Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Papst Pius XII- eine kurze Papstbiografie
„Ad maiora mala vitanda“- um größeres Übel zu verhindern
Fazit:
Literaturverzeichnis
Einleitung
Bis in die heutige Zeit wirft das Verhalten des Papstes Pius XII zum Holocaust Diskusionen auf und polarisiert die Gespräche. Es wird darüber debattiert, ob das Verhalten des Papstes gerechtfertigt war, wenn es im Hinblick auf die Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zweiten Weltkrieg gesehen wird. Hätte eine Person der Öffentlichkeit, wie es der Papst war, schweigen dürfen oder sind die Vorwürfe gegen ihn nicht gerechtfertigt? War das sogenannte Schweigen Papst Pius XII das Ergebnis von Unwissenheit oder Gleichgültigkeit oder eher ein Versuch, die Eskalation der Gewalt gegen die am meisten Bedrohten zu verhindern?
Hat der Papst, in einer Zeit, in der die Menschen ein moralisches und gerechtes sowie humanes Oberhaupt gebraucht hätten, geschwiegen und somit in seinen Pflichten versagt? Aus den Stellungnahmen des Papstes ist ersichtlich, dass er der Meinung war, es sei besser in der Öffentlichkeit zu schweigen und somit für die Menschen in der Stille alles zu tun, was möglich sei und ihre Situation nicht noch verschlechterte.[1] Auf die Behauptungen zu einem antisemitischen Papst wird hier nicht weiter eingegangen. Seine Postition in dieser Zeit ist durch mehrere Quellen ersichtlich. Die elf Auswahlbände „Actes et Documents de Saint Siège relatifs à la seconde guerre mondiale“ geben eine gute Quellenbasis und sind die einzigen öffentlichen Dokumente aus den Archiven des Vatikan. Sie wurde vom vatikanischen Staatssekretariat in Auftrag gegeben.[2] Außerdem sind seine Gedanken durch Sammlungen seiner Enzyklika, der apostolischen Schreiben, Reden und Gespräche sowie Ansprachen gut dokumentiert. Auch geben die diplomatischen Akten der verschiedenen Archive der Länder einen Einblick in die Korrespondenzen, jedoch muss auch gesagt sein, dass kein Land eine vollständige Aktenreihe veröffentlicht hat. Wichtig für die Betrachtung des Verhaltens des Heiligen Stuhls während des Nationalsozialismus sind auch die Memoiren von Diplomaten wie Francois Charles- Roux oder die Papiere des deutschen Botschafters Ernst von Weizäcker. Auch sind in diesem Zusammenhang die Memoiren von Vertrauten wie dem Jesuitenpater und Sekretär Robert Leiber oder seiner Haushälterin Schwester Pascalina Lehnert zu nennen.[3] Papst Pius XII- eine kurze Papstbiografie Um das Vorgehen des Papstes in der Zeit des Nationalsozialismus besser verstehen zu können, muss auch auf seine Biografie eingegangen werden. Dies geschieht hier allerdings nur ausschnittsweise.
Papst Pius XII heißt mit bürgerlichem Namen Eugenio Pacelli und wurde 1876 in Rom geboren. 1917 wurde ihm, nach einem rasanten Aufstieg im Vatikan, die Nuntiatur im Königreich Bayern übergeben. Somit war er auch bald der Vertreter des Papstes im gesamten Deutschen Reich.[4] 1920 trat er seine Stelle als Nuntius in der neuen deutschen Republik an. Nachdem er mit der Nuntiatur nach Berlin zog, war er maßgeblich an der Erarbeitung des Reichskonkordats von 1929 beteiligt. In diesem Jahr wird er auch zum Kardinal erhoben und nach Rom abgezogen. Unter Papst Pius XI wird er Staatssekretär des Heiligen Stuhls und nimmt in dieser Position an den 1933 stattfindenden Verhandlungen zum Konkordat mit Hitler teil. Der katholische Theologe Kühlwein beschreibt die Ansicht von Pacelli bezüglich des Reichskonkordats als eher kritisch. „Die Erfolgsaussichten auf ein gut geregeltes Verhältnis zwischen Staat und Kirche schätze er gleich null ein.