Der Einfluss von Geschlechterdyaden auf den Therapieerfolg bei kognitiver Verhaltenstherapie


Bachelorarbeit, 2016

84 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I INHALTSVERZEICHNIS

II ABSTRACT/ ZUSAMMENFASSUNG

III ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

IV ABBILDUNGSVERZEICHNIS

V TABELLENVERZEICHNIS

Hinführung

1. Theorie
1.1 Messung des Therapieerfolgs
1.1.1 Methoden der Erfolgsmessung
1.1.1.1 Indirekte und direkte Veränderungsmessung
1.1.1.2 Statstsche und klinische Signifkanz
1.2 Die Variable Geschlecht: Terminologie und Theorien
1.2.1 Geschlechtsspezifsche und geschlechtstypische Unterschiede
1.2.2 Sex versus Gender
1.2.3 Geschlechterschemata und Geschlechterstereotypen
1.3 Einordnung der Fragestellung in den Forschungskontext
1.3.1 Zur Bedeutung von Geschlechterstereotypen im
psychotherapeutschen Kontext
1.3.2 Geschlechtszugehörigkeit als Prädiktor für Therapieerfolg
1.4 Modelle
1.4.1 Das Allgemeine Modell der Psychotherapie
1.4.2 Ein Integratves Modell - Das Ko-respondenzmodell

2. Fragestellung und Hypothesen

3. Methode
3.1 Setng
3.2 Untersuchungsstchprobe
3.3 Klinische Diagnostk
3.3.1 Statusdiagnostk
3.3.2 Prozessdiagnostk
3.3.2.1 Maße der indirekten Veränderungsmessung
3.3.2.2 Maße der direkten Veränderungsmessung
3.4 Statstsche Analysemethoden
3.4.1 Überprüfung der Voraussetzungen
3.4.2 Deskriptve Statstk und Inferenzstatstk
3.4.2.1 Verfahren zur Analyse von Unterschiedshypothesen
3.4.3 Efektstärkemaße

4. Ergebnisse
4.1 Überprüfung der Voraussetzungen
4.1.1 Indirekte Veränderungsmaße
4.1.2 Direkte Veränderungsmaße
4.2 Deskriptve und Inferenzstatstk
4.2.1 Ergebnisse Hypothese 1
4.2.2 Ergebnisse Hypothese 2
4.2.3 Ergebnisse Hypothese 3
4.2.4 Ergebnisse Hypothese 4

5. Diskussion
5.1 Zusammenfassung und Interpretaton der Ergebnisse
5.2 Anmerkungen zur Methode
5.2.1 Stchprobenzusammensetzung und Missing Values
5.2.2 Unbalanciertes Design
5.2.3 Diagnostk
5.2.4 Moderatorvariablen
5.3 Ausblick

VI LITERATURVERZEICHNIS

VII ANHANG

II ABSTRACT/ ZUSAMMENFASSUNG

Abstract

Aims and Theory This study examines the infuence of gender-specifc psychotherapy dyads on cognitve-behavioural therapy outcome. For this purpose, the four dyads (ww, mw, wm, mm) were systematcally assessed concerning their informaton of change by four global ratng scales (i.e., GSI = Global Severity Index, GAF = Global Assessment of Functoning, CGI-I = Clinical Global Impression of Improvement, DST_Global = Global Diagnostc Status). As a theoretcal framework, diferent dimensions and methods of therapy outcome were discussed. In additon, gender stereotypes and associated concepts were related. Design, Setng and Partcipants Data analyzed in this naturalistc outcome study come from a collectve of patents (ICD-10: F3 and F4) of an accredited training insttute with a focus on behavioural therapy (ZPHU, Berlin). Exclusively therapy completers were included (sample size patents: N = 545, sample size therapists: N = 116; measurement period: 20082015). Measurement For the examinaton of signifcant diferences between the groups, several parametric and non-parametric approaches were used. The construct therapeutc success was multdimensionally determined: on the one hand by efect sizes based on a pre-post diference (indirect measurement), otherwise by retrospectve self- and expert ratngs (direct measurement). In additon to the p Value, relatve efect sizes were reported. Findings and Conclusion Signifcant results and practcally important efect sizes could be observed for two (GAF, CGI-I) out of four global outcome scales. Thus, it seems possible, that diferent therapeutc dyads infuence the outcome-variance in cognitve-behavioural therapy. However, methodological limitatons restrict the external validity of the results.

Zusammenfassung

Ziele und Theorie Die vorliegende Arbeit untersucht, ob geschlechtsspezifsche therapeutsche Dyaden Einfuss auf das Therapieergebnis im Rahmen kognitver Verhaltenstherapie nehmen. Dafür erfolgte ein systematscher Vergleich der vier Dyadenkonstellatonen (ww, mw, wm, mm) hinsichtlich deren Veränderungsinformaton für mehrere globale OutcomeMaße (i.e., GSI = Global Severity Index, GAF = Global Assessment of Functoning, CGI-I = Clinical Global Impression of Improvement, DST_Global = Globaler Diagnostscher Status). Den theoretschen Hintergrund bildete Literatur bezüglich der verschiedenen Dimensionen und Methoden der Erfolgsoperatonalisierung. Ferner wurde die Bedeutsamkeit von

Geschlechterstereotypen und damit assoziierten Konzepten diskutert. Design, Setng und Teilnehmer Fragestellung und Hypothesen wurden im Rahmen einer naturalistschen Outcome-Studie anhand eines PatentInnen-Kollektvs (ICD-10: F3 und F4) des universitären Ausbildungsinsttuts für kognitve Verhaltenstherapie (ZPHU, Berlin) systematsch überprüf. In die Stchprobe eingeschlossen wurden 545 PatentInnen, die zwischen 2008 und 2015 in der Insttutsambulanz psychotherapeutsch versorgt wurden und die Therapie abge-schlossen haben, sowie deren 116 TherapeutInnen. Messungen Zur Prüfung von Mitelwertunterschieden zwischen mehreren Gruppen wurden verschiedene parametrische und non-parametrische Verfahren herangezogen. Das Konstrukt Therapieerfolg wurde dabei im Sinne eines methodischen Pluralismus anhand mehrerer abhängiger Variablen erfasst: zum einen über Prä-Post-Efektstärkemaße (indirekte Veränderungsmessung), zum anderen über retrospektve Selbst- und Expertenratngs (direkte Veränderungsmessung). Um das Ausmaß der Veränderung zusätzlich zur inferenzstatstschen Absicherung der Ergebnisse gegen den Zufall beurteilen zu können, wurden ferner relatve Efektstärkemaße ermitelt. Resultate und Fazit Für zwei (GAF, CGI-I) von vier Erfolgsmaßen konnten signifkante Ergebnisse sowie praktsch bedeutsame Efektstärken ermitelt werden. Es scheint demnach glaubwürdig, dass verschiedene Dyadenkonstellatonen Einfuss auf die Outcome-Varianz bei kognitver Verhaltenstherapie nehmen. Methodische Limitatonen schränken die externe Validität jedoch ein.

III ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinweis: Die Abk ü rzungen werden zum besseren Verst ä ndnis in Ü berschrifen nicht benutzt und im Text teilweise zus ä tzlich eingef ü hrt.

Sprachgebrauch

Im Verlauf dieser Arbeit wird für die Gesamtheit an Patentnnen und Patenten bzw. Therapeutnnen und Therapeuten der Begrif PatentInnen, analog TherapeutInnen verwendet. Ferner werden für ein besseres Leseverständnis Patentnnen i.d.R. als weibliche Patenten und Patenten als m ä nnliche Patenten bezeichnet.

