Deutschland im Totalen Krieg. Endphaseverbrechen im Zweiten Weltkrieg


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Anmerkung zu den Quellen

3 Zur Begrifflichkeit der „Enphaseverbrechen“
3.1 Kriegsende
3.2 Veränderte Dynamik nationalsozialistischer Gewalt

4 Endphaseverbrechen auf deutschem Reichsgebiet
4.1 Machtlosigkeit, Alternativlosigkeit, Angst
4.1.1 Ideologische Grundordnung
4.1.2 Entgleiste Gewalt – Radikalisierung der Justiz
4.1.3 Die Ultimo Ratio: Überleben
4.2 Durchhalten bis zum Schluss – Fanatismus aus tiefster Überzeugung
4.2.1 Aufrechterhalten des Systems – totaler Fanatismus
4.2.2 „Wenn wir untergehen, dann geht ihr mit uns unter!“
4.2.3 Angst vor der Rache der Alliierten

5 Schlussbetrachtung

6 Quellenverzeichnis

7 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Mit dem Sieg alliierter Truppen in Aachen im September 1944 wurde die Endphase des Zweiten Weltkrieges eingeleitet. Erstmals im Kriegsverlauf konnten alliierte Truppenverbände einen Fuß auf deutsches Reichsgebiet setzten. Jenes Ereignis stellt einen Wegweiser für die letzten Monate nationalsozialistischer Herrschaft in Deutschland dar. Zeitgleich initiierte der Vormarsch der Alliierten ein zunehmend radikalisiertes Handeln der nationalsozialistischen Führung, das in einem, auf die eigene Bevölkerung zielenden, nach innen gerichteten Krieg gipfelte. In der Endphase des Krieges wurden zahllose sogenannte „Endphaseverbrechen“ oder „Verbrechend der Endphase“ verübt. Der nationalsozialistische Terror richtete sich dabei nicht lediglich gegen den drängenden Feind oder alte Gegner des Regimes, sondern zielte auch auf „verräterische Volksgenossen“[1] ab. „Das vorherrschende Signum der Zeit vor dem Kriegsende war Gewalt – physische, existenziell bedrohliche, allgegenwärtig drohende Gewalt.“[2] In diesem Zusammenhang bleibt jedoch die Frage unbeantwortet, warum die deutsche Bevölkerung bis zuletzt an dem nationalsozialistischen Regime festhielten und auch im Angesicht der unausweichlichen militärischen Niederlage weiterkämpfte. Zudem ist zu fragen, warum das erbarmungslose Morden unvermindert anhielt und auch nach dem Kriegsende anzuhalten schien.

In der geschichtswissenschaftlichen Forschung wurde der Komplex der letzten Kriegsmonate bis vor wenigen Jahrzehnten ausgeklammert und eine Fokussierung als eigenes Forschungsfeld unterminiert. Lange sahen Historiker besagte Phase als ein „notwendiges Übel, ein schmerzhaftes, aber notwendiges Durchgangsstadium“[3] zwischen der nationalsozialistischen Herrschaft und der Nachkriegszeit. Seit den 1980er Jahren lässt sich diesbezüglich jedoch ein positiver Wandel feststellen.[4] In den folgenden Jahrzehnten entstand eine beachtliche Fülle an Schriften über die nationalsozialistischen Endphaseverbrechen. Die Konzentration lag dabei jedoch vor allem auf den Verbrechen der Wehrmacht, die außerhalb des deutschen Reichsgebiets vollzogen wurden. Dezidierte Auseinandersetzungen, die verbrecherische Aktivitäten des NS-Regimes gegen das eigene Volk in der Endphase des Zweiten Weltkrieges fokussieren, sind bis dato in nur geringem Maße erschienen. Als herausragende Beiträge lassen sich sowohl Elisabeth Kohlhaas’ Studie zu den Endphaseverbrechen in Aschaffenburg[5], als auch Sven Kellers Veröffentlichung über die Volksgemeinschaft am Ende[6], hervorheben. Keller liefert ein umfangreiches Werk, das sich dezidiert mit den Endphaseverbrechen der Nationalsozialisten beschäftigt. Er offeriert einen gelungenen Überblick über die Selbstradikalisierung des Regimes und seine Funktionsträger im Moment der militärisch immer weniger zu leugnenden Niederlage. Kohlhaas hingegen dokumentiert in ihrem Buch die NS-Verbrechen der letzten Kriegswochen in Aschaffenburg und beleuchtet zudem die damit verbundenen nationalsozialistischen Unrechtsurteile. Sie gibt detaillierte Einblicke in Prozesse der Wehrmachtjustiz und konkretisiert ihre Überlegungen an ausgewählten Beispielen. Ihre Arbeit ist beispielhaft für die lokalhistorische Perspektive. Der nachfolgenden Untersuchung liegen vor allem die genannten Werke zu Grunde.

Die vorliegende Arbeit entstand im Kontext des Hauptseminars „Das Deutsche Reich im Totalen Krieg 1943-1945“, das im Sommersemester 2017 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München abgehalten wurde. Ich möchte mit der Untersuchung einen Beitrag zu der Beantwortung der zugrundeliegenden Forschungsfragen leisten. In diesem Kontext soll das Hauptaugenmerk, bedingt durch die Fülle an Informationen und einer eingeschränkten Entfaltungsmöglichkeit, auf den Verbrechen des NS-Regimes gegen deutsche Militärangehörige liegen. Eine Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Gräueltaten gegen die zivile Bevölkerung Deutschlands wird bedauerlicherweise lediglich reduziert dargestellt.

Bevor ich mit der eigentlichen Analyse des Themenkomplexes der Endphaseverbrechen beginne, möchte ich einen kurz gehaltenen Kommentar zur vorherrschenden Quellenlage voranschalten. Der Einstieg in den Hauptteil der Arbeit, soll durch einen Definitionsversuch der Materie der Endphaseverbrechen vereinfacht werden. Anschließend widme ich mich der Frage, warum die deutsche Bevölkerung bis zuletzt an dem nationalsozialistischen System und seinem Regime festhielten. Außerdem soll die Frage fokussiert werden, warum auch im Angesicht der unausweichlichen militärischen Niederlage, die Mordlust ein neues Ausmaß annahm. Die Analyse unterschiedlicher Tatbestände und Quellen wird zeigen, dass sich das jeweilige individuelle Verhalten von Einzelpersonen oder Personengruppen, durch eine Reihe von unterschiedlichen Aspekten erklären lässt.[7] Abschließend werden ich die wichtigsten Erkenntnisse in einem Fazit zusammenfassen.

2 Anmerkung zu den Quellen

Für die Zeit der letzten Kriegsmonate sind nur vergleichsweise wenige aussagekräftige Quellen vorhanden. Lange Zeit galt daher die Prämisse, dass die Kriegsendphase „praktisch unerforschbar"[8] sei. Die Problematik in diesem Zusammenhang fasst Keller treffend zusammen. Demnach sei im Angesicht der herannahenden Feinde ein Großteil an Akten, Unterlagen und anderen Schriftstücken, die in einem potentiellen Nachkriegsprozess belastend für die Angeklagten wirken könnten, vernichtet worden.[9] Hierunter fallen unter anderem auch Kriegstagebücher und Feldpostbriefe. Zudem wurden am Ende des Krieges die angeordneten Befehle zumeist mündlich erteilt. Eine Dokumentation war nicht mehr umsetzbar beziehungsweise erstrebenswert oder wurde bewusst unterlassen. Die an den Verbrechen beteiligten NS-Institutionen wie der Volkssturm, die NSDAP, die Wehrmacht oder die Gestapo, hielten ihre Gräueltaten nicht schriftlich fest. Einzeltäter, die aus persönlichen Motiven mordeten, verschwendeten mit Gewissheit keinen Gedanken daran, ihr Vergehen für die Nachwelt festzuhalten. An welche Quellen kann sich der Historiker oder Geschichtsinteressierte wenden, um sich mit den NS-Verbrechen des Kriegsendes auseinanderzusetzten?

Festzuhalten ist zunächst, dass es durchaus eine Reihe von EGO-Dokumenten gibt, die den Krieg und die „Abrechnungsangst“ vor den Alliierten unversehrt überstanden haben. Jene Quellenbestände sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Einerseits ist bei der Konsultation von EGO-Dokumenten immer zu berücksichtigen, dass ein hoher Subjektivitätsgrad vorherrscht. Andererseits sollte man sich fragen, ob die NS-Institutionen die Dokumente unter Umständen absichtlich vor der Vernichtung bewahrten. Das NS-Regime oder Einzelpersonen könnten gegebenenfalls positiv, da subjektiv dargestellt werden.

Eine der wichtigsten, wahrscheinlich sogar den wichtigsten und zentralen Quellenbestand bei der Erforschung der Endphaseverbrechen bilden die Akten der Nachkriegsprozesse.[10] Die Urteile der Nachkriegsjustiz beschreiben in einer Vielzahl der Taten ausreichend zuverlässig den konkreten Tatbestand. Darüber hinaus können, anhand der entstandenen Akten, wertvolle Hinweise zum Tatkontext rekonstruiert werden. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse lässt sich ein vielseitiger, mithin repräsentativer und der Heterogenität der Taten angemessener Überblick der Endphaseverbrechen erstellen, der jedoch nachvollziehbarerweise keinem Anspruch auf Vollständigkeit gerecht werden kann. Eine gelungene Auseinandersetzung mit dem Themenspektrum sollte jedoch nicht nur einzelne Urteile oder Gegenbeheiten berücksichtigen, sondern aus einer größeren Summe von Einzelfällen versuchen strukturelle und situative Grundmuster herauszuarbeiten.

3 Zur Begrifflichkeit der „Enphaseverbrechen“

In der geschichtswissenschaftlichen Forschung hat sich heutzutage die Begrifflichkeit der „Endphaseverbrechen“ oder „Verbrechen der Endphase“ durchgesetzt. Bevor eine Auseinandersetzung mit dieser Phase des Zweiten Weltkrieges vorgenommen werden kann, ist zunächst zu fragen, ob eine Festlegung der Endphaseverbrechen als eigene Kategorie gerechtfertigt ist? Was unterscheidet jene Verbrechen von anderen nationalsozialistischen Gewalttaten?[11] Hinsichtlich der Beantwortung dieser Fragen sind zweierlei Aspekte von Bedeutung. Einerseits ist zu klären, wann das Kriegsende vollzogen war. Andererseits muss die Differenz zu den vorangegangenen nationalsozialistischen Gewaltverbrechen hervorgehoben und verdeutlicht werden.

3.1 Kriegsende

Historiker sind sich heutzutage weitestgehend einig, dass es kein absolut gesetztes Datum für das Ende des Zweiten Weltkrieges gibt. Trotzdem ist in weiten Teilen der Bevölkerung die Vorstellung verankert, dass der Krieg am 8. Mai 1945 endete. Grundsätzlich gesehen ist eine solche Annahme nicht fehlgeleitet, denn an besagtem Datum endete die Gewaltherrschaft der Nazis und damit gleichzeitig auch der Totale Krieg. Eine rein temporäre Bestimmung des Kriegsendes wird jedoch der wahrhaftigen Dimension dieses Wirkungskomplexes nicht gerecht.[12] Auf lokalhistorischer Ebene können durchaus enorme Disparitäten zwischen einzelnen Kriegsenden bestimmt werden. Demnach beinhaltet der Komplex, innerhalb eines bestimmten Zeitkorridors, eine hohe Individualität. Durch das Vorrücken der alliierten Truppen kam es zu einer Reihe von lokalen und regionalen Kriegsenden. Letztlich lässt sich das Kriegsende also als eine Zeitspanne, das „lange Kriegsende 1944/45“[13], bezeichnen.

Auch auf die Frage nach dem Beginn der Kriegsendphase gibt es keine allgemeingültige oder wahrhafte Antwort. Zentral hierfür ist die Abhängigkeit gegenüber dem jeweiligen Forschungsschwerpunkt. In dem Kontext der vorliegenden Untersuchung bietet sich der chronologische Rahmen der alliierten Besetzung Deutschlands an, die mit der Befreiung Aachens begann und der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endete.[14]

3.2 Veränderte Dynamik nationalsozialistischer Gewalt

Was unterscheidet jedoch die Verbrechen der Endphase des Zweiten Weltkrieges von den „etablierten“ nationalsozialistischen Vergehen? Als spezifisches Merkmal der Endphaseverbrechen lässt sich vor allem die neuartige Konstellation von Opfer-, aber auch Tätergruppen bestimmen. Die letzten Kriegsmonate generierten nicht lediglich für altbekannte Gegner des Regimes, allen voran Juden, Ausländer und Oppositionelle, eine lebensbedrohliche Situation. Es gerieten verstärkt auch deutsche Volksgenossen ins Visier der nationalsozialistischen Strafverfolgung.[15] Die radikale Gewalt richtete sich dabei einerseits gegen Zivilisten, andererseits wurden Militärangehörige Opfer der Brutalität des Regimes beziehungsweise der nationalsozialistischen Einzeltäter. In den letzten Monaten des Krieges radikalisierte sich die rabiate deutsche Militärjustiz in einer bis dato ungekannten Intensität und generierte eine neue Qualität der Gewalt. Deserteure, vermeintliche Wehrkraftzersetzer[16] oder Defaitisten, die Kritik am Regime oder dem Krieg äußerten, wurden meist in Schnellverfahren zum Tode verurteilt. Die Kompetenz ein solches Urteil zu vollstrecken lag zum einen bei den Standgerichten, zum anderen konnte eine Exekution unmittelbar von einem NSDAP-Funktionär oder einem Wehrmachtsangehörigen durchgeführt werden. Spätestens seit der Einführung des sogenannten Volkssturms am 26. September 1944 fühlten sich jedoch auch einzelne Zivilpersonen dazu befähigt eine Exekution durchzuführen oder durch Meldung von auffälligem oder verwerflichem Verhalten zumindest einen maßgeblichen Impuls für eine Tötung zu liefern.

4 Endphaseverbrechen auf deutschem Reichsgebiet

Das Verhalten der deutschen Bevölkerung in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges entspringt einer sehr komplexen Wirklichkeit und wird durch unterschiedliche Aspekte determiniert. Einerseits spielten die jeweiligen Gefühle der Personen eine entscheidende Rolle für das individuelle Handeln. Angst, Hass, Wut oder Frustration waren gewiss der grundlegende Impuls ein gewisses Verhalten aufzuzeigen. Hinzu kommt die grundsätzliche Einbindung eines jeden Bürgers in bestimmte, von Person zu Person differierende Rahmenbedingungen. Diesbezüglich ist vor allem die ideologische Propaganda der Volksgemeinschaft und der Rassenlehre hervorzuheben, die von vielen Deutschen in den vorangegangenen Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft verinnerlicht und als fester Bestandteil der eigenen Grundhaltung transformiert wurde. Zudem ist das jeweilige Verhalten immer situationsabhängig und zeigt nicht zuletzt deshalb eine enorme Heterogenität.[17]

4.1 Machtlosigkeit, Alternativlosigkeit, Angst

4.1.1 Ideologische Grundordnung

Die Ausführung von Gewalt, sofern sie an den Maßgaben des NS-Regimes angepasst war, wurde als etwas Normales, in Teilen sogar als erwünscht angesehen. Gewalttaten wurden anhand einer „spezifisch nationalsozialistische[n] gesellschaftliche[n] Deutungsmatrix“[18] legitimiert. Täter konnten in diesem Zusammenhang tödliche Gewalt anwenden, ohne diese als „Grenzüberschreitung“[19] wahrzunehmen. Sven Keller bezeichnet diesbezüglich die „Gewalt als soziales Phänomen“[20]. Bei seinem Ansatz wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass jeder handelnde Akteur, also auch Gewalttäter, nach einem gewissen „Referenzrahmen“[21] handelt. Dieser setzt sich aus den Erfahrungen, Erwartungen und dem Handlungs- und Orientierungswissen einer Einzelperson zusammen. Trifft ein Individuum eine Entscheidung oder handelt entsprechend seinem Referenzrahmen, so erscheint die eigene Tat in der Regel als sinnvoll.[22] Demnach kann bei der Bewertung von Endphaseverbrechen davon ausgegangen werden, dass die Akteure als selbstverantwortliche Menschen und nicht als gedankenlose Marionetten des NS-Regimes handelten. Die Täter agierten zwar innerhalb gesellschaftlicher Strukturen, die ihre Entscheidungen und ihr Tun beeinflussten, jedoch waren sie nicht durch solche determiniert. Sie waren vielmehr in einen umfassenden Wirkungskomplex eingebunden.

Als Grundlage hierfür ist die Rassen- und Volksgemeinschaftsideologie anzusehen, die eine tragende Säule des nationalsozialistischen Regimes war und dem Ende des Ersten Weltkrieges entsprang. Die traumatischen Ereignisse des Novembers 1918 und der ersten Nachkriegsjahre prägten einen Großteil der deutschen Bevölkerung und spätere Nationalsozialisten. Die Folgen der Niederschlagung der Herbstrevolution, Hunger und Inflation setzten den Deutschen erheblich zu. Auslösender Faktor für den fremdverschuldeten Zusammenbruch des Reiches und somit die Niederlage im Krieg, seien nach nationalsozialistischer Überzeugung innere Verräter – konkret Juden und Angehörige linksgerichteter Parteien – gewesen.[23] Es bestand breiter Konsens darüber, dass ein zweiter „November 1918“[24] unter allen Umständen verhindert werden müsse, um einem erneuten „Dolchstoß“ von Verrätern im Innern des Reiches zu entgehen. Die Grundlage für die nationalsozialistische Fremdenfeindlichkeit und Rassenlehre entspringt also letztlich der Niederlage des Ersten Weltkrieges.

