In dieser Arbeit sollen die spezifischen Herausforderungen der lateralen Führung herausgearbeitet und Ansätze zu ihrer Bewältigung aufgezeigt werden.
In öffentlichen Verwaltungen nehmen die Modernisierungs- und Entwicklungsprozesse zu. Häufig werden solche Prozesse in Projektgruppen bearbeitet.
Gremien öffentlicher Verwaltungen – zum Beispiel Gemeinderäte oder Kreistage sowie ihre Ausschüsse, aber auch Hochschulgremien, Personalräte, Verbandskommissionen et cetera – sind Kollektivorgane mit einer formalen Führung. Diese Führungspositionen sind in der Regel relativ schwach ausgeprägt, so dass die Führungspersonen ihre Interessen und Ansichten häufig nicht unter Rückgriff auf ihre formal hervorgehobene Position durchsetzen können.
In beiden Fällen – in Projekten und Netzwerkstrukturen einerseits und Gremien andererseits – ist die Kunst der lateralen Führung gefordert, einer „Methode des Führens von Personen, über die man keine Weisungsbefugnisse hat“ . Gleichzeitig sieht sich die Führungsperson häufig in einer „Sandwichposition“ zwischen verschiedenen Rollen-Ansprüchen inner- und außerhalb der Projektgruppe bzw. des Gremiums.
Inhalt
1 Einleitung
2 Herausforderung „Vielfalt der Anforderungen“
2.1 „Sandwichposition“ in der lateralen Führung
2.2 Unterschiedliche Rollen der lateralen Führungskraft
3 Herausforderung „Macht ohne Weisungsbefugnis“
3.1 Formen der Macht in der lateralen Führung
3.2 Das Dreieck Macht, Verständigung und Vertrauen
4 Strategien zur Bewältigung der Herausforderungen
4.1 Qualifikation der Führungskraft
4.2 Klärung der Rahmenbedingungen
4.3 Zieldefinition und Projektstrukturierung
4.4 Motivierung der Teammitglieder
4.5 Teamentwicklung und Konfliktbearbeitung
5 Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In öffentlichen Verwaltungen nehmen die Modernisierungs- und Entwicklungsprozesse zu. Sei es, dass sich ein Ministerium einem Zertifizierungsprozess nach der EMAS-Verordnung[1] unterziehen soll, sei es, dass eine Kommune die Umstellung auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) angeht. Es handelt sich zumeist um komplexe und fachübergreifende Aufgabenstellungen, die nicht von einer Verwaltungseinheit allein erfolgreich bearbeitet werden können und eines übergreifenden Projektmanagements bzw. einer übergreifenden Moderation oder Steuerung bedürfen. Auch Netzwerkstrukturen wie z. B. kommunale Verwaltungsgemeinschaften oder interministerielle Arbeitsgruppen bedürfen häufig der Entwicklung und Steuerung durch Führungskräfte, die den meisten oder allen Gruppenmitgliedern nicht hierarchisch übergeordnet sind.
Gremien öffentlicher Verwaltungen – z. B. Gemeinderäte oder Kreistage sowie ihre Ausschüsse, aber auch Hochschulgremien, Personalräte, Verbandskommissionen etc. – sind Kollektivorgane mit einer formalen Führung.[2] Diese Führungspositionen sind in der Regel relativ schwach ausgeprägt, so dass die Führungspersonen ihre Interessen und Ansichten häufig nicht unter Rückgriff auf ihre formal hervorgehobene Position durchsetzen können.[3]
In beiden Fällen – in Projekten[4] und Netzwerkstrukturen einerseits und Gremien andererseits – ist die Kunst der lateralen Führung[5] gefordert, einer „Methode des Führens von Personen, über die man keine Weisungsbefugnisse hat“[6]. Gleichzeitig sieht sich die Führungsperson häufig in einer „Sandwichposition“ zwischen verschiedenen Rollen-Ansprüchen inner- und außerhalb der Projektgruppe bzw. des Gremiums. In dieser Arbeit sollen die spezifischen Herausforderungen der lateralen Führung herausgearbeitet und Ansätze zu ihrer Bewältigung aufgezeigt werden.
2 Herausforderung „Vielfalt der Anforderungen“
Eine Herausforderung, in der sich fast jede laterale Führungskraft wiederfindet und die ihre Führungsarbeit und ihre Souveränität stark beeinflussen kann, ergibt sich aus ihrer „Sandwichposition“[7] und den damit verbundenen unterschiedlichen Rollenanforderungen, die sie ausfüllen muss. Da es sich nicht um eine Fragestellung des lateralen Führens im engeren Sinne – das sich auf das Gremium bzw. die Projektgruppe richtet – handelt, wird sie im Folgenden nur kurz angerissen.
2.1 „Sandwichposition“ in der lateralen Führung
Eine Oberbürgermeisterin beispielsweise, die ihrem Gemeinderat vorsteht (Gremienleitung), ist gleichzeitig Dienstvorgesetzte ihrer städtischen Verwaltung. Von beiden Seiten kommen Ansprüche und Anforderungen zu denselben Fragestellungen auf sie zu, die sie berücksichtigen und möglichst zu einem guten Gesamtergebnis bringen muss. Ein Projektleiter wiederum ist die Schnittstelle zwischen seinem Projektteam und den einzelnen Projektmitarbeitenden einerseits und dem oder der verwaltungsinternen Vorgesetzten andererseits, der oder die den Projektauftrag erteilt hat. Dazu kommen der oder die eigene Linienvorgesetzte (soweit von ihr nicht der Projektauftrag kommt) und die Vorgesetzten der Projektmitarbeitenden.[8]
2.2 Unterschiedliche Rollen der lateralen Führungskraft
Nach Radatz muss die laterale Führungskraft die folgenden Rollen ausfüllen:
- „Die Rolle des Projekt-Owners als Projekttreiber bzw. des Projektverantwortlichen nach oben und außen,
- die Rolle des Rahmengebers (also Festleger von Rahmenbedingungen) im Team,
- die Rolle der Führungskraft in Abstimmung mit den Vorgesetzten des jeweiligen Teammitglieds und
- die Rolle des Teamleiters.“[9]
Diese Rollen können – je nach Rahmenbedingungen und Projektverlauf – in Konflikt zueinander geraten.
3 Herausforderung „Macht ohne Weisungsbefugnis“
Die zentrale Frage formuliert Bittelmeyer wie folgt: „Wie kann ich Menschen, denen gegenüber ich keine Weisungsbefugnis habe, auf eine Richtung einschwören?“[10] Führen ohne Weisungsbefugnis scheint zunächst ein Widerspruch in sich zu sein. Denn der Anspruch echter Führung geht über eine bloße Koordinationsfunktion oder Kompromissaushandlung hinaus: Im Sinne der Gremienaufgabe oder des Projektziels sind Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, Vorgehensweisen zu planen und festzulegen, Projektbeteiligte zu motivieren, anzuleiten und deren Zusammenhalt zu stärken, Informationen weiterzugeben und zu bewerten, Konflikte beizulegen, Ziele zu vereinbaren und Rückmeldungen zu geben.[11]
Gleichzeitig fehlen die selbstverständliche Autorität der Vorgesetztenposition und der direkte Einfluss auf die Arbeitszeit und Arbeitseinteilung der Mitarbeitenden, wie sie Linienvorgesetzte haben. Und nicht nur das: Häufig haben Linienvorgesetzte oder andere Zusammenhänge, in denen z. B. Gremienmitglieder tätig sind[12], einen starken indirekten Einfluss auf das Projekt oder das Gremium. Diesen Einfluss üben sie beispielsweise aus, indem sie über ihre Mitarbeitenden bzw. Mitglieder entweder eigene Ziele im Projektzusammenhang ansteuern oder aber die Projekt- bzw. Gremienziele hintertreiben, in dem sie z. B. den Mitarbeitenden das Zeitkontingent für eine ausreichende Mitarbeit beschneiden oder diese eine destruktive Rolle spielen lassen.[13]
3.1 Formen der Macht in der lateralen Führung
Im Gegensatz zu hierarchischen Führungspositionen ist die formale Macht der Führungsperson (Positionsmacht) in einer lateralen Führungsrolle offensichtlich stark eingeschränkt. Jedoch ist Macht – als Einfluss auf andere Personen mit dem Ziel des Hervorbringens beabsichtigter Wirkungen verstanden – auch für eine laterale Führung unverzichtbar[14]. Klutmann schreibt: „Man braucht Macht, um einer Gruppe zu effektivem Arbeiten verhelfen zu können.“[15] Woher nimmt die laterale Führungsperson also ihre Macht?
Laut Kühl und Schnelle sind Quellen der lateralen Führungsmacht beispielsweise der Einsatz von Expertenwissen (Expertenmacht), die Kontrolle der internen, häufig informellen Kommunikation sowie die Nutzung von Kontakten zur Umwelt der Organisation bzw. der Verwaltungseinheit oder des Gremiums (Beziehungsmacht).[16] Weitere wichtige Machtquellen sind laut Klutmann einerseits die formale Legitimationsmacht. Diese besteht in Gremien durch die Wahl in die Führungsposition und in Projektgruppen in dem Projektauftrag und der Zuweisung der Führungsrolle durch eine höhere Stelle. Die Führungsrolle wird mit dem Verweis auf ihre Legitimation insbesondere bei denjenigen Gremien- und Gruppenmitgliedern Erfolg haben, die sie gewählt haben bzw. die die höheren Stellen als zuständige Instanz akzeptieren. In eine ähnliche Richtung wie die Expertenmacht, die sich aus einem Vorsprung an relevantem Wissen oder relevanten Erfahrungen ableitet, geht die Identifikationsmacht: Tritt die Führungsperson sympathisch, selbstbewusst, glaubwürdig und engagiert auf, eignet sie sich als Vorbild für die Gruppenmitglieder, die damit motiviert werden, es ihr nach zu tun und damit implizit ihren Führungsanspruch zu akzeptieren.
Schließlich kann auch eine laterale Führungskraft belohnen (Belohnungsmacht). Während materielle Vergünstigungen und gute Beurteilungen in der Regel den Linienvorgesetzten vorbehalten bleiben, kann die laterale Führungskraft durch Aufmerksamkeit, Anerkennung und die Befriedigung immaterieller Bedürfnisse belohnen, wie z.B. die Möglichkeit, im Mittelpunkt zu stehen oder die eigene Kompetenz zu zeigen. Von Bestrafung (z. B. in Form von Ignorieren, Isolieren oder Kritik vor Dritten) sollte eine laterale Führungskraft absehen, es sei denn, sie geht bewusst das Risiko ein, dass das Teammitglied das Team verlässt.[17]
3.2 Das Dreieck Macht, Verständigung und Vertrauen
Kühl und Schnelle weisen darauf hin, dass es neben der Macht zwei weitere Mechanismen der Einflussnahme in Zusammenarbeits- und Führungssituationen gibt: Verständigung und Vertrauen. Bei „Verständigung“ geht es darum, die verschiedenen Denkweisen der Beteiligten wechselseitig zu verstehen, um darauf aufbauend neue Handlungsmöglichkeiten zu erschließen. „Vertrauen“ entsteht durch das Eingehen von Risiken und Vorleistungen sowie den Verzicht auf schädigendes Ausnutzen, wenn das Gegenüber seinerseits Vorleistungen und Risiken eingeht[18].
Abb.: Zusammenspiel der Faktoren Macht, Verständigung und Vertrauen [19]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die obige Grafik veranschaulicht: Die drei Komponenten können sich gegenseitig stützen, teilweise ersetzen, aber auch behindern. Für alle Kooperationsformen gibt es spezifische Mischungsverhältnisse der drei Komponenten Macht, Vertrauen und Verständigung.[20] Agiert die Führungsperson mit einer der Komponenten, hat dies Auswirkung auf die anderen beiden Komponenten.
So kann eine mächtige Person in einer Gruppe mit mehr Aufmerksamkeit für ihre Positionen rechnen, als dies bei weniger mächtigen Gruppenmitgliedern der Fall ist, und sie hat dadurch mehr Möglichkeiten, ihre Wünsche und Vorstellungen vorzubringen. Beispielsweise kann die Führungsperson eine Besprechung anberaumen, zu der die Gruppenmitglieder erscheinen (müssen); diese Möglichkeit haben andere Teammitglieder nicht ohne weiteres. Allerdings reicht die hervorgehobene Position allein nicht aus, um antagonistische Überzeugungen und Vorstellungen bei Gruppen- oder Gremienmitgliedern zu überwinden: Dazu braucht es Verständigung. Zur Verständigung tragen Erklärungen und Begründungen für die eigene Position sowie das Aufzeigen der Vorteile für die verschiedenen Gruppenmitglieder bei. Verständigung im Team, im Gremium dient dazu, destruktive Machtspiele obsolet zu machen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Informationen, die die Führungsperson und andere im Zuge der Verständigung preisgeben, wiederum Grundlage für Machtspiele werden. Machtspiele wiederum müssen sich nicht immer negativ auswirken, so können sie Bewegung in festgefahrene Prozesse bringen, beispielsweise, wenn ein Projektleiter die Vorgesetzten der Teammitglieder zu einer Besprechung zu Problemstellungen im Projektfortschritt bittet. Wird das Machtspiel jedoch zu aggressiv, z. B. wenn die Projektführungskraft hinter dem Rücken von Projektbeteiligten agiert, wird das für die Zusammenarbeit erforderliche Vertrauen zerstört. Entgegengebrachtes Vertrauen jedoch ist eine wichtige Währung für die Führungsposition, denn es stärkt ihre Machtposition gegen Störfeuer von innen und außen. Vertrauen in die Gremienmitglieder und Projektmitarbeitenden ist auch unabdingbar, um als Führungsperson delegieren zu können, ohne sich mit Kontrollzwängen außer Gefecht zu setzen. Bei allen Beteiligten schafft das Vertrauen, dass die Anderen ebenso wie man selbst am Projekterfolg und an der konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind, Offenheit für die Argumente und Positionen der Anderen und damit für Verständigung.
Kühl und Schnelle bringen es auf den Punkt: „In der situationsabhängigen, jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzung auf Verständigung, Macht oder Vertrauen liegt der Clou der Lateralen Führung.“[21]
4 Strategien zur Bewältigung der Herausforder-ungen
Die Probleme der Vielfalt der Anforderungen einerseits und der reduzierten Machtfaktoren in der lateralen Führung andererseits wurden in den vorhergehenden Kapiteln behandelt.
Zur eingeschränkten Weisungsbefugnis kommen für die Führungsperson weitere Faktoren erschwerend hinzu: Gremien und Projektgruppen setzen sich häufig aus Personen zusammensetzen, die sich in ihren Berufsbiografien und Karriereverläufen deutlich voneinander unterscheiden. Der Aufwand der Teambildung und der Schaffung von gegenseitigem Verständnis ist entsprechend groß. Projektgruppen werden zudem meist zeitlich befristet installiert und häufig haben die Mitglieder keine oder wenig gemeinsame Arbeitserfahrung.[22] Hier wird Zeit für Vertrauensaufbau benötigt. Und schließlich, wie schon erwähnt, kann es Versuche der Einflussnahme von außen auf die Gruppen- oder Gremienarbeit geben – je nach Interesse unterschiedlicher Stakeholder an den Projektergebnissen oder den Gremienentscheidungen.[23]
In der Folge sollen einige Ansätze zur Bewältigung dieser Herausforderungen dargestellt werden. Sie beziehen sich überwiegend auf die Arbeit in Projektgruppen, lassen sich teilweise jedoch auch für die Führung von Gremien anwenden.
4.1 Qualifikation der Führungskraft
Empfehlenswert für die Person, die die Führung eines Projekts oder eines Gremiums übernimmt, sind sicherlich Aus- und Fortbildungen im Bereich Personalführung. Sie sollte sich im Vorfeld aktiv mit den vorgenannten besonderen Bedingungen der lateralen Führung und mit den Kompetenzen Führungsmotivation, Handlungsorientierung, Kooperationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen und Konfliktfähigkeit auseinanderzusetzen.[24]
Eine künftige Projektführungskraft sollte sich zusätzlich im Bereich Projektmanagement fortbilden[25], soweit sie noch nicht auf ausreichend Methodenwissen und praktische Erfahrungen mit der Leitung von Projekten zurückgreifen kann. Diese Fähigkeiten und Kenntnisse sind notwendig, um im Projekt den Überblick zu behalten, das Projekt steuern zu können und um die eigene Expertenmacht in diesem Segment zu stützen.[26]
4.2 Klärung der Rahmenbedingungen
In lateralen Führungsstrukturen ist im Vergleich zu linearen Führungsstrukturen die Gefahr von Unklarheiten und „Grauzonen“ besonders groß.
Dies trifft weniger für die Gremienarbeit und -führung zu: Die Aufgaben, Kompetenzen und die Zusammensetzung von Gremien sind zumeist (unter-)gesetzlich festgelegt. Die Gremien selbst haben für ihre Arbeitsweise in der Regel eine schriftliche Geschäftsordnung und einen fixen Sitzungsturnus, der die Terminfindung vereinfacht oder sogar obsolet macht. Zudem besitzt ein Großteil der Gremienmitglieder mehrmonatige bis langjährige Erfahrung in der Gremienarbeit und -kultur. Für die Entscheidungsfindung sind Antragsverfahren und Abstimmungsregeln festgelegt. Diese Faktoren – die schriftlichen Regeln, die Verbindlichkeit der Termine und die personelle Kontinuität – verhindern zahlreiche Grauzonen in der Gremienarbeit.
