Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob die Türkei, auf Grund ihrer geschichtlichen Entwicklung, zu Europa gehört? Den Schwerpunkt der Betrachtung habe ich dabei auf die Beziehungen des Osmanischen Reiches und Europas, hinsichtlich ihrer militärischen, politischen und wirtschaftlichen Kontakte gelegt. Zwar wird heute immer wieder auf die kulturellen Unterschiede und die fehlende Epoche der Aufklärung und der Renaissance in der Türkei verwiesen, u. a. durch Heinrich August Winkler, jedoch gibt es auch Beispiele für historische Beziehungen, die Europa und die heutige Türkei verbinden. Besonders das letzte Jahrhundert ist geprägt von zahlreichen Annäherungsversuchen der Türkei an das westliche Europa. Religiöse, politische und wirtschaftliche Argumente haben aber bisher dazu beigetragen, dass aus dem Assoziationsabkommen von 1963 bis zum heutigen Tage keine Vollmitgliedschaft geworden ist. Dabei hinterfragt die Arbeit, warum Europa auf die Türkei als Partner angewiesen ist, die Zusammenarbeit mit ihr sucht, ohne sie jedoch als gleichberechtigten Partner anzusehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition des Begriffs Europa
2.1 Geographische Abgrenzung
2.2 Historische Abgrenzung
3. Europa und das Osmanische Reich
3.1 Die militärischen Beziehungen zwischen Europa und dem Osmanischen Reich
3.2 Die politischen Beziehungen zwischen Europa und dem Osmanischen Reich
3.3 Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und dem Osmanischen Reich
4. Die Beziehungen zwischen der Kemalistischen Republik und Europa
4.1 Die Beziehungen zwischen der Kemalistischen Republik und Deutschland
5. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Europa nach dem 2. Weltkrieg bis zur Unterzeichnung des Assoziationsabkommens am 12. September 1963
6. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Europa seit dem Assoziationsabkommen vom 12. September 1963 bis zum
Zusammenbruch des Ostblocks
7. Der Zusammenbruch des Ostblocks und die Neuorientierung der EG
8. Schluss
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, ob die Türkei, auf Grund ihrer geschichtlichen Entwicklung, zu Europa gehört? Den Schwerpunkt der Betrachtung habe ich dabei auf die Beziehungen des Osmanischen Reiches und Europas, hinsichtlich ihrer militärischen, politischen und wirtschaftlichen Kontakte gelegt. Zwar wird heute immer wieder auf die kulturellen Unterschiede und die fehlende Epoche der Aufklärung und der Renaissance in der Türkei verwiesen, u. a. durch Heinrich August Winkler und auch Helmut Schmidt, jedoch hinderte dies Europa niemals daran die Türkei in das europäische Machtgeflecht und in wirtschaftliche Belange mit einzubeziehen. Aus diesem Grund versuche ich die Beziehungen der Türkei und Europa in den letzten Jahrhunderten zu skizzieren und Gemeinsamkeiten zu erörtern. Als Leitmotiv der Arbeit soll der Gedanke betrachtet werden, dass die Türkei wirtschaftlich, militärisch und auch politisch wesentliche Kontakte zu Europa hatte und auch noch hat. Dies resultiert aus ihrer brisanten Stellung. Sie ist der Puffer zwischen Europa und Asien, zwischen Abendland und dem Orient. Die wesentliche Literatur auf die ich mich beziehe ist von Aslan, Yusuf: Die Türkei: von der West-Integration zur Ost-Wendung?, Peter Lang GmbH, Frankfurt a.M., 1998, Yesilyurt, Zuhal: Die Türkei und die Europäische Union, Chancen und Grenzen der Integration, Der Andere Verlag, Osnabrück, 2000 und Steinbach, Udo: Die Geschichte der Türkei, Verlag C.H. Beck, München, Jahr 2000.
Meine These ist, dass die Türkei seit Jahrhunderten verzweifelt versucht ein Teil Europas zu werden, sich dabei von der arabischen Welt isoliert hat und von den europäischen Staaten nicht als Teil Europas angesehen wird. Zu Beginn nehme ich sowohl eine geographische, wie auch historische Abgrenzung des Begriffs Europa vor. Dann skizziere ich die Entwicklung des Osmanischen Reiches zu einer Großmacht, bis hin zu seinem Höhepunkt unter Süleyman dem Prächtigen. Im Anschluss erörtere ich den langsamen Niedergang und die europäische Hinwendung des Osmanischen Reiches. Diese Betrachtung geschieht unter den Aspekten der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und Europa. Ein weiterer Punkt der von Zuhal Yesilyurt in seinem Buch: Die Türkei und die Europäische Union; Chancen der Integration, als wichtiger Wendepunkt angeführt wird, ist die Kemalistische Phase, mit der Gründung der Republik 1923.[1] Dabei ist auch das deutsch-türkische Verhältnis zu beachten, da einige deutsche Akademiker während der Zeit des Nationalsozialistischen Regimes in die Türkei exilierten und bei der Umsetzung der Kemalistischen Reformen halfen. Der Entwicklung der Türkei bis zum EWG Assoziationsabkommen 1963 und der weitere Weg bis zum Zusammenbruch des Ostblocks sind weiter Inhalte dieser Arbeit. Hierbei wird auf Probleme, das Verhältnis der Partnerschaft zwischen der Türkei und Europa eingegangen, was zeigen soll, dass die Türkei zwar von Europa gebraucht wird, ihr jedoch die Zugehörigkeit verweigert wird. Die letzte Phase der geschichtlichen Entwicklung skizziert die Zeit seit dem Zusammenbruch des Ostblocks bis heute, in der die Europäische Union eine neue Richtung eingeschlagen hat. Diese lässt eine Annäherung zu den ehemaligen Sozialistischen Staaten der Sowjetunion erkennen, was auch an der jüngsten EU-Erweiterung zu sehen ist. Der Schlussteil wird ein Fazit wiedergeben, welcher die geschichtliche Entwicklung noch einmal reflektiert, ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede bewertet und die Fragestellung dieser Arbeit zu beantworten versucht.
2. Definition des Begriffs Europa
2.1 Geographische Abgrenzung
Geographisch gesehen gibt es für die Grenze zwischen Europa und Asien kein eindeutiges Merkmal. Die Grenze war immer wieder wechselnden historischen und weltanschaulichen Kriterien unterworfen. „Die letzte offiziell anerkannte Grenze ist die von Philip Johan von Strahlenberg aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts; sie verläuft durch die Manytschniederung nördlich des Kaukasus.“[2]
2.2 Historische Abgrenzung
Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder verschiedene Ansichten, was Europa ist. Eine der zentralen Thesen Gerard Delantys ist, „dass sich Europa weniger aus tatsächlich vorhandenen Gemeinsamkeiten heraus entwickelte, sondern in erster Linie, maßgeblich, teilweise ausschließlich auf einer gemeinsamen Abgrenzung nach außen hin“.[3] Damit wird gesagt, dass sich Europa, das europäische „Wir-Gefühl“, aus einer Haltung entwickelte, in der jeder wusste, was er nicht ist. Jeder „Europäer“ wusste, dass er nicht Teil der islamischen Welt ist. Europa war eine gemeinsame Opposition gegen den Orient, der die islamische Welt verkörperte. Europas Grenzen wurden immer wieder neu assoziiert, was mit dem Vordringen oder Zurückdrängen des Islams zu tun hatte. „Europa ist demnach bis in die Moderne hinein kein fester aus sich selbst heraus bestehender geographischer Begriff, sondern eine von Religion abhängige Definition.“[4] Beispiele dafür sind Spanien und auch der Balkan, die sowohl vom Islam, wie auch vom Christentum beeinflusst wurden. In der weiteren Entwicklung und der folgenden Säkularisierung, löste sich die Gesellschaft von der Religion ab. Europa war und ist nicht nur das Gebiet der Christen, sondern Europa beinhaltet bestimmte Moral- und Wertvorstellungen, die mit dem Christentum verbunden sind. Die Abgrenzung dessen, was Europa ist, wird weiterhin nach außen fortgesetzt. Dies ändert sich auch nicht mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches. Die Sowjetunion war nach dem 2. Weltkrieg das neue Gegenkonstrukt. Hier war aber Europa nicht hinlänglich der Religion abgegrenzt, sondern hinsichtlich der Gesellschaftsformen und der daran gekoppelten Wirtschaftssysteme. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte Europa keinen Gegenpart, zu dem es sich abgrenzen konnte. Diesen Gegenpart nimmt heute, sicherlich nicht in dieser scharfen Form wie der Orient oder die Sowjetunion, die USA ein. Europa versucht sich heute gegenüber den USA abzugrenzen und sich selbstständig zu machen.[5]
3. Europa und das Osmanische Reich
3.1 Die militärischen Beziehungen zwischen Europa und dem osmanischen Reich
Bis 1566 gab es zwischen Europa und dem Osmanischen Reich eine Vielzahl von kriegerischen Auseinandersetzungen, die vor allem die Eroberung des Balkans und die Belagerung Wiens (1529) betrafen. Das Osmanische Reich war bis ins 20. Jahrhundert ein zentraler Faktor europäischer Machtpolitik, und galt drei Jahrhunderte lang als europäische Großmacht.[6] Bis zum Ende der Amtszeit Süleyman des Prächtigen waren die Türken den Europäern auf dem militärischen und wirtschaftlichen Sektor überlegen.[7] Sultan Mehmed II. und Süleyman der Prächtige zählen zu den Gründervätern Europas. “Sie zwangen West und Südeuropa, sich zu verteidigen und Mittel und Wege des gemeinsamen Handels zu finden.“[8] Wenn das der Fall gewesen wäre, dann dürfte Russland, falls es in naher Zukunft ein Beitrittsgesuch einreichen würde, ebenfalls nicht der Beitritt verwährt werden, denn „Der erste in Aachen verliehene Internationale Karlspreis hätte an Josef Stalin gehen müssen. Ohne gemeinsame Angst hätte es keine Gemeinschaft gegeben.“[9] Doch nach der Amtszeit Süleyman des Prächtigen begann der langsame Niedergang des Osmanischen Reiches. Dieser hatte seine Gründe, die im wesentlichen darin lagen, dass eine Reihe von Sultanen mit niedriger Qualität in den nächsten Jahrhunderten regierten, aber auch im wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Bereich.[10] Ab 1610 vollzog sich auch der militärische Niedergang. Das Reich hatte wirtschaftliche Schwierigkeiten, und zahlreiche Angehörige der Armee versuchten sich vor dem Waffendienst zu drücken oder zogen plündernd durch das Reich. Die einstige Elitegruppe der Janitscharen degenerierte sich zunehmend. Die Rekrutierung und Ausbildung wurde gelockert und zudem zogen die Janitscharen immer mehr Macht im Inneren an sich. Nach der zweiten Belagerung Wiens (1683), die die Türken ebenfalls verloren hatte, folgten zahlreiche militärische Niederlagen. Unter dem Zaren Peter dem Großen expandierte das Russische Reich, und mit dem Abkommen von Karlowitz (1699) war das erste Abkommen unterzeichnet, in dem die Osmanen aus ihren europäischen Besitzungen heraus gedrängt wurden. In den nächsten Jahrhunderten folgten weitere Abkommen, die den Osmanen weitere Zugeständnisse abverlangten. Darunter der Frieden von Kücük Kaynarca (1774), der den russisch-türkischen Krieg beendete und dem Osmanischen Reich weitere Teile auf dem Balkan abverlangte. Aber auch die Besetzung 1798, durch die französischen Truppen unter Napoleon, hatte den Verlust Ägyptens zur Folge. Die Hohe Pforte[11] reagierte seit Beginn des 19. Jahrhunderts mit Reformen im Militärwesen, welche die Armee an den Vorbildern der europäischen Armeen anpassen sollte. 1536 jedoch sah dies noch anders aus, als Franz I., König von Frankreich, der sich von den österreichischen und spanischen Habsburgern umzingelt sah, eine militärische Allianz mit dem Sultan schloss, die 1536 auch einen Handelsvertrag nach sich zog. Neben den Reformen im Militärwesen, gab es auch Reformen im Bereich der Verwaltung, der Schulen und des Rechtswesens. Sinn dieser Reformen war eine Stärkung des Reiches und eine Orientierung an Europa. Den europäischen Staaten sollte damit die Möglichkeit gegeben werden, das Osmanische Reich als einen Teil Europas zu sehen und die andauernde Konfrontation abzubauen, da es den europäischen Großmächten unterlegen war.[12] Mit dem Balkankrieg 1912/1913 verlor das Osmanische Reich fast alle Besitztümer auf dem Balkan. Das Deutsch Reich konnte mit Beginn des ersten Weltkrieges ein Geheimbündnis mit dem Osmanischen Reich abschließen, was zur Folge hatte, dass sie an der Seite Deutschlands in den Krieg eintraten.
[...]
[1] Aus Yesilyurt, Zuhal: Die Türkei und die Europäische Union, Chancen und Grenzen der Integration, Der Andere Verlag, Osnabrück, 2000, S. 24
[2] http://europa.adlexikon.de/Europa.shtml
[3] http://www.medienkomm.uni-halle.de/material/essays_seminare_ws03/kulturelle_identitaet/ europa_ohne_orient_4.doc
[4] www.medienkomm.uni-halle.de/material/essays_seminare_ws03/kulturelle_identitaet/ europa_ohne_orient_4.doc
[5] Siehe www.medienkomm.uni-halle.de/material/essays_seminare_ws03/kulturelle_identitaet/ europa_ohne_orient_4.doc
[6] Aus Prantl, Heribert: Der Mond unter den Füßen. Warum die Aufnahme der Türkei eine Chance für die EU darstellt in Leggewie, Claus: Die Türkei und Europa, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 2004, S. 152
[7] Vergl. Kurt, Cahit: Die Türkei auf dem Weg in die Moderne, Frankfurt a.M., 1989, S. 25
[8] Prantl, Heribert: Der Mond unter den Füßen. Warum die Aufnahme der Türkei eine Chance für die EU darstellt in Leggewie, Claus: Die Türkei und Europa, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 2004, S. 152
[9] Winkler, H.A.: Ehehindernisse. Gegen einen EU-Beitritt der Türkei in Leggewie, Claus: Die Türkei und Europa, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 2004, S. 152
[10] Siehe Steinbach, Udo: Die Geschichte der Türkei, Verlag C.H. Beck, München, Jahr 2000, S.14
[11] Begriff für die osmanische Regierung; so bezeichnet nach der Eingangspforte des alten Sultanspalastes, der seit Beginn des 18. Jahrhunderts Sitz des Großwesirs war
[12] Siehe Steinbach, Udo: Die Geschichte der Türkei, Verlag C.H. Beck, München, Jahr 2000, S.17
- Arbeit zitieren
- Andreas Berkenkamp (Autor:in), 2005, Gehört die Türkei, auf Grund ihrer geschichtlichen Entwicklung, zu Europa?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41775
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