Die Erfahrungen des verlorenen Krieges und seiner Folgen verfestigten sich letztendlich in dem Gesellschaftsmodell der Volksgemeinschaft.[25] Besagtes Modell stieß in der Bevölkerung zunächst auf große Zustimmung, denn den deutschen Volksgenossen wurden neuartige, umfangreiche Partizipationsmöglichkeiten offeriert. „Gleichheitsversprechen, ökonomische Bereicherung und symbolische Anerkennung versprachen kollektive Teilhabe am nationalen Wiederaufstieg ebenso wie individuelle materielle und immaterielle Vorteile.“[26] Die Volksgemeinschaft war gleichermaßen eine „Gesellschaftsutopie und Handlungsanweisung“[27] die faktisch keine Umsetzung fand und nicht mehr als eine Idee, ein Mythos blieb.[28] Als Voraussetzung für die Teilhabe an dem neugeformten Gesellschaftsmodell galt ein soziales Wohlverhalten und die vollständige politische Unterordnung, mit Adolf Hitler als Führer an der Spitze, als unumgänglich.[29] Die wirksamsten Mittel zur Herstellung der erwähnten Bedingungen waren Überwachung, Kontrolle und allen voran Gewalt, die sich sowohl nach innen, als auch nach außen richtete. Identitäre Selbstausgestaltung wich konkreten Rollenvorstellungen des NS-Regimes, die individuell gefüllt werden konnten und für viele der Volksgenossen attraktive Alternative boten. Zu Kriegszeiten verstärkte sich diese Tendenz, denn die „militarisierte Volksgemeinschaft hielt eine Vielzahl von Rollen bereit.“[30]

Eng verknüpft mit dem etablierten Gesellschaftsmodell, war die nationalsozialistische Rassenlehre. Die Zugehörigkeit zu und die eigene Stellung jedes Einzelnen in dieser „zutiefst rassistische[n] Sozialstruktur“[31] war anhand unterschiedlicher Rassemerkmale determiniert. Wer nicht arischer Herkunft entsprang war von Geburt aus ein Rassefeind der Deutschen und hatte mit Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung zu rechnen. Im Visier der nationalsozialistischen Verfolgungsapparate standen mit Beginn der Kriegsendphase jedoch auch sämtliche Volksgenossen, die als volksschädigend angesehen wurden.[32]

4.1.2 Entgleiste Gewalt – Radikalisierung der Justiz

Je näher die unausweichliche Kriegsniederlage rückte, desto erbarmungsloser gingen die nationalsozialistischen Verfolgungsinstitutionen vor. Das Regime unterstützte diese Entwicklung, indem Reichs- und Gauinstanzen ideologisch strikte, aber hinsichtlich der konkreten Umsetzung weitgehend vage Richtlinien vorgaben, die den örtlichen Partei- und Sicherheitsbehörden letztendlich eine Blankovollmacht in Sachen Gewaltausübung ausstellten. Konsequenzen waren lediglich zu befürchten, wenn im Zweifel nicht von der Waffe Gebrauch gemacht wurde. Der Justizwillkür war dadurch am Kriegsende „Tür und Tor“[33] geöffnet. Ein Faktum, dass sich vor allem in der Zahl von Verurteilungen vor dem Volksgerichtshof und den zahlreichen Sondergerichten wiederspiegelt. In der Zeit zwischen 1939 und 1945 vollstreckte die NS-Militärjustiz zwischen 22.000 und 30.000 Todesurteilen. Darunter alleine circa 15.000 vollstreckte Ermordungen von Deserteuren.[34] Die aktuelle geschichtswissenschaftliche Forschung geht davon aus, dass alleine in der Zeitspanne zwischen Januar und Mai 1945 rund 4.000 Todesurteile der Wehrmachtjustiz und 6.000 bis 7.000 vollstreckte Exekutionen von den Standgerichten verhängt wurden. Die Zahl der willkürlich hingerichteten Personen ist nicht zu beziffern.[35]