Anders verhält es sich in neu aufgestellten Projektgruppen, die durchaus auch Projektgruppen von Gremien sein können. Vor bzw. zu Beginn eines Projekts müssen zahlreiche Rahmenbedingungen geklärt werden. Unter „Rahmen“ versteht Radatz „Grenzen, die mit der Arbeit im Projektteam nicht überschritten werden dürfen“[27]. Es stellen sich folgende Fragen nach den Rahmenbedingungen: Wie lautet der Arbeitsauftrag der Projektgruppe? Welches ist die auftraggebende Stelle, wem ist die Projektleitung rechenschaftspflichtig? Ist eindeutig geklärt, in welcher Tiefe oder Breite das Ergebnis ausfallen soll? Wie frei ist die Projektgruppe in ihren Arbeitsschritten? Gibt es offizielle und inoffizielle „Tabus“ für die Projekt-Überlegungen und -Ergebnisse? Wer darf Projektinterna nach außen geben? Welche personellen und materiellen Ressourcen stehen der Projektleitung zur Verfügung, passen diese zum Projektauftrag? Wie sind diese Ressourcen abgesichert, z. B. über Haushaltsjahre hinweg und bei unerwartetem Arbeits- und Kostenanfall in anderen Bereichen? Gibt es wenig beeinflussbare externe Unsicherheitsfaktoren, welche Auswirkungen haben diese möglicherweise auf den Projektverlauf? Gibt es ein definiertes zeitliches Ende für die Projektgruppenarbeit und wie sehen die Zeitfenster aus, in denen z. B. Projekt-Meetings stattfinden können? Welche internen und externen Interessen Dritter haben Berührungspunkte zum Projekt, welche mikropolitischen Dimensionen gibt es? Ist eine Evaluierung des Projektverlaufs oder der Projektergebnisse gewünscht? Wie lässt sich der persönliche Zeitrahmen der Projektführungskraft für die Projektarbeit festlegen – ist er realistisch? Welchen Nutzen können die Führungskraft und die Projektmitarbeitenden aus der Projektarbeit ziehen? Lässt sich bereits eine Belohnung für den Fall des Projekterfolgs vereinbaren?
Unklarheiten und Grauzonen in diesen Projektmanagement-Fragen führen im Verlauf der Arbeits- und Abstimmungsprozesse fast zwangsläufig zu Konflikten, die nicht nur den Projektzeitplan und den Projekterfolg gefährden, sondern im Kontext der lateralen Führung zu einer besonderen Herausforderung und Belastung für die Führungsperson werden können. Die Projektleitung sollte versuchen, zu Beginn des Projekts möglichst viele der oben angerissenen Punkte im Projektauftrag verschriftlichen zu lassen. Günstig ist, wenn das Projekt von einer möglichst hochrangigen bzw. einflussreichen Person in der Verwaltung in Auftrag gegeben wird, also möglichst vom jeweiligen Dienstvorgesetzten bzw. der Dienststellenleiterin. Gibt es bei der Behördenleitung keine grundsätzliche Bereitschaft zur Klärung der genannten Fragen vor Beginn des Projekts, rät Radatz, das Projekt gar nicht erst in Auftrag zu nehmen.[28]
4.3 Zieldefinition und Projektstrukturierung
Sind die äußeren Rahmenbedingungen bestmöglich geklärt, muss das Projektteam zusammengestellt, und es müssen mit den Projektbeteiligten Ziele und Teilziele definiert und die Arbeitsweise vereinbart werden. Hierfür empfiehlt sich ein „Kick-off-Meeting“[29] gemeinsam mit dem Auftraggeber bzw. der Auftraggeberin, der bzw. die für alle erkennbar die Projektleitung einsetzt und die Projektziele definiert. Gleichzeitig sollte schon beim ersten Treffen mit der Teamentwicklung begonnen werden (vgl. Kap. 4.5). Im nächsten Schritt vereinbart das Team Regeln für die Zusammenarbeit und schnürt und verteilt erste Arbeitspakete und Ressourcen entsprechend der Kapazitäten und Aufgaben der Projektbeteiligten. Die Führungskraft sollte neben motivationsfördernden Ausführungen bereits zu Beginn ihre persönlichen Vorstellungen zu den Projektregeln bzw. ihre Erwartungen an die Teammitglieder darstellen, z. B. zu Anwesenheitspflicht bei Meetings, Einhalten von Deadlines, Kriterien für die Ressourcenvergabe etc.[30] Je früher Konflikte der potenziellen Projektbeteiligten mit den Erfordernissen des Projektplans und den Erwartungen der Projektführungskraft thematisiert werden, desto geringer bleibt die Beeinträchtigung des Projektverlaufs und der zwischenmenschlichen Beziehungen, wenn z. B. überlastete, ungeeignete oder unwillige Projektbeteiligte ausscheiden[31].
Besonderes Augenmerk ist auf die Organisation des Informationsflusses im Projekt zu legen. Ein umfassender und ständiger Informationsfluss ist nicht nur wichtig für den Projektfortschritt, sondern auch für die Motivation der Teammitglieder.
