Gier an der Börse. Wie Spielsucht und Gier zu Finanzkrisen beitragen


Bachelorarbeit, 2017

47 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Vergangene Wirtschaftskrisen
2.1 Tulpenwahnsinn
2.2 Südseeblase
2.3 1929 und der „schwarze Freitag“
2.4 Dotcom-Blase
2.5 Subprime-Krise

3 Krisen – Börse – Spekulation
3.1 Spekulationsblasen

4 Geld – Gier – Gott
4.1 Quellen der Gier
4.2 Gier - Definition
4.3 Angeborene/Biologische Gier
4.4 Entstandene/kulturelle Gier

5 Spiel – Trieb – Sucht
5.1 Börsenspekulation

6 Fazit & Ausblick

Literaturverzeichnis

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier“

Mahatma Gandhi

Zusammenfassung

Menschliche Gier scheint einen großen Einfluss auf die Wirtschaft und auf die Entstehung von Finanzkrisen zu haben. Diese These stützt sich beispielsweise auf die Erwartung der heutigen Gesellschaft, möglichst schnell und effizient mit guten Gewinnchancen zu investieren. Dieses Verhalten lässt sich vor allem bei Anlegern an der Börse beobachten und begründet oftmals gravierende Spekulationsblasen und die Entstehung einhergehender Wirtschaftskrisen.

Unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven wird versucht, Gier zu differenzieren und zu analysieren. Dies soll darstellen, welchen Einfluss ein menschliches Verhalten auf ein makroökonomisches System haben kann.

Grundsätzlich ist zu erkennen, dass nicht nur die Distanzierung vom Religiösen und Gott als absolutes Gut und die damit einhergehende „Vergötterung“ des Geldes eine Rolle spielt, sondern, dass Gier ebenfalls als ein evolutionsbedingtes menschliches Verhalten zu verstehen ist, welches alldem nachgeht, was überlebenswichtig ist. In der heutigen Gesellschaft wird hierunter weitgehend Geld und ökonomischer Wohlstand subsumiert.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Umgerechneter Wert einer "Semper Augustus"

1 Einleitung

Finanzkrisen sind nichts Neues oder Modernes. Schon im 17. Jahrhundert verfiel Holland erstmals in eine Wirtschaftskrise, entstanden durch eine Tulpenzwiebel(vgl. Putnoki 2010). Von da an gab es kein Jahrhundert frei von Finanzkrisen, das „junge“ 21. Jahrhundert miteingeschlossen (vgl. Putnoki 2010, Braunberger/Fehr 2008, Galbraith 2010). Diese Finanzkrisen gefährdeten oder zerstörten sowohl die Wirtschaft eines bestimmten Staates als auch die globale Wirtschaft. Um dies aufzuzeigen, folgt im ersten Kapitel ein kurzer Überblick über die gravierendsten Finanzkrisen unserer Geschichte mit vertieftem Fokus auf das späte 20. und frühe 21. Jahrhundert.

Die jüngste Finanzkrise, die spätestens im Jahre 2008 mit dem Niedergang der Investmentbank Lehman Brothers ausartete und Aktienkurse komplett in den Keller sinken ließ, wurde regelmäßig mit der Finanzkrise von 1929 verglichen (vgl. Putnoki 2010). Diverse Politiker, Ökonomen, Soziologen und so ziemliche jede Art von Kulturschaffenden haben sich den Ursachen der Finanzkrise gewidmet und gaben Statements ab. Die Medienwelt betitelte Zeitungen mit Schlagzeilenwie „Kapitalismus in der Krise“ (süddeutsche Zeitung) oder „Zukunft des Kapitalismus“ (FAZ) (Wahren 2011, S. 8). Nicht nur die Medien oder Fachleute beschäftigten sich mit dem Thema Finanzkrise und Kapitalismus, selbst unter Zivilisten waren die Schlagzeilen und das unbekannte Ausmaß der Krise größtes Gesprächsthema, bei welchem vor allem die Ursache der Entstehung auf viele Fragen stieß. Vor allem fragten Sie sich, ob die Ursachen eher systemisch sind, also die Wirtschaft und der Kapitalismus schuld seien, oder ob es Faktoren gab, die auf die menschliche Natur zurückzuführen sind (vgl. ebd. S. 8).

