Ist der Episodenfilm ein Kurzfilm? Beispielanalyse von "Paris, je t'aime"


Examensarbeit, 2016

61 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Episode
2.1 Episodenfilm
2.2 Omnibus- oder Kollektivfilm
2.3 Ensemblefilm

3. Der Kurzfilm
3.1 Die Geschichte des Kurzfilms
3.2 Überlegungen zu einer Geschichte des Kurzfilms
3.3 Der Kurzfilm in Kino und Fernsehen
3.4 Kurzfilminstitutionen
3.5 Kurzfilmgattungen

4. Narration und Dramaturgie im Kurzfilm
4.1 Narration
4.2 Dramaturgie

5. Das Handlungsgerüst

6. Protagonisten

7. Paris, je raime
7.1. Loin du 16 (Walter Salles, Daniela Thomas)
7.1.1 Inhalt
7.1.2 Gattung
7.1.3 Narration und Dramaturgie
7.1.4 Handlungsgerüst
7Л.5 Protagonisten
7.2 Quartier de Madeleine (Vincenzo Natali)
7.2.1 Inhalt
7.2.2 Gattung
7.2.3 Narration und Dramaturgie
7.2.4 Handlungsgerüst
7.2.5 Protagonisten
7.3 Bastille (Isabel Coixet)
7.3.1 Inhalt
7.3.2 Gattung
7.3.3 Narration und Dramaturgie
7.3.4 Handlungsgerüst
7.3.5 Protagonisten
7.4 Quais de Seine (Gurinder Chadha)
7.4.1 Inhalt
7.4.2 Gattung
7.4.3 Narration und Dramaturgie
7.4.4 Handlungsgerüst
7.4.5 Protagonisten
7.5 14. Arrondissement (Alexander Payne)
7.5.1 Inhalt
7.5.2 Gattung
7.5.3 Narration und Dramaturgie
7.5.4 Handlungsgerüst
7.5.5 Protagonisten

8. Fazit

9. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Das Medium Film ist in der heutigen Zeit eines der wichtigsten Massenmedien unserer Gesellschaft. Sowohl in Form des Kinos als auch in Form des Fernsehens. Zugleich ist er eines der bedeutendsten Elemente der modernen Gesellschaft geworden. Medien im übergeordneten Sinne sowie der Film nehmen in der heutigen Gesellschaft eine solch wichtige Rolle ein, dass sie auf die Realitätskonstruktion weiter Teile der Menschheit einwirken (vgl. Hallermayer 2008: 1). Sie können also unser Weltbild beeinflussen. Durch ihre Präsenz und dadurch, dass der durchschnittliche Mediennutzer sich ihrem Einfluss kaum entziehen kann, wirken sie auf die Realitätskonstruktion der Rezipienten ein (vgl. ebd.: 1). Mittlerweile existiert eine Vielzahl an Filmtypen, in denen zwar nach wie vor Geschichten erzählt werden, die sich jedoch in ihrer Struktur grundlegend voneinander unterscheiden (vgl. Brugger 2010: 9). Das Medium Film ist also ein ausgesprochen komplexes Produkt, welches für den Rezipienten meistens nicht einfach zu analysieren und zu deuten ist. Verschiedene Faktoren spielen hierbei eine wichtige Rolle. Neben der Kultur, in der ein Film entsteht, müssen die Entstehungszeit, wie filmische Werke gestaltet werden, die sich ständig wandelnden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, beachtet werden. Neben den verbesserten technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit, muss des Weiteren beachtet werden, dass Produzenten, Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler ebenfalls Einfluss auf den Entstehungsprozess eines Films nehmen (vgl. Hallermayer 2008: 2). Deshalb ist es wichtig, dass der Wandel des Films seit seiner Entstehung genauer beleuchtet wird. Heutzutage ist ״das Phänomen mehrerer parallel erzählter Handlungsstränge innerhalb eines Films“ (Brugger 2010: 8) keine Seltenheit mehr. Bereits 1916 realisierte der ElS-amerikanische Filmproduzent D.w. Griffith mit seinem Film Intolerance-Love ’s struggle throughout the ages einen in vier verschiedenen Epochen angesiedelten Film, in dem sich thematisch-historische Bezugspunkte der Epochen zueinander über die Montage konkretisieren und eben die Geschichte nicht mehr durch eine Rahmenhandlung einfasst und in Beziehung gesetzt wird (vgl. Schössler 2007: 172). Es entstand im Laufe der Jahre eine große Anzahl an Filmen, für die Kreuzungen und Verwebungen der Handlungsstränge charakteristisch sind, wie z.в. Short Cuts (1993) von Robert Altman oder Grand Hotel (1932) von Edmund Goulding.

Da diese verschiedenen Filmtypen ihrerseits unterschiedliche Charakteristika aufweisen, scheint es sinnvoll, eine klare begriffliche Einteilung voranzustellen. Aus dem Grund werden auch zunächst artverwandte Filme untersucht und einer begrifflichen Abgrenzung unterzogen. Der Fokus soll hierbei besonders auf der Erklärung jener Filmtypen gelegt werden, welche im Hauptteil dieser Arbeit im Mittelpunkt des Interesses Stehen.

