Der US-Richter Michael A. Musmanno verurteilte 1948 in Nürnberg den Kommandeur der Einsatzgruppe A, Heinz Jost (1904-1964) als "Auftraggeber und Mitschuldigen des Ausrottungsprogramms in seinem Bereich" zu lebenslanger Haft. Als Zeuge in späteren Prozessen relativierte Musmanno sein Urteil bis hin zu der unfassbaren Einlassung, Jost habe durch Befehlsverweigerung zehntausende Menschen vor dem Tode bewahrt.
Jost, von Zeitgenossen als energielos beschriebener SD-Auslandschef im Reichssicherheitshauptamt, war 1941 entmachtet worden. Heydrich befahl ihm im März 1942 die Einsatzgruppe A zu übernehmen, die seit Beginn des Russlandfeldzuges schon über 200.000 Juden ermordet hatte. Eine besondere Rolle in der Genese des Genozids wurde Jost aus diesem Kommando nie zugewiesen – trotz seiner Verurteilung im Einsatzgruppenprozess. Sein halbes Jahr in Riga wird mit dem vergleichsweise ruhigen Sommer 1942 im Baltikum verbunden, nicht aber mit dem Höhepunkt des Holocaust zur gleichen Zeit im benachbarten Weißrussland. Mit kalter Berechnung ist es Jost gelungen, die Nachwelt über sein wahres Verantwortungsgebiet zu täuschen.
Hilfe erfuhr er ausgerechnet durch die Staatsanwaltschaften im Eichmann- und Auschwitz-Prozess, die für ihre Beweisführungen SS-Befehlsverweigerer suchten. Zeuge Musmanno, nun Publizist in eigener Sache, präsentierte Jost. Diese Studie korrigiert und präzisiert das Bild eines SS-Täters, dessen Einsätze sich bereits 1933 ausdrücklich gegen Juden gerichtet hatten. Sie macht Josts konkreten Tatbeitrag im Osten erstmals deutlich.
Inhaltsverzeichnis
- Abstrakt
- Einleitung
- Der Einsatzgruppenprozess 1947-1948. Beweislage, Tatfeststellungen, und zur Frage des Genozids
- NS-Karriere bis 1941, Vernichtung und „Bandenkampf“, Entbindung aus dienstlichen Gründen
- Ein Richter als Zeitzeuge. Jerusalem 1961 und Frankfurt 1965
- Schlussfolgerungen
- Zum Autor
- Literatur- und Quellenverzeichnis
- Endnoten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Studie untersucht das Bild des SS-Täters Heinz Jost, insbesondere seine Rolle im Holocaust in Weißrussland 1942. Ziel ist die Korrektur eines bisherigen, verharmlosenden Bildes Josts. Die Arbeit analysiert die Beweislage im Einsatzgruppenprozess, Josts Karriere vor und während seiner Zeit als Kommandeur der Einsatzgruppe A, und die nachträgliche Relativierung seiner Verantwortung durch Zeugenaussagen, insbesondere die von Richter Michael Musmanno.
- Josts Rolle als Kommandeur der Einsatzgruppe A im Jahr 1942
- Analyse der Beweislage im Einsatzgruppenprozess gegen Jost
- Bewertung der nachträglichen Darstellung Josts als Befehlsverweigerer
- Josts NS-Karriere vor 1941 und seine Taten im Osten
- Die Rolle von Richter Musmanno und seine Aussagen in späteren Prozessen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die kontroverse Darstellung Heinz Josts dar, der in einem Prozess als Kriegsverbrecher verurteilt, später aber als Befehlsverweigerer dargestellt wurde. Sie führt verschiedene historische Interpretationen von Josts Rolle ein und kündigt die Absicht an, diese Darstellung zu korrigieren und Josts konkreten Tatbeitrag im Osten aufzuzeigen. Die Einleitung hebt die widersprüchlichen Aussagen von Richter Musmanno hervor und benennt die Forschungslücke, die diese Studie zu schließen versucht.
Der Einsatzgruppenprozess 1947-1948. Beweislage, Tatfeststellungen, und zur Frage des Genozids: Dieses Kapitel beschreibt den Einsatzgruppenprozess und die Beweislage gegen Heinz Jost und andere Kommandeure der Einsatzgruppen. Es analysiert die Anklagepunkte, die Rolle des Begriffs „Genozid“, und die Dimension der von den Einsatzgruppen verübten Morde. Der Fokus liegt auf den Massenerschießungen von Juden in Litauen, der Ukraine und Lettland und den Meldungen der Einsatzgruppe A über mehr als 200.000 Morde bis Ende 1941. Das Kapitel beschreibt den Kontext der „Endlösung“ und die Funktionsweise der Einsatzgruppen als „Feldlabore“ des Völkermordes.
