Schuld und Verdrängung. Japan und Korea im Trostfrauen-Konflikt


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

14 Seiten, Note: 1,3

Nini Lovevalley (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Notwendigkeit einer Entschuldigung
1.1 Verlauf der Trostfrauen-Tragödie
1.2 Japans Umgang mit seiner Vergangenheit
1.2.1 Japanischer Stolz
1.2.2 Der Geschichtsbücher-Streit
1.2.3 Vergangenheitsbewältigung anderer Länder

1. Notwendigkeit einer Entschuldigung

Noch heute herrscht Unklarheit über die Schuld Japans an Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkrieges. Hierzu gehört auch der Trostfrauen-Konflikt, der bis zum heutigen Tage nicht gelöst werden konnte und Menschen auf der ganzen Welt beschäftigt. Wichtige Fragen hierbei lauten: muss sich der japanische Staat überhaupt für die Kriegsverbrechen von vor mehr als 65 Jahren entschuldigen? Hat eine adäquate Entschuldigung womöglich schon stattgefunden? Und wie viel Zeit bleibt überhaupt noch für eine Wiedergutmachung, wenn die Fronten verhärtet sind und Zeitzeugen immer älter werden?

1.1 Verlauf der Trostfrauen-Tragödie

Die japanischen Streitkräfte verübten zahlreiche Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkrieges. Zivilisten sowie Kriegsgefangene wurden ermordet und mussten Zwangsarbeit leisten, Städte wurden geplündert und Menschenversuche durchgeführt. Nicht umsonst werden die Kriegsverbrechen Japans heute oftmals als der „Asiatische Holocaust“ bezeichnet.[1]

Die Errichtung der „Comfort Stations“ an Stützpunkten der japanischen Armee und der Einsatz von Trostfrauen zur Befriedigung der Soldaten gehört ebenso zu diesen Kriegsverbrechen. Dieser Extremfall von sexueller Gewalt äußerte sich in Form von kollektiver und systematischer Vergewaltigung der Frauen, die – organisiert von der japanischen Armee - aus Nachbarländern gegen ihren Willen in die Trosthäuser gebracht und dort vergewaltigt wurden. Der Begriff „Trostfrauen“ lässt die schockierende Realität die dahinter steht, unausgesprochen.

Schätzungsweise 200.000 Frauen aus Korea, China, Taiwan, Indonesien, Malaysia und den Philippinen wurden vom japanischen Militär zwangsprostituiert.

Etwa 80 Prozent hiervon waren koreanischer Herkunft. Es wird vermutet, dass weniger als 30 Prozent dieser Frauen ihren Einsatz als Trostfrauen überlebten.[2]

Viele dieser Trostfrauen mussten ihre Nationalität untergraben, bekamen japanische Namen und der Gebrauch ihrer Muttersprache wurde ihnen verboten.[3]

Weiterhin ist bewiesen, dass viele koreanische und taiwanesische Trostfrauen nicht einmal 21 Jahre alt gewesen waren, als sie zu den Trosthäusern transportiert wurden.[4]

Als 1991 die ehemalige Trostfrau Kim Hak Sun erstmalig beim Landgericht Tôkyô Klage einreichte und gemeinsam mit anderen Opfern eine Entschuldigung der japanischen Regierung forderte, begannen auch ehemalige Zwangsprostituierte aus anderen Ländern, Entschuldigung und Entschädigung zu fordern.[5]

Die japanische Regierung reagierte 1993 mit der Anerkennung von Zwangsanwendung in der Rekrutierung und Beschäftigung von Trostfrauen. 1995 folgte ein „Entschuldigungsbrief“ des damaligen japanischen Premierministers Murayama Tomiichi.[6]

Jedoch lehnte die japanische Regierung eine Anerkennung der staatlichen Verantwortung für die Menschenrechtsverletzung sowie individuelle Entschädigungszahlungen ab. Man beabsichtigte, mit privaten Spendengeldern aus dem „Asiatischen Friedensnationalfond für Frauen“ sowie medizinischer und sozialer Unterstützung das Thema abzuschließen und sich so der Verantwortung zu entziehen.[7]

Viele der damaligen Opfer reagierten auf diese Einstellung mit Annahmeverweigerung.[8]

1.2 Japans Umgang mit seiner Vergangenheit

Dass die japanische Regierung für verschiedenste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen verantwortlich ist, bleibt unbestritten. Woran liegt es also, dass Japan allem Anschein nach nicht mit den Geschehnissen der Vergangenheit konfrontiert und in Verbindung gebracht werden will? Folgend möchte ich versuchen, diese Fragen zu klären.