Wie bereits angemerkt, gibt es keinen terminologischen Konsens, was die begriffliche Festlegung von Filmen betrifft, in denen gleichzeitig eine Vielzahl an Geschichten erzählt werden. Nach Brugger (2010: 12) werden oftmals sämtliche Filmtypen, die inhaltlich mehr als eine Geschichte erzählen, zu dem Sammelbegriff ״Episodenfilm“ zusammengefasst. Durch die ״gravierenden strukturellen Unterschiede dieser sogenannten Episodenfilme scheint es sinnvoll, auch begriffliche Unterscheidungen zu treffen“ (Brugger 2010: 12). Aus diesem Grund werden zunächst die Episode und der Episodenfilm detailliert dargestellt, um anschließend die beiden Subkategorien des Episodenfilms, nämlich der Omnibus- oder Kollektivfilm und der Ensemblefilm, genauer zu beleuchten. Danach wird genauer auf den Kurzfilm eingegangen. Dazu wird zunächst die Entstehungsgeschichte des Kurzfilms beleuchtet. Wichtig hierbei ist ganz besonders die Abgrenzung des Kurzfilms vom Langfilm. Denn erst nachdem diese Abgrenzung vorgenommen wurde, entstand die Bezeichnung ״Kurzfilm“. Anschließend wird kurz erläutert, welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um eine Geschichte für einen Kurzfilm realisieren zu können. Hierbei nehmen die zeitgenössischen Faktoren eine ganz entscheidende Rolle ein. Darauf aufbauend wird die Akzeptanz und die Krise des Kurzfilms im Laufe des 20. Jahrhunderts im Kino und im Fernsehen beschrieben. Die Kurzfilmproduktion ging Mitte des 20. Jahrhunderts zurück und wurde nur noch vereinzelt realisiert. Deshalb entstanden sogenannte Kurzfilminstitutionen, die weiter mit dem Medium Kurzfilm arbeiteten. Die Kurzfilminstitutionen gliedern sich neben Agenturen und Verleihern, in Filminstitute und Konferenzen. So wurden darüber hinaus diverse Kurzfilmfestivals ins Leben gerufen, um den Stellenwert des Kurzfilms in der Gesellschaft wieder anzuheben und seinen Erhalt zu sichern.

Anschließend werden die verschiedenen existierenden Kurzfilmgattungen vorgestellt.

Zwei weitere Faktoren, die einen Kurzfilm sowie einen Langfilm ausmachen, sind die Narration und die Dramaturgie im Film. Diese beiden Elemente unterscheiden sich im Kurzfilm aber grundlegend von denen im Langfilm. Des Weiteren muss das Handlungsgerüst eines Kurzfilms beachtet werden, denn wie jede andere Form eines Films, muss auch ein Kurzfilm eine bestimmte Struktur für seinen Handlungsablauf aufweisen. Die Festlegung dieser genannten Charakteristika ist entscheidend für den ganzen Kurzfilm. Anschließend wird auf die Protagonisten eingegangen, die im Kurzfilm wesentlich weniger detailliert dargestellt werden können als im Langfilm.

All diese Faktoren sind wichtig, um entscheiden zu können, ob es sich um einen Episoden- oder Kurzfilm handelt. Darauf aufbauend wird der 2006 entstandene Film Paris, je Vaime vorgestellt, dessen Analyse auf die Frage bezogen, ob der Episodenfilm auch ein Kurzfilm ist, den Kern dieser Arbeit bildet. Es handelt sich dabei um einen Film, der von mehreren Regisseuren produziert wurde. Dazu werden die fünf unterschiedlichen Kurzfilme Loin du 16e von Walter Salles und Daniela Thomas, Quartier de Madeleine von Vincenzo Natali, Bastille von Isabel Coixet, Quais de Seine von Gurinder Chadha und 14e Arrondissement von Alexander Payne, anhand des vorangestellten Theorieteils der Filmanalyse detailliert vorgestellt.

2. Die Episode

Der Begriff ״Episode“ kommt aus der griechischen Antike (griech. epeisodion - Einschiebsel) und galt als ״Einschub“ (vgl. Brugger 2010: 12). Hierbei wurde ein Dialogteil zwischen zwei Chorgesängen eines dramatischen Werkes eingeschoben (vgl. Brauneck 1992: 209f.). Nach Brauneck (1992: 209f.) wurde die Episode mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts als eine Nebenhandlung, die teilweise mit der Haupthandlung verknüpft ist, verstanden. So wird die Episode auch in der Literatur als Einschub verwendet (vgl. Brugger 2010: 13). Wörtlich kann der Begriff als ,Hinzuhineintreten‘ übersetzt werden. Das bedeutet, dass ein oder mehrere Schauspieler in den Episoden der Tragödie zusätzlich zu dem auf der Bühne dauerhaft anwesenden Chor die Bühne betreten (vgl. Kühnei 2004: 117). Hoffmann (1983: 12) geht weiter und behauptet, dass die Episode vom Ganzen abgegrenzt ist und ein in sich geschlossenen Teil darstellt. ״Die Beschreibung der Episode [...] kann so verstanden werden, dass sie sowohl ohne Unterbrechung als auch ohne Verbindung zu anderen Teilen eines Episodenfilms [...] funktioniert“ (Brugger 2010: 13). Es lässt sich also festhalten, dass die Episode als ein ununterbrochenes Ganzes definiert werden kann, welches als solches wiederrum der integrierte Teil eines übergeordneten Ganzen ist (vgl. ebd.: 13). Die Definitionen von Hoffmann (1983: 12) und Brugger (2010: 13) treffen weitestgehend auf den Film Paris, je t’aime zu. Um dies genau bestimmen zu können, muss zunächst erläutert werden, welche Eigenschaften einen Episodenfilm ausmachen.