“, wird hier gesagt. Gründe für das Konkordat sind allerdings der symbolische Charakter, bei dem die Kirche einen Vertrag auf ihrer Seite hat. Somit konnte auf Paragrafen gepocht werden. Es bot Anlass für Beschwerden und die Übergabe von diplomatischen Noten. In einem Gespräch zwischen Pacelli und dem britischen Gesandten Kirkpatrick 1933 wird deutlich, dass er davon ausgeht, dass „die Deutschen doch wohl nicht alle Artikel des Konkordats auf einmal brechen [würden]“[5] Im Zuge der zunehmenden Verunsicherung und auch Empörung gegenüber Deutschland ist er beteiligt an der Veröffentlichung der Enzyklika „mit brennender Sorge“. Kurz vor Kriegsbeginn wird von Pacelli ein Friedensplan ausgearbeitet und er bietet sich als Vermittler für diplomatische Bemühungen an. Auch lädt er die kriegsführenden Mächte zu Verhandlungen in den Vatikan. Zu dieser Zeit wurde er von der Kurie schon zum Papst gewählt und nannte sich Pius XII, in Anlehnung an seinen Vorgänger.[6] Die Vorzüge dieses Papstes waren seine außerordentliche Erfahrung in der Diplomatie, besonders zu Deutschland. Daher schätzte man ihn als Diplomaten, der nicht impulsiv und mit der Faust regiert, wie der alte Papst es tat.[7] Bezüglich der Papstwahl am 3. März 1939 notierte sich der Reichspropagandaminister Goebbels in seinem Tagebuch: „ein politischer Papst und u.U. ein raffinierter und geschickt vorgehender Kampfpapst. Also aufpassen!“[8] Hier wird deutlich, welcher Einfluss dem neuen Papst schon bei seinem Antritt zugesprochen wurde. Als Papst ist Pius XII nun das Oberhaupt der Institution Kirche und soll dieser Schutz bieten. In seiner Antrittsenzyklika Summa Pontificatus 1939 nennt Pius seine Pflichten als Papst, darunter: Die Wahrheit darzulegen. Auch geht er darauf ein, dass die menschlichen Fehler und Irrtümer aufzuzeigen seine Bestimmung sei. Dabei will er sich weder „durch Misstrauen und Widerspruch, Ablehnung und Unverständnis noch von der Furcht missverstanden oder falsch ausgelegt zu werden“ beirren sowie sich nicht von irdischen Rücksichten beeinflussen lassen.[9] Seine Aufgabe ist hierbei allerdings auch, als Stellvertreter Christi das Unrecht anzuprangern und die Menschen auf Verpflichtungen gegenüber Gott und den Mitmenschen aufmerksam zu machen. Er ist somit der Vertreter der christlichen Moral. Hier wird das Dilemma deutlich, mit dem er umzugehen hatte. „Hätte er die Katholiken schützen sollen,[…], indem er nichts tat was das NS- Regime verärgerte, um keine Vergeltungsmaßnahmen gegen sie zu provozieren? Oder hätte er das NS- Regime wegen seiner Inhumanität gegenüber allen Menschen anprangern sollen?“[10]
„Ad maiora mala vitanda“- um größeres Übel zu verhindern
Genau in dieser Situation befindet sich der Papst, als in Holland Juden deportiert werden. Diese Massendeportation wurde von Erzbischof De Jong aus Utrecht zum Anlass genommen, einen Protest aller christlichen Kirchen in den Niederlanden zu beschließen, welcher am 26. Juli 1942 in Form einer umfassenden Kanzelrede stattfand. Im Vorfeld war den Gläubigern von der deutschen Regierung angeboten worden, alle getauften Juden zu verschonen, wenn der Protest abgesagt werden würde. Auf den Handel wurde nicht eingegangen, weswegen am 2. August Razzien gegen getaufte Juden stattfanden. Die Haushälterin des Papstes, Pascalina Lehnert, erinnert sich an ein Gespräch mit Pius XII bezüglich der Deportation der holländischen Juden. „Man brachte die Morgenzeitung in das Arbeitszimmer des Heiligen Vaters, der sich anschickte, zu den Audienzen zu gehen. Er las nur die Überschrift und wurde kreidebleich. Zurückgekehrt von den Audienzen […] kam der der Heilige Vater […] mit zwei großen, eng beschriebenen Bogen in der Hand in die Küche, wo die einzige Möglichkeit war, am offenen Feuer etwas zu verbrennen, und sagte: ´Ich möchte diese Bogen verbrennen, es ist mein Protest gegen die grauenhaften Judenverfolgungen. Heute Abend sollte er im Osservatore Romano erscheinen. Aber wenn der Brief der holländischen Bischöfe 40 000 Menschenleben kostete, so würde mein Protest vielleicht 200 000 kosten. Das darf und kann ich nicht verantworten. So ist es besser, in der Öffentlichkeit zu schweigen und für diese armen Menschen, wie bisher, in der Stille alles zu tun, was menschenmöglich ist.