1.2.1 Japanischer Stolz

Zuerst ist zu analysieren, was den japanischen Stolz an sich ausmacht.

Es ist bekannt, dass Japan und Korea sich schon des Öfteren und auch heute noch in territorialen und sozialen Konflikten befinden.

Der wohl fundamentalste Einschnitt in der japanisch-koreanischen Beziehung muss die japanische Herrschaft in Korea gewesen sein. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Korea als Kolonie namens „Chôsen“ durch das japanische Kaiserreich annektiert. Damals wurde die koreanische Bevölkerung unterdrückt und als Menschen zweiter Klasse gezwungen, ihre Muttersprache abzulegen und japanische Namen anzunehmen. Die japanische Kolonialherrschaft endete erst 1945 mit der Kapitulation Japans.[9] Möglich, dass die Beziehung zwischen Korea und Japan immer noch unter diesem dunklen Geschichtsabschnitt leidet.

Japan unterdrückte also den koreanischen Staat. Man fühlte sich mächtig und überlegen. Fällt es Japan daher heute so schwer, die eigene Niederlage im Zweiten Weltkrieg und die Schuld an seinen Kriegsverbrechen zu akzeptieren?

Vielleicht sorgt das tief in der japanischen Geschichte verwurzelte Pflichtgefühl dafür, dass die Japaner ungern ihre Schuld zugeben wollen. Es herrscht eine Art Pflicht (japanisch „giri“) gegenüber der Gruppe, der Familie, dem Staat. Für den japanischen Staat und alle seine Mitglieder wäre es wohl ein Gesichtsverlust, sollte man seinen Stolz überwinden und die eigene Schuld eingestehen. Es hätte wohl den Beigeschmack eines Verrats an der eigenen Nation.

Das japanische Nationalwesen („kokutai“)[10]und somit die eigene Überlegenheit in Frage zu stellen scheint für einen Großteil der japanischen Bevölkerung auch heute nicht denkbar.

1.2.2 Der Geschichtsbücher-Streit

Dass die japanische Regierung nicht gerne Schuld und Fehler zugibt, wurde bereits verdeutlicht. Inwiefern sich dieser Zustand auf die japanische Gesellschaft und Erziehung auswirken kann, möchte ich im Folgenden aufzeigen.

Auch heute wird noch von vielen Japanern die Auffassung vertreten, es habe keine Zwangsprostitution oder Verschleppung der Trostfrauen stattgefunden. Diese Annahme wurde anfangs zuerst von rechten Politikern vertreten, die weiterhin angaben, Trostfrauen hätten sich freiwillig verkauft und seien demnach gewöhnliche Prostituierte gewesen.

1997 genehmigte das japanische Kultusministerium Sozialkundebücher der Mittelstufe, die kurze Verweise zu den Trostfrauen während des Zweiten Weltkrieges enthielten.

Vertreter der „Gesellschaft zum Studium einer liberalistischen Geschichtsauffassung“ kritisierten diese kurzen Verweise da sie eine „Zwangsverschickung“ darstellen würden, die nicht stattgefunden habe. Der japanische Staat sei weder politisch noch juristisch für diese Zwangsmitnahme verantwortlich zu machen und daher seien die Texte zum Thema irreführend.[11]

Zurückgehend auf die Auffassung japanischen Stolzes, die ich zuvor thematisiert habe, begannen Neo-Nationalisten zu behaupten, die Textpassagen würden sich auf die Vorfahren der Leser beziehen, demnach den eigenen und nationalen Stolz untergraben und seien daher aus den Textbüchern zu streichen.[12]

Weiterhin schlugen sie einen Verweis auf den sexuellen Aspekt dieser Passagen. Die Aussage, dass „tausende asiatische Frauen gezwungen wurden, japanischen Soldaten während des Krieges sexuell hörig zu sein“, sei außerdem nicht angebracht für Schüler der Mittelstufe. Man beteuerte, die Kinder von solch explizitem Inhalt schützen zu wollen. [13]

Im Jahre 2006 hatte die Kritik der Neo-Nationalisten Früchte getragen und die neuen Entwürfe für Textbücher enthielten keine Passagen mehr zum Thema. [14]

1.2.3 Vergangenheitsbewältigung anderer Länder

Dass Japan nicht als einziger Kriegsverbrecher während des Zweiten Weltkrieges zu bezeichnen ist, sollte klar sein. Die Einstellung zu seiner Vergangenheit, die – wie zuvor beschrieben – im Nationalstolz verwurzelt scheint, unterscheidet sich allerdings von der anderer Länder, die Schuld eingestanden, ihren Stolz überwunden und Entschädigungen geleistet haben. Inwiefern sich diese Länder von Japan unterscheiden, möchte ich folgend erklären.