Besagte Entwicklungen lassen sich auf eine deutliche Intensivierung der Justizrepression ab dem 20. Juli 1944 zurückführen. Ausgelöst durch das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler, erreichte die Gewalt im Reich eine neue Qualität.[36] Am 5. September 1944 richtete sich Heinrich Himmler, Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres, mit einem Befehl an die Gerichtsherren des Ersatzheeres. Demnach sei der „Strafvollzug […] ausnahmslos in den unmittelbaren Dienst der Kriegsführung“[37] zu stellen. Sowohl die zivile, als auch die militärische Ebenen der Strafverfolgung wurden also vermischt. Die Gefolgsbereitschaft der Bevölkerung sollte nicht länger nur mit Hilfe von Massenmanipulation und Propaganda erschlichen, sondern mittels Strafe und Abschreckung erzwungen werden.[38] Trotz der Durchhalteparolen war vielen Soldaten und Zivilisten jedoch bereits lange vor dem Kriegsende klar, dass eine Fortführung des Krieges sinnlos und selbstzerstörerisch war. Je stärker die Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung anstieg, desto härter griffen die Unterdrückungsorgane des untergehenden NS-Staates durch.[39] In den letzten Kriegsmonaten wurden immer neue, härtere Strafen festgeschrieben. Gleichzeitig gingen die Institutionen der Vollstreckungsjustiz immer erbarmungsloser vor. Bereits am 25. September 1944 wurde ein Befehl zum Vorgehen gegen Plünderer erteilt, nachdem selbige „unverzüglich zu erschießen“[40] seien. Seit Mitte Februar 1945 wurden die sogenannten Standgerichte gebildet. Die nationalsozialistischen Verfolgungsbehörden erhielten damit ein „Instrument des Ausmerzens“[41]. Die Verordnung, welche vom Reichsminister der Justiz Otto Georg Thierack, erlassen wurde, markierte den Übergang von einer radikalisierten politischen zu einer Standjustiz. In den Gerichtsverfahren wurde – wenn nicht ohnehin eine Exekution ohne jegliche Gerichtsverhandlung durchgeführt wurde – nur noch sporadisch die Umsetzung justizieller Verfahrensformen vorgetäuscht.[42] Sonderkommandos wurden „weitgehende Sonderbefugnisse“ erteilt. Sofortiges Eingreifen war gestattet, „wenn Wehrmachtangehörige sich ohne Befehl vom Feind absetzen, sich der Feigheit schuldig machen, sich Versprengte nicht sofort bei der nächsten Truppe melden, plündern, verwundete Kameraden oder Wehrmachtgut, vor allem Waffen und Munition, im Stich lassen, Kampfmittel ohne dringendste Notwendigkeit zerstören [und] wenn Führer oder Unterführer in ihrer soldatischen Haltung versagen oder sonst ihre Führungspflichten schwer verletzten.“ Derartige Vergehen waren mit „Pflicht zum Waffengerbrauch [verbunden], wenn die Lage der die Manneszucht nicht anders wiederhergestellt werden kann.“[43] Ein herausstechendes Datum bildet der 3. April 1945. Heinrich Himmler erlies den sogenannten Flaggenbefehl. Demnach seien „aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint, […] alle männlichen Personen zu erschießen. Es [dürfe] bei diesen Maßnahmen keinen Augenblick gezögert werden.“[44] Das totale Versagen aller juristischen Zu- und Absicherungen vollzog sich mit besagtem Flaggenbefehl.

Als Folge der Repressionen festigte sich in der deutschen Gesellschaft vor allem ein Gemütszustand: Todesangst – sowohl vor den Alliierten An- und Übergriffen, als auch vor der nationalsozialistischen Abschreckungsjustiz.[45] Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die Massen, auch als die diktatorischen Mechanismen der Verhaltenskontrolle schon defekt und die Befehlsketten vielfach durchbrochen waren, weiterhin dem Regime folgten.[46]

4.1.3 Die Ultimo Ratio: Überleben

„With the Soviet offensive, […] the intensification of the Allied bombing, and the escalation of Nazi terror against German people, Germans were exposed to deadly violence as never before.“[47] Ein Großteil der deutschen Bevölkerung sah sich dieser allgegenwertigen Gefahr schutz- und hilflos ausgesetzt. Angst und Verzweiflung müssen im Angesicht des überall lauernden Todes ständige Begleiter der Menschen gewesen sein. Wer leben durfte oder sterben musste, war der Willkür der örtlich handelnden Personen unterworfen.

Warum setzten jedoch sämtliche Bevölkerungsteile ihr alltägliches Leben größtenteils einfach fort? Die Antwort ist oft darin auszumachen, dass es keine Handlungsalternativen gab. Sämtliche Initiativen wurden von der Unterdrückungsmaschinerie des Regimes niedergemacht und der Terror verhinderte somit einen Ausweg zu finden. Opfer der entgleisenden Gewalt konnte praktisch jeder sein, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort befand oder sich unbedacht gegenüber den falschen Personen äußerte. Es erschien am einfachsten ohne Einschränkung weiter zu funktionieren, so wie es von den Mitgliedern der Gesellschaft erwartet wurde. Jede andere Entscheidung bedeutete gegen die bestehende Ordnung zu verstoßen und sich somit selbstständig aus der Gemeinschaft des deutschen Volkes zu exkludieren. Als Ultimo Ratio galt es unter allen Umständen zu überleben.

Außerdem, so die Einschätzung von Edgar Wolfrum, kann von einer sich entwickelnden „Volksopposition“ während der Kriegsendphase in Deutschland nicht die Rede sein. „Trotz vielfältiger Desintegrationserscheinungen wurde der politische Grundkonsens nicht in Frage gestellt, die Loyalität nicht massenhaft aufgekündigt. Widerstand war und blieb das Verhalten einer kleinen Minderheit.“[48] Bis heute teilt eine Vielzahl von Historikern Wolfrums Auffassung. Proteste oder andere Verweigerungshandlungen zur Beschleunigung einer friedlichen, lokalen Kapitulation entsprangen in der Regel spontanen, in ihrer räumlichen und inhaltlichen Ausdehnung begrenzten Einzelaktionen.[49] Die Zielsetzung solcher Handlungen lag in einer schnellstmöglichen lokalen Kriegsbeendigung und kann nicht als eine generelle Gegnerschaft zum Nationalsozialismus gesehen werden.[50]

4.2 Durchhalten bis zum Schluss – Fanatismus aus tiefster Überzeugung

Die nationalsozialistischen Verbrechen der Endphase waren eng verknüpft mit dem zunehmenden Zerfall staatlicher Ordnung. „Entbürokratisierung und Dezentralisierung, die Auflösung von Entscheidungswegen und militärischen Befehlsstrukturen gaben den Akteuren vor Ort […] bisher nicht gekannte Entscheidungskompetenzen und Handlungsspielräume.“[51] Die Verschiebung der Kompetenzen und Verantwortlichkeit gipfelte in dem „Krieg nach innen“[52]. Zu klären ist jedoch, warum das sinnlose Morden auch im Angesicht der unausweichlichen militärischen Niederlage fortgesetzt wurde und die Gewaltausübung eine bis dato ungekannte Qualität erreichte?

4.2.1 Aufrechterhalten des Systems – totaler Fanatismus

Einer der Gründe für die Intensivierung der Gewalt in der Kriegsendphase hängt mit der ideologischen Grundstruktur des Nationalsozialismus zusammen. Die Angst vor einem erneuten „Herbst 1918“ war zentral und allgegenwertig. Viele der führenden Militärs im nationalsozialistischen Staat waren in ihrem Selbstbild durch die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und die Nachkriegsjahre sowie die unrühmliche Zeit der Weimarer Republik geprägt. Ein Großteil von ihnen folgte dem traditionellen militärischen Wertekanon. Ehre, Pflichterfüllung, Disziplin, Befehlsgehorsam und Härte im Kampf galten als unabdingbar.[53] Aus diesen Grundzügen entsprang auch die Überzeugung, dass Fahnenflucht und Desertation besonders verachtens- und strafenswerte Verbrechen seien. Diese Auffassung hatte jedoch nicht nur die militärische Führungselite, sondern war auch unter den untergestellten Soldaten verbreitet.[54] Soldaten, die frühzeitig mit dem Krieg abschlossen und die Niederlage kampflos hinnehmen wollten, konnten nicht auf die Unterstützung ihrer Kameraden hoffen, mussten mit einer Konfrontation mit ihren Vorgesetzten und drastischen Strafen rechnen. Deserteure, Simulanten oder „Drückeberger“[55] bewirkten mit ihrem Verhalten ein selbstverschuldetes Ausscheiden aus der Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes. „In der Logik des Volksgemeinschaftsentwurfs wurde Vergeltung an jenen geübt, die die Heimat destabilisierten und der Front in den Rücken fielen.“[56]

Als zentrales Element wird an dieser Stelle das besondere Ehrgefühl des Soldatentums deutlich. Deutsche Soldaten wurden, unmittelbar nach dem Tod Paul von Hindenburgs am 2. August 1934, auf die Person Hitlers vereidigt. Ihr Schwur gegenüber dem „Führer“ galt es bis in den eigenen Untergang Folge zu leisten. In der Nachkriegszeit nutzten viele Soldaten die Vereidigung als Begründung für ihre Taten während der Kriegsjahre und ihre gleichzeitige Tatenlosigkeit gegenüber der NS-Führung. In der Wehrmacht traf die unübersichtliche und radikalisierte Befehlslage auf eine Mischung aus „blinde[r] Loyalität, Mitleidlosigkeit gegenüber der eigenen Bevölkerung, Täuschung der Soldaten und Furcht vor eigenverantwortlichem Handeln.“[57] Eine bedeutende Rolle spielte dabei die Tatsache, dass viele der späteren Endphaseverbrecher an den Fronten im Kampf gegen die alliierten Truppen eine Reihe von Abstumpfungs- und „Verrohungsprozesse“[58] durchliefen.[59]

[...]


[1] Keller, Sven: Volksgemeinschaft am Ende. Gesellschaft und Gewalt 1944/45, Oldenbourg 2013, S. 2.

[2] Ebd.

[3] Ebd., S. 21.

[4] Hervorzuheben ist vor allem Klaus-Dietmar Henke, der mit seiner Veröffentlichung über die amerikanische Besetzung Deutschlands einen grundlegenden Meilenstein in der Forschungsfrage nach den Kriegsverbrechen der Wehrmacht in der Endphase des Zweiten Weltkrieges markierte (vgl. Henke, Klaus-Dietmar: Die amerikanische Besetzung Deutschlands, 2. Aufl., München 1996). Hinzuzufügen ist Ralf Blank, der mit seinen Werken über die Endphase des Krieges den positiven Trend maßgeblich mitbestimmt (vgl. Blank, Ralf/ Sollbach, Gerhard E.: Das Revier im Visier. Bombenkrieg und „Heimatfront“ im Ruhrgebiet 1939-1945, Hagen 2005).

[5] Vgl. Kohlhaas, Elisabeth: 1945 – Krieg nach innen. NS-Verbrechen in Aschaffenburg und an Aschaffenburgern, Aschaffenburg 2005.

[6] Vgl. Keller, Volksgemeinschaft.

[7] Vgl. Punkt 4 Endphaseverbrechen auf deutschem Reichsgebiet.

[8] Keller, Volksgemeinschaft, S. 23.

[9] Vgl. ebd.

[10] Für detaillierte Informationen diesbezüglich vgl. Keller, Volksgemeinschaft, S. 24-50; vgl. außerdem ders.: Verbrechen der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Überlegungen zu Abgrenzung, Methodik und Quellenkritik, in: Arendes, Cord/ Wolfrum, Edgar/ Zedler, Jörg [Hrsg.]: Terror nach Innen. Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges, Dachau 2006, S. 25-50, hier S. 35-42.

[11] Vgl. Wolfram, Edgar: Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges, in: in: Arendes, Cord/ Wolfrum, Edgar/ Zedler, Jörg [Hrsg.]: Terror nach Innen. Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges, Dachau 2006, S. 8.

[12] Vgl. Keller, Verbrechen der Endphase, S. 26.

[13] Ebd., S. 27.

[14] Anzumerken ist, dass die Verbrechen von fanatischen Anhängern des Systems auch nach der Kapitulation Nazideutschlands eine Zeit lang anhielten (vgl. Keller, Volksgemeinschaft, S. 136 f.). Das en gros der Verbrechen klang jedoch mit dem offiziellen Kriegsende ab.

