„Die Perspektive als ‚symbolische Form’", einer der bedeutendsten Texte Erwin Panofskys und eine der grundlegenden Schriften der Kunstgeschichte, ist keine leicht zugängliche und widerspruchsfreie Schrift. Zwar ist der Text in der Forschung viel diskutiert worden, dennoch fehlt oft die direkte Auseinandersetzung mit dem Geschriebenen. Bezeichnenderweise wird „Die Perspektive als ‚symbolische Form’“ erst Anfang der 90er Jahre ins Englische übersetzt, obwohl Panofsky seit 1933 in den Vereinigten Staaten lehrte.
Kollege und Freund Panofskys ist der Philosoph Ernst Cassirer. Erwähnenswert wird diese Gelehrtenfreundschaft durch Cassirers Hauptwerk „Philosophie der symbolischen Formen“ in drei Bänden – ein neuartiger Denkansatz zur damaligen Zeit, der allerdings schon bald in Vergessenheit geraten ist, obwohl er in die Richtung der modernen Semiotik weist. Auf Cassirer geht die Prägung des Begriffs der „symbolischen Form“ zurück, auf den sich Panofsky direkt bezieht.
In diesem Text hat, so scheint es, Panofskys ganze humanistische Bildung Ausdruck gefunden. Der beeindruckende Fußnotenapparat, der für die Druckfassung eingearbeitet worden ist und großteils Anmerkungen zum aktuellen Forschungsstand der jeweiligