Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Definition von „Biodiversität“
2.2 Biodiversität in der Landwirtschaft
3. Umsetzung von Biodiversitätsförderung in (post-)moderner Landwirtschaft
3.1 Berücksichtigung der Biodiversität in verschiedenen Landwirtschaftsformen
3.2 Fallbeispiel zum Vergleich von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft
4. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im gesellschaftlichen Diskurs steht gegenwärtig vor allem die Entscheidung des Konsumenten zwischen herkömmlichen oder biologisch nachhaltig angebauten Lebensmitteln. Dabei ist festzustellen, dass das ökologische Bewusstsein der Bevölkerung in Deutschland ständig zunimmt. Der Konsens besteht ferner meist darin, dass es als sinnvoll und wichtig erachtet wird, dass die Umwelt geschont und Nutztiere eine artgerechte und ethisch vertretbare Haltung erfahren. Hierbei ist es jedoch auch von Interesse einen gleichzeitig spezifischeren und übergeordneten Blickwinkel auf die Legitimation verschiedener Agrarwirtschaftsformen anzunehmen: Biodiversität. Dieser Begriff ist gegenwärtig in sämtlichen interdisziplinären Forschungen zu den Themenbereichen „Mensch und Umwelt“ oder „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ aufzufinden.
In dieser Arbeit soll es darum gehen zu untersuchen, inwiefern die Biodiversität eine Rolle bei der bisherigen Ausrichtung der agrarwirtschaftlichen Strategien gespielt hat und diese weiterhin beeinflusst. Auf Basis der Klärung des Terminus „Biodiversität“ soll es zu einer Darstellung der Korrelation zwischen Landwirtschaft und biologischer Vielfalt kommen. Dabei sollen neben theoretischen Konzepten der Gesellschaft-Umwelt-Forschung auch die (agrar-)politischen Rahmen der Implementierung von Biodiversität als relevanter Faktor der Agrarwirtschaft skizziert werden. Das erkenntnisleitende Interesse ist ferner eine komprimierte Untersuchung der Berücksichtigung und Förderung von Biodiversität durch verschiedene landwirtschaftliche Nutzformen. Daraus soll es anschließend zu einer normativen Beurteilung dieser Landnutzungsformen kommen, welche neben der Biodiversität auch die praktische Umsetzung berücksichtigen soll. Hierbei ist anzumerken, dass aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit mit Oberbegriffen wie „konventioneller-“ und „ökologischer Landwirtschaft“ gearbeitet wird und diese nicht in ihre spezifischeren Subformen aufgeteilt und erläutert werden.
2. Theoretischer Bezugsrahmen
Bevor die in dieser Arbeit beabsichtigte Untersuchung der Korrelation zwischen Biodiversität und Agrarwirtschaft in Bezug auf eine nachhaltige Zukunftsstrategie unternommen werden kann, ist es zunächst sinnvoll, eine kurze Sachanalyse zum Terminus Biodiversität aus (bio-) geographischer Perspektive vorzunehmen.
2.1 Definition von „Biodiversität“
Die Biodiversität stellt ein Akronym des Begriffes „biologische Vielfalt“ bzw. dem englischen Fachterminus biological diversity dar. Abzuleiten ist dies etymologisch aus dem griechischem „ bios“ (= Leben) und dem lateinischen „diversitas“ (= Verschiedenheit). Erstmals verwendet wurde dieser Begriff vom US-National Research Council, welcher sich dabei u.a. auf die Untersuchungen des Evolutionsbiologen Edward O. Wilson stützte (WEBER 2010, S.65ff.). Da der Verwendung dieses Terminus im Laufe der Zeit immer wieder auch missverständliche Bedeutungen zugeschrieben wurden, steht der Begriff der „Artenvielfalt“ oftmals im gleichen hierarchischen Kontext, obwohl diese eine spezifischere Bedeutung aufweist. Im Umweltpoltischen Kontext bezeichnet die Convention on Biological Diversity (CBD) die Biodiversität als „die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeresund sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören“ (CBD Art.2 1992). Damit wurde eine im Kern bis heute gültige definitorische Grundlage gelegt, inwiefern man Biodiversität im wissenschaftlichen Diskurs verwenden kann. Mit dieser Definition einher geht somit die Einteilung von Biodiversität in drei Komplexitätsebenen (GLASER et. al. 2011, S.1243):
a) Genetische Vielfalt
Sämtliche individuellen Eigenschaften eines Lebwesens sind durch seine genetische Ausprägung festgelegt. Dies legt zum einen fest, welcher Art ein Individuum angehört und zum anderen welche Besonderheiten zu einer Einzigartigkeit und somit zur Abgrenzung zu anderen Artgenossen führen. Dabei ist der genetische Code keineswegs als eine starre Einheit zu verstehen, sondern kann vielmehr durch Genmutationen verändert werden, sodass modifizierte (bessere oder schlechtere) Lebensvoraussetzungen entstehen können. Auf einer weitläufigeren Ebene können sich somit auch innerhalb der Populationen, d.h. innerhalb derselben Art in einem räumlich abgegrenzten Areal, genetische Merkmale herausbilden, welche diese von anderen Populationen unterscheiden. Dazu könnte beispielweise das Merkmal der Frosttoleranz zählen, welche einer Gruppe gegenüber der anderen einen erheblichen genetischen Vorteil verschafft, sich in einem bestimmten Territorium auszubreiten. Auch die Entstehung ganz neuer Arten ist aus dieser Kausalität zwischen genetischen Veränderungen und den Populationen zu erklären. Diesem Phänomen des genetischen Anpassungsmechanismus hat sich der Mensch u.a. bei der Nutztierhaltung oder Landwirtschaft bedient.
b) Artenvielfalt
Ein weiterhin definierter Komplexitätsbereich der Biodiversität ist die Vielfalt der Arten, d.h. Gruppen von lebenden Organismen, welche in Bezug auf Fortpflanzung eine Gemeinschaft bilden. Hierbei ist anzumerken, dass die Anzahl der bekannten Arten auf globaler Ebene in der Forschung je nach Artkonzeption anders taxiert wird: So legten die United Nations Environment Programms (UNEP) im Global Biodiversity Assessment 1995 etwa 1,75 Millionen Arten fest (HAMMOND 1995, S. 114). Gegenwärtig wird die Gesamtzahl der Arten auf der Erde als höher eingeschätzt, wobei man hier meistens von über 2 Millionen Arten spricht. Entscheidend dabei ist, dass eine genaue Taxierung der Arten nicht möglich ist, da es immer wieder dazu kommt, dass Arten neu beschrieben werden und viele vermeintlich einheitliche Taxa molekulargenetisch in mehrere Arten aufgetrennt werden, was sich bspw. besonders beim Bestimmen der Pilzarten in erheblichen Abweichungen bemerkbar macht (HAWKSWORTH/LÜCKING 2017, S.2).
c) Ökosystemare Vielfalt
Beim dritten Komplexitätsbereich handelt es sich um den neuesten Erkenntniswert zur Reichweite von Biodiversität. Hierbei bezieht sich der Begriff Ökosystem auf das ökologische Wirkungsgefüge, d.h. auf die wechselseitigen Beziehungen der Organismen untereinander und parallel mit ihrer nicht belebten Umwelt in einem bestimmten Raum. Relevant für diesen Bereich sind die Unterschiede der Ökosysteme bezüglich ihrer Art und Komplexität. Deutlich wird dies, wenn man bspw. artenarme Hochmoore mit artenreicheren Waldoder Wiesenlandschaften vergleicht: So befinden sich hierbei eine Vielzahl von unterschiedlichen Wirkungsbeziehungen, bei denen verschiedene Arten beteiligt sind und die biologisch-physikalischen Einflussfaktoren damit sehr unterschiedlich sind. Dazu gehören demnach Energieund Nährstoffkreisläufe, wobei sich alle Ökosysteme gegenseitig beeinflussen. Hier werden oftmals auch ökosystemare Funktionen und Dienstleistungen definiert, was dazu führt, dass die gesamte Biosphäre als Teil der Biodiversität aufgefasst werden kann (GLASER et.al. 2011).
Hierbei ist jedoch anzumerken, dass es trotz einer expliziten Herausstellung der Relevanz zum Erhalt der Biodiversität seitens der Politik global noch zu keiner einheitlichen Strategie, d.h. Parametrisierung der Biodiversität gekommen ist. Um einen Arbeitsbereich, in diesem Fall die Agrarwirtschaft, unter dem Aspekt der Biodiversität beurteilen zu können, ist es dabei von besonderer Bedeutung eine definitorische Grundlage festzulegen. Konkret bedeutet dies hierbei, dass alle drei Komplexitätsebenen der Biodiversität zunächst als hierarchisch gleichwertig betrachtet werden sollten. In Deutschland ist es dabei bereits dazu gekommen, dass versucht wurde, alle drei Komplexitätsebenen beim Erstellen von Handlungsstrategien gleichwertig zu berücksichtigen (NBS 2007, S.26-29).
2.2 Biodiversität in der Landwirtschaft
Es gestaltet sich als äußerst komplex das gesamte Spektrum der Korrelation zwischen agrarwirtschaftlicher Nutzung und Biodiversität zu beschreiben. Bereits seit mehreren tausend Jahren führt die anthropogen gesteuerte landwirtschaftliche Nutzung zu einer Veränderung der natürlichen Ressourcen, wobei die Agrarwirtschaft auch schon immer von einem funktionierenden Ökosystem abhängig war. Damit es erst zu einer solchen Nutzung kommen konnte, waren fruchtbare Böden und sauberes Wasser bzw. Luft eine der Grundvoraussetzungen. Ferner hat die Bewirtschaftung der Flächen ein großes Potenzial an biologischer Vielfalt von Kulturpflanzen, Nutztieren, Lebensräumen und die daran angepassten wildlebenden Tierund Pflanzenarten geschaffen. Somit kann man auch im historischen Kontext von einer natürlich gegebenen Abhängigkeit von Biodiversität und Landwirtschaft sprechen. Beide Bereiche wäre ohne den jeweils anderen somit entweder gar nicht (Landwirtschaft) oder in einem geringeren Maße (Biodiversität) vorhanden (SCHULZE 2014, S.27ff.).
Die Landwirtschaft wird u.a. in ökonomisch geprägten Lexika und Forschungsansätzen oft als „Urproduktion“ bezeichnet, welche zum Ziel hat eine zielgerichtete Produktion pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse auf einer diesem Zweck ausgerichtete kulturell bewirtschaftete Landfläche zu gewährleisten. Die naturgegebenen Faktoren wie Boden, Nutztiere und Pflanzen werden dabei zusammen mit etwa Kapital und Arbeit als „Produktionsfaktoren“ zusammengefasst (Vgl. GABLER-WIRTSCHAFTSLEXIKON 2016). Aufgrund dieser auf den ersten Blick einseitig erscheinenden Auffassung von Landwirtschaft beschäftigte sich u.a. besonders die Gesellschaft-Umwelt-Forschung der Geographie unter der Berücksichtigung interdisziplinärer Ergebnisse damit, ein Verständnis dieses Wirtschaftszweiges zu implementieren, welches auch die Natur ausreichend berücksichtigt bzw. würdigt. So ist besonders nach der von Bruno Latour 1995 veröffentlichten actor network theory ein Basiskonzept geschaffen wurden, welches Natur und Kultur in einem gleichberechtigten Einklang zu bringen ist (GLASER etc.al. 2011, S.1081ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: actor network theory – Reinigungsund Übersetzungsarbeit (verändert nach Latour 1995)
Bruno Latour spricht hierbei von „Reinungsarbeit“ in beiden Bereichen (Kultur und Natur), welche jeweils vonaneinder abhängig sind (=actor). Ist der Einsatz kultureller Arbeit am Projekt bekannt, so lässt sich parallel automatisch der Anteil an natürlichen Faktoren bestimmten (Abb.1). Die Unterscheidung von Kultur und Natur per se wird dabei als Konstruktion bezeichnet. Daraus entwickeln sich demnach sogenannte „hybride Netzwerke“ welche sich in der „Übersetzungsarbeit“ zusammenstellen (=n etwork). Auf die Landwirtschaft bezogen, kann demnach anhand eines vorgegebenen Produktionsziels (u.a. Ertrag) die beteiligten naturgegeben Elemente (Agrarfläche, Pflanzen etc.) bestimmt werden und umgekehrt. Auf Modelle wie dieses gilt es somit bei der Berücksichtigung von Biodiversität in der Landwirtschaft aufzubauen.
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