leben und Tod im hinduistischen Glauben. Dabei stehen die zentralen rituellen Praktiken und Initiationsriten im Fokus, um die hinduistische Sicht auf den Tod im Vergleich zum christlichen Kontext zu analysieren und kritisch zu hinterfragen.
- Die Entwicklung und historische Einordnung des Hinduismus
- Die Rolle von Leben und Tod im hinduistischen Weltbild
- Die Bedeutung von Ritualen und Initiationsriten für den Umgang mit dem Tod
- Die Verbindung von Karma, Wiedergeburt und der Erlösung moksa
- Die Analyse der hinduistischen Todesvorstellung im Vergleich zum Christentum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung, die die Frage nach dem Leben nach dem Tod aufwirft und die historische Bedeutung des Hinduismus beleuchtet. Im zweiten Kapitel werden die Merkmale des Hinduismus, wie die fehlende Gründung durch einen Propheten und die Ursprünge in den Veden, erläutert. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit der Vorstellung von Leben und Tod im hinduistischen Glauben, wobei die symbiotische Beziehung zwischen Leben und Tod, die vier Lebensstufen und die Konzepte von Karma und Wiedergeburt thematisiert werden. Das vierte Kapitel behandelt die Bedeutung des Dienstes an den Toten, die hinduistischen Totenrituale und die Ahnenverehrung. Im fünften Kapitel werden besondere Todesarten wie die Rolle des Samnyasin und die Formen der Askese untersucht.
Schlüsselwörter
Hinduismus, Leben, Tod, Wiedergeburt, Karma, moksa, Rituale, Initiationsriten, Ahnenverehrung, Samnyasin, Askese, Witwenverbrennung, Christentum
- Arbeit zitieren
- Amely Braunger (Autor:in), 2005, Der Tod ist erst der Anfang - Zum Verhältnis von Leben und Tod im hinduistischen Glauben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41537