Diese Arbeit befaßt sich mit dem ”Neuen Denken” Gorbatschows, mit dem Zusammenhang zwischen grundlegenden Inhalten und Normen des Neuen Denkens und dem Erfolg respektive Mißerfolg von Gorbatschows Politik der Perestroika. Die Bedeutung der Person Michail Gorbatschows für die Politik der Sowjetunion zwischen 1984 und 1990 hat Archie Brown in seinem Buch ”The Gorbachev Factor” intensiv diskutiert. Dabei hat er auf die Schwächen einer Interpretation hingewiesen, die das politische Ereignis der Perestroika allein durch die Person Michail Gorbatschows und dessen psychologische Disposition zu deuten versucht. Natürlich bestehen in der Fachgemeinde große Meinungsverschiedenheiten darüber, wie Gorbatschows Anteil an den Ereignissen, die schließlich zum Revolutionsjahr 1989 führten, zu bewerten ist. Eine Interpretation, die sich allein auf die Psychologie Gorbatschows stützt und den Respekt, den sein politisches Vermächtnis verdient, zum Angelpunkt der Analyse macht, greift zweifellos zu kurz. Und gewiß kann man sagen, daß Gorbatschow Wirkung weniger von seiner Person, sondern vielmehr von den Ideen, die er zum Agens seiner Politik machte, herstammt. Diese Ideen sind zusammengefaßt im Begriff des ‘Neues Denkens’.
Das Ziel dieser Arbeit ist ein dreifaches:
- Erstens möchte ich die Reformpolitik Gorbatschows gegen die Art von Kritik verteidigen, die annimmt, daß Gorbatschows Interesse in erster Linie der Stabilisierung des Systems galt, die er durch punktuelle Reformen im Bereich der Wirtschaft und der Außenpolitik verfolgte. Eng mit dieser Kritik verknüpft ist die Wahrnehmung Gorbatschows als opportunistischen Akteur, der seine politische Umgebung nicht im Griff hatte und im wesentlich reaktiv handelte.
- Dagegen vertrete ich die Position, daß die Reformen Gorbatschows auf einer sorgfältigen Politikanalyse beruhten, daß das Neue Denken das dynamische Ergebnis dieser Politikanalyse darstellt, und dadurch nach und nach zum Leitmotiv der Perestroika wurde und nicht lediglich die Funktion hatte, die eigene Position und Politik ideologisch abzusichern. So gesehen ist das Neue Denken der Kern der Perestroika und nicht die nachträgliche Rationalisierung einer Ad-Hoc-Politik.
- Schließlich möchte ich das Neue Denken selbst einer kritischen Prüfung unterziehen und die Frage stellen, inwiefern das Neue Denken noch eine Bedeutung für das politische Handeln auf dem internationalen Parkett nach dem vorläufigen Ende der sowjetischen Transformationsphase hat.
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Inhaltsverzeichnis
- Gorbatschows Perestroika und das Neue Denken
- Interpretativer Dissens
- Das Neue Denken und die Außenpolitik
- Genese
- Grundthesen
- Ebenen
- Gorbatschow - eine tragische Figur?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Michail Gorbatschows "Neues Denken" und seinen Zusammenhang mit dem Erfolg und Misserfolg seiner Perestroika-Politik. Sie widerlegt die Kritik, die Gorbatschow als rein systemstabilisierend und opportunistisch darstellt, und argumentiert stattdessen, dass das Neue Denken eine sorgfältige Politikanalyse widerspiegelt und den Kern der Perestroika bildet. Schließlich hinterfragt die Arbeit die Bedeutung des Neuen Denkens für die internationale Politik nach dem Ende der sowjetischen Transformation.
- Das Neue Denken als Kern der Perestroika
- Widerlegung opportunistischer Kritik an Gorbatschow
- Analyse der Genese und Struktur des Neuen Denkens
- Bedeutung des Neuen Denkens für die internationale Politik
- Bewertung von Gorbatschows Rolle im historischen Wandel
Zusammenfassung der Kapitel
Gorbatschows Perestroika und das Neue Denken: Dieses Kapitel führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach dem Verhältnis zwischen Gorbatschows "Neuem Denken" und dem Erfolg bzw. Misserfolg seiner Perestroika-Politik. Es wird die gängige Kritik an Gorbatschow als opportunistischen Akteur zurückgewiesen und die These aufgestellt, dass das Neue Denken das Ergebnis einer sorgfältigen Politikanalyse war und den Kern der Perestroika bildete. Der Autor erläutert sein dreifaches Ziel: die Verteidigung der Reformpolitik Gorbatschows gegen die Kritik an seiner angeblichen Systemstabilisierung, die Darstellung des Neuen Denkens als Ergebnis einer Politikanalyse und nicht als nachträgliche Rechtfertigung, sowie die kritische Prüfung der Bedeutung des Neuen Denkens für die internationale Politik nach der sowjetischen Transformation. Die Frage nach dem Einfluss eines einzelnen Individuums auf weitreichende weltpolitische Veränderungen wird als implizite Forschungsfrage formuliert, ohne den Anspruch auf eine direkte Beantwortung.
