Suburbanisierung und die Zukunft des suburbanen Raums von westdeutschen Großstädten

Am Beispiel der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel


Hausarbeit, 2016

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Suburbanisierung als Prozess der Stadtentwicklung
2.1 Entwicklung städtischer Räume in Westdeutschland
2.2 Ursachen der Stadt-Umland-Wanderung im Zuge der Suburbanisierung
2.3 Folgen der Stadt-Umland-Wanderung

3. Suburbanisierung am Fallbeispiel der Landeshauptstadt Kiel

4. Die Zukunft der Vorstadt

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„ Zahl der Pendler stark gestiegen

Die Zahl der Berufspendler in Deutschland ist nach Zahlen der Bundesagentur f ü r Arbeit in den letzten Jahren stark gestiegen [ … ]

'Der Druck, im Beruf mobil zu sein und weite Wege zum Arbeitsplatz zur ü ckzulegen, hat in den letzten Jahren unvermindert angehalten', zitiert die Zeitung (Passauer Neue Presse) die Politikerin der Linken (Sabine Zimmermann). [ … ] 'Der hohe Pendler ü berschuss [...] ist immer noch Ausdruck der Flucht vor Arbeitslosigkeit und Niedrigl ö hnen [ … ]', so Zimmermann.

(Quelle: KN online vom 16.04.2016)

Der Prozess der Suburbanisierung als Teil des Stadtentwicklungsmodells nach VAN DEN BERG et al. (1982) lässt sich in westdeutschen, aber auch anderen west- und nordeuropäischen Großstädten seit den Nachkriegsjahrzehnten beobachten (ROOST et al. 2014). Die Vorstadt, in den 1960er Jahren besonders beliebt bei jungen Familien mit dem Wunsch nach einem Eigenheim und dem „Wohnen im Grünen“ (z.B. STAHL und WEHRHAHN 2012), entwickelte sich seit jeher weiter, sodass eine Ausweitung der Stadtfläche und immer stärkere Pendlerverflechtungen zu beobachten sind.

Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit zunächst der Prozess der Suburbanisierung genauer vorgestellt und der Begriff des suburbanen Raumes vor der Frage, was das Wohnen in der Vorstadt attraktiv macht, erklärt werden. Dabei soll erst die historische Entwicklung der Vorstadt beleuchtet werden, ehe am Beispiel der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel diese Erkenntnisse veranschaulicht und mit Zahlen hinterlegt werden. Abschließend sollen die aktuelle Situation aufgezeigt und so die Frage, wie sich die Vorstadt zukünftig entwickeln könnte, beantwortet werden.

2. Suburbanisierung als Prozess der Stadtentwicklung

Die Städte wachsen - weltweit ziehen immer mehr Menschen vom Land in die Städte. Diese Bewegungen verändern Regionen; Städte wie Hamburg dehnen sich immer weiter aus, in China beispielsweise wachsen Millionenstädte aus dem Nichts, die Freiflächen innerhalb der Städte verschwinden nach und nach, die Städte wachsen in die Höhe und in die Breite (TAUBENECK et al. 2015, S. 6).

In städtischen Räumen (auch „Agglomerationsräume“, z.B. HEINEBERG 2006, S. 55) lassen sich nach GAEBE (1991) vier Phasen innerhalb der Stadtentwicklung unterscheiden, die mit einem Wechsel von Zentralisierung und Dezentralisierung, also der Konzentration und Dispersion von Bevölkerung, einhergehen (vgl. hierfür etwa HEINEBERG 2006, S. 56f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bev ö lkerungsentwicklung in st ä dtischen R ä umen (H EINEBERG 2006)

Vereinfacht wird der städtische Raum in Kernstadt und suburbanem Raum unterteilt. Eine Phase des Entwicklungsmodells geht fließend in die nächste über (Abb. 1). Einzelne Ereignisse wie die Ölpreiserhöhung in den 1970er-Jahren oder das Zusammenbrechen des Warschauer Paktes, welche sich ebenfalls auf die Bevölkerungsverteilung in städtischen Räumen auswirkten, werden in diesem Modell nicht berücksichtigt (Spektrum Akademischer Verlag 2001a).

Die Phase der Urbanisierung ist durch starkes Bevölkerungswachstum in der Kernstadt gekennzeichnet. Bedingt durch Zuwanderung in die Städte gab es in europäischen und amerikanischen Städten im 19. Jahrhundert Bevölkerungszunahmen von rund 1-2 % pro Jahr. Die großen Städte der Entwicklungs- und Schwellenländer verzeichnen aktuell ein Wachstum von 3-6% pro Jahr, welches jedoch kaum mit wirtschaftlichem Wachstum einhergeht (HEINEBERG 2006, S. 56). Urbanisierung lässt sich also in erster Linie mit Land-Stadt- Wanderungen, aber auch mit einem natürlichen Wachstum der Bevölkerung durch Geburten, wie aktuell in den Entwicklungs- und Schwellenländern, begründen. Auch die Eingemeindung könnte eine Rolle in der Urbanisierung spielen.

