Der Wandel jüdischer Selbstdarstellung im Westen


Hausarbeit, 2004

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Juden waren seit jeher Kopfmenschen, intellektuelle Gelehrte der Thora, der Heiligen Schrift. Sie wurden nicht selten als unsichtbare Menschen betrachtet, die nicht die Fähigkeit besaßen sich visuell, z.B.: in der Kunst auszudrücken. So machte das Christentum sich selbst zur Religion der Liebe, während es das Judentum als Religion des Gesetzes abstempelte. Die Debatte über Judentum und Kunst nahm im Laufe der Zeit zu. Juden wurde die Unfähigkeit der künstlerischen Expression in höchstem Maße nachgesagt, was dazu führte, dass Meinungen aufkamen, die Judentum und Kunst als zwei Antipole betrachteten. Aus Selbstschutz und Stolz wurde das Vorurteil von einigen Lagern akzeptiert und in eine positive Eigenschaft umgewandelt, so sah sich das Judentum als eine Religion, die sich mit wichtigeren Dingen beschäftigt, die höhere Wertvorstellungen und Prinzipien hat, die dem Spirituellen mehr Wert beimisst als dem Materiellen.

Im Christentum spielt die Sichtbarkeit, die Darstellung des Menschen eine herausragende Rolle. Während der Christ in allen Lebenssituationen dargestellt wird, während sogar religiöse Persönlichkeiten sichtbar gemacht werden, während sogar der Gott selbst am Kreuz hängend gesehen werden kann, hat diese Visualität im Judentum wenig Bedeutung.[1] Durch Darstellungen werden Emotionen erzeugt. Ein leidender Christus erweckt Mitleid, Schuldgefühle und Dankbarkeit durch die Generationen von Christen zum Glauben bewegt wurden. Im Judentum hingegen ist das Wort, die Sprache zur religiösen Kommunikation und Überlieferung von größter Bedeutung. Dieser Unterschied wird schon in der unterschiedlichen Auslegung der Zehn Gebote offensichtlich, so besagt das erste und das zweite Gebot des Alten Testaments:

„Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“

„Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten“[2]

Die Auslegung des ersten und zweiten Gebotes von Dr. Martin Luther, beinhaltet andere Aussagen:

„Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“

„Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.“[3]

Diese verschiedenen Interpretationen der Gebote sind auch für befremdliches Aufeinanderprallen von Christen und Juden verantwortlich. Lange Zeit galt, und gilt vielleicht noch heute, für das Judentum das Christentum als eine paganistische Religion. Dieser Vorwurf wurde allerdings aus Angst vor Pogromen und Verfolgung nur leise geäußert.

Die Abwesenheit eines Abbildes des jüdischen Gottes führte zu einer stärkeren Anbindung an den Text, die fehlende Körperlichkeit versuchte man durch die Schrift auszugleichen. Allerdings gab es auch im Judentum Strömungen die versuchten, diesen Mangel an Visualität auszugleichen, wie zum Beispiel der Kabbalismus, der auf die verschiedenste Art und Weise versuchte, den Gott zu visualisieren.

Aber es gab auch radikale Lager wie die Maimoniden, die allein schon die Vorstellung eines Gottes in körperlicher Gestalt als ketzerisch empfanden. Letztere Bewegung hatte großen Einfluss auf das Judentum.[4]

Die Diaspora und die daraus resultierende Integration der Juden in der Moderne führte, vor allem im Westen, nun zu einer neuen Visualität des Judentums, die danach strebte, das Selbstbild, die Identität zu erhalten und vor allem für andere sichtbar zu machen. Zudem war die Revolution der Printmedien ein weiterer Faktor, der der ganzen Welt eine neue Anschaulichkeit verlieh.[5] Bildnisse und Kunst wurden zu neu entdeckten Kommunikationsmittel, die Traditionen und Erinnerungen überlieferten. Das Judentum versuchte durch diese neue Verhaltensweise einen Ausgleich der jüdischen Identität in einer europäischen Gesellschaft zu finden. Richard I. Cohen behauptet in seinem Aufsatz „Representation of the jewish body in modern times - forms of hero worship“, dass Diasporajuden verschiedener Überzeugungen begannen durch ihre körperliche Darstellung einer Art Heldenverehrung und Idealisierung nachzueifern.[6] Doch nicht nur die Selbstdarstellung war von Bedeutung, schon im 17 Jahrhundert sollten Illustrationen von Juden, jüdischen Gebräuchen und Traditionen auch dazu dienen den Nicht-Juden einen positiven Einblick in die jüdische Gesellschaft zu bieten:

„...to present a Judaism that was respectable and inviting.“[7]

Juden in Europa waren aufgrund von Verfolgung und Ausgrenzung darum bemüht, den Christen ihre Religion näher zu bringen. Aus diesem Grund öffneten sie ihre Häuser und Synagogen für Nicht-Juden; einige Juden zeigten Gebräuche und Zeremonien, es wurden sogar christliche Künstler dazu angehalten diese Traditionen in der Kunst festzuhalten. Um einen guten Eindruck bei den christlichen Mitmenschen zu hinterlassen, wurden manche Gebräuche „korrigiert“, um die befremdliche Wirkung, die sie manchmal haben konnten, zu reduzieren.[8]

Es wurde verstärkt versucht durch positive Visualisierung eine Integration zu erleichtern, so ging man sogar aktiv gegen diskriminierende Darstellungen vor. Die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Frankfurt lehnten sich 1609 gegen ein Standbild auf, dass den Jungen Simon von Trient, der von Juden gefoltert wird, zeigt:[9].