2.1 Episodenfilm

Über die Frage, wie ein Episodenfilm genau definiert ist, herrschen in der Filmliteratur terminologisch einige Unklarheiten (vgl. Schreitmüller 1983: 7). Schössler (2007: 172) definiert den Episodenfilm als ״mehrere in sich geschlossene, von einem Regisseur inszenierte Kurzfilme, die in ihrer Gesamtheit der durchschnittlichen Länge eines Spielfilms entsprechen“. Diese prägnante Definition macht nicht nur deutlich, dass die einzelnen Episoden voneinander unabhängig sind und als eigener Kurzfilm fungieren, sondern dass es nur einen Regisseur gibt, der diese Ansammlung von Kurzfilmen realisiert hat (vgl. Brugger 2010: 14). Stammen die meist inhaltlich-motivisch miteinander verknüpften Kurzfilme von verschiedenen Regisseuren, wird von einem Omnibus-Film gesprochen (vgl. Schössler 2007: 172). Folglich wäre nach Schössler (2007: 172) Paris, je t ’aime kein Episodenfilm. Er würde der Kategorie des Omnibus-Films zugeschrieben werden.

Im Lexikon der Filmbegriffe wird der Episodenfilm, als ״Genre, in dem mehrere in sich geschlossene Kurzspiel- oder Kurzdokumentarfilme durch ein gemeinsames Merkmal in Beziehung zueinander gesetzt werden“ (Lexikon der Filmbegriffe, 12.07.2016), definiert. Diese Beschreibung deckt sich weitestgehend mit der von Schössler (2007: 172). Stammen die einzelnen Episoden jedoch von verschiedenen Regisseuren, wird auch hierbei von dem sogenannten Omnibusfilm gesprochen (vgl. Lexikon der Filmbegriffe, 12.07.2016). Dieser Aspekt liegt in dem zu untersuchenden Film vor.

Scholl (1983: 82) definiert den Episodenfilm als ein gemeinsames Projekt verschiedener Regisseure. Dabei werden die Einzelteile, d.h. die Kurzfilme, autonom produziert. Außerdem muss jeder Regisseur neben der inhaltlichen auch die finanzielle Verantwortung tragen (vgl. Scholl 1983: 82). Eine willkürliche Ansammlung einzelner Kurzfilme, die nur über ein bestimmtes Thema verbunden sind, stellt für ihn den Episodenfilm dar. Er sieht darin vielmehr die Zusammenarbeit einer Vielzahl von Regisseuren, die die isolierten Kurzfilme miteinander verbinden, damit eine durchgängige dramaturgische Struktur entsteht. Die Verbindung der Kurzfilme soll erfolgen, ohne auf die verschiedenen Kurzfilmgattungen, wie Z.B. Kurzspiel-, Dokumentär- oder Experimentalfilme, zu verzichten (vgl. ebd.: 83).

Treber (2005) nimmt eine weitere Begrenzung der Episode als ein ״zeitlich und räumlich in sich abgeschlossenes narratives Segment“ (Brugger nach Treber 2010: 14) vor. Laut Brugger (2010: 14) wird durch einen Wechsel des Schauplatzes oder einen Zeitsprung jeder Film ein Episodenfilm. Deshalb erscheint diese Definition weniger sinnhaltig, da ״bei Episodenfilmen [...] die einzelnen Episoden weitgehend gleich viel Gewicht, d.h. den Episoden wird annähernd gleich viel“ (Brugger: 2010, 14) Spielzeit zugeschrieben. Ist dies nicht der Fall, entstünde der Eindruck, dass eine Episode die Haupthandlung des Films mit mehreren Nebenhandlungen einnimmt (vgl. ebd.: 14). Trotzdem kann gesagt werden, dass im Episodenfilm ein ״ausgeprägter Hang zur Ort-, Zeit- und Objektfixierung“ (Schössler 2007: 173) vorhanden ist. So verliehen beispielsweise Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Woody Allen in ihrem Film New Yorker Geschichten (1989) in den Episoden ihrer subjektiven Wahrnehmung New Yorks, der Stadt Ausdruck. Genauso ist es in dem 2006 entstandenen Spielfilm Paris, je t’aime.

Brugger (2010: 14) hat die Merkmale eines Episodenfilms folgendermaßen zusammengefasst:

Der Episodenfilm beinhaltet immer mehr als einen Handlungsstrang.

Jeder Handlungsstrang ist weitestgehend gleichberechtigt.

- Die Handlungsstränge werden in einer ununterbrochenen Einheit präsentiert. Das schließt jedoch nicht aus, dass es keine verbindenden Elemente gibt, wie etwa ein gemeinsamer Rahmen. Ganz im Gegenteil, diese sind notwendig und erwünscht, um die Einheit des Films zu garantieren.
- Die einzelnen Handlungsstränge werden nacheinander erzählt, wegen der Geschlossenheit der einzelnen Episoden (vgl. Brugger, 2010: 14).

Die aufgeführten Merkmale decken sich in folgenden Punkten mit denen von Schreitmüller (1983: 8):

- Ein Gesamtfilm muss mindestens zwei oder mehrere kürzere, in sich abgeschlossene Teilfilme (Episoden) enthalten.
- Die einzelnen Episoden müssen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung als Teile eines langen Episodenfilms geplant sein.
- Die einzelnen Episoden des Gesamtfilms müssen zwangsläufig von verschiedenen Regisseuren abgedreht sein (vgl. Schreitmüller, 1983: 8).

Kühnei (2004: 117f.) stellt dem hinzufügend zwei Verknüpfungstechniken für den Episodenfilm vor:

a) Addition: Hierbei werden verschiedene Episoden aneinander gereiht.

b) Alternation: Die Parallelmontage dient als Verknüpfungsmittel, d.h. zeitlich und räumlich voneinander unabhängige Handlungen werden eben durch die Parallelmontage zusammengefasst (vgl. Kühnei: 2004, 117f.).

Die von Brugger (2010: 14) und Schreitmüller (1983: 8) vorgegebenen Merkmale, die ein Film beinhalten muss, um als Episodenfilm bezeichnet werden zu dürfen, werden von Paris, je t ’aime erfüllt. Diese Merkmale werden im weiteren Verlauf der Arbeit näher beleuchtet. Des Weiteren wird die Addition in dem Film angewendet, da verschiedene Kurzfilme, von unterschiedlichen Regisseuren, aneinandergereiht wurden, die sich über den Aspekt des Ortes miteinander verbinden lassen. Dem hinzukommend ist der

Episodenfilm eine sinnvolle Möglichkeit, Kurzfilme im Kino präsentieren zu können, da er die Spielzeit eines Langfilms aufweist. Der Episodenfilm steht ״vor allem [für] das Zusammenklingen verschiedener künstlerischer Individualität zu einem Thema“ (Ruf 1983: 5).

Außerdem wird bei dem Episodenfilm zwischen Einheitlichkeit der Handlung aufgrund der konzeptuellen Ordnung der Episoden, d.h. aufgrund des Themas und der Einheit der Handlung auf der narrativen Ebene der Geschichte, d.h. ein Film mit mehreren gleichberechtigten Handlungen, unterschieden (vgl. Kühnei 2004: 117f.). Es kann festgehalten werden, dass nach Kühnei (2004: 121) zwischen den vier aufgeführten Typen des Episodenfilms unterschieden werden kann. Das Zusammenwirken der Regisseure ist im besten Fall die konsequente Erfüllung des filmischen Schaffens. Die Regisseure sind zwar in ihrem Temperament und in ihrem künstlerischen Ausdruck verschieden, aber dieser Aspekt ist das, was einen Episodenfilm auszeichnet. Nämlich, dass verschiedene Ansichten und Arbeitsweisen zu einem Film vereint werden (vgl. Ruf 1983: 5).

Wie bereits erwähnt, werden Filme teilweise in der Filmliteratur, die aus inhaltlich-motivisch verknüpften Kurzfilmen von verschiedenen Regisseuren bestehen, als Omnibus- oder Kollektivfilme bezeichnet. Diese werden im Folgenden genauer erläutert.

2.2 Omnibus- oder Kollektivfilm

Der Omnibus- oder Kollektivfilm tritt vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa in Erscheinung. Nach dem Lexikon der Filmbegriffe versteht man darunter einen Film, der ״aus mehreren Filmgeschichten [...] mehrerer Regisseure besteht, die zusammen die Länge eines Spielfilms erreichen und unter einem gemeinsamen Titel vertrieben werden“ (Lexikon der Filmbegriffe, 12.07.2016). Brugger (2010: 15) versteht darunter ebenfalls einen Langfilm, der aus mehreren von unterschiedlichen Regisseuren hergestellten Kurzfilmen besteht. In der Forschung herrscht demnach Einstimmigkeit, was die Definition des Omnibus- oder Kollektivfilms betrifft. Es wird von einer Art des Episodenfilms gesprochen, in dem Kurzfilme voneinander unabhängig und in sich geschlossene Einheiten sind, die alle einem Gesamtkonzept unterliegen (vgl. Brugger 2010: 15). Der Omnibusfilm kann auch als Metapher verstanden werden. Dies bedeutet, die produzierten Filme werden alle einem Gesamtkonzept untergeordnet, wie ״die willkürlich zusammen gewürfelten Passagiere eines Omnibusses, die lediglich die eine Gemeinsamkeit haben, dass sie alle im selben Bus sitzen“ (Brugger nach Hoffmann 2010: 15).

So unterscheidet sich der Omnibusfilm von dem Kollektivfilm lediglich darin, dass der Kollektivfilm von ein und demselben Regisseur realisiert wird (vgl. Hoffmann, 1983: 17). Der Omnibus- und Kollektivfilm können also als Unterkategorien des Episodenfilms bezeichnet werden. Deshalb kann auch durch die Definition von Brugger (2010: 15) festgehalten werden, dass Paris, je Vaime in die Kategorie des Episodenfilms falle. Jedoch müsste er genauer als Omnibusfilm definiert werden, da lediglich die Gemeinsamkeiten im Spielort und in dem Aspekt der Darstellung von Liebe in allen Episoden liegen. ״Ein gemeinsames Thema für alle Episoden eines Films ist nicht nur ein fast konstitutives Merkmal fast aller Omnibusfilme“ (Schreitmüller 1983: 35), sondern es wird dadurch ein Minimum an Kohärenz zwischen den narrativ und stilistisch unabhängigen Kurzfilmen garantiert.

Ein weiteres Merkmal, welches alle Formen des Episodenfilms gemeinsam haben, ist, dass sie alle aus mehreren Kurzfilmen bestehen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dem Kurzfilm die nötige Beachtung zu schenken und diesen im weiteren Verlauf detailliert vorzustellen. Zunächst aber liegt der Fokus auf der Definition des Ensemblefilms.

2.3 Der Ensemblefilm

Eine weitere Art des Episodenfilms ist der Ensemblefilm. ״Der Begriff Ensemble stammt aus dem französischen und bedeutet ״Zusammen und miteinander“ (vgl. Stutterheim/Kaiser 2009: 218). Dies bedeutet zunächst, dass eine Gruppe von Menschen, d.h. Regisseure oder Protagonisten, miteinander arbeitet. Ein Ensemblefilm besteht wie ein Episodenfilm auch aus mehreren Kurzfilmen, die zu einem Langfilm vereint werden. Die einzelnen Kurzfilme sind in sich geschlossen und voneinander unabhängig (vgl. Hoffman 1983: 17). Brugger (2010: 16) geht weiter und behauptet, dass mindestens drei Protagonisten in der erzählenden Geschichte enthalten sein müssen.