In dieser Arbeit wird versucht den Zusammenhang zwischen Gier als menschliches Verhalten und Wirtschaftskrisen zu ergründen. Wahren (2011) versucht dies in seinem Werk „Gier – der menschliche Faktor der Finanzkrise“ und bietet somit eine der Grundlagen dieser Arbeit. Um dies zu bewerkstelligen, wird Gier aus verschiedenen Perspektiven heraus definiert, um verständlich zu machen inwiefern diese tatsächlich als Faktor gesehen werden kann. Einerseits wird das Ganze auf einer theoretischen Basis analysiert, die in dieser Arbeit aus einer theologischen, soziologischen und philosophischen Perspektive besteht, andererseits aber auch basierend auf einer praktischen Perspektive, die Wissenschaften wie Psychologie, Anthropologie und Neuroökonomie inkludiert, um Aufschluss darüber zu bekommen, was sich im menschlichen Gehirn abspielt, sodass Gier entsteht. In einem weiteren Schritt folgt eine genaue Definition von Wirtschaftskrisen. Diese können weitreichende Ausprägungen annehmen und indes liegen oft Faktoren zugrunde, die nicht vom menschlichen Verhalten abhängen. Um den Zusammenhang zwischen Mensch (Gier) und Wirtschaftskrise herzustellen, wird Spieltrieb als eine Moderationsvariable herangezogen, jedoch auch mithilfe von Autoren wie Putnoki (2010) und Galbraith (2010), die einzelne, vergangene Spekulationsblasen und Finanzkrisen analysieren, um dort schon eventuelle Gemeinsamkeiten zu finden. Es wird angenommen, dass Gier und Spieltrieb korrelieren, sodass Börse in dieser Arbeit ebenfalls als eine Art „Kasino“ verstanden wird, in der der Spieltrieb zum Spielen bewegt, welcher im weiteren Verlauf zur Spielsucht ausartet, ähnlich wie man es bei „Häufigspielern“ (Dimmel 2009) kennt. Aus diesen Gedanken heraus entsteht die konkrete Forschungsfrage:

„Inwiefern und in welchem Ausmaß kann menschliche Gier zur Erklärung von Finanzkrisen herangezogen werden?“

Folgende Annahmen / Thesen dienen der Beantwortung der Forschungsfrage:

a) Gier und Spieltrieb korrelieren positiv.
b) Wirtschaftliche und kulturelle Gegebenheiten haben einen Einfluss, sodass ein gieriges Verhalten entsteht.
c) Der Aufbau der Börse ist mit dem eines Kasinos vergleichbar und „lockt“ somit spielsüchtige Spekulanten.

2 Vergangene Wirtschaftskrisen

Die Menschen haben stets gerne spekuliert, in Hoffnung auf Reichtum und Absicherung, und ein Indiz dafür sind die Spekulationsblasen[1] und einhergehende Finanzkrisen, die nicht erst gestern angefangen haben. Daher ist es für diese Arbeit von äußerster Relevanz, einzelne Spekulationsblasen näher zu durchleuchten, um nach möglichen, gemeinsamen Nennern suchen zu können. Nach einem historischen Rückblick und einer Durchleuchtung der Spekulationsblasen, folgt eine genauere Definition von diesem spezifischen, wirtschaftlichen Tatbestand.

2.1 Tulpenwahnsinn

Schon im frühen 17. Jahrhundert verfielen die Niederlande der sogenannten „Tulpenmanie“. Die Tulpenmanie kann als die erste – zumindest dokumentierte – Spekulationsblase in der Geschichte des Wirtschaftsgeschehens der Menschheit angesehen werden (vgl. Shiller 2005, S. 85). Erst die Leidenschaft und dann die Gier führten zu […] Tulpenblasen (Putnoki 2010, S. 11). Essentiell für eine Spekulationsblase ist, wie wir weiter unten sehen werden, eine florierende Wirtschaft, in welche Individuen investieren wollen, da genug Geld vorhanden ist. Angefangen hat es, als die exotische Tulpe zum Statussymbol wurde und die Nachfrage, nach möglichst ausgefallen Sorten, die Preise steigen ließ (vgl. ebd. S. 11). Ausgefallene Sorten entstanden hauptsächlich durch einen Mosaikvirus, der auf die Blumen übergriff und bewirkte, dass die Tulpen marmorierte Blütenblätter und gefranste, gewellte Ränder entwickelten. An oberster Begierde exotischer Tulpen stand dann die sogenannte „Semper Augustes“ (vgl. von Petersdorff-Campen 2008, S. 23). So schreibt die Kulturwissenschaftlerin Susanne Heliosch: „An ihren makellos weißen Blütenblättern verlaufen rubinrote, flammende Äderchen, und das Hellblau ihres Kelchgrunds erscheint wie die Spiegelung eines heiteren Frühlingshimmels“ (Heliosch z.n. ebd. S. 23). Diese wundervolle Blüte also, die zu Beginn als Statussymbol galt, gewann rasch an Beliebtheit und wurde stets teurer. Dieser Preisanstieg wiederrum, lockte erste Spekulanten, die die Tulpe endgültig zum Spekulationsobjekt werden ließen. So kam es im Jahre 1635 dazu, dass die Tulpenpreise um durchschnittlich 25% stiegen und unter den Spekulanten nicht mehr „nur“ die Wohlhabenden waren, sondern jegliche Bürger bis hin zur untersten Schicht. Anhand des Indexwertes der Tulpe wird ersichtlich, dass vom 01.12.1634 bis zum 01.12.1635 ein Wertzuwachs von 25% zu sehen war – also ein Indexwert von 1,25, und ein Jahr später, also zum 01.12.1636 war der Indexwert bereits bei 5,25. Kurz vor dem Crash am 06.02.1637 lag der Indexwert bei 65. Das bedeutet, dass sich der Wert der Tulpe in den letzten drei Monaten vor dem Crash verzwölffacht hat. In Folge des Crashs fielen die Tulpenpreise um 40%, jedoch wird der reale Verlust, auf Basis von einigen wenigen Aufzeichnungen auf 95% eingeschätzt. 1635 wurde die Kreditaufnahme insofern erleichtert, als dass Kreditnehmer gegen Verpfändung von Gegenständen Kredite aufnehmen konnten. Dies bewegte viele Spekulanten dazu, ihr ganzes Hab und Gut zu verpfänden, um am euphorischen Gewinn teilzunehmen. Handwerker beispielsweise verpfändeten ihre Werkzeuge um in den Tulpenhandel einzusteigen. Um ein besseres Verständnis für den Wert einer „Semper Augustus“, derer höchster Wert bei 5.500 Gulden lag, folgt eine kurze Auflistung von Gegenständen, und deren Wert.

Nahrungsmittel, Bett, Anzug und Trinkbecher im Wert von 2500 Gulden (vgl. Putnoki 2010, S. 17), die eine mehrköpfige Familie über mehrere Monate bringen würden, waren nicht einmal halb so viel wert wie eine Tulpe der Sorte „Semper Augustus“. So ist es kaum verwunderlich, dass einige, nachdem sie eine Tulpe zum Schluss der Blase gekauft hatten, nach dem Crash nichts mehr hatten als diese eine Tulpe.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Umgerechneter Wert einer "Semper Augustus" eigene Darstellung nach Putnoki (2010), S, 17

Als Ergebnis dessen, verteilte sich das Vermögen der Unter- und Mittelschicht neu und unterschied sich hauptsächlich durch den Besitz von Grundstücken, Häusern und Tulpenzwiebeln. Einige, die schnell genug waren die Tulpe zu verkaufen, haben „gewonnen“ und andere, die den Crash nicht kommen sahen, waren Besitzer von Tulpen. Gesamtwirtschaftlich jedoch hatte es keine gravierenden Folgen für die Niederlande, sondern hat das wirtschaftliche Wachstum in den 1640er etwas lediglich verlangsamt. Dies lag eventuell an der kurzen Dauer der Euphorie und der Tatsache, dass oftmals keine Gelder geflossen sind, sondern vertragliche Verpflichtungen entstanden, wodurch der Einstieg in die Normalität relativ rasch wieder möglich war. Zum Ende der Stagnierung in den 40er Jahren setzte wieder ein Boom bis 1672 ein, der sich hauptsächlich durch den Bau von Wohnungen, städtischen Gebäuden und Gemälden kennzeichnet. Durch einige Gärtner, die sich immer noch mit der Tulpenzucht beschäftigten, wurde Holland später zum Land der Tulpen (vgl. Putnoki 2010, S.10-21).