[15] Bereits zuvor waren auch Deutsche nicht von der Strafjustiz verschont worden, wenn ihr Vergehen gegen geltendes Gesetz verstieß. Der Unterschied liegt jedoch in dem Ausmaß der Strafbeurteilung und -verurteilung. Ein entsprechendes Beispiel stellt der Fall des jungen Anton Scharff. Der gerade einmal 19 Jahre alte Augsburger sollte nach einem „Diebstahl unter Ausnutzung der Verdunkelung“, so forderte es der Staatsanwalt, zum Tode verurteilt werden (Vgl. Meldung des ,,Völkischen Beobachters" vom 24. 5. 1941, in: Broszat, Martin: Zur Perversion der Strafjustiz im Dritten Reich, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 6. Jahrg., 4. H. (1958), S. 420). Der Staatssekretär Dr. Schlegelberger entschied sich jedoch gegen eine derart harte Strafe und ordnete aus mildernden Gründen 10 Jahre Zuchthaus für den Jungen an (Vgl. Schreiben des Reichsministers der Justiz Dr. Schlegelberger an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Dr. Lammers vom 28.06.1941, in: Boszat, Strafjustiz, S. 420 f.). Ein entsprechendes Verhalten des Gerichtsherrn wäre in der Endphase des Krieges nicht denkbar gewesen und eine Exekution des jungen Augsburgers von vornherein beschlossene Sache.

[16] In §5 Abs. 1 u. 2 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) vom 17. August 1938 ist geregelt, wer als ein Wehrkraftzersetzer anzusehen ist. In dem Gesetz heißt es: „(1) Wegen Zersetzung der Wehrkraft wird mit dem Tode bestraft: 1. wer öffentlich dazu auffordert oder anreizt, die Erfüllung der Dienstpflicht in der deutschen oder einer verbündeten Wehrmacht zu verweigern, oder sonst öffentlich den Willen des deutschen oder verbündeten Volke zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen sucht; 2. wer es unter nimmt, einen Soldaten oder Wehrpflichtigen des Beurlaubtenstandes zum Ungehorsam, zur Widersetzung oder zur Tätlichkeit gegen einen Vorgesetzten oder zur Fahnenflucht oder unerlaubten Entfernung zu verleiten oder sonst die Manneszucht in der deutschen oder einer verbündeten Wehrmacht zu untergraben; 3. wer es unternimmt, sich oder einen anderen durch Selbstverstümmelung, durch ein auf Täuschung berechnetes Mitte oder auf andere Weise der Erfüllung des Wehrdienstes ganz, teilweise oder zeitweise zu entziehen. (2) In minder schweren Fällen kann auf Zuchthaus oder Gefängnis erkannt werden" (entnommen aus Gruchmann, Lothar: Ausgewählte Dokumente zur deutschen Marinejustiz im Zweiten Weltkrieg, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 26. Jahrg., 3. H. (1978), S. 479.

[17] Vgl. Keller, Volksgemeinschaft, S. 9.

[18] Ebd.

[19] Ebd.

[20] Ebd., S. 7.

[21] Ebd., S. 8.

[22] Keller führt an, dass aus diesem Grund in der Nachkriegsjustiz die Täter der nationalsozialistischen Verbrechen in tiefster Überzeugung beteuern, das richtige getan zu haben (vgl. ebd., S. 9).

[23] Vgl. Zarusky, Jürgen: Von der Sondergerichtsbarkeit zum Endphasenterror, in: Arendes, Cord/ Wolfrum, Edgar/ Zedler, Jörg [Hrsg.]: Terror nach Innen. Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges, Dachau 2006, S. 103-121, hier S. 106; Keller, Volksgemeinschaft, S. 15.

[24] Keller, Volksgemeinschaft, S. 15.

[25] Ebd., S. 20.

[26] Keller, Volksgemeinschaft, S. 11.

[27] Steber, Matina/ Gotto, Bernhard: Volksgemeinschaft und die Gesellschaftsgeschichte des NS-Regimes, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 62. Jahrg., H. 3 (2014), S. 433-445, hier S. 434.

[28] Vgl. Longerich, Peter: Gemach – bis zum Praxistest, in: Steber/ Gotto, Volksgemeinschaft, S. 459-462, hier S. 462; Keller, Volkgemeinschaft, S. 13.

[29] Vgl. Keller, Volksgemeinschaft, S. 12; Steber/ Gotto: Gesellschaftsgeschichte, S. 434.

[30] Steber/Gotto: Gesellschaftsgeschichte, S. 442.

[31] Keller, Volksgemeinschaft, S. 12.

[32] Als volksschädigend wurden sämtliche Gegner des Regimes angesehen. Politische Gegner, Defaitisten, Deserteure oder Wehrkraftzersetzer sowie Juden galten zählten zu den Opfern dieser Gewalt. Außerdem galten beispielsweise Menschen mit Behinderung als ein Hindernis, das es zu beseitigen galt, um eine Schädigung des „Volkskörpers“ entgegenzuwirken (vgl. Keller, Volksgemeinschaft, S. 12).

[33] Haase, Norbert: Justizterror in der Wehrmacht am Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Arendes, Cord/ Wolfrum, Edgar/ Zedler, Jörg [Hrsg.]: Terror nach Innen. Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges, Dachau 2006, S. 80-102, hier S. 84.

[34] Insgesamt wurden circa 30.000 Todesurteile gegen Wehrmachtsangehörige ausgesprochen, von denen mehr als 20.000 umgesetzt wurden (vgl. zu den Zahlen Wüllner, Fritz: Die NS-Militärjustiz und das Elend der Geschichtsschreibung. Ein grundlegender Forschungsbericht, 2., durchges. und erg. Aufl., Baden-Baden 1997, S. 138). Goebbels notierte in seinem Tagebuch über den Umgang mit Deserteuren: „[…] von allen Seiten der Reichsbehörden wie auch der militärischen Dienststellen werden scharfe Erlasse gegen Deserteure aus dem militärischen und zivilen Sektor herausgegeben. Bestimmte Typen von Soldaten und Zivilisten spielen sich im nicht vom Feind besetzten Reichsgebiet als Versprengte auf und führen hier ein parasitäres Leben weit ab vom Schuß. […] Diese Deserteure gehören entweder in Strafbataillone gesteckt oder erschossen“ (Fröhlich, Elke [Hrsg.]: Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Teil 2. Diktate 1941-1945, Bd. 15, Eintrag vom 9.2.1945, München u.a., S. 343). In der Forschung ist die Frage nach der genauen Anzahl von Deserteuren der Wehrmacht ungeklärt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es „weit über 100.000“ gewesen sein müssen, wobei die Obergrenze auf etwa 300.000 zu beziffern ist. Diese Angaben sind definitiv vorstellbar, wenn man sich vor Augen führt, dass allein im November 1944 rund 23.000 Deserteure von der Wehrmachtführung erfasst waren (vgl. Ebd., S. 345).

