"In Europa steigt die Zahl der Beschäftigten" und "Europarat prangert Ausländerfeindlichkeit an" sind zwei Artikeltitel auf den ersten beiden Seiten der "Hannoversche Allgemeine Zeitung" am 4. Juli 2001.
Europa scheint in den Medien und der Öffentlichkeit täglich präsent zu sein. Aber gibt es denn überhaupt neben der nationalen so etwas wie eine europäische Öffentlichkeit? Sollte man im Zusammenhang mit Europa von einem Öffentlichkeitsdefizit sprechen?
Haben Politik und Ökonomie die Öffentlichkeit in Bezug auf Europa längst überholt?
Diese und andere Fragen sollen in der folgenden Hausarbeit anhand zweier Texte zum Thema europäische Öffentlichkeit komparativ behandelt werden. Der erste Aufsatz unter dem Titel "Europäisierung von Ökonomie und Politik und die Trägheit der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit" ist von Jürgen Gerhards. Er kommt darin zum Schluss, dass Ökonomie und Politik sich zusehends in Richtung Europäische Union transnationalisieren, während die Öffentlichkeit national verhaftet bleibt (Gerhards, 277). Die dadurch entstehende Inkongruenz dieser drei Bereiche des Staates sieht er im normativen Sinn als problematisch an. Klaus Eder und Cathleen Kantner sind optimistischer. In ihrem Text "Transnationale Resonanzstrukturen in Europa - Eine Kritik der Rede vom Öffentlichkeitsdefizit" behaupten die Autoren, dass die "europäische Öffentlichkeit [...] in der Tat bereits sehr lebendig" (Eder, 329) ist und die pauschale Unterstellung eines Öffentlichkeitsdefizits in Europa empirisch nicht gedeckt ist (Eder, 307).
Zunächst wird der Text von Gerhards in seinen Hauptthesen und Vorgehensweisen analysiert. Wo es passt, wird dieser bereits mit dem Text von Eder und Kantner verglichen. Stellungnahmen und kritische Anmerkungen sollen ebenfalls integrativ in die Analyse der beiden Texte einfließen. Abschließend soll der Versuch unternommen werden, beide Texte in ihren Hauptaussagen und Herangehensweisen zusammenzuführen und zu beurteilen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Transnationalisierung in Richtung Europa statt Globalisierung
- Transnationalisierung der Ökonomie
- Transnationalisierung der Politik
- Die Funktionen von Öffentlichkeit
- Demokratiedefizit in der EU
- Inkongruenz zwischen Staatsbürger und Herrschaftsträger
- Mögliche Ursachen für das Öffentlichkeitsdefizit der EU
- Faktoren für die Entstehung einer massenmedial vermittelten Öffentlichkeit
- Meinungs- und Pressefreiheit
- Technische Entwicklung und Infrastruktur
- Alphabetisierung und Lingua Franca
- Ausdifferenzierung von Medienunternehmen und Journalisten
- Entstehung von kollektiven Akteuren
- Aufmerksamkeit der Medien in Bezug auf Europa
- Gerhards empirisches Material
- Eders Fallbeispiele
- „Festung Europa“, Schengen-II-Prozess
- Korruptionsfall 1999
- BSE-Skandal
- Ort und Art europäischer Öffentlichkeit
- Aus koordiniertem Dissens wird europäische Identität?
- Modus operandi statt opus operatum
- Zusammenführung der Gerhards- und Eder-Texte und normative Sicht auf die europäische Öffentlichkeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert und vergleicht zwei unterschiedliche Perspektiven auf die Frage, ob es eine europäische Öffentlichkeit gibt. Sie untersucht, ob die Transnationalisierung von Wirtschaft und Politik in Richtung Europa durch eine entsprechende Entwicklung der Öffentlichkeit begleitet wird oder ob ein „Öffentlichkeitsdefizit“ in Bezug auf Europa besteht.
- Transnationalisierung von Wirtschaft und Politik in der Europäischen Union
- Die Rolle der Medien in der Gestaltung der europäischen Öffentlichkeit
- Das Konzept des „Öffentlichkeitsdefizits“ in Bezug auf Europa
- Die Entstehung und Bedeutung einer europäischen Identität
- Die Analyse von Fallbeispielen, die die Existenz oder das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit belegen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Forschungsfrage und die beforschten Texte von Jürgen Gerhards und Klaus Eder sowie Cathleen Kantner vorstellt.
Kapitel 2 analysiert die Transnationalisierungsprozesse in der Wirtschaft und Politik anhand der Analyse von Jürgen Gerhards. Es stellt die Argumentation von Gerhards dar, dass eine zunehmende Transnationalisierung der Ökonomie und Politik in Richtung Europa stattfindet, während die Öffentlichkeit im Wesentlichen nationalstaatlich verhaftet bleibt.
Kapitel 3 beleuchtet verschiedene Faktoren, die die Entstehung einer massenmedial vermittelten Öffentlichkeit beeinflussen, wie z. B. die Meinungs- und Pressefreiheit, die technische Entwicklung und Infrastruktur sowie die Ausdifferenzierung von Medienunternehmen und Journalisten.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Aufmerksamkeit der Medien in Bezug auf Europa. Hierbei werden sowohl die empirischen Daten von Gerhards als auch die Fallbeispiele von Eder und Kantner, wie z. B. der „Festung Europa“-Diskurs, der Korruptionsfall von 1999 und der BSE-Skandal, analysiert.
Kapitel 5 erörtert den Ort und die Art der europäischen Öffentlichkeit und setzt sich kritisch mit der These von Eder und Kantner auseinander, dass die europäische Öffentlichkeit bereits existiert und die Rede vom Öffentlichkeitsdefizit unhaltbar sei.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen: europäische Öffentlichkeit, Transnationalisierung, Demokratiedefizit, Medien, Europäische Union, Europäische Identität, Inkongruenz, Gerhards, Eder, Kantner. Sie befasst sich mit dem Thema der Gestaltung der europäischen Öffentlichkeit und den Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung einer transnationalen Öffentlichkeit bestehen.
- Arbeit zitieren
- Tanja Prinz (Autor:in), 2001, Gibt es eine Öffentlichkeit in der europäischen politischen Gemeinschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4172