2.2 Südseeblase

Die Südseeblase ist ein gutes Beispiel dafür, dass eine Spekulationsblase keinen statischen, geographischen Rahmen hat, sondern auch ganze andere Staaten in den Crash ziehen kann, oder zumindest Spekulanten in anderen Staaten dazu motivieren kann, auf ähnliche Objekte zu spekulieren. So passierte es, dass 1720, als die Spekulation in London ihren Boom, also ihren Höhepunkt erreichte, zeitgleich in Paris ebenfalls stark spekuliert wurde (vgl. Galbraith 2010, S. 57). Grassierender Schwachsinn, der aus Optimismus und sich selbst bestätigender Täuschung erwuchs war das Schicksal beider Städte (ebd. S. 57). Unter den Opfern dieses grassierenden Schwachsinns waren zum Teil auch äußerst bekannte Namen zu finden. Der Physiker Isaac Newton, der einst sagte, er könne die Bewegungen von Körpern messen, aber nicht die menschliche Dummheit, was er offensichtlich auch bei sich selbst nicht konnte und bei der hervorstehenden Spekulationsblase 20.000 Pfund (vgl. ebd. S. 58) verlor, kann unter den Opfern dazu gezählt werden, aber auch der Schriftsteller Jonathan Swift (vgl. Papon 2008, S. 34).

Angefangen im Jahr 1711, gründeten mehrere Banker die „South Sea Company“. Ein Projekt, das von Robert Harley, dem Earl von Oxford, maßgeblich vorangetrieben wurde (vgl. Putnoki 2010, S. 42), dessen eigentlicher Zweck die Übernahme eines Teils der britischen Staatsschulden von zunächst 10 Millionen Pfund war (vgl. Papon 2008, S. 35), im Gegenzug zu einer Verzinsung von sechs Prozent und des Monopols für Handelsgeschäfte mit den spanischen Kolonien in Lateinamerika und der Erlaubnis zur Finanzierung dieser Schulden durch Herausgabe von eigenen Aktien (vgl. ebd. S. 35). Das Handelsmonopol mit Südamerika war für die zukünftigen Anleger nicht nur wegen den Vermutungen über gewaltige Edelmetallvorkommen interessant, sondern es kursierte gleichzeitig auch das Gerücht, dass der König von Spanien der Südseegesellschaft in Südamerika vier Häfen zum freien Handeln geöffnet hätte. Dagegen wurden schlechte Nachrichten nicht nur der Öffentlichkeit vorenthalten, sondern bewusst durch falsche, positive Informationen ersetzt, wie beispielsweise die schlechten Bedingungen des „Asiento“-Vertrages und wurde auch eine Liste mit den angeblichen Häfen in Südamerika in Umlauf gebracht, die den freien Handel ermöglichen würden. Tatsächlich jedoch war im genannten Vertrag zwischen Spanien und England ausgemacht, die spanische Kolonie mit Negersklaven versorgen zu dürfen und lediglich einmal im Jahr ein genau nach Tonnage und Ladung limitiertes Schiff zu Handelszwecken nach Mexiko, Peru oder Chile zu senden. Des Weiteren war dies mit der Auflage verbunden, der spanischen Krone 28,75% des Gewinns abzugeben (vgl. Putnoki 2010, S. 42f.). Auch brach das erste Schiff der Gesellschaft aufgrund von Schwierigkeiten, erst im Jahr 1717 und blieb auch das Einzige, bis der Handel aufgrund der Bildung der Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden zur Eindämmung der Expansionspläne von Phillip den V. von Spanien, komplett brach (vgl. ebd. S. 43).

Der eigentliche Boom begann erst im Jahr 1719. Die Gesellschaft übernahm zum zweiten Mal Staatsschulden, dieses Mal in Höhe von 1,7 Millionen Pfund (vgl. Papon 2008, S. 36) und wollte diese wieder durch Ausgabe von neuen Aktien finanzieren. Da es im Jahr 1718 wieder zum Krieg mit Spanien kam, wuchsen die Schulden von Großbritannien so sehr, dass die South Sea Company dem britischen Staat das Angebot machte, einen Großteil der Verbindlichkeiten zu übernehmen, wenn sie hierfür im Gegenzug das Kapital unbegrenzt und zu jedem Kurs erhöhen können. Durch ein entsprechendes Gesetz war es der Gesellschaft nun erlaubt, Aktien im Nominalwert von 31,5 Millionen Pfund (vgl. ebd. S. 36) zu begeben, denn je höher der Ausgabekurs, desto weniger Aktien reichten für die Übernahme der Schulden aus und desto höher war der Ertrag. Durch gezielte Äußerungen des Direktoriums der South Sea Company über hochprofitable Geschäfte und Dividendenzahlungen in enormen Höhen, stieg das Interesse von Investoren und die Kurse weiter an, bis die verheißungsvollen Gewinnchancen schließlich auch Privatanleger lockten. Da das Geld der Interessenten jedoch nicht mehr ausreichte, wurden Ratenzahlungen bei der Kapitalerhöhung üblich, und um Aktien kaufen zu können, wurden Kredite aufgenommen. So artete letztendlich das Ganze in eine Art Südseemanie, in der alles, was auch im Entfernesten mit diesem Thema zu tun hatte, gefragt war. Als Ergebnis dessen, wuchs der Aktienkurs im August 1720 auf über 1000 Pfund (vgl. ebd. S. 37).

Das Interesse von Anlegern lockte wiederum mehr und mehr Unternehmen an die Börse, die mit den skurrilsten Geschäftsideen das große Geld (in diesem Fall das der Anleger) im Kopf hatten, die jedoch binnen Tagen und Wochen verschwanden (vgl. ebd. S. 37f.). Dies war auch die Geburtsstunde des Begriffs „Spekulationsblase“, der laut Putnoki (2010) eben auf jene skurrilen Aktiengesellschaften beruht, die sich nicht nur so schnell bildeten wie Blasen, sondern genauso schnell wieder verschwanden (vgl. Putnoki 2010, S.4). Die South Sea Company drängte den Staat dahingehend, etwas gegen diese „bubbles“ zu unternehmen und so kam es im Juni 1720 zum sogenannten „bubbleact“, durch den es Gesellschaften nur noch erlaubt war, Aktien zu verkaufen, wenn sie eine staatliche Genehmigung hierfür einholten. Dieses Gesetz jedoch, weckte das Mistrauen der Anleger und so traf das Gesetz im Endeffekt die South Sea Company härter als erwartet (vgl. Papon 2008, S. 39).

Der Boden für einen Crash war nun vollkommen gelegt. Anleger hatten mit fundamentalen Bedenken zu kämpfen. Gerüchte über Aktienverkäufe der Unternehmensführung der South Sea Company und anderer großen Investoren machten sich breit, sodass schließlich im September der Aktienkurs auf freien Fall ging und er zum Ende des Jahres bei 120 Pfund pro Aktie angelangt war. Zufolge des Kursrutsches wurden viele Anleger, die Aktien durch Kredite erworben hatten, ruiniert, und Großbritannien fand sich in einer Wirtschaftskrisse wieder, von der sich das Land lange nicht erholte (vgl. ebd. S. 39ff.) Auch Frankreich, wie zu Beginn des Kapitels angedeutet, blieb nicht von der Südseeblase verschont, denn die Euphorie schwappte zu Anlegern, die sich von Aktien der französischen Mississippi-Gesellschaft trennten, um in der Südseegesellschaft investieren zu können (vgl. Putnoki 2010, S. 45). Das Einzige, was nach dem Crash blieb, war Jonathan Swifts Werk „Gullivers Reisen“ – eine Satire über die britische Gesellschaft -, inspiriert durch die Verluste der Südseeblase (vgl. Papon 2008, S. 41).

2.3 1929 und der „schwarze Freitag“

Um halb elf war die Börse von blinder, hoffnungsloser Angst erfüllt (Galbraith z.n. Mußler 2008, S. 80). Draußen in der Wall-Street muss die Polizei für Ordnung sorgen: Aktien werden für ein Butterbrot verkauft, Menschentrauben fordern den Selbstmordsprung eines Arbeiters, der auf dem Dach einer Wall-Street-Bank Reparaturen durchführt (Mußler 2008, S.80).