Stutterheim/Kaiser (2009: 218) bestärken dies und sprechen von einem Ensemblefilm, wenn mehr als zwei Protagonisten, die gleichberechtigt sind, agieren. Jedoch findet man hierbei nicht nur eine Haupt- und mehrere Nebenfiguren vor, sondern die Figuren sind alle gleichberechtigt. Das bedeutet, dass jedem Protagonisten gleich viel Erzählzeit und Platz innerhalb eines Films zugeschrieben werden (vgl. Brugger 2010: 16). Folglich ist jeder Episodenfilm gleichzeitig ein Ensemblefilm, weil jedem Protagonisten mindestens ein Handlungsstrang zugeschrieben wird. Nach Brugger (2010: 16f.) muss ein Ensemblefilm nicht zwangsläufig ein Episodenfilm sein, da trotz der Vielzahl an Protagonisten nur eine Geschichte erzählt werden kann. Nach diesen Definitionen könnte der Film Paris, je ť aime auch in die Kategorie des Ensemblefilms eingeordnet werden, weil am Ende des Films eine Vielzahl der Protagonisten auf einandertreff en und miteinander agieren (vgl. Carné, Tristan: Paris, je faime 2006: 01:52:01 -01:52:26).

3. Der Kurzfilm

Hierzu wird zunächst erläutert, welche Charakteristika für einen Kurzfilm prägend sind, wie dieser sich im Laufe der Geschichte entwickelt hat, welche Institutionen des Kurzfilms sich herausgebildet haben, noch existieren und welche Kriterien erfüllt werden müssen, damit ein Film dieser Kategorie zugeordnet und realisiert werden kann. Dazu gehören neben den Kurzfilmgattungen, die Narration, das Handlungsgerüst, die Erzählperspektive und die Charaktere.

3.1 Die Geschichte des Kurzfilms

Grundsätzlich sind die Herstellungsmethoden und Produktionsabläufe eines Kurz- und Langfilms identisch: Beide erzählen eine Geschichte und bedienen sich dabei verschiedenster Genres und behandeln unterschiedliche Themen. ״Die Aufgabenverteilung am Set und in der Post-Produktion, Kamera, Ton und Licht, Schnitt und Musik, alle diese Komponenten greifen in beiden Medien gleichermaßen ineinander“ (Melzener 2010: 11).

Doch was ist eigentlich ein Kurzfilm? Die Bezeichnung ״Kurzfilm“ ist als genreübergreifender Begriff zu sehen, welcher sich grob nach zwei Kriterien unterscheiden lässt: Zum einen gibt es die Abgrenzung des Kurzfilms vom Langfilm bzw. Episodenfilm, welche sich durch die Länge des Films ergibt (vgl. Behrendt 2007: 390). Also ein Film ״der drei Filmrollen bzw. eine Dauer von 30 Minuten nicht übersteigt“ (ebd.: 390). Zum anderen gibt es die Abgrenzung der unterschiedlichen Gattungen des Kurzfilms untereinander, welche vom Kurzspielfilm bis hin zum Experimentalfilm reichen.

1895 beginnt die Filmgeschichte mit dem Kurzfilm (vgl. ebd.: 390). Der Anfang lag in Hollywood, wo besonders während des Ersten Weltkrieges mit Kurzfilmen experimentiert wurde (vgl. Kurzfilmseite: 22.07.2016). Das Attribut der Kürze wurde ihnen allerdings erst später zugesprochen. Die frühen Regisseure hatten ihre produzierten Einakter nicht ausschließlich als Kurzfilme bezeichnet (vgl. Heinrich 1997: 3). Die geringe Länge der Filme aus der war damit zu erklären, dass damals die nötige Aufnahme und Projektionstechnik sowie das Filmmaterial noch nicht entwickelt waren (vgl. ebd.: 3).

Als sich das Format des abendfüllenden Langfilms 1915 herausgebildet hatte, wurde die Bezeichnung ״Kurzfilm“ erstmals eingeführt. ״Vorher entstandene Filme wurden durch die Anzahl der Akte (bzw. reels) oder durch ihr Sujet gekennzeichnet“ (Wulff 2013: 180). Schon gegen Ende der 1920er Jahre waren Filme mit einer Länge von ein bis zwei Stunden keine Seltenheit mehr. Hier wird von einem ״Spielfilm“ gesprochen (vgl. nrwision, 22.07.2016). Trotzdem bot der Kurzfilm Filmstudios immer noch die Möglichkeit, mit wenig Geld, experimentieren zu können. So entstanden in den 1970er Jahren auch die ersten Film-Departements an den Universitäten in Amerika (vgl. ebd.: 22.07.2016). Es entstand eine Art neues Genre im Kurzfilmmilieu, durch eben diese Film­Departements und die wachsende Anzahl an nationalen und internationalen Festivals, wie in Oberhausen oder Winterthur (vgl. Wulff 2013: 180). Also ist der Kurzfilm immer noch eine ernstzunehmende Chance, um sich in der Filmindustrie einen Namen zu machen. Denn viele heutzutage berühmte Regisseure haben in der Kurzfilmproduktion angefangen, wie Z.B. Tom Tykwer, Gérard Depardieu, Martin Scorsese oder Alexander Payne (vgl. Behrendt 2007: 391). Sie sind von fundamentaler Bedeutung für die Entwicklung des kreativen Potenzials und der sozialen Fähigkeiten aufstrebender Filmemacher. So können sie als eine Art Trainingsgelände für junge Regisseure gesehen werden, um sich auszuprobieren. Wer sich also entschließt einen Kurzfilm zu realisieren, der experimentiert gezwungenermaßen. Nach Melzener (2010: 10) bekommt deijenige, der sich dazu entschließt einen Kurzfilm zu drehen, einen Vorgeschmack darauf, wie es sein könnte an einem Langfilm zu arbeiten. Wer diese Herausforderung meistert, der ist bereit, den nächsten Schritt zu gehen. Wer daran scheitert, der weiß, was er beim nächsten Mal besser machen muss (vgl. Melzener 2010: lOf.). Kurzfilme sind also die Basis dafür, einen Langfilm bzw. Spielfilm realisieren zu können, denn ebenjene Langfilme sind heutzutage das Terrain, indem man am meisten Geld und Ruhm vorfindet.