Ich habe bereits erwähnt, dass die Kriegsverbrechen Japans als „Asiatischer Holocaust“ bezeichnet werden. Ich möchte analysieren, wie mit Vergangenheit im „Ursprungsland des Holocaust“ Deutschland umgegangen wird.

Zuerst ist natürlich nicht zu bestreiten, dass beide Nationen, Japan wie auch Deutschland, nach Kriegsende als Hauptkriegsverbrecher von den Siegermächten angeklagt und bestraft wurden. Die Vergangenheitsbewältigung beider Länder ist aber eine grundlegend verschiedene.

Die Bestrafung nationalsozialistischer Verbrechen in Deutschland gab dem Land einen Anstoß, die eigene Geschichte neu aufzuarbeiten, zu akzeptieren und Maßnahmen zu treffen, die eine Wiederholung der Geschichte verhindern. Die Menschen bitten heute noch um Vergebung für die Taten ihrer Vorfahren.[15]

Die deutsche Wiedergutmachungspolitik zielte auf staatliche Maßnahmen zur materiellen Entschädigung der Verfolgten des Nationalsozialismus ab. Zahlreiche Mahnmale, Museen und Gedenkstätten in der ganzen Welt erinnern heute an die Katastrophe des Holocaustund gestehen die deutsche Schuld ein.[16] Verschiedene Initiativen und Organisationen leisten Beiträge zur Erinnerung und Aufarbeitung der Geschichte.[17] Der 27. Januar ist der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Willy Brandt leistete mit einem Kniefall in Warschau eine Bitte um Vergebung der deutschen Kriegsverbrechen, die niemals vergessen wurde.

Japan als Inselnation steht zwar isoliert vom Festland, aber gerade durch diese Abschottung hätte eine Versöhnungspolitik noch stärker vorangetrieben werden müssen. Jedoch kam und kommt es weiterhin zu Provokationen seitens des japanischen Staates und so wird die schon vorhandene Isolation noch verstärkt. Ein außerplanmäßiger Besuch des Premierministers Shinzo Abe am Yasukuni-Schrein, an dem Kriegsverbrechen gedacht wird, sorgte vermehrt bei Chinesen für Aufregung und Abes vertraute Politiker fielen durch Äußerungen zur Normalität der Zwangsprostitution zu Kriegszeiten negativ auf.[18]

Weiterhin ist der Umgang mit der deutschen Geschichte auch während der allgemeinen Schulpflicht in Deutschland durchgehend Gegenstand des Unterrichts in verschiedenen Schulfächern und verschiedenste literarische Werke greifen die Holocaust-Katastrophe auf.

Wie schon thematisiert, finden die Kriegsverbrechen Japans in japanischen Schulbüchern keine Erwähnung und ein Großteil der Bevölkerung ist selbst heute immer noch von der Rolle Japans als neutraler Beobachter des Zweiten Weltkrieges überzeugt.

Der negative Beigeschmack einer solchen Einstellung ist unbestreitbar: Japan befindet sich weder in einer Staatengemeinschaft noch in Freundschaftsbeziehungen zum Westen, Deutschland hingegen hat sich durch seine Entschuldigungspolitik wieder eingegliedert.[19]

[...]


[1] Vgl. Blumenthal, „The World: Revisiting World War II Atrocities”, New York Times, 7. März 1999, Zugriff am 22. August 2014, http://www.nytimes.com/1999/03/07/weekinreview/world-revisiting- world-war-ii-atrocities-comparing-unspeakable-unthinkable.html.

[2] Vgl. Kazuko Watanabe, „Trafficking in Women’s Bodies, Then and Now”, Women’s Studies Quarterly 27 (1999): 20, Zugriff am 22. August 2014, http://www.jstor.org/stable/40003395.

[3] Vgl. Kazuko Watanabe, „Trafficking in Women’s Bodies, Then and Now: The Issue of Military ‘Comfort Women’”, Women’s Studies Quarterly 27 (1999): 23, Zugriff am 22. August 2014, http://www.jstor.org/stable/40002295.