[35] Vgl. Henke, S. 812; Vgl. Haase, Justizterror, S. 86.

[36] Vgl. Haase, Justizterror, S. 80.

[37] Befehl Heinrich Himmlers an die Gerichtsherren des Ersatzheeres vom 5.9.1944, in: Bundesarchiv-Zentralnachweisstelle (BA-ZNS), Order WR III 1945.

[38] Vgl. Zarusky, Sondergerichtsbarkeit, S. 106 f.

[39] Vgl. Haase, Justizterror, S. 82.

[40] Befehl Heinrich Himmlers über den Umgang mit Plünderern, in: BArch-MA Freiburg, RH 48/32, Bl. 45 f., OKW/Chef des Wehrmachtstreifendienstes/IcI Nr. 564/45 geh., 13.2.1945.

[41] Zarusky, Sondergerichtsbarkeit, S. 103.

[42] Nähere Informationen zur Wirkungsweise, Zusammensetzung und anderen Aspekten der Standgerichte liefert Jürgen Zarusky (vgl. ebd., S. 111-114).

[43] Befehl Keitels über das „Verhalten von Offizier und Mann in Krisenzeiten“, BArch-MA Freiburg, RH 20-19/196, Bl. 41f., Chef OKW 14 n 16 WR (I/3) Nr. 101/45 geh., 28.1.1945.

[44] Befehl Himmlers an die Zivilbevölkerung vom 3. April 1945, in: Haase, Justizterror, S. 82 f.; vgl. außerdem Zarusky, Sondergerichtsbarkeit, S. 114.

[45] Vgl. Haase, Norbert: Justizterror in der Wehrmacht am Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Arendes, Cord/ Wolfrum, Edgar/ Zedler, Jörg [Hrsg.]: Terror nach Innen. Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges, Dachau 2006, S. 80-102, hier S. 80.

[46] Vgl. Zarusky, Sondergerichtsbarkeit, S. 118.

[47] Bessel, Richard: The War to End All Wars. The Shock of Violence in 1945 and Its Aftermath in Germany, in: Lüdtke, Alf/ Weisbrod, Bernd [Hrsg.]: No Man’s Land of Vioence. Extreme Wars in the 20th Century, Göttingen 2006, S. 69-110, hier S. 72.

[48] Wolfrum, Edgar: Widerstand in den letzten Kriegsmonaten, in: Steinbach, Peter/ Tuchel, Johannes [Hrsg.]: Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Bonn 1994, S. 537-552, hier S. 540; vgl. Kohlhaas, Elisabeth: „Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen“. Durchhalteterror und Gewalt gegen Zivilisten am Kriegende 1945, in: Arendes, Cord/ Wolfrum, Edgar/ Zedler, Jörg [Hrsg.]: Terror nach Innen. Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkrieges, Dachau 2006, S. 51-79, hier S. 57.

[49] Vgl. Kohlhaas, Durchhalteterror, S. 57.

[50] Ein oftmals angeführtes Beispiel ist das Verhalten der sogenannten „Männer von Brettheim“ (vgl. ebd., S: 58; Zarusky, Sondergerichtsbarkeit, S. 105; detailliert Bertram, Jürgen: Das Drama von Brettheim. Eine Dorfgeschichte am Ende des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt am Main 2005). Der zum Tode verurteilte Ortsgruppenleiter starb mit den Worten: „Ich habe mich bis jetzt für den Führer eingesetzt und wünsche ihm alles Gute!“ (Bertram, Drama von Brettheim, S. 48).

[51] Kohlhaas, Krieg nach innen, S. 14; vgl. Keller, Volksgemeinschaft, S. 4.

[52] Vgl. Kohlhaas, Krieg nach innen.

[53] Vgl. Keller, Volksgemeinschaft, S. 432.

[54] Vgl. ebd., S. 360.

[55] Ebd., S. 360.

[56] Ebd., S. 421.

[57] Messerschmidt, Manfred: Krieg in der Trümmerlandschaft. „Pflichterfüllung“ wofür?, in: Borsdorf, Ulrich/ Jamin, Mathilde [Hrsg.]: Über Leben im Krieg. Kriegserfahrungen in einer Industrieregion 1939-1945, Reinbek 1989, S. 169-178, hier S. 177; Kohlhaas, Krieg nach innen, S. 15.

[58] Kohlhaas, Krieg nach innen, S. 15.

[59] Elisabeth Kohlhaas stellt fest, dass die Endphaseverbrechen in ihrer methodischen Ausführung und den Abläufen nicht zu leugnende Übereinstimmungen mit den Vernichtungseinsätzen in den osteuropäischen Besatzungsgebieten aufzeigen (vgl. ebd., S. 15).

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Deutschland im Totalen Krieg. Endphaseverbrechen im Zweiten Weltkrieg
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
25
Katalognummer
V416001
ISBN (eBook)
9783668659292
ISBN (Buch)
9783668659308
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zweiter Weltkrieg, Nachkriegsverbrechen, Endphaseverbrechen, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Jörg Glowka (Autor:in), 2017, Deutschland im Totalen Krieg. Endphaseverbrechen im Zweiten Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416001

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