Die goldenen Zwanziger führten zu einer der bekanntesten und zugleich am häufigsten untersuchten Spekulationsblase in der Weltgeschichte, die sich im Oktober 1929 gipfelte (vgl. Putnoki 2010, S. 75). Der Optimismus, hervorgerufen durch das Fließband, das die Massenproduktion von Autos ermöglichte, aber auch das neue Medium Radio, beflügelten Anleger von klein bis groß sich am Börsengeschehen beteiligen zu wollen. Der Kurs der Radio Corporation of America beispielsweise kletterte binnen einigen Jahren von anfänglich fünf Dollar auf 500 Dollar im Jahr 1929, sollte jedoch im Jahr 1932 98 Prozent an Wert verlieren (vgl. Mußler 2008, S. 81). Wir sind dem endgültigen Sieg über die Armut heute näher als nie zuvor in unserer Geschichte (Hoover z.n. ebd. S. 81) jubelte Hoover während des Höhepunktes der Börse im Jahr 1929.

Vergleichsweise unauffällig begann die Auslösung in einer Seitwärtsbewegung der Kurse, die von Anfang 1920 bis Mitte 1924 anhielt. Das rasante Wirtschaftswachstum, hervorgerufen durch die Erholung vom Ersten Weltkrieg, setzte1923 an, sodass das durchschnittliche Wachstum der US-Wirtschaft bis zum Jahr 1926 sechs Prozent pro Jahr betrug (vgl. Putnoki 2010, S. 75). Als Ergebnis dessen lag die Arbeitslosenquote bei gerade mal 3,7 Prozent (vgl. ebd. S. 75), die Löhne und Gehälter sowie Preise blieben stabil, die Gewinne der Unternehmen stiegen jedoch an. Durch die dadurch entstandene ungleiche Einkommensverteilung, kam es zu einer verstärkten Investition in den Aktienmarkt, was als mögliche Ursache für die Bildung einer Spekulationsblase angesehen wird (vgl. ebd. S. 75f.). Zum Vergleich: Während 1929 etwa 5 Prozent der Bevölkerung 30 Prozent des privaten Einkommens erhielten, waren es im Jahr 1990 „lediglich“ 20 Prozent (vgl. Galbraith 2007, S. 3 und S. 89 z.n. vgl. ebd. S. 76). Neben den technologischen Innovationen waren es die finanzwirtschaftlichen Innovationen, die es erlaubt haben durch finanzwirtschaftliche Hebel die Eigenkapitalrendite zu steigern, wobei das damit verbundene Risiko nicht beachtet wurde. „Investment Fonds“ waren charakteristisch für jene Finanzinnovationen in den 1920ern, wobei es zu sagen gilt, dass diese eher schleppend eingeführt worden sind. 1921 waren es in den USA 21 Investment Fonds, zum Ende des Jahres 1927 300 und zwei Jahre später im Jahr 1929 über 750 (vgl. ebd. S. 76, vgl. Mußler 2008, S. 82). Diese Gesellschaften gaben eigene Aktien aus um durch das eingenommene Kapital in Aktien anderer Unternehmen zu investieren. Durch Aufnahme von zusätzlichem (Fremd-)Kapital, wurde die Rendite gesteigert, wodurch eine Hebelwirkung entstand, die gleich erläutert wird. Das Problematische für Anleger von Investment Fonds war, dass sie die erworbenen Aktien nicht zurückgeben konnten, sondern diese auf dem Aktienmarkt verkaufen mussten (vgl. ebd. S. 76).

[...]


[1] Nachfolgende Begriffe wie „Spekulationsblase“, „Spekulant“, „Euphorie“ und „Crash“ werden in einem späteren Kapitel näher erläutert.

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Gier an der Börse. Wie Spielsucht und Gier zu Finanzkrisen beitragen
Hochschule
Universität Salzburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
47
Katalognummer
V415933
ISBN (eBook)
9783956873959
ISBN (Buch)
9783956873973
Dateigröße
10113 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Gier, Spieltrieb, Börsenspekulation
Arbeit zitieren
Konstantinos Pelekanakis (Autor:in), 2017, Gier an der Börse. Wie Spielsucht und Gier zu Finanzkrisen beitragen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/415933

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