IV ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Kreisdiagramm zur Veranschaulichung der absoluten Häufgkeiten der

PatentInnen in den vier zu analysierenden Dyadenkonstellatonen

V TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Häufgkeitsangaben PatentInnen und TherapeutInnen

Tabelle 2: Klinische Charakteristka der Stchprobe

2a: Klinische Charakteristka - Primärdiagnosen

2b: Klinische Charakteristka - Komorbide Diagnosen

Tabelle 3: Übersicht inferenzstatstsche Prozeduren Hypothesenprüfung 1

Tabelle 4: Ergebnisse deskriptve Statstk

Hinführung

Das Geschlecht spielt eine elementare Rolle in unserem Alltag. Die Existenz zweier deutlich voneinander unterscheidbarer Geschlechter wirkt dabei als eine unanzweifelbare und selbstverständliche Tatsache in einer Art „Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit“ (Hagemann-White, 1984). Zwar wird der menschliche Sozialisatonsprozess durch eine Vielzahl weiterer Diversit ä tsfaktoren wie beispielsweise Alter, Ethnie, sexuelle Orienterung, Bildung und sozioökonomischen Status beeinfusst, jedoch gilt das Geschlecht kulturübergreifend als eine wichtge Kategorie für die soziale Diferenzierung. Das Erlernen von Geschlechtlichkeit, das heißt des allgemeinen Geschlechtskonzepts sowie der eigenen Geschlechtsidenttät (Money & Ehrhardt, 1972) stellt folglich eine übergeordnete Entwicklungsaufgabe dar, welche alle anderen Lernerfahrungen nachhaltg beeinfusst.

Was bedeutet dies konkret für unseren sozialen Alltag? Um jenen bestreiten zu können, müssen wir zunächst eindeutg einem Geschlecht zugeordnet, als solches erkennbar sein und unser Gegenüber gleichfalls einordnen können. Mit den Klassifkatonen maskulin/ feminin sind im gesellschaflichen Diskurs spezifsche Wahrnehmungen, Vorannahmen, Zuschreibungen sowie Hierarchien und Vorschrifen verbunden, die wiederum weitere soziale Interaktonen beeinfussen. Frauen werden generell als eher expressiv (e.g., emotonal, abhängig, beziehungsorientert), Männer als instrumentell (e.g ., selbstbewusst, unabhängig, kontrolliert) beschrieben. Jene bin ä ren Geschlechtsrollenzuschreibungen führen zur Aktvierung von Geschlechterstereotypen, welche in Konsequenz a l s Urteilsheuristken für die Interpretaton beobachteten Verhaltens fungieren (Biernat & Eidelmann, 2007; Carli, 1999; Ridgeway & Bourg, 2004.) Die Wirkkraf derart geschlechtsspezifscher Stereotypen beginnt zwar sukzessiv nachzulassen, sie sind jedoch weiterhin in unseren sozialen Realitäten präsent. Demnach ist Geschlecht nach wie vor eines der dominantesten Ordnungskriterien in unserer Gesellschaf und bildet ein sehr handlungswirksames Strukturierungsprinzip, folglich auch in der Mikrowelt psychotherapeutschen Handelns. Kontextuell entscheidende Fragen sind: Wann und warum werden Unterscheidungen in Frauen und Männern relevant? Welche Auswirkungen haben jene Diferenzierungen auf Verhaltensebene, eben auch im psychotherapeutschen Handlungsspielraum und in Konsequenz auf das Therapieergebnis?

Die Bedeutsamkeit geschlechtersensibler Fragestellungen wird in den verschiedenen Therapieschulen sehr unterschiedlich bewertet. Während sich paar-, familien- und gruppenpsychotherapeutsche Angebote durchaus diferenziert mit der Geschlechterfrage auseinandersetzen, wird die Diskussion um eine geschlechtsspezifsche Psychotherapie von Verhaltenstherapeuten eher marginal geführt (Franke, 2001). Ferner stammt eine Mehrzahl geschlechtersensibler Publikatonen aus dem Kontext tefenpsychologischer oder analytscher Psychotherapieverfahren. Studien aus dem Feld der verhaltenstherapeutschen Forschung stellen die Minderheit dar (Schigl, 2010).

Man vergegenwärtge sich: Der psychotherapeutsche Prozess besteht aus der Gesamtheit an sozialen Interaktonen zwischen TherapeutIn und PatentIn über die Zeit hinweg. Das jeweilige therapeutsche Verfahren wirkt dabei via Setng (e.g., Frequenz, Dauer, Modus der Sitzung) und angewandter psychotherapeutscher Methoden auf den Prozess ein. Das psychotherapeutsche Handlungssystem wird dabei wesentlich durch die Beziehungsqualit ä t (Helping Alliance) zwischen PatentIn und TherapeutIn geprägt. Eine gelungene Beziehungsqualität wurde zwischenzeitlich al s ein zentraler Prädiktor für den Therapieerfolg identfziert (Alexander & Luborsky, 1986; Orlinsky, Ronnestad, & Willutzki, 2004). Die in diesem Zusammenhang ermitelten Efektstärken sind mit Werten von bis zu .64 durchaus bemerkenswert (Martn, Garske, & Davis, 2000) und häufg höher als sogenannte monistsche Variablen, also Eigenschafen, die entweder nur der TherapeutIn oder nur der PatentIn als Einzelperson zugeschrieben werden.

Elaborierte Studien, welche die geschlechtsspezifsche Interakton zwischen PatentIn und TherapeutIn im Hinblick auf das Therapie-Outcome analysieren, existeren jedoch nur einige wenige (Rudolf, 2002). Die Majorität bisheriger psychotherapiebetrefender Publikatonen fokussierte in der Vergangenheit entweder auf die Geschlechtszugehörigkeit der PatentInnen oder auf die der TherapeutInnen. Eine interaktonistsche Betrachtung, welche den gemeinsamen psychotherapeutschen Prozess, die gegenseitge Atributon und Verstärkung der Geschlechterrollen und deren Bedeutung für den Therapieerfolg eruiert, wurde bislang weitestgehend vernachlässigt.

Die vorliegende Arbeit wurde folglich mit der Zielsetzung und Erwartung konzipiert, weiteren Aufschluss darüber zu erhalten, inwieweit die vier verschiedenen Geschlechterdyaden Einfuss auf das Therapieergebnis im Rahmen kognitver Verhaltenstherapie nehmen. Eine Herausforderung bestand zum einen in der Tatsache, dass vergleichbares Datenmaterial und Ergebnisse, dieses Forschungsfeld betrefend, für die kognitve Verhaltenstherapie kaum vorliegen und zudem die bereits ermitelten Ergebnisse zwischen den verschiedenen Therapieschulen sehr inkongruent sind. Ferner zeigt eine Vielzahl von Studien erhebliche methodische Mängel: Es wird angenommen, dass Datenmaterial, welches auf quanttatve (diferenztheoretsche) Unterschiede fokussiert, möglicherweise deswegen sehr uneinheitlich ist, weil sich nur wenige Studien mit den Geschlechterkonstellatonen systematsch beschäfigten und die Zusammensetzung in den therapeu-tschen Dyaden systematsch variierten (Schemmel, 2002). Auch verzeichnet eine Mehrzahl der Übersichtsarbeiten nicht, auf welche Weise der jeweilige Therapieerfolg (indirekte und direkte Veränderungsmessung; Selbst- und Expertenratngs) gemessen wurde (Schigl, 2012). Aufgrund dessen wurde im Rahmen der statstschen Analysen der vorliegenden Arbeit eine detaillierte Aufschlüsselung der Outcome-Maße im Sinne eines methodischen Pluralismus (Reinecker, 2009) vorgenommen. In die Stchprobe eingeschlossen wurden ausschließlich PatentInnen der Diagnosegruppen unipolare Depression inklusive Dysthymia sowie Neurotsche-, Belastungs- und somatoforme St ö rungen. Dies hate zum einen methodische Gründe, zum anderen ist dieses Indikatonsspektrum typisch für die ambulante psychotherapeutsche Versorgung (Anhang A).

1. Theorie

1.1 Messung des Therapieerfolgs

Psychotherapieforschung beschäfigt sich global betrachtet mit der Wirksamkeit sowie den Wirkfaktoren von Psychotherapie und deren Bedeutung für das Therapieergebnis. Ein elementares Ziel besteht darin, wissenschafliche Grundlagen für die psychotherapeutsche Praxis zu schafen und damit letztendlich die Versorgungslage zu verbessern. Die Methoden und Methodologie der Ver ä nderungsmessung sind sowohl für die Struktur- und Prozess-, als auch Ergebnisevaluaton psychologischer Interventonen von wesentlicher Bedeutung. Der Nachweis eines positven Efekts dient einerseits der Qualitätssicherung und andererseits der Legitmaton gegenüber den Kostenträgern. Wie aber wird Therapieerfolg defniert, und wie werden Veränderungen konkret gemessen?

Therapieerfolge können auf sehr unterschiedlichem Wege zustande kommen, was einerseits durch die gegenseitge Abhängigkeit und Verzahnung von Prozess- und OutcomePerspektve besonders deutlich veranschaulicht wird (Orlinsky et al., 1994), andererseits ist aus messtheoretscher Perspektve wichtg anzuführen, dass Erfolgsquoten in Abhängigkeit von der Wahl verschiedener Erfolgsindikatoren hohe Schwankungsbreiten (6% - 69%) aufweisen können (Hill & Lambert, 2003). Outcome-Studien, beispielsweise zu Agoraphobie, replizieren diese Befunde (Ogles, Lambert, Weight, & Payne, 1990; Sanchez-Meca, Rosa-Alcazar, Marin-Martnez, & Gomez-Conesa, 2010). Der Erfolg einer Interventon hängt folglich also auch immer davon ab, wie er gemessen wurde. Schulte-Bahrenberg (1990) fasst die Situaton zur Erfassung des Therapieerfolgs in der Psychotherapie wie folgt zusammen: „Therapieerfolg ist kein unumstritener, eindeutg defnierter Begrif, er wird in der Psychotherapieforschung höchst unterschiedlich operatonalisiert und gemessen; es ist auch anzunehmen, dass er mehrere Dimensionen aufweist“ (S. 90).

Inzwischen sind im Bereich der Standardisierung und Konsensfndung zwar einige positve Entwicklungen zu verzeichnen, jedoch ist es der empirischen Praxis bislang nicht gelungen, einheitliche Standards zur Messung psychotherapeutscher Ergebnisse zu etablieren, was sich in Konsequenz auf die Vergleichbarkeit von Forschungsresultaten niederschlägt (Casper & Jacobi 2004; Michalak, Kosfelder, Meyer, & Schulte, 2003). Jenes Defzit hinsichtlich der Auswahl und Anwendung von Verfahren liegt größtenteils darin begründet, dass es bis heute kein evidence-based assessment (Hunsley & Mash, 2007) mit Vorgaben gibt, welche verbindlichen Anforderungen an Verfahren gestellt werden und welche Verfahren zur Anwendung kommen sollten. Leitlinien verschiedener natonaler wie internatonaler Fachgesellschafen bezüglich einzelner Störungsbilder fokussieren fast ausschließlich auf die Therapie. Eine psychometrische Diagnostk wird ofmals eher am Rande erwähnt (Freyberger & Steglitz, 2006) und bleibt ferner häufg zu allgemein im Hinblick auf die Empfehlung einzelner Verfahren (Steglitz, 2014).

1.1.1 Methoden der Erfolgsmessung

1.1.1.1 Indirekte und direkte Veränderungsmessung

Obgleich dieses relatven Chaos in der Psychotherapieforschung (Froyd, Lambert, & Froyd, 1996; Reinecker, 2009), herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, Therapieerfolg über diferente Ebenen im Sinne eines methodischen Pluralismus (Reinecker, 2009), d.h. sowohl mit unterschiedlichen Methoden (indirekte und direkte Veränderungsmessung) als auch Datenquellen (e.g., PatentIn, TherapeutIn, Bezugspersonen etc.) zu erfassen ( Hill & Lambert, 2004; Schulte, 1993). Mit anderen Worten: Wenn ein Z iel einer Therapie in der Heilung bzw. Linderung von Störungen mit Krankheitswert liegt, dann sollte Therapieerfolg einerseits über den Rückgang von Beschwerden und ihrer Folgen defniert werden; andererseits sollte auch die Perspektve der unterschiedlichen Beteiligten adäquate Berücksichtgung fnden. Denn eine Therapie, die zwar (objektv) deutliche Veränderungen bewirkt, jedoch nicht zu einem befriedigenden Zustand aus Perspektve der PatentIn als auch der TherapeutIn führt, kann kaum als erfolgversprechend bezeichnet werden.

Faktorenanalytsche Studien verweisen dahingehend auf zwei Dimensionen von Methodenfaktoren, welche von großer Relevanz für die ambulante psychotherapeutsche Forschung und Versorgung sind (im Überblick Hill & Lambert, 2004). Es handelt sich dabei zum einen um Ma ß e der indirekten Ver ä nderungsmessung (Prä-Post-Efektstärkemaße) , die sich in den letzten Jahren weitgehend als Standard durchgesetzt haben, zum anderen um Ma ß e der direkten Ver ä nderungsmessung, welche den retrospektven Maßen zugeordnet werden. Drei basale Unterschiede dieser beiden Erfolgs-Operatonalisierungen sind nach

Steglitz und Baumann (2001) anzuführen:

I) die Anzahl der notwendigen Messpunkte (Ein- vs. Zweipunkterhebungen)
II) die Bildung der Messwerte (abgeleitet vs. direkt)
III) die Art des Messvorgangs (Status vs. Retrospekton)

Michalak et al. (2003) postulieren zudem, dass sich die mit den beiden Verfahren gemessenen Erfolgskonstrukte (Veränderungsmaße vs. retrospektve Erfolgsbeurteilung) hinsichtlich des zur Beurteilung des Erfolgs gew ä hlten Kriteriums unterscheiden: Der Faktor Ver ä nderungsma ß erfasst das (objektv) ermitelte Ausmaß der erzielten Veränderung (PräPostwertvergleich), während der Faktor retrospektve Erfolgsbeurteilung das (subjektve) Ausmaß der Zielerreichung (Postwert im Vergleich zum Ziel) ermitelt.

Beide Faktoren zeigen methodenimmanente Vor- und Nachteile, die nachfolgend kurz erläutert werden sollen, da diese erste Hinweise auf potentelle Ursachen ihrer Divergenzen in der Abbildung des Therapieerfolgs liefern können:

Indirekte Veränderungsmessung

Die Evaluaton von Therapieergebnissen erfolgt zumeist über die Analyse von Veränderungen relevanter Zielgrößen (Outcomes) im einfachen Prä-Post-Vergleich. Dazu werden zu diferenten Messzeitpunkten Statusmessungen durchgeführt und das Ausmaß der Veränderungen zwischen Prä- und Postmessung in Form von standardisierten Mitelwertdiferenzen (Efektstärken) ermitelt.