NS-Karriere bis 1941, Vernichtung und „Bandenkampf“, Entbindung aus dienstlichen Gründen: Dieser Abschnitt befasst sich mit Josts Karriere in der SS vor 1941, seine Aufgaben im SD-Auslandsnachrichtendienst und seinen Aktionen im Kontext der Vernichtungspolitik und des „Bandenkampfs“. Es werden Josts Aktivitäten vor seiner Zeit als Kommandeur der Einsatzgruppe A beleuchtet, um seine Bereitschaft und Beteiligung an NS-Verbrechen aufzuzeigen und somit den Kontext seines späteren Handelns zu beleuchten. Es wird detailliert darauf eingegangen, wie Josts frühere Tätigkeiten sein späteres Verhalten beeinflussten und inwieweit seine Karriere den Weg für seine Rolle im Holocaust ebnete.
Schlüsselwörter
Heinz Jost, Einsatzgruppe A, Holocaust, Weißrussland, 1942, Einsatzgruppenprozess Nürnberg, Michael Musmanno, Befehlsverweigerung, Genozid, NS-Verbrechen, SD, RSHA, Massenerschießungen, Beweislage, Täterbild.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu der Studie über Heinz Jost
Was ist der Gegenstand dieser Studie?
Die Studie untersucht das Bild des SS-Täters Heinz Jost, insbesondere seine Rolle im Holocaust in Weißrussland 1942. Ziel ist die Korrektur eines bisherigen, verharmlosenden Bildes Josts, indem seine konkreten Taten und seine Verantwortung analysiert werden.
Welche Themen werden in der Studie behandelt?
Die Studie analysiert die Beweislage im Einsatzgruppenprozess gegen Jost, seine Karriere vor und während seiner Zeit als Kommandeur der Einsatzgruppe A, und die nachträgliche Relativierung seiner Verantwortung durch Zeugenaussagen, besonders die von Richter Michael Musmanno. Weitere Schwerpunkte sind Josts Rolle als Kommandeur der Einsatzgruppe A, seine NS-Karriere vor 1941, seine Taten im Osten und die Bewertung der nachträglichen Darstellung Josts als Befehlsverweigerer.
Welche Quellen werden in der Studie verwendet?
Die Studie stützt sich auf die Beweislage des Einsatzgruppenprozesses, Aussagen von Zeugen, insbesondere Richter Michael Musmanno, sowie Informationen über Josts Karriere in der SS vor und während des Zweiten Weltkriegs. Die genauen Quellen sind im Literatur- und Quellenverzeichnis aufgeführt.
Wie ist die Studie aufgebaut?
Die Studie enthält ein Abstract, eine Einleitung, Kapitel zum Einsatzgruppenprozess, zu Josts Karriere vor 1941, zu Richter Musmanno als Zeitzeuge, Schlussfolgerungen, Angaben zum Autor, ein Literatur- und Quellenverzeichnis sowie Endnoten. Ein Inhaltsverzeichnis bietet einen Überblick über die Kapitel.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Studie?
Die Studie zielt darauf ab, ein korrigiertes Bild von Heinz Jost und seiner Rolle im Holocaust zu präsentieren. Die konkreten Schlussfolgerungen sind im Kapitel "Schlussfolgerungen" detailliert beschrieben und basieren auf einer kritischen Analyse der vorhandenen Beweislage und Zeugenaussagen.
Welche Rolle spielt Richter Michael Musmanno in der Studie?
Richter Michael Musmanno ist ein zentraler Aspekt der Studie, da seine Aussagen in späteren Prozessen zu einer Relativierung der Verantwortung Josts beigetragen haben. Die Studie untersucht kritisch seine Aussagen und setzt sie in den Kontext der gesamten Beweislage.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Studie?
Schlüsselwörter sind: Heinz Jost, Einsatzgruppe A, Holocaust, Weißrussland, 1942, Einsatzgruppenprozess Nürnberg, Michael Musmanno, Befehlsverweigerung, Genozid, NS-Verbrechen, SD, RSHA, Massenerschießungen, Beweislage, Täterbild.
Für wen ist diese Studie bestimmt?
Diese Studie ist für Wissenschaftler, Historiker und alle Interessierten gedacht, die sich mit der Geschichte des Holocaust, den NS-Verbrechen und der Rolle von Einzelpersonen im Kontext des Genozids auseinandersetzen möchten. Der Text ist für die akademische Nutzung bestimmt.
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- Thilo Figaj (Author), 2018, Heinz Jost und der Holocaust in Weißrussland 1942. Korrektur eines Täterbildes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/415919