„And since the painting had been standing under the Brückenturm (with a naked child tortured to death with awls by Jews), we poor folks have to suffer all sorts of injuries and curses, from somewhere here ad another there in passing, and have been condemned to numerous tortures and pains that one can always invent;…The common rabble can assume from such a daring painting that we Jews need to have Christian bloods at all times, and that our ceremonies and faith are such, that we have to purchase or kidnap Christian children and murder them slowly. And since this is such a cruel and repulsive vengeance, it would be unchristian and unfair, that a single Jew should be left alive; rather, one should attack them, torture and kill them like inhumans (Unmenschen) and slaughter them with less mercy that one would slaughter dogs ”[10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[11]

Eine interessante Darstellungen von Juden in Gemälden ist 1687 die des Jacob Carvalho, ein Sohn einer Marranofamilie. Vermutlich wurde ihm das Bild zu seiner bevorstehenden Hochzeit geschenkt. Es repräsentiert die Bereitschaft einiger Juden in Italien, unabhängig von Rang und Namen, einem Künstler Modell zu stehen um ein Portrait von sich anfertigen zu lassen. Es entstand ein neuer Wunsch den Alltag außerhalb der Ghettos in die Ghettos zu bringen, eine Form von Integration begann durch die Portraitdarstellungen. Einige Juden in den Ghettos waren Kunsthändler und somit an den Anblick profaner und religiöser Gemälde gewöhnt, die dazu führten dass eine ästhetische kulturelle Annäherung an das Umfeld außerhalb der Ghettos begann. Vielleicht war diese Form der Darstellungen in pompöser nicht-jüdischer Tracht eine imaginäre Flucht aus dem begrenzten Ghetto.

[...]


[1] Cohen, Richard I.: Representations of the jewish body in modern times-forms of hero worship. In: Assmann, Jan; Baumgarten, Albert I. (Hg): Representation in religion. Studies in honor of Moshe Barasch. Leiden, Boston, Köln 2001. S.237-276.

[2] Lehmann; Petersen (Hg): Die Bibel. In Auswahl für Schule und Heim. Mit Zeichnungen von E.M. Lilien. Braunschweig, Berlin 1913.

[3] Ebd.

[4] Cohen, Richard I.: Representations of the jewish body in modern times-forms of hero worship.

[5] Cohen, Richard I: Jewish Icons. Art and Society in Modern Europe. London 1998. S.26ff.

[6] Cohen, Richard I.: Representations of the jewish body in modern times-forms of hero worship. S.271.

[7] Cohen, Richard I: Jewish Icons. S.26.

[8] Cohen schreibt in Jewish Icons. Art and Society in Modern Europe auf S.27 von portugiesischen Juden in Amsterdam, denen der Brauch des Klopfens (hammering) bei der Erwähnung von Haman während der Purimmesse untersagt wurde, da dieses auf Christen hätte abstoßend wirken können. Ist dieses bewusste Weglassen einer religiösen Handlung um gegen Ablehnung vorzubeugen nicht schon eine wesentliche Annäherung an das Verhalten der anderen religiösen Gemeinschaft, kann man hier nicht schon von einer christianisierung jüdischer Bräuche sprechen?

[9] Cohen, Richard I: Jewish Icons. S.27.

[10] Hsia, Ronnie Po-chia: The myth of ritual murder: Jews and magic in Reformation Germany. New Haven 1988. S.211. Zitiert nach: Cohen, Richard I: Jewish Icons. S.27.

[11] http://www.heiligenlexikon.de/index.htm?BiographienS/Simon_von_Trient.html Datum:20.06.04. Uhrzeit:16.05.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Wandel jüdischer Selbstdarstellung im Westen
Hochschule
Universität Erfurt
Veranstaltung
'Körper, Rasse und Geschlecht.' Kulturelle Konstruktionen des jüdischen Körpers
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V41630
ISBN (eBook)
9783638398572
Dateigröße
951 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wandel, Selbstdarstellung, Westen, Rasse, Geschlecht, Kulturelle, Konstruktionen, Körpers
Arbeit zitieren
Anna Rosenberg (Autor:in), 2004, Der Wandel jüdischer Selbstdarstellung im Westen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41630

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