Jene indirekte Veränderungsmessung (idVM) bietet einige methodische Vorteile, z.B. die Erhebung eines echten Ausgangswertes oder das weitgehende Ausschalten von Erinnerungsefekten ( recall bias) , allerdings auch einige messmethodische Nachteile wie das Response-Shif-Ph ä nomen (Güthlin, 2004; Howard, 1980). Response Shif bezeichnet die Veränderung des Bewertungshintergrunds für ein persönlich bedeutsames Konzept. Erwartungen, Werte und Sichtweisen von Personen können über die Zeit durchaus variieren. Dieser individuelle Veränderungsprozess ist für die Veränderungsmessung von hoher Relevanz, da er die Prä-Post-Diferenz von Messungen konfundieren kann. Das heißt: Aufgrund des unterschiedlichen Bewertungsmaßstabes lassen sich Prä- und Postwert nicht adäquat vergleichen, da sie möglicherweise unter diferenten Umständen entstanden sind. Ferner besteht bei der idVM die Gefahr artfzieller Regressionsefekte. Auch wenn die Testwerte einer Person unter denselben Bedingungen erhoben werden, regredieren diese Werte zum Mitel. Zu jenen messfehlerbedingten Regressionsefekten kommen statstsche Regressionsefekte hinzu, welche wiederum die Richtung der Zufallsänderungen bestm men. Ein weiterer methodenimmanenter Nachteil der idVM beruht auf der Diferenzwertbildung zwischen unabhängigen Vor- und Nachtestwerten. Die Defniton von Reliabilit ä t nach der klassischen Testheorie impliziert, dass Diferenzwerte immer die Messfehler beider Messungen beinhalten, d.h. die Fehler beider Messungen kumulieren. Diferenzwerte sind folglich weniger reliabel als die Einzelwerte (Steglitz & Baumann, 2001). Dieses Problem könnte lediglich dadurch beseitgt werden, wenn zwischen Vor- und Nachtestung kein Zusammenhang angenommen werden würde. Da jedoch bei der idVM Vor- und Nachtestwerte dieselbe Variable erfassen sollen, wäre eine derartge Prämisse höchst problematsch. Es resultert das sogenannte Reliabilit ä ts-Validit ä ts-Dilemma indirekter Veränderungsmessung. Ein weiteres Problem der idVM beruht auf der Tatsache, dass eine quantfzierbare Veränderung für einen Betrofenen subjektv nicht unbedingt so empfunden wird. Man bezeichnet dies als Physikalismus-Subjektvismus-Problem: Ein Kontnuum auf der physikalischen Messwertebene entspricht nicht immer einem Kontnuum auf der subjektv-psychologischen Bedeutungsebene. Homogene Veränderungswerte zwischen verschiedenen Punkten einer Messwertskala bedeuten nicht zwingend gleich viel für die betrofenen PatentInnen. Man muss demnach also von einer niveauspezifschen Unterschiedlichkeit gleicher Änderungswerte ausgehen (Krampen, 2010).

Direkte Veränderungsmessung

Zu den Methoden der direkten Veränderungsmessung (dVM) werden primär Verfahren gezählt, welche in Komparatvform (besser, schlechter) direkt die subjektv erlebte Veränderung erfragen (Bereiter, 1963). Sekundär wird diese Terminologie als Oberbegrif für eine Reihe von Verfahren (i.e., Zielerreichungsskalierungen, Zufriedenheitsurteile) gebraucht, welche direkt und somit für die PatentIn ofensichtlich, den Therapieerfolg erfragen stat eine Statusmessung (z.B. von Symptomen) vorzunehmen (Flückiger, Regli, Grawe, & Lutz, 2007; Krampen & Hank, 2008).

Neben der unbestreitbaren Ökonomie von Einpunktmessungen liegt ein wesentlicher methodischer Vorteil darin begründet, dass PatentInnen aufgefordert werden, die Veränderung direkt anzugeben. Dadurch umgeht diese Operatonalisierung das Reliabilit ä ts-Validit ä ts-Dilemma (Bereiter, 1963) ebenso wie eine Regression zur Mite (Steglitz & Baumann, 1994). Ferner kann dem Physikalismus-Subjektvismus-Dilemma eine geringere Relevanz zugewiesen werden, wenn intraindividuelle Vergleichsnormen, auf Basis experimentell abgesicherter Wartegruppen-Daten, berücksichtgt werden. Ein Nachteil der Methode liegt jedoch in der potentellen Generierung von Ged ä chtnisverzerrungen bzw.

Bezugssystemfehlern (Baumann, Sodemann, & Tobien, 1980; Kastner & Basler, 1997).

Insbesondere längere Therapien bzw. subjektv unscharf defnierte Beurteilungszeiträume provozieren Antwortverzerrungen. Additv können systematsche Antwortendenzen wie Recency-Efekte oder Generalisierungsefekte an Bedeutung erlangen. Nach Fydrich (2006) können zudem Efekte der sozialen Erw ü nschtheit bei einer Ein-Punkt-Messung am Ende einer Behandlung bedeutender als bei Wiederholungsmessungen sein. Diese geschilderten Problematken könnten zu einer Überschätzung der Veränderungen, welche in Richtung einer Verbesserung ausgelegt sind, und folglich zu Interpretatonsbeschränkungen führen (Wiggins, 1973, Zielke, 1999).

In einer Vielzahl von Studien wurden für diese zwei Dimensionen der Therapieerfolgs-Operatonalisierung lediglich moderate Zusammenhänge ermitelt (Kastner & Basler, 1997; Steglitz & Baumann, 1994). Die beobachteten Resultate werden mehrheitlich dahingehend interpretert, dass beiden Operatonalisierungsstrategien zwei unabh ä ngige Dimensionen des Therapieerfolgs darstellen, und folglich in einem Ergänzungsverhältnis betrachtet werden müssen (Steglitz & Baumann, 2001; Zielke, 1999). Beide Dimensionen sollten in Forschung und Praxis angemessene Berücksichtgung im Sinne eines methodischen Pluralismus fnden: Jede Methode weist ihre eigenen Grenzen und Mängel auf, da diese jedoch voneinander unabhängig sind, heben sich die Fehlerquellen in der Zusammenschau der klinischen Bewertung von Veränderungsergebnissen wechselseitg auf.

1.1.1.2 Statstsche und klinische Signifkanz

Statstsche Signifkanz

Die statstsche Signifkanz ist ein Gradmesser dafür, inwiefern die Übertragbarkeit der in einer Studie gewonnenen Ergebnisse auf andere PatentInnen, als abgesichert gelten kann. Der dazu im Rahmen inferenzstatstscher Verfahren ermitelte p-Wert gibt an, wie wahrscheinlich es war, ein Ergebnis zu ermiteln, unter der Voraussetzung, dass die Nullhypothese gilt. Je kleiner der p -Wert, desto mehr spricht das Ergebnis gegen die Nullhypothese, und es ist Evidenz für die Richtgkeit der Alternatvhypothese vorhanden.

Ein p -Wert < 5% zum Vergleich zweier Therapieverfahren besagt sehr vereinfacht, dass ein in der Studie beobachteter Therapieunterschied (Zusammenhang, Mitelwertunterschied) gegen den Zufall abgesichert ist und sich auf die relevante Grundgesamtheit generalisieren lässt, da mit einer maximalen Rest-Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% eine falsche Aussage auf die intendierte PatentInnen-Populaton projiziert wird. Dieser p -Wert alleine sagt jedoch nichts über die Größe und Richtung eines Efekts, also dessen praktsche Bedeut- samkeit, aus: Ist die Stchprobe groß genug, erreicht selbst ein sehr kleiner und therapeutsch irrelevanter Unterschied zwischen beispielsweise zwei Behandlungen statstsche Signifkanz (Sedlmeier & Renkewitz, 2013).

Praktsche Bedeutsamkeit und klinische Signifkanz

Bezüglich des Ausmaßes der Redukton psychischer Symptombelastung werden in der Literatur vor allem zwei Berechnungsmodalitäten diskutert, die Efektst ä rke und die klinische Signifkanz.