3.2 Überlegungen zu einer Geschichte des Kurzfilms

Die Einführung des Langfilms bedeutete nicht unbedingt, dass der Kurzfilm ausstirbt. Obwohl dieser durch die schon erwähnte Langform abgedrängt wurde, konnten sich Publikum, Filmstudios und Kinobetreiber nicht vorstellen, ihn ganz aus dem Programm zu streichen (vgl. Heinrich 1997: 6). So rutschte er in den Status des Vorfilms ab und diente beispielsweise als Steuerminderung für Kinobetreiber (vgl. Wulff 2013: 180). Dadurch entstand in der Kurzfilmproduktion eine gewisse Freiheit zum Experimentieren (vgl. Heinrich 1997: 6). ״Der Kurzfilm wurde von künstlerischen Bewegungen als Medium aufgegriffen und in künstlerisch-experimentellen Formen genutzt“ (ebd.: 7). So entstand zum Beispiel auch das Filmmagazin Close up von den Imagisten Ezra Pound, Hilda Doolittle und Kenneth Macpherson, die über Literatur und den reduzierten ״filmischen“ Stil der Imagisten zum Film gekommen sind (vgl. ebd.: 7). Die uneingeschränkte Neuartigkeit des Mediums und das daraus entstandene Experimentierfeld, bestimmte dramaturgische Regeln nicht einhalten zu müssen und frei experimentieren zu können, steigerte die Faszination an dem Kurzfilm (vgl. Becher 2007: 16). Daraus und aus der Möglichkeit sich somit von dem kommerziellen, publikumsorientierten Langfilm abzusetzen, ergibt sich die kurze Zeitdauer dieser Filme (vgl. Heinrich 1997: 7f).

Aus diesen Gründen entdeckten auch bestehende Kunstbewegungen, wie Z.B. die Surrealisten, den Film für sich und begannen damit zu experimentieren. ״Der Surrealist Luis Bunuel schuf 1928 sein avantgardistisches Kurzfilm­Experiment Ein cmdalusischer Hund‘ (Behrend 2007: 391), welcher der wohl bekannteste seines Genres aus dieser Zeit ist. Er setzte sich nicht nur über die zeitgenössischen Konventionen des Filmemachens hinweg, sondern überzeugt, trotz des scheinbar fehlenden inhaltlichen Zusammenhangs, dadurch, dass die einzelnen Bilder und Szenen einen stark symbolischen Charakter aufweisen und an Träume und Visionen erinnern (vgl. Heinrich 1997: 8f.). Der Kurzfilm entsprach nicht nur den Ansichten der Surrealisten, sondern war zudem frei von kommerziellen Interessen und weist eine Komplexität auf, aus der sich die kurze Dauer ergibt (vgl. ebd.: 8f.). Es wird also deutlich, dass die Filmemacher schon vor dem Zweiten Weltkrieg ihre Kreativität, wenn auch mit eingeschränkten technischen Mitteln, versuchten auszuleben. Diese Experimentierfreudigkeit findet sich auch in Paris je t’aime wieder. So wird beispielsweise in dem Kurzfilm Porte de Choisy von Christopher Doyle, ein Paris dargestellt, das aussieht wie ein surreales China voller faszinierender Frauen (vgl. Welt.de, 16.10.2017).

Was macht einen guten Kurzfilm aus? Die Idee für einen Kurzfilm sollte neu sein. Das Dargestellte sollte dem Rezipienten weitestgehend unbekannt sein (vgl. Cowgill 2001: 18). Dazu kommt, dass entschieden werden muss, ob ein Stoff überhaupt realisierbar ist. Genau in diesem Aspekt liegt die Schwierigkeit. Denn dies vor Produktionsbeginn beurteilen zu können, ist nahezu unmöglich. Trotzdem hat jeder Regisseur die Möglichkeit, jede Idee frühzeitig auf die verschiedensten Faktoren überprüfen zu können, wie Z.B. die eigene Motivation, der erforderliche Zeitaufwand, die Spieldauer des Kurzfilms, die Besetzung der Charaktere, der Aufwand für die Ausstattung und die benötigten Locations (vgl. Becher 2007: 18). Auch wenn sich dies zunächst kompliziert anhört, sind die besten Ideen für einen Kurzfilm recht einfach gehalten. Der Inhalt der erzählten Geschichte kann meistens in einem Satz zusammengefasst werden (vgl. Cowgill 2001: 19). Diese Einfachheit wurde dem Kurzfilm schließlich zum Verhängnis, denn durch das Fernsehen verlor er zunehmend an Ansehen.