Auch für Gremien, die z. B. nach einer Wahl neu zusammentreten, kann bei der ersten Sitzung eine solche Verständigung über Arbeitsweisen und Regeln mit Input des oder der Vorsitzenden durchaus Sinn machen.
4.4 Motivierung der Teammitglieder
Radatz bringt die Problemlage von Projektführungskraft und Projektmitarbeitenden auf den Punkt: „Eine schwierige Situation für den Mitarbeiter, weil er sich zwischen den verschiedenen Ansprüchen [Anmerkung: in- und außerhalb des Projekts] schier zermalmt fühlt – eine schwierige Situation aber auch für die Führungskraft, die sich häufig mehr als „Bettler um Arbeitsleistung und Aufmerksamkeit“ denn als Führungskraft empfindet.“[32] Nur eine starke andauernde Motivation der Mitarbeitenden kann dieses Dilemma überwinden. Gerade zu Beginn des Projekts, aber auch später im Projektverlauf muss die Führungskraft den Projektmitarbeitenden die Sinnhaftigkeit der Projektarbeit aufzeigen, indem sie die Notwendigkeit des Projektes im Gesamtkontext der Verwaltung immer wieder darstellt. Wichtig für die Motivation ist nach Krämer, Lammert und Weigang zudem die richtige Rhetorik der Projektführungskraft, unter anderem die Verwendung positiver Metaphern.[33] Genauso wichtig ist aber, den Mitarbeitenden – gegebenenfalls in Einzelgesprächen – aufzuzeigen, welchen (subjektiven) Nutzen jedes Teammitglied aus der Mitarbeit am Projekt hat. Dieser Nutzen kann z. B. im Idealfall eine finanzielle Zulage sein oder ein Schritt auf der Karriereleiter, aber auch der Gewinn an Ansehen, Einfluss, förderlichen Kontakten oder Erfahrungen[34], und schließlich auch die Freude an spannenden Aufgaben und an der Zusammenarbeit mit sympathischen Menschen.
Entscheidend für die Motivation der einzelnen Teammitglieder ist, dass die Führungskraft ihnen je nach Kompetenzen und Teamtyp passende Aufgaben zuweist und dabei ein Gespür für ihre zeitlichen Kapazitäten und ihre Belastbarkeit zeigt.
Elementar für die Motivation der Beteiligten ist die gute Stimmung im Projektteam, insbesondere bei den Zusammenkünften. Hier hat die Führungskraft eine wichtige Vorbildfunktion, indem sie wertschätzend auftritt, die Projektfortschritte aufzeigt, die Leistungen der Teammitglieder lobt und das Verständnis für die häufig sehr unterschiedlichen Teamtypen, Berufsbiografien, Arbeitsbereiche und Denkstrukturen fördert.[35] Den Zusammenhalt fördert auch, wenn die Führungsperson aufzeigen kann, dass die Teamleistungen nur in der Zusammenarbeit erzielt werden können im Sinne von „Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile“.[36]
Radatz führt dazu aus: „Ausgezeichnete laterale Führung steht und fällt mit der Qualität der Teamarbeit. Nicht zuletzt deshalb ist die Anwesenheitsquote der Mitarbeiter ein wichtiger Indikator für die Qualität der Führung. [..] Unter anderem bedeutet dies, neben den rein „sachlichen“ Themen stets auch auf die soziale Begegnung der Teammitglieder zu achten, etwa auf ausreichend lange Pausen, [...]“[37].
4.5 Teamentwicklung und Konfliktbearbeitung
Radatz schlägt zu Beginn der inhaltlichen Projektarbeit die Erarbeitung einer Selbstdefinition des Teams vor, z.B. mit den Fragen „Wie wollen wir uns als Team selbst beschreiben und wie von anderen beschrieben werden?“, denn „die Kraft eine Teams kommt meiner Erfahrung nach aus dessen Selbstbeschreibung“[38].