Nach Bortz (1999) zielt die Efektstärkenberechnung auf die Überprüfung der praktschen Bedeutsamkeit des Ausmaßes einer Veränderung. Das heißt: Sie kann zur Verdeutlichung der praktschen Relevanz von statstsch signifkanten Ergebnissen herangezogen werden, da sie die Größe von Auswirkungen quantfziert. Die Efektstärke kann also einerseits nach einer Untersuchung berechnet werden, um Unterschiede zwischen Gruppen in einem standardisierten Maß vergleichen zu können. Zudem ist sie im Gegensatz zum statstschen Signifkanztest unabhängig von der Größe der Stchprobe und ermöglicht so die Stärke des Efekts über mehrere Studien hinweg zu vergleichen, sowie eine optmale Stchprobengröße vor einer Untersuchung festzulegen (Cohen, 1988). Ein weiterer methodischer Vorteil der Efektstärkenberechnung liegt in ihrer einfachen Durchführung. Ein methodischer Nachteil liegt darin begründet, dass die Gruppe, für welche die Efektstärke berechnet wird, auch PatentInnen beinhalten kann, die sich nicht verändert, bzw. sogar verschlechtert haben. In Konsequenz kann dies zu einer Schmälerung des Gesamtefekts oder gar zu einer verzerrten Darstellung der Ergebnisse führen. Ferner stellt die Festsetzung bestmmter Efektstärken (e.g., Cohens d: 0.2 = kleiner Efekt, 0.5 = mitlerer Efekt, 0.8 = großer Efekt) eine Konventon dar und besitzt keine klinische Bedeutsamkeit.

Klinische Signifkanz: Folgende Punkte sind bis hierhin festzuhalten: Die statstsche Signifkanz ist eine notwendige Voraussetzung für die klinische Relevanz, sie sagt jedoch nichts über sie aus (Lange, 1999). Efektstärken bleiben trotz ihrer Vorteile abstrakte Werte und sind als alleinstehendes Maß zur Bewertung der klinischen Relevanz eines Therapieefekts nicht geeignet (Kraemer, Morgan, Leech, Gliner, & Vaske, 2003). Jacobson und Truax (1991) setzen in ihrem Konzept des Reliable Change Index (RCI; Jacobson, Follete, & Revenstorf, 1984; Jacobson & Truax, 1991) die Prä-Post-Diferenz des Einzelfalls in Relaton zum Standardfehler der Diferenzwerte der jeweiligen Populaton. Dieses Vorgehen betrachtet Messwertdiferenzen auf individueller Ebene unter Berücksichtgung der Messgenauigkeit des verwendeten Erhebungsinstruments. Die Berechnung des RCI ist zwar aufwändiger als die Efektstärkenbestmmung, jedoch bringt sie diferenziertere Ergebnisse, auch auf intraindividueller Ebene (Nachtgall & Suhl, 2005). Eine klinisch signifkante Veränderung kann angenommen werden, wenn der RC-Index einen Wert von 1.96 (|RC| ≥ 1.96 auch: 1.65) übersteigt, und sich der Wert der PatentInnen den Normwerten nicht kranker Personen nähert, bzw. sie erreicht (Steglitz, 2000). Abweichungen von der Normalverteilung können jedoch auch bei diesem Vorgehen zu Verzerrungen führen.

Abschließend ist zu bemerken: Statstsche und klinische Signifkanz werden in der Literatur ebenso kontrovers diskutert, wie die diferenten Aufassungen bezüglich der Frage nach indirekter oder direkter Veränderungsmessung. Eine mehrdimensionale Erfassung des Therapieerfolgs scheint jedoch probat.

1.2 Die Variable Geschlecht: Terminologie und Theorien

Nachfolgend wird zunächst eine Diferenzierung kontextuell relevanter terminologischer Ebenen vorgenommen. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass Geschlechtsunterschiede im Allgemeinen als zu ubiquitär angesehen und deren verschiedene Qualitäten vernachlässigt werden (Döring, 2013). Entsprechend wird demnach eine defnitorische Abgrenzung zwischen geschlechtsspezifschen und geschlechtstypischen Unterschieden vorgenommen (Bosinski, 2000). Für das Verständnis der Interakton von Natur (Sex) und Kultur (Gender) und deren Bedeutung für die Geschlechtsrollenentwicklung werden weiterhin die Begrifichkeiten Geschlechterschemata und Geschlechterstereotypen sowie das Konzept der psychischen Androgynie thematsiert.

Hinsichtlich der spezifschen Betrachtung zur Bedeutung der Geschlechterkonstellaton im psychotherapeutschen Prozess werden nachfolgend sozial-konstruktvistsche Analyseansätze, primär das Doing Gender Konzept nach West und Zimmermann (1987), sowie sozialund kognitonspsychologische Theorien hinsichtlich Geschlechterstereotypen herangezogen (Alfermann & Athenstaedt, 2011; Martn, 2000).

1.2.1 Geschlechtsspezifsche und geschlechtstypische Unterschiede

Geschlechtsspezifsche Unterschiede sind bipolar-dichotom geteilt. Das heißt, sie sind unmitelbar verbunden mit den spezifschen Funktonen bzw. Strukturen der Geschlechter im Prozess der biologischen Reprodukton. Ein Mensch kann entsprechend der jeweiligen Geschlechterspezifk demnach entweder als m ä nnlich oder weiblich zugeordnet werden.

Geschlechtstypische Unterschiede sind statstsch-deskriptver Natur und ergeben sich nur im Geschlechtergruppenvergleich. Sie können körperliche, psychische oder soziale Eigenschafen, Funktonen und Verhaltensweisen betrefen, die innerhalb der einen Geschlechtergruppe häufger und/oder intensiver aufreten als innerhalb der anderen. Die Abweichung vom Mitelwert und die Überlappung mit der Verteilung der Funkton, Eigenschaf etc. innerhalb der anderen Geschlechtergruppe ist konsttuierend für diese Art von Diferenzen, und somit nicht krankhaf, sondern die Regel (Bosinski, 2000).

1.2.2 Sex versus Gender

In den 1950er-Jahren wurde im Kontext der (psychiatrischen) Beschäfigung mit Intersexuellen und Transgender-Personen der Begrif Gender zunächst von dem Psychologen John William Money (gender identty; gender role) und nur wenig später in seiner heutgen sozial-konstruktvistschen Konnotaton von dem Soziologen Harold Garfnkel etabliert (Garfnkel, 1967; Geimer, 2013). Die feministsche Theorienbildung übernahm diese Sex-Gender-Diferenzierung ab den 1970er-Jahren und entwickelte das Gender-Konzept exorbitant weiter. Nach sozial-konstruktvistschem Ansatz spielen biologische Grundlagen keine wesentliche Rolle für die Erklärung von geschlechtstypischem Verhalten. Geschlecht als soziale Kategorie sei vielmehr gesellschaflich konstruiert. Dabei werden an männliche und weibliche Individuen geschlechterstereotype Erwartungen gerichtet, die alle Lebensbereiche durchziehen und in Geschlechterrollen münden, welche wiederum verhaltenswirksam werden. West und Zimmermann (1987) postulieren in ihrem Doing Gender Modell neben der Sex-Gender-Diferenz eine drite Kategorie, die Sex- category:

I) Sex ist die bei Geburt vorgenommene Klassifkaton von Geschlecht aufgrund sozial vereinbarter und biologischer Kriterien. Es bezeichnet folglich das (zumeist) unveränderliche biologische Geschlecht (genetsch, hormonell, neuronal), welches primär bis zur Geburt wirksam ist.
II) Sex-category ist die alltägliche Zuordnung zu einem Geschlecht. Sie wird sozial gebildet durch die geleistete Darstellung des Individuums und muss nicht mit Sex übereinstmmen.
III) Gender entsteht in der sozialen Interakton. Es resultert aus der gegenseitgen Herstellung und intersubjektven Bestätgung von Geschlechtszugehörigkeit, aufgrund eines den jeweiligen gesellschaflichen Geschlechterbildern angemessenen Verhaltens. Gender bezeichnet folglich das kulturell determinierte, variable soziale Geschlecht, welches ab der Geburt maßgeblich das psychologische Geschlecht beeinfusst.