[4] Vgl. Yoshimi Yoshiaki, „Das Problem der ‚Trostfrauen’ “, in Vergangenheit im Gesellschaftskonflikt: ein Historikerstreit in Japan, Steffi Richter und Wolfgang Höpken. (Köln Weimar: Böhlau Verlag, 2003), 114, Zugriff am 22. August 2014, http://www. books.google.de/books?isbn=3412144029.

[5] Vgl. Yoshiaki, „Das Problem der ‚Trostfrauen’“, 97.

[6] Vgl. Yeong-ae Yamashita, „Nationalism and Gender in the Comfort Women Issue“, Kyoto Bulletin of Islamic Area Studies 3-1 (2009): 210, Zugriff am 22. August 2014,

http://www.asafas.kyoto-u.ac.jp/kias/1st_period/contents/pdf/kb3_1/14yamashita.pdf.

[7] Vgl. C. Sarah Soh, „Japan’s National / Asian Women’s Fund for ‚Comfort Women’”, Pacific Affairs 76 (2003): 210, Zugriff am 22. August 2014, http://www.jstor.org/stable/40024391.

[8] Vgl. Watanabe, „Trafficking in Women’s Bodies, Then and Now”, 21.

[9] Vgl. Harald Wiederschein, „Korea-Konflikt – die tiefe Wurzel des Hasses: Die Schrecken der japanischen Besatzung“, Focus Online, 7. April 2013, Zugriff am 22. August 2014, http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/tid-30433/historische-motive-hinter-dem-korea- konflikt-hass-auf-den-bruderstaat-und-angst-vor-der-welt-der-schrecken-der-japanischen- besatzung_aid_953905.html.

[10] Vgl. Yonson Ahn, „Japan’s ‚Comfort Women’ and Historical Memory: The Neo-nationalist Counter- attack”, in The Power of Memory in Modern Japan, Sven Saaler und Wolfgang Schwentker

(Global Oriental Special E-Book Collection, 2008) 32, Zugriff am 22. August 2014,

doi: 10.1163/ej.9781905246380.i-382.22.

[11] Vgl. Yoshiaki, „Das Problem der ‚Trostfrauen’“, 97f.

[12] Vgl. Ahn, „Japan’s ‚Comfort Women’ and Historical Memory”, 39.

[13] Vgl. Ahn, „Japan’s ‚Comfort Women’ and Historical Memory”, 39f.

[14] Vgl. Jordan Sand, „Historians and Public Memory in Japan: The ‚Comfort Women’ Controversy”, History and Memory 11 (1999), 121, Zugriff am 22. August 2014, http://jstor.org/stable/10.2979/HIS.1999.11.2.116.

[15] Vgl. Geneviève Hesse, „Das schwere Erbe der NS-Zeit“, Welt – Tagesspiegel, 13. Januar 2012,

Zugriff am 22. August 2014, http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/vergangenheitsbewaeltigung- das-schwere-erbe-der-ns-zeit/6027916.html.

[16] Vgl. Margaret McCarthy, „Putting stones in Place: Anne Duden and German Acts of Memory“,

The German Quarterly 77 (2004): 211-213 und 225, Zugriff am 22. August 2014, http://www.jstor.org/stable/3252123.

[17] Vgl. Geneviève Hesse, „Das schwere Erbe der NS-Zeit“.

[18] Vgl. Jochen Bittner, „Japans mangelnde Aufarbeitung rächt sich jetzt“, ZEIT Online, 5. Juni 2014, Zugriff am 22. August 2014,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-06/japan-nationalismus-versoehnung-asien.

[19] Vgl. Jochen Bittner, „Japans mangelnde Aufarbeitung rächt sich jetzt“, ZEIT Online, 5. Juni 2014, Zugriff am 22. August 2014,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-06/japan-nationalismus-versoehnung-asien.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Schuld und Verdrängung. Japan und Korea im Trostfrauen-Konflikt
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Koreanistik)
Veranstaltung
Nationalism and Conflicts – Korea and neighboring countries
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
14
Katalognummer
V415887
ISBN (eBook)
9783668660069
ISBN (Buch)
9783668660076
Dateigröße
578 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Trostfrauen, Comfort Women, Korea, Japan
Arbeit zitieren
Nini Lovevalley (Autor:in), 2014, Schuld und Verdrängung. Japan und Korea im Trostfrauen-Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/415887

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