Darauf aufbauend kann und sollte ein Team-Leitbild erarbeitet werden, beispielsweise anhand der Fragestellungen: Welche Vision, Mission, Ziele, Werte, Leitlinien, Grundannahmen und Glaubenssätze möchten wir für das Team festlegen?[39] Daraus wiederum lassen sich Regeln für die Teamarbeit ableiten. In Ergänzung zu den von der Projektleitung vorgegebenen Rahmensetzungen (vgl. 4.3) entwickeln gemeinsam von allen erarbeitete und aus dem gemeinsamen Selbstverständnis abgeleitete Regeln eine hohe Bindungskraft.[40]
Wenn es trotz aller Rahmensetzungs-, Klärungs- und Teamentwicklungs-Bemühungen zu Konflikten zwischen Teammitgliedern oder zwischen Teammitgliedern und der Projektführung kommt, kann die Projektführungskraft diese nicht „mit Macht“ von oben entscheiden oder schlichten. Sie muss die in dieser Arbeit aufgezeigten Ansätze nutzen, um die Konflikte richtig zu interpretieren und Lösungen herbeizuführen.[41]
Verschiedene Projektbeteiligte und auch die Projektführungskraft haben unterschiedliche Herangehensweisen aufgrund ihres unterschiedlichen Arbeitsumfeldes (Stichwort „lokale Realitäten“) und ihrer unterschiedlichen Berufs- und Problemlösungserfahrungen.[42] Aufgrund der unterschiedlichen Denkstrukturen können sich schnell Fronten verhärten, wenn die daraus resultierenden Bedürfnisse und Eigenheiten als Angriff aufgefasst werden. Hier hilft der Auftrag, sich einmal ganz konkret mit den Sachinformationen bzw. Rationalitäten der Gegenseite auseinanderzusetzen und sozusagen durch deren Brille zu schauen.[43]
Wenn es bei der Zusammenarbeit immer wieder an derselben Stelle hakt, sollten die betreffenden Regeln besprochen und neu (gegebenenfalls weiterentwickelt) vereinbart werden. Das hilft laut Bittelmeyer für kleine Streitpunkte wie Terminabsprachen ebenso wie für das Lösen von großen, festgefahrenen Konflikten.[44]
Bei größeren Konflikten zwischen mehreren Teammitgliedern können zirkuläre Fragen aus der systemischen Beratung neue Sichtweisen generieren: „Wie würde das Projekt laufen, wenn nur Ihr das Sagen hättet?“ (gerichtet an eine Konfliktpartei)? „Was würden die anderen Beteiligten dazu sagen?“ „Was müsste das Projektteam tun, damit alles noch schlimmer wird?“[45] Ist die Projektführungskraft selbst in größere Konflikte mit Projektmitarbeitenden involviert, empfiehlt sich die Beiziehung einer externen, allparteilichen Moderation zur Konfliktklärung und -bereinigung und/oder externes Coaching für die Projektführungskraft.
5 Schlussfolgerungen
In der vorliegenden Arbeit wurde deutlich, dass die laterale Führung von Gremien und Projektgruppen ganz spezifische Herausforderungen beinhaltet, insbesondere in den Bereichen „unterschiedliche Rollenanforderungen“ und „fehlende Weisungsbefugnis“. Entsprechend sind auch die Strategieempfehlungen für Gremienvorsitzende und Projektführungskräfte teilweise andere als für Linienvorgesetzte. Dennoch lassen sich viele der Strategien der lateralen Führung auch in anderen Führungspositionen einsetzen, denn „[laterales Führen] steht auch für eine Denkhaltung“[46].
Literaturverzeichnis
Bittelmeyer, Andrea: Managen ohne Weisungsbefugnis, in: managerSeminare 108, 2013, S. 34-40.
Bohinc, Tomas: Führung im Projekt, 2012.
Bundesministerium des Innern: Praxisleitfaden – Projektmanagement für die öffentliche Verwaltung, 2012. www.verwaltung-innovativ.de/SharedDocs/Publikationen/Steuerung/praxisleitfaden_projektmanagement.pdf [16.12.2015].
Krämer, Daniela/Lammert, Kathrein/Weigang, Silke: Führen ohne Vorgesetztenfunktion: Prozesse voranbringen, tragfähige Entscheidungen treffen, sich und andere zum Erfolg führen, 2015.
Klutmann, Beate: Führen ohne Disziplinarfunktion. Wie man Gruppen führt, ohne Personalverantwortung zu haben, in: Zeitschrift Führung und Organisation (zfo), 2003, S. 94-101.
Kühl, Stefan/Schnelle, Thomas: Führen ohne Hierarchie, in: Organisations-Entwicklung, 2009, S. 51-60.
Niermeyer, Rainer: Teams führen, 2012.
Radatz, Sonja: Führen ohne „Führungsmacht“, 2009, https://www.projektmagazin.de/fuehren-ohne-fuehrungsmacht [15.12.2015].
Solga, Jutta/Blickle, Gerhard: Macht und Einfluss in Projekten, in: Wastian, Monika/Braumandl, Isabell/von Rosenstiel, Lutz (Hrsg.): Angewandte Psychologie für Projektmanager – Ein Praxisbuch für die erfolgreiche Projektleitung, 2009, S. 145-164
Stöwe, Christian/Keromosemito, Lara: Führen ohne Hierarchie – Laterale Führung. Wie Sie ohne Vorgesetztenfunktion Teams motivieren, kritische Gespräche führen, Konflikte lösen, 2. Aufl. 2013.
Wegge, Jürgen/Schmidt, Klaus-Helmut: Der Projektleiter als Führungskraft,
in: Wastian, Monika/Braumandl, Isabell/von Rosenstiel, Lutz (Hrsg.): Angewandte Psychologie für Projektmanager – Ein Praxisbuch für die erfolgreiche Projektleitung, 2009, S. 207-224
[1] Umwelt-Management-System nach einer EU-Verordnung (Eco-Management and Audit Scheme)
[2] Formale Führungsfunktionen in den genannten Gremien wären z. B. (Ober-)Bürgermeister, Landrätin, Präsident, Rektorin, Vorsitzende etc.
[3] Vgl. Kühl/Schnelle, 2005, S. 190.
[4] Ein Projekt wird hier verstanden als "ein einmalig durchzuführendes Vorhaben, mit dem die Verwaltung auf besondere Anforderungen reagiert, indem sie zum Beispiel neue oder bessere Leistungen für die Bürger, neue Konzepte für eine wirksamere Aufgabenwahrnehmung, interne Veränderungen zur Steigerung der Effizienz oder Erhöhung der Qualität entwickelt.“ Bundesministerium des Innern, 2012, S. 7.
[5] Lateinisch „Latus“ bedeutet „Seite, Flanke“, laterale Führung demnach „Führen von der Seite“. Vgl. Bittelmeyer, 2007, S. 35.
[6] Kühl/Schnelle, 2005, S. 187.
[7] Zum Begriff Sandwichposition vgl. Bohinc, 2012, S. 1-4.
[8] Vgl. Bohinc, 2012, S. 2.
[9] Radatz, 2009, S. 2.
[10] Bittelmeyer, 2007, S. 36.
[11] Vgl. Wegge/Schmidt, 2009, S. 208.
[12] Dies kann z. B. die Partei, Fraktion, Interessensverband etc. sein, der ein Gremienmitglied angehört.
[13] Zur Rolle von (Mikro-)Politik in Projekten vgl. Solga/Blickle, 2009, S. 149-152.
[14] Klutmann, 2003, S. 94-95.
[15] Klutmann, 2003, S. 95.
[16] Vgl. Kühl/Schnelle, 2009, S. 52.
[17] Vgl. zu den verschiedenen Machtquellen Klutmann, 2003, S. 95-96.
[18] Vgl. Kühl/Schnelle, 2009, S. 52.
[19] Darstellung nach Kühl/Schnelle, 2009, S. 53, geändert.
[20] Vgl. Kühl/Schnelle, 2009, S. 52.
[21] Kühl/Schnelle, 2009, S. 52.
[22] Vgl. Wegge/Schmidt, 2009, S. 217-218.
[23] Zur Rolle von externer Einflussnahme in Projekten vgl. Solga/Blickle, 2009.
[24] Vgl. Niermeyer, 2012, S. 23.
[25] Vgl. Bundesministerium des Innern, 2012, S. 59.
[26] Vgl. Kap. 3.1.
[27] Vgl. Radatz, 2009, S.1-2.
[28] Vgl. Radatz, 2009, S. 3.
[29] Vgl. Niermeyer, 2012, S. 62 und Stöwe/Keromosemito, 2013, S. 31.
[30] Vgl. Radatz, 2009, S. 4.
[31] Vgl. Radatz, 2009, S. 4.
[32] Radatz, 2009, S. 1.
[33] Vgl. Krämer/Lammert/ Weigang, 2016, S. 53-63.
[34] Vgl. Radatz, 2009, S. 3.
[35] Zu unterschiedlichen Team-Typen vgl. Stöwe/Keromosemito, 2013, S. 11-36.
[36] Vgl. zu Projektteams und ihrer Stärken Bohinc, 2012, S. 37.
[37] Vgl. Radatz, 2009, S. 5.
[38] Radatz, 2009, S. 5.
[39] Vgl. Radatz, 2009, S. 5.
[40] Zur weiteren Teamentwicklung vgl. Bohinc, 2012, S. 31-77.
[41] Vgl. Stöwe/Keromosemito, 2013, S. 116.
[42] Dies gilt übrigens häufig auch für Gremienmitglieder.
[43] Vgl. Uhrenbeispiel bei Bittelmeyer, 2007, S. 38.
[44] Vgl. Bittelmeyer, 2007, S. 38.
[45] Vgl. Bittelmeyer, 2007, S. 40.
[46] Schnelle in Bittelmeyer, 2007, S. 40.
- Arbeit zitieren
- Christine Fabricius (Autor:in), 2016, Laterale Führung in Projekten und Gremien in der öffentlichen Verwaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/417353