Nach dem Konzept des Doing Gender wird Geschlecht folglich nicht als etwas was man hat defniert, sondern als performatver Akt. Geschlechtszugehörigkeit resultert demnach aus einer permanent statindenden interaktven Konstrukton: Individuen eignen sich aktv und interaktv jene auf die jeweiligen Geschlechterrollen bezogenen Normen, darunter Regeln beziehungsweise Strukturen an, und geben diese handelnd weiter. Doing Gender manifestert sich folglich sowohl über alltägliche internalisierte Verhaltensweisen (Geschlechtsdarstellungen) als auch über alltägliche Wahrnehmung (Geschlechtsatribu- tonsprozesse) (Hirschhauer, 1989).

1.2.3 Geschlechterschemata und Geschlechterstereotypen

Kognitonstheoretsch versteht man unter Geschlechterschemata die Repräsentaton sämtlicher geschlechtsbezogener Informatonen in semantschen Netzwerken und Skripts, die sowohl das eigene als auch das komplementäre Geschlecht betrefen (Eckes, 2008; Martn, 2009). Forschungsergebnisse zeigen, dass Geschlechterschemata bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt erworben werden (Ruble, Martn, & Berenbaum, 2006). In unserem sozialen Alltag versuchen wir die Geschlechtsidenttät (Own-Sex-Schema) mit dem jeweiligen kulturspezifschen Geschlechterschema (Overall-Schema für Männer und Frauen) in Übereinstmmung zu bringen (Martn, 2000).

Spätestens nach der Geburt wird das psychologische Geschlecht wesentlich vom Geschlechterstereotyp der jeweiligen Kultur beeinfusst. Unter einem Geschlechterstereotyp werden kulturspezifsche Erwartungen und Einstellungen hinsichtlich weiblicher und männlicher Rollen verstanden, die derart verfestgt sind, dass sie nicht nur Wahrnehmung, Beurteilung und Bewertung anderer Menschen beeinfussen, sondern darüber hinaus auch Einfuss auf Verhaltenstendenzen, d.h. auf Form und Verlauf zwischenmenschlicher Aktonen, nehmen können. Jene Geschlechterstereotypen wirken dabei zunächst über die soziale Umwelt, später auch über die Kinder selbst. Dadurch können bereits vorhandene Geschlechtsunterschiede verstärkt, vermindert oder überhaupt erst erzeugt werden (Asendorpf, 2012). Geschlechterstereotype sind sowohl bewusst als auch unbewusst mental repräsentert und gekennzeichnet durch deskriptve und präskriptve Anteile (Eckes, 2008). Geschlechterstereotypisierung basiert auf sozialer Kategorisierung. Jene sozialen Kategorisierungsprozesse dienen einerseits der Komplexitätsredukton, führen dabei jedoch gleichfalls zu Informatonsverlust auf Individualebene.

Nach dem Stereotypenmodell von Fiske, Cuddy, Glick und Xu (2002) können Stereotypen auf den zwei Dimensionen Wärme und Kompetenz (Communion/Agency) verortet werden . Jene Dimensionen werden als wesentlich für die allgemeine Personenwahrnehmung angesehen. Beurteilen wir andere Personen, so scheint die Wahrnehmung von Wärme wichtger als die von Kompetenz (Fiske, Cuddy, & Glick, 2007). Für unser Überleben ist es primär wichtg, jemandem zu vertrauen, was evolutons-psychologisch erklärt werden kann. Wärme ist ferner mit Sympathiebeurteilung, und Kompetenz mit Respekt assoziiert. Hinsichtlich der zwei Dimensionen haben sich in der Fachliteratur die Bezeichnungen Expressivit ä t und W ä rme/Communion für den weiblichen Pol, sowie Instrumentalit ä t und Kompetenz/Agency für den männlichen Pol etabliert (Kite, Deaux, & Haines, 2008; Rudman & Glick, 2008). Interkulturelle Geschlechterstereotypenforschung konnte zum einen zeigen, dass in den meisten Ländern insgesamt mehr maskuline als feminine Stereotypen und ferner mehr positve maskuline als feminine Eigenschafen genannt wurden (William & Best, 1990). Biernat et al. (1991) postulieren in diesem Zusammenhang, dass Frauen und Männer mit zweierlei Maß beurteilt werden: Dieses Phänomen wird von den Autoren in ihrem Shifing Standard Model (Biernat, 2003; Biernat, Manis, & Nelson, 1991) beschrieben und entsteht dadurch, dass zur Beurteilung von Frauen weibliche Stereotype herangezogen werden, zur Beurteilung von Männern entsprechend männliche.

Eng verwandt ist das Konzept der Geschlechterrolle. Der Begrif wird in der Literatur jedoch recht uneinheitlich genutzt, aufgrund dessen soll eine detaillierte Beschreibung in der vorliegenden Arbeit vernachlässigt werden. Nachfolgend soll jedoch ein kurzer Überblick über das Geschlechterrollen-Konzept der psychischen Androgynie gegeben werden, da in der Literatur Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheit und Androgynie wiederholt postuliert werden (Alfermann, 1996; Bierhof-Alfermann 1989; Bock & Alfermann 1999). Eine Messung dieses Konstrukts kann u.a. durch das Bem Sex Role Inventory (BSRI; Bem, 1981) erfolgen. Gemessen wird, in welchem Ausmaß eine Person sich selbst stereotype maskuline und feminine Eigenschafen zuschreibt. Anhand von drei Skalen werden Personen gemäß ihrer Geschlechterrolle in vier Gruppen eingeteilt: maskulin = starke Selbstzuschreibung maskuliner/instrumenteller, geringe Selbstzuschreibung femininer/expressiver Eigenschafen; feminin = starke Selbstzuschreibung femininer, geringe Selbstzuschreibung maskuliner Eigenschafen; androgyn = starke Selbstzuschreibung sowohl maskuliner als auch femininer Eigenschafen; undiferenziert = geringe Selbstzuschreibung sowohl maskuliner als auch femininer Eigenschafen. Die Vorteile von psychisch androgynen gegenüber gendertypisierten Personen werden, auch seitens der KritkerInnen des Androgynie-Konzepts, nicht angezweifelt. Als solche gelten vor allem ein breiteres Spektrum an Handlungsmöglichkeiten und ein größeres Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die jeweiligen Anforderungen einer Situaton, sowie eine größere emotonale Ausgeglichenheit und ein höheres Maß an Selbstwertgefühl. Das positve Selbstwertgefühl wiederum korreliert mit höherer psychischer Gesundheit. In einigen Studien werden androgyne bzw. die traditonellen Geschlechterrollen überschreitende TherapeutInnen als besonders hilfreich beschrieben (Schigl, 2012). Diese fungieren in der therapeutschen Beziehung als Role-Model für den Modus des gesunden Erwachsenen: Das Vorleben androgyner Verhaltensweisen kann demnach kompetenz- und gesundheitsförderlich wirken.

1.3 Einordnung der Fragestellung in den klinisch-psychologischen Forschungskontext

Die biologischen, sozialen und psychischen Wirklichkeiten von Frauen und Männern unterscheiden sich substantell: Frauen und Männer macht Unterschiedliches krank, sie zeigen eine diferente Symptomatk sowie einen unterschiedlichen Umgang mit Krankheit (Leimkühler, Heller, & Paulus, 2007; Schemmel, 2002). Ferner werden sie vom Gesundheitssystem unterschiedlich behandelt (Eubanks-Carter & Goldfried, 2006; Loring & Powell, 1988). Psychische Gesundheit und Krankheit werden folglich durch die Betrofenen selbst, durch professionelle HelferInnen als auch Forschung konstruiert. Es wird angenommen, dass diese diferenten Kategorisierungsebenen weitreichende Auswirkungen auf Diagnosefndung und den therapeutschen Prozess haben (Möller-Leimkühler, 2006; 2011; Schemmel, 2002).

1.3.1 Zur Bedeutung von Geschlechterstereotypen im psychotherapeutschen Kontext

Zunächst ist anzuführen, dass männliches und weibliches Verhalten, welches stark an den traditonellen bipolaren Gender-Klischeevorstellungen orientert ist, sich in epidemiologischer Überschau nicht gesundheitsförderlich, sondern eher krankmachend auswirkt (Schigl, 2012). Geschlechtsrollenzuschreibungen und Geschlechterstereotypen können folglich als unspezifscher Risikofaktor pathogen wirken (Möller-Leimkühler, Heller, & Paulus, 2007). Frauen zeigen analog zu den etablierten weiblichen Geschlechterstereotypen primär internalisierende Bew ä ltgungsstrategien in Form von ausgeprägterem emotonszentrierten Coping (e.g., Grübeln, Selbstbeschuldigung, Vermeidung). Jene defzitären und destruktven Problemlösemuster sind korreliert mit einer allgemein höheren Stressvulnerabilit ä t, können in Konsequenz dysphorische Stmmungen verstärken und in einer depressiven Spirale münden (Nolen-Hoeksema, 1991). Mit anderen Worten: D i e Charakteristka des traditonellen weiblichen Geschlechtsstereotyps (Expressivit ä t/Communion) korrespondieren mit der Symptomatk der Depression sowie Angststörung. Frauen suchen darüber hinaus häufger und zudem auch früher professionelle Beratung auf (Keller, Henrich, Beutel, & Sellschopp, 1998). Dies führt dazu, dass Frauen im gesellschaflichen Konsens als das therapiebedürfigere Geschlecht angesehen werden. Die Konstrukton der vulnerablen Frau führt dazu, dass Frauen häufger die Diagnose einer psychischen Störung, insbesondere aus den Spektren afektve, Angst-, Ess- und postraumatsche Störungen, erhalten (Jacobi, Klose, & Witchen, 2004; Klose & Jacobi, 2004). Darüber hinaus werden somatsche Beschwerden ofmals als psychosomatsch verkannt (Colameco, Becker, & Simpson, 1983). Die Zahlen der administratven Pr ä valenz, welche auf der Basis von Routnestatstken (e.g., Gesundheitsberichterstatung) erhoben werden, verweisen auf starke Geschlechtsunterschiede, insbesondere im Kontext ambulanter psychotherapeutscher Versorgung (Barghaan, Harfst, Koch, & Schulz, 2005).

Im Kontrast dazu wird ein instrumentelles Selbstkonzept, welches dem männlichen Geschlechterstereotyp entspricht, als primär gesundheitsförderlich angesehen. Es korreliert in empirischen Untersuchungen mit verminderter Depressivität, verringerter Angst, erhöhtem Selbstwertgefühl und weniger psychosomatschen Beschwerden (Helgeson, 1994). Aber auch aus jenen gesellschaflich konstruierten m ä nnlichen Geschlechterrollen- zuschreibungen resulteren für die psychotherapeutsche Praxis potentelle Problematken: Leimkühler et al. (2007) führen hinsichtlich der Unterdiagnostzierung und der damit in Beziehung stehenden mangelnden Versorgung depressiver Erkrankungen bei Männern drei potentelle Einfussfaktoren an: zum einen mangelndes Hilfesuchverhalten seitens der Männer, darüber hinaus eine dysfunktonale Stressverarbeitung und ferner ein Gender Bias im Rahmen der Depressionsdiagnostk. So fällt es männlichen Patenten mit starker instrumenteller Orienterung einerseits wahrscheinlich deutlich schwerer, sich eine depressive Symptomatk einzugestehen, sowie diesbezüglich Hilfe zu suchen. Zum anderen ist es wahrscheinlicher, dass der störungsspezifschen Symptomatk aufgrund stereotyper Erwartungshaltungen seitens professioneller Helfer eine geringere Bedeutung zugemessen bzw. somatsch umgedeutet wird (Möller-Leimkühler, 2006; 2011). Ferner wird postuliert, dass die Depression bei Männern, das sozio-medizinische Konzept der Male Depression durch Aggressivität, Irritabilität sowie Sucht- und Risikoverhalten (e.g., Alkohol, Sport, Arbeit) maskiert sein kann. Diese externalisierenden Symptome fnden sich nicht in den üblichen Depressionsinventaren, da diese überwiegend an weiblichen Stchproben entwickelt wurden und entsprechend internalisierende Symptome abfragen. Jener Gender Bias trägt in Konsequenz zur Unterdiagnostzierung von Depressionen bei Männern bei, und es werden u.a. falsche Primärdiagnosen wie Alkoholabhängigkeit oder „Fehldiagnosen“ wie eine antsoziale Persönlichkeitsstörung ausgestellt.

Wie bereits angedeutet, können sich auch Professionelle nicht frei von geschlechter stereotypen Erwartungen sprechen. Eine Vielzahl von Studien konstatert den Einfuss jener Gender Bias auf den psychotherapeutschen Prozess. Besonders anfällig für traditonelle Stereotypisierung scheinen männliche Therapeuten/Diagnostker zu sein (Loring & Powell, 1988). Ferner ist anzunehmen, dass therapeutenseitg eine gewisse geschlechtsspezifsche Präferenz für das weibliche Patentengeschlecht vorliegt. In der Studie von Eubanks-Carter und Goldfried (2006) zeigte sich, dass die befragten PsychologInnen und PsychotherapeutInnen lieber mit weiblichen Patenten arbeiteten und ihnen auch bessere Prognosen ausstellten. Begründet wurde diese Präferenz mit der Meinung der Befragten, nach der weibliche Patenten besser auf Psychotherapien ansprechen. Außerdem waren den Befragten weibliche Patenten vertrauter, da Frauen häufger psychotherapeutsche Behandlungen wahrnehmen als Männer.

Wie wirkt sich jenes kollektv inszenierte Doing Gender konkret auf die Mikrowelt der therapeutschen Beziehung und in Konsequenz auf den Therapieerfolg aus? Dieser Fragestellung kann in der vorliegenden Arbeit nicht hinreichend nachgegangen werden, weil dahingehend ein zu geringes Ausmaß gendersensibler quanttatver und qualitatver Methoden vorliegt. Fakt jedoch ist, dass psychotherapeutsche Prozesse bei PatentInnen und mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei TherapeutInnen mit Unsicherheiten und Stress einhergehen. Nach sozial-kognitonspsychologischer Aufassung werden in unsicheren Situatonen verst ä rkt Geschlechterschemata, also Verhaltenserwartungen entlang der Geschlechterstereotypen, herangezogen. Das heißt: Geschlechtsrollenzuschreibungen und damit assoziierte Geschlechterstereotypisierungen können sowohl in geschlechtsheteroge- nen als auch geschlechtshomogenen Dyadenkonstellatonen Einfuss auf Interaktonsdynamiken im beraterischen und therapeutschen Setng nehmen. Beispielsweise ist die geschlechtshomogene männliche Dyadenkonstellaton (mm) primär durch instrumentelle Eigenschafen wie Dominanz und Autonomie bestmmt, ferner die gegenseitge Einschätzung zu Beginn der therapeutschen Behandlung zurückhaltender, und es werden insgesamt häufger anfängliche Schwierigkeiten berichtet (Ogrodniczuk & Staats, 2002).