3.3 Der Kurzfilm in Kino und Fernsehen

Ende der fünfziger Jahre geriet die bis dahin gesicherte Präsenz des Kurzfilms in den Vorprogrammen der Kinos in eine Krise. Die Besucherzahlen waren rückläufig, viele Kinobetriebe mussten geschlossen werden. Eine Reihe von Faktoren war schließlich dafür verantwortlich. Dazu gehörte einerseits der Zweite Weltkrieg, der ״einen deutlichen Einschnitt in der Entwicklung der Filmgeschichte“ (Heinrich: 1997, 9) darstellt. Andererseits gehörten die Verleihmonopole ebenso wie die veränderten Freizeitgewohnheiten einer bundesdeutschen Gesellschaft dazu, die allmählich wieder zu einer Wohlstandsgesellschaft geworden war, und in der das Fernsehen eine wichtigere Rolle einnahm (vgl. Paech 1985: 163).

Dadurch, dass das Fernsehen zunehmend mehr Zuspruch fand, verloren die Kinos ihr Publikum und der Kurzfilm überließ schließlich seinen Platz dem Werbefilm, dessen Kosten von den Herstellerunternehmen getragen wurden (vgl. Heinrich 1997: 13). Die Wohlstandsgesellschaft wollte umworben werden und somit blieben dem Kurzfilm nur noch begrenzte Möglichkeiten, abgespielt zu werden. Somit wurde die Produktion nur noch im Bereich des Kurzspielfilms und Experimentalfilms fortgeführt. Diese Filme finden noch immer große Beachtung, wie Z.B. bei den 1955 von Hoffmann gegründeten ״Internationalen Kurzfilmtage“ in Oberhausen (vgl. Prinzler 2007: 200). Bereits 1995 sind im International Guide to Video and Film Festivals über 130 spezielle Kurzfilmfestivals aufgeführt. Sie werden u.a. in Venedig, Cannes, Melbourne und Chicago vergeben (vgl. Heinrich 1997: 14).

Mittlerweile tritt der Kurzfilm vermehrt im Fernsehen auf. ״Neben anderen kurzen audiovisuellen Formen, wie dem Werbefilm, Musikvideos und Trailern, die sich längst im Fernsehen etabliert haben“ (Heinrich 1997: 16), taucht er heute vor allem als Dokumentarfilm und Animationsfilm auf (vgl. Behrendt 2007: 391). Außerdem wird vermehrt auf den Kurzspielfilm gesetzt, der als eine Art Lückenfüller bei den Рау-TV Sendern, wie Z.B. Sky oder HBO, bei denen Langfilme meist nur zur vollen Stunde beginnen. Dadurch entstehen zwangsläufig Pausen und die Kurzfilme sollen das Interesse der Zuschauer über die Programmpause hinweg bis zum nächsten Langfilm überbrücken und aufrechterhalten (vgl. Heinrich 1997: 17). Außerdem existieren noch die Kurzfilmsendungen. Hierbei handelt es sich um eine Sendung, bei der mehrere Kurzfilme zu einer ganzen Sendung zusammengefasst werden. Diese Sendungen werden Z.B. zu einem bestimmten Thema, Regisseur oder Schauspieler zusammengestellt (vgl. ebd.: 17). So werden heute noch Z.B. auf Arte oder 3sat Kurzfilmsendungen ausgestrahlt. Dies hält nicht nur die Bedeutung des Kurzfilms aufrecht, sondern gibt den meisten jungen Regisseuren die Chance sich in der Filmbranche einen Namen zu machen (vgl. Behrendt 2007: 391f.).

Doch nicht nur in Deutschland tauchen die Kurzfilmsendungen in den Programmen der Fernsehsender auf. So werden beispielsweise Şarpise ('Ccmal+), Histoire Coartes {France 2) in Frankreich und Short and Carlies (BBC 2) in England ausgestrahlt (vgl. Heinrich 1997: 17). Jedoch wird sich der Kurzfilm im Fernsehen endgültig erst etabliert haben, wenn er wirklich akzeptiert wird und er nicht als Lückenfüller dient (vgl. ebd.: 17). So wurden im Jahr 2012 nur 214 Kurzfilme von Arte und 198 von Canal+ ausgestrahlt. France 2 hatte 70 Kurzfilme und France 3, 59 Kurzfilme in ihren Programmen (vgl. Shortf11m.de: Das Kurzfilm Magazin, 26.07.2016). Durch die geringen Zahlen wird deutlich, dass dem Kurzfilm momentan nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit zugesprochen wird. Deshalb bilden sich seit einigen Jahren immer mehr Kurzfilminstitutionen heraus, die im Folgenden genauer vorgestellt werden.

3.4 Kurzfilminstitutionen

Die Kurzfilminstitutionen sollen den Stellenwert des Kurzfilms heben, da sich in den letzten Jahren gezeigt hat, dass Kurzfilmsfestivals dafür alleine nicht ausreichen. Heinrich (1997: 19) gliedert diese in Agenturen, Verleiher, Filminstitute und Konferenzen. In Deutschland existiert die AG-Kurzfilm seit 2002. Sie fungiert als bundesweite Interessenvertretung für den deutschen Kurzfilm. Dieser Verband will die öffentliche Wahrnehmung von deutschen Kurzfilmen im In- und Ausland verbessern (vgl. AG-Kurzflim.de, 26.07.2016). In Frankreich wurde Anfang der 1980er Jahre die Agence da Coart Métrage gegründet, welche als Vorreiter der Kurzfilmagenturen gilt. Die Agence da Coart Métrage betreibt ein Verleihnetz für Kurzfilme. Kinobetreiber haben die