Interpretativer Dissens: Dieses Kapitel befasst sich mit den unterschiedlichen Interpretationen des "Neuen Denkens" und seiner Bedeutung für die Reformprozesse in der Sowjetunion. Es wird der interpretative Dissens um die Bewertung von Gorbatschows Rolle und dem Einfluss seines "Neuen Denkens" hervorgehoben. Der Fokus liegt auf der Außenpolitik der Sowjetunion, die in intensiver Wechselbeziehung zum Neuen Denken stand. Die unterschiedlichen Perspektiven auf die politische Realität – deterministisch oder voluntaristisch-dezisionistisch – und die Wahl der Analyseebenen beeinflussen die Interpretation der Ereignisse. Die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung wird betont, wobei der Autor die Werke Gorbatschows als wesentliche Quelle, aber auch die Meinungen kritischer Beobachter berücksichtigt.
Das Neue Denken und die Außenpolitik: Dieses Kapitel analysiert die Genese, die Grundthesen und die verschiedenen Ebenen des Neuen Denkens im Kontext der Außenpolitik. Es untersucht die Entstehung des Neuen Denkens aus der Betrachtung der Weltsituation und seinen Einfluss auf andere Politikbereiche, wie die Innenpolitik. Die detaillierte Auseinandersetzung mit den Quellen und der Entwicklung des Konzepts liefert einen tiefen Einblick in die Motivation und die strategischen Überlegungen Gorbatschows.
Schlüsselwörter
Perestroika, Glasnost, Neues Denken, Michail Gorbatschow, Sowjetunion, Reformpolitik, Außenpolitik, Internationale Beziehungen, Politikanalyse, Historische Interpretation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu "Gorbatschow, Perestroika und das Neue Denken"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht Michail Gorbatschows "Neues Denken" und dessen Zusammenhang mit dem Erfolg und Misserfolg seiner Perestroika-Politik. Sie widerlegt die Kritik, die Gorbatschow als rein systemstabilisierend und opportunistisch darstellt, und argumentiert, dass das Neue Denken eine sorgfältige Politikanalyse widerspiegelt und den Kern der Perestroika bildet. Schließlich hinterfragt die Arbeit die Bedeutung des Neuen Denkens für die internationale Politik nach dem Ende der sowjetischen Transformation.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Das Neue Denken als Kern der Perestroika; die Widerlegung opportunistischer Kritik an Gorbatschow; die Analyse der Genese und Struktur des Neuen Denkens; die Bedeutung des Neuen Denkens für die internationale Politik; und die Bewertung von Gorbatschows Rolle im historischen Wandel.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in Kapitel gegliedert, die sich mit Gorbatschows Perestroika und dem Neuen Denken, dem interpretativen Dissens um Gorbatschows Rolle und dem Neuen Denken in der Außenpolitik befassen. Jedes Kapitel bietet eine Zusammenfassung und Analyse der jeweiligen Thematik.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Die zentrale These ist, dass Gorbatschows "Neues Denken" kein opportunistisches Manöver zur Systemstabilisierung war, sondern das Ergebnis einer sorgfältigen Politikanalyse und der Kern seiner Perestroika-Politik. Die Arbeit argumentiert für eine differenzierte Betrachtung, die sowohl die Quellen Gorbatschows als auch die kritischen Stimmen berücksichtigt.
Wie wird Gorbatschow in dieser Arbeit dargestellt?
Die Arbeit widerlegt die gängige Kritik an Gorbatschow als opportunistischen Akteur. Stattdessen wird er als eine Figur dargestellt, dessen "Neues Denken" aus einer sorgfältigen Politikanalyse resultierte und den Kern seiner Reformen bildete. Die Arbeit hinterfragt auch die Bedeutung des Neuen Denkens für die internationale Politik nach dem Ende der Sowjetunion und erörtert die Frage, ob Gorbatschow eine tragische Figur war.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit verwendet die Werke Gorbatschows selbst als wesentliche Quelle, berücksichtigt aber auch die Meinungen kritischer Beobachter und liefert eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Quellen und der Entwicklung des Konzepts "Neues Denken".
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Perestroika, Glasnost, Neues Denken, Michail Gorbatschow, Sowjetunion, Reformpolitik, Außenpolitik, Internationale Beziehungen, Politikanalyse, Historische Interpretation.
Welche Kapitel gibt es und worum geht es darin?
Die Arbeit beinhaltet Kapitel zu: Gorbatschows Perestroika und dem Neuen Denken (Einführung und These), Interpretativem Dissens (unterschiedliche Interpretationen des Neuen Denkens), und dem Neuen Denken und der Außenpolitik (Genese, Grundthesen und Ebenen des Neuen Denkens in der Außenpolitik).
Welche Forschungsfragen werden gestellt?
Die zentrale Forschungsfrage ist das Verhältnis zwischen Gorbatschows "Neuem Denken" und dem Erfolg bzw. Misserfolg seiner Perestroika-Politik. Eine implizite Forschungsfrage ist der Einfluss Gorbatschows auf weitreichende weltpolitische Veränderungen.
- Quote paper
- Manfred Kipfelsberger (Author), 1998, Das Neue Denken und sein Erfinder: ist Michail Gorbatschow eine "tragische Figur"?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41720