`[…]“[11] Es muss angemerkt werden, dass die von Schwerster Lehnert genannten Zahlen sehr unrealistisch sind und nicht im Verhältnis mit der beschriebenen Deportation stehen. Angesprochen werden in diesem Zitat mehrere Punkte. Einmal wird deutlich, dass Pius von den Deportationen wusste. Auch zeigt es seine Erschütterung sowie den Willen zu handeln und laut zu protestieren. Deutlich wird aber auch sein innerer Kampf um die Entscheidung, nach welchen Regeln er als Oberhaupt zu handeln hat. Hierbei hatte er bestimmte Anliegen. Einmal ist das natürlich die Überlegung, wie am meisten unschuldige Opfer vermieden werden können. Als katholisches Oberhaupt ist er auch bemüht, die katholische Weltgemeinde am besten zu schützen. Hinzu kommt die Abwägung, wie die Einflussnahme am besten bestehen bleiben kann, um karitative Maßnahmen Aufrecht erhalten zu können und dabei das Reichskonkordat nicht zu brechen. Auch muss dabei die geografische Position des Vatikan bedacht werde, der sich komplett umschlossen im faschistischen Italien befand und sich außerdem in den Lateranverträgen dazu verpflichtet hatte, im Konflikt zwischen Staaten neutral zu bleiben. Diese Neutralität zu wahren, war für Pius besonders wichtig, um eine Grundlage zu schaffen, die es möglich macht, als unparteilicher Vermittler bei möglichen Kriegsverhandlungen zur Seite stehen. Für Kritiker wäre die Maßnahme, mit der am meisten unschuldige Opfer vermieden werden könnten, der laute Protest des Papstes gewesen. Mit lauten Protesten sind starke öffentliche Erklärungen gegen die Verbrechen der Nazis und ihrer Verbündeten gemeint. Dies würde aber auch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen, den Abzug des Nuntius und die Kündigung des Konkordats bedeuten.[12] Diese Forderung kann kritisch gesehen werden. Laut Schmidlins sei es eine naive Erwartung, der offenen Stellungnahme des Papstes die Bedeutung beizumessen, dass die deutschen Katholiken ihm folgen und sich gegen den Staat und für die Religion entscheiden würden. [13] Auch war sich der Papst nicht sicher, welche Folgen sein öffentlicher Protest hervorrufen würde. Kühlwein ist der Meinung, „wenn Pius den modernen Rassismus und besonders den nationalen sozialistischen Antisemitismus […] verurteilt hätte, wäre die Reaktion in Berlin heftig ausgefallen und kaum zu berechnen gewesen.“[14] Jedoch müssen auch gegensätzliche Reaktionen angesprochen werden.
[...]
[1] Vgl. Kühlwein, K.: Warum der Papst schwieg. Pius XII und der Holocaust. Düsseldorf 2008, S. 203
[2] Vgl. Brechenmacher, T.: Der Vatikan und die Juden. Geschichte einer unheiligen Beziehung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München 2005, S. 202
[3] Vgl. Sanchez, J.M.: Pius XII und der Holocaust: Anatomie einer Debatte. Paderborn 2003, S. 13ff.
[4] Vgl. Sánchez 2003, S. 1
[5] Kühlwein 2008, S. 127
[6] Vgl. Sánchez 2003, S. 4
[7] Vgl. Kühlwein 2008, S. 127
[8] Kühlwein 2008, S. 161
[9] Kühlwein 2008, S. 170
[10] Sánchez 2003, S. 21
[11] Kühlwein 2008, S. 203
[12] Vgl. Brechenbacher 2005, S. 203
[13] Vgl. Brechenbacher 2005, S. 204
[14] Kühlwein 2008, S. 169
- Arbeit zitieren
- Tabea Leu (Autor:in), 2014, Papst Pius XII und der Holocaust, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418415
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