Möglichkeit durch ein Abonnementsystem jede Woche einen anderen Kurzfilm auszuleihen und diesen als Vorfilm im Kinoprogramm aufzunehmen (vgl. Shortf11m.de: Das Kurzfilm Magazin, 26.07.2016). Die unterhaltene Datenbank umfasste 2010 bereits 250 Titel (vgl. ebd.). Die Kurzfilme sind nach Stichworten gesammelt und können gegebenenfalls auf Anfragen nach bestimmten Themen sortiert und zu einem abendfüllenden Programm zusammengestellt werden (vgl. Heinrich 1997: 19). Zudem vermitteln sie Filmrechte zwischen Filmemachern und Fernsehsendern (vgl. ebd.: 19). Weitere Agenturen haben sich nach dem französischen Vorbild gebildet, wie Z.B. in England die Short Film Agency, die mittlerweile sogar ihr eigenes Kurzfilmmagazin, unter dem Namen Savvy, herausgeben. Darin wird neben der gegenwärtigen Situation des Kurzfilms, Filmkritiken und Filmemacher, über die Kurzfilmfestivals und Workshops der Kurzfilmszene berichtet (vgl. ebd.: 19).

Es ist also ein breites Spektrum an Kurzfilminstitutionen gegeben, welche sich um den Erhalt, aber auch um die Weiterentwicklung und Förderung des Kurzfilms und dessen Entwickler kümmert.

3.5 Kurzfilmgattungen

Die Vielfalt an Kurzfilmen, die heutzutage vorhanden ist kann zu unterschiedlichen Gattungen zusammengefasst werden. Dazu muss angemerkt werden, dass die Gemeinsamkeiten der Kurzfilme oftmals lediglich in der Kürze und in ihrer Machart liegen. So kommt es unter den Kurzfilmen innerhalb einer Gattung häufig zu enormen Unterschieden (vgl. Heinrich 1997: 21). Dies lässt sich damit erklären, dass in der Kurzfilmproduktion immer wieder bestimmte Grenzen überschritten werden, d.h. etwas Neues wird hinzugefügt, was schließlich einer oder mehreren Gattungen zugeschrieben werden muss. Ein steifes Raster zur Zuordnung existiert bei diesem Filmformat demnach nicht. Schon allein aufgrund des kontinuierlichen Wandels in dem sich der Kurzfilm befindet ist eine dauerhafte Definition der Gattungen nicht möglich (vgl. ebd.: 21).

Neben Heinrich (1997) nehmen auch Hoffmann (1981) und Bock (2011) eine detaillierte Einteilung des Kurzfilms in bestimmte Gattungen vor. Es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Einteilung keine endgültige ist, da sich der Kurzfilm beständig verändert. Diese Einteilung wird im Folgenden kurz dargestellt, denn auch in Paris, je ť aime finden sich Kurzfilme verschiedenster Gattungen wieder.

- Kurzspielfilm: Voraussetzung hierfür ist eine Verbindung von real wirkenden Schauspielern und der Elmsetzung einer Geschichte in eine Spielhandlung. Heinrich (1997: 22f.) schließt alle Arten von Geschichten mit ein und fügt hinzu, dass immer mehr Subgattungen sich herausbilden, wie etwa der ״Kurz-Westem“ oder der ״Kurz- Krimi“. So spricht man in der Kurzfilmproduktion oftmals von Mischformen, bei denen die Grenzen ineinander übergehen und nicht mehr genau erkennbar sind (vgl. Hoffmann 1981: 59).

Experimentalfilm: Unter dem Begriff Experimentalfilm, versteht man alle Filme, die außerhalb der kommerziellen Filmwirtschaft hergestellt werden und somit als künstlerische Experimente zu bezeichnen sind (vgl. Bock nach Monaco 2011: 87). Den Experimentalfilm verbindet Hoffmann (1981: 69) mit der Avantgarde. Die Avantgarde ״sieht man als die Kunst [an], die sich ständig entwickelt (Bock nach Monaco 2011: 25). Deshalb charakterisierte Sigfried Kracauer den avantgardistischen Film auch als nicht nachahmend und erfinderisch (vgl. Hoffmann 1981: 69). Der avantgardistische Film bzw.

Experimentalfilm kann deshalb als Film auf Entdeckungsreise verstanden werden (vgl. Heinrich 1997: 23).

Animationsfilm: Diese Gattung des Kurzfilms ist wohl am weitesten verbreitet (vgl. ebd.: 23). Es ist ״die Methode, Gegenstände vermittels der Filmtechnik zu beleben“ (Bock nach Monaco 2011: 15). Heinrich (1997: 23) versteht darunter alle Filme ״denen ein bestimmtes gemeinsames Produktionsverfahren zugrunde liegt, nämlich die einzelbildweise Aufnahme von aufeinander bezogenen Bewegungsphasen, die in der filmischen Projektion einen kontinuierlichen Bewegungsablauf ergeben“ (Heinrich 1997: 23).

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Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Ist der Episodenfilm ein Kurzfilm? Beispielanalyse von "Paris, je t'aime"
Hochschule
Universität Siegen
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
61
Katalognummer
V416107
ISBN (eBook)
9783668671102
ISBN (Buch)
9783668671119
Dateigröße
840 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
episodenfilm, kurzfilm, beispielanalyse, paris
Arbeit zitieren
Markus Wagner (Autor:in), 2016, Ist der Episodenfilm ein Kurzfilm? Beispielanalyse von "Paris, je t'aime", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416107

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