Während die Bevölkerung innerhalb der Kernstadt im Rahmen der Suburbanisierungsphase abzunehmen beginnt, steigt die Bevölkerung im Umland an. Suburbanisierung ist also als Expansion einer Kernstadt in ihr Umland zu verstehen. Damit verbunden ist auch die Verlagerung des sozialen und ökonomischen Wachstumsschwerpunktes innerhalb einer Region (Spektrum Akademischer Verlag 2001b).

Suburbanisierung lässt sich in drei Teile untergliedern - Bevölkerungssuburbanisierung, Suburbanisierung der Industrie und die Suburbanisierung von Dienstleistungen. Betrachtet werden soll in Folgendem die Bevölkerungssuburbanisierung, da sie als grundlegende Bewegung innerhalb der Suburbanisierung angesehen werden kann.

Die „absolute Bevölkerungs- und Beschäftigungsabnahme“ (GAEBE 1991, S. 9) innerhalb des städtischen Raumes bezeichnet man als Desurbanisierung. In dieser Phase erreicht die Bevölkerung im suburbanen Raum ihren Höhepunkt, die Zuwanderung ins Umland schafft es jedoch nicht, die Verluste in der Kernstadt auszugleichen, sodass der städtische Raum Einwohner verliert. Grund hierfür können beispielsweise die zu hohen Bodenpreise im städtischen Raum sein, zum anderen aber auch die wachsende Attraktivität ländlicher Räume, die kostengünstiger aber nicht schlechter erreichbar sind (Spektrum Akademischer Verlag 2001c).

Stadtplanerische Maßnahmen sind die Voraussetzungen für die Reurbanisierung, in der die Kernstadt einen stärkeren Bevölkerungszuwachs als der suburbane Raum verzeichnet. Sie versteht sich häufig als Beginn der Gentrifizierung (HEINEBERG 2006, S. 58). Obwohl diese vier Phasen im Modell nahtlos ineinander überzugehen scheinen, müssen sie nicht zwangsläufig aufeinanderfolgen. So treten heutzutage Suburbanisierung und Reurbanisierung häufig parallel auf.

2.1 Entwicklung städtischer Räume in Westdeutschland

Wir verstehen Suburbanisierung als „bestimmendes Element der Stadtentwicklung in West- deutschland“ (GLASZE UND GRAZE 2007, S. 467) und haben Suburbanisierung als Phase der Stadtentwicklung eingeordnet. Nachfolgend soll die Entwicklung städtischer Räume in Westdeutschland (nach MÜNTER 2014) thematisiert werden:

In Westdeutschland lässt sich die Suburbanisierungsphase in den Nachkriegsjahrzehnten, also etwa 1950 bis 1980, beobachten. Nach einem raschen Bevölkerungswachstum nach dem zweiten Weltkrieg setzt in den 1960er Jahren die erste Welle der Suburbanisierung ein. Charakteristisch für die Suburbanisierungsphase blieb die Einwohnerzahl in den Kernstädten nahezu konstant, während sie in den Vorstädten um mehr als zehn Prozent anstieg. Es folgte die Phase der Desurbanisierung, in der westdeutsche Städte aufgrund starker NordSüd-Wanderungen in erheblichem Maße Einwohner verloren.

Die zweite Welle der Suburbanisierung setzte zu Beginn der 90er Jahre ein und sorgte zunächst für einen Zuwachs in Kernstädten und Umland - wenige Jahre später verstärkt ins Umland, während die Kernstädte stagnierten oder leicht rückläufig waren. Anschließend setzte die bereits erwähnte Parallelität von Suburbanisierung und Reurbanisierung etwa zur Jahrtausendwende ein.

Gründe für die zweite Suburbanisierungswelle waren zum einen die Öffnung der innerdeutschen Grenze, die zu starken Zuwanderungen aus Ostdeutschland führte, zum anderen das Erreichen des Familiengründungsalters der in den 1960er Jahren Geborenen, die infolgedessen Eigentum bildeten.

Diese und folgende Aspekte werden als Ursachen der Suburbanisierung gesehen und beantworten die Frage, was das Leben in der Vorstadt so attraktiv macht.

2.2 Ursachen der Stadt-Umland-Wanderungen im Zuge der Suburbanisierung

Ursächlich für den starken Bevölkerungszuwachs im Umland sind zum einen Fortzüge aus der Kernstadt in das Umland, zum anderen aber auch höhere Geburten- und niedrigere Sterberaten im suburbanen Raum (HEINEBERG 2006, S. 57).

Beginnend mit dem Fortzug der Wohlhabenden, der in Europa während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte, bildeten sich erste Vorstädte am Stadtrand. Diese Art der Stadt- Rand-Wanderung war häufig mit einem „Rückzug ins Grüne“ (ROOST et al. 2014, S. 9) zu begründen.

Zu den Vorzügen des Umlandes gehören neben dem naturnahen Wohnen auch die günstigeren Bodenpreise, die zusammen mit der geringeren Bebauungsdichte größere Grundstücke ermöglichten.

So wurde das oft unzureichende Wohnungsangebot, geprägt durch „Mängel in der Bausubstanz“ (HEINEBERG 2006, S. 57) oder Belastungen durch Verkehr und Umwelt, in der Innenstadt durch attraktive Standorte in der Vorstadt ergänzt, die insbesondere bei jungen Familien beliebt waren.

Der Wandel der Lebensformen, etwa die Verwirklichung eines Kinderwunsches, lockte viele Familien in den suburbanen Raum (ROOST et al. 2014, S. 11), da die Innenstadt häufig keine Freizeitmöglichkeiten für Kinder bot.

Auch der Wunsch nach einem Eigenheim kann als einer der Gründe der Bevölkerungs- suburbanisierung festgehalten werden. Die Bildung von Wohneigentum dient der privaten Vorsorge, welche als dritte Säule der Altersvorsorge verstanden werden kann (MÜNTER 2012, S. 66)

Nur am Rande seien hier die steuerlichen Entlastungen und der steigende Flächenbedarf genannt, welche wenig später Industrie- und Dienstleistungsunternehmen ins Umland zogen (HEINEBERG 2006, S. 57).

Das Wohnen in der Vorstadt war jedoch nur aufgrund des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur im Umland attraktiv, der eine gute Vernetzung mit der Kernstadt herbeiführte. So blieben soziale Netzwerke trotz Fortzug in das Umland bestehen und Arbeitsplätze konnten weiterhin erreicht werden.

Die so entstandenen Vorstadtregionen lassen sich als suburbaner Raum zusammenfassen. Vereinfacht gesagt ist suburbaner Raum das Umland einer Kernstadt.

„Eine Herausforderung bei der Betrachtung dieser Orte ist [jedoch], dass sie nur schwer zu erfassen sind, weil es sich dabei um kaum eindeutig abgrenzbare Bereiche mit einer sehr breiten Nutzungsvielfalt und einer extrem uneinheitlichen baulichen Struktur handelt“ (ROOST et al. 2014, S. 9). Suburbaner Raum lässt sich deshalb nicht mit den administrativen Stadtgrenzen abschließen, sondern kann sich auch darüber hinaus erstrecken und wird so durch bauliche Strukturen begrenzt und über Pendlerverflechtungen definiert.

Ein- und Zweifamilienhäuser überwiegen im suburbanen Raum (HESSE 2012, S. 14) und tragen auf diese Weise zur Attraktivität der Vorstadt - insbesondere für junge Familien - bei.

2.3 Folgen der Stadt-Umland-Wanderungen

Die Auswirkungen der Suburbanisierung kann man nicht pauschal positiv oder negativ bewerten, da sie abhängig vom Betrachter sind.

Die Abwanderung von Einwohnern (die Verlagerung von Unternehmen wird außer Acht gelassen) wirkt sich für die Kernstadt negativ aus, während das Umland davon profitiert. Einen tatsächlichen Einnahmeverlust verzeichnet die Kernstadt jedoch erst, wenn die administrativen Stadtgrenzen überschritten werden. Erst dann entgehen der Kernstadt beispielsweise Anteile aus Lohn- und Einkommenssteuern. Die finanziellen Verpflichtungen bleiben der Kernstadt jedoch erhalten. Sie muss auch weiterhin etwa für die Unterhaltung der Infrastruktur aufkommen, von der auch der suburbane Raum profitiert.

Da sich meist nur wohlhabendere Bewohner den Umzug in den suburbanen Raum leisten können, kann es zur sozialen Segregation kommen. Menschen mit geringerem Einkommen und Sozialhilfeempfänger verbleiben in den Kernstädten und führen aufgrund notwendiger Sozialhilfeaufwendungen zu weiteren finanziellen Belastungen (KÜHL UND BUSCH 2001, S. 4). Gleichermaßen führt die zugezogene, wohlhabendere Bevölkerung im Umland zu höheren Steuereinnahmen im suburbanen Raum.

Das Fortziehen aus der Kernstadt ins Umland führt nicht nur zur Ausweitung der (nichtadministrativen) Stadtfläche, sondern geht auch mit größeren räumlichen Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort einher, WILD (2011) erwähnt diesbezüglich die Separation von Wohnungen von Fabriken und Einkaufsmöglichkeiten.

Die höhere Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsplatz bei nicht immer guter Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr macht einen eigenen PKW erforderlich, was zu Verkehrsproblemen im Umland führen kann.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Suburbanisierung und die Zukunft des suburbanen Raums von westdeutschen Großstädten
Untertitel
Am Beispiel der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V417853
ISBN (eBook)
9783668669536
ISBN (Buch)
9783668669543
Dateigröße
2205 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
suburbanisierung, zukunft, raums, großstädten, beispiel, landeshauptstadt, kiel
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Kevin Ruser (Autor:in), 2016, Suburbanisierung und die Zukunft des suburbanen Raums von westdeutschen Großstädten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/417853

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