In der geschlechtshomogenen weiblichen Dyadenkonstellaton (ww) trefen zwei Individuen aufeinander, deren Gender-Sozialisaton auf expressive Eigenschafen wie Beziehungsorienterung programmiert ist. Dort sollte die Einschätzung zu Beginn am positvsten sein (Ogrodniczuk & Staats, 2002). In der geschlechtsheterogenen Dyadenkonstellaton männlicher Therapeut/weiblicher Patent (mw) wirkt primär die geschlechtsrollentypische Formaton helfender Mann-hilfsbedürfige Frau. Berufiche und gesellschafliche Rollenerwartungen verstärken sich hier gegenseitg. In dieser Dyade wird das traditonelle Geschlechterverhältnis also besonders stark aktualisiert. Beeinfussungsversuche, erotsche Gefühle sowie Depressionsgefühle (Cooke & Kipnis, 1986; Orlinsky & Howard, 1976) werden in dieser Konstellaton am häufgsten berichtet. Insbesondere bei älteren männlichen Therapeuten äußern weibliche Patenten häufger Hemmungen, Therapiefragen und -ziele anzusprechen.

1.3.2 Geschlechtszugehörigkeit als Prädiktor für Therapieerfolg

Wie ebenda aufgezeigt wirkt das Geschlecht auf den verschiedensten Dimensionen: biologisch - sozial - kulturell sowie patenten- und therapeutenseitg. Welche Bedeutung wird aber dieser elementaren sozialen Kategorie und den daraus resulterenden Interaktonsdynamiken im Rahmen der psychotherapeutschen Versorgungsforschung tatsächlich beigemessen, und welche wesentlichen empirischen Ergebnisse wurden in der Vergangenheit bereits gewonnen?

Eine bibliometrische Analyse dreier deutschsprachiger psychiatrischpsychotherapeutscher Zeitschrifen zur Thematk g ender- und geschlechtsspezifscher Aspekte in der psychiatrischen und psychotherapeutschen Forschung (Stengler, Glaesmer, & Dietrich, 2011) konstatert, dass von insgesamt 16 Originalarbeiten, deren Titel einen geschlechtsspezifschen Forschungsansatz vermuten ließen, sich letztendlich nur drei Arbeiten (ca. 2% aller insgesamt berücksichtgten 191 Originalarbeiten) tatsächlich mit einer geschlechtsspezifschen Fragestellung, in die beide Geschlechte r einbezogen waren, beschäfigten.

Einseitge Betrachtungen zum Einfuss des Patentengeschlechts bzw. des Therapeutengeschlechts auf das Therapieergebnis konstateren folgendes: Die Geschlechtszugehörigkeit der PatentInnen hat insgesamt wenig prognostsche Bedeutung für den Therapieerfolg (Clarkin & Levy, 2004; Garfeld, 1994). Studien zum Einfuss des TherapeutInnengeschlechts auf das Therapieergebnis sind weniger konsistent und divergieren in ihren Resultaten. Eine zusammenfassende Darstellung fndet sich u.a. in der Metaanalyse von Bowman, Scogin, Floyd und Mckendree-Smith (2001): Die Autoren kommen insgesamt zu dem Schluss, dass das Geschlecht der TherapeutInnen nur eine geringe Bedeutung für den Therapieerfolg hat: Die Auswertung der Daten von 64 Studien konnte zwar zeigen, dass es einen leicht signifkanten Unterschied gibt, weibliche Therapeuten erzielen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen bessere Therapieergebnisse (unabhängig vom Geschlecht der PatentInnen), jedoch werden nur 8% der Varianz durch das Geschlecht erklärt.

Kontextuell relevante Resultate aus Studien zum Therapieprozess (Schigl, 2012) lassen vermuten, dass es weiblichen Therapeuten besser gelingt, eine positve Therapiebeziehung aufzubauen. Sie geben höhere Sympathiewerte sowohl für Patentnnen als auch für Patenten an, was zu Beginn der therapeutschen Behandlung eine Atmosphäre des Vertrauens schaf. Patentenseitg wird dies schnell als stützend empfunden. Ferner pfegen sie einen gelasseneren Umgang mit narzisstsch-rivalisierendem Verhalten männlicher Patenten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Weibliche Therapeuten sind bezüglich Krankheitswert und Pathologie diagnostsch milder. Therapeuten sind dahingehend kritscher.

Bowman et al. (2001) resümieren, dass Geschlechtszugehörigkeit nicht per se irrelevant sei, sondern nur in Interakton mit anderen Variablen zu einem diferentellen Therapieergebnis führen könne. Der zeitliche Faktor Therapiedauer wurde in diesem Zusammenhang bereits in Ansätzen als potenzielle Prozessvariable identfziert (Cotone, Drucker, & Javier, 2002). Rudolf (2002) postuliert in seiner Überschau, dass es st ö rungsspezifsch Hinweise auf eine unterschiedliche Wirksamkeit des TherapeutInnengeschlechts gäbe. Cotone et al. (2002) konnten dahingehend in einer Studie zeigen, dass depressive Patentnnen der Dyadenkonstellaton mw häufger fortgeschritenere Phasen der Behandlung erreichen, als dies in der Konstellaton mm zu beobachten war. Dieser Trend gilt ebenfalls für einen regulären Therapieabschluss (Completer Status). Ferner fanden Kopta, Howard, Lowry und Beutler (1994) positve Korrelatonen zwischen Therapiedauer und positven Veränderungen im therapeutschen Prozess. Insbesondere Kurzzeitherapien könnten aufgrund der inital stärker wirkenden Geschlechterstereotype, schlechter hinsichtlich des Therapieerfolgs abschneiden (Schigl, 2012).

Gross und Steins (1998) untersuchten die geschlechtsspezifschen Auswirkungen eines empathischen (klientenzentriert) vs. kritschen-hinterfragenden (ratonal-emotv) therapeutenseitgen Kommunikatonsstls auf die Befndlichkeit von PatentInnen im Rahmen des therapeutschen Erstgesprächs. Die Autoren konnten zeigen, dass Empathie als alleinstehendes Merkmal kein hinreichender Wirkfaktor ist, vielmehr bildete sich der Einfuss der geschlechterrollenkonformen Sozialisierung ab: Weibliche Patenten wiesen nach einem empathischen Kommunikatonsstl eine positvere Befndlichkeit auf (weniger ärgerlich, erregt und deprimiert) als unter kritschen Feedback. Bei männlichen Patenten zeigte sich das umgekehrte Muster: Diese wiesen eine positvere Befndlichkeit auf, wenn die Gesprächsform einem kritsch-hinterfragenden Kommunikatonsstl folgte.

[...]

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss von Geschlechterdyaden auf den Therapieerfolg bei kognitiver Verhaltenstherapie
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
84
Katalognummer
V418182
ISBN (eBook)
9783668672734
ISBN (Buch)
9783668672741
Dateigröße
1607 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlechterstereotype, Geschlechterdyaden, Therapieerfolg, Kognitive Verhaltenstherapie, Ausbildungsinstitut
Arbeit zitieren
Stefanie Knoth (Autor:in), 2016, Der Einfluss von Geschlechterdyaden auf den Therapieerfolg bei kognitiver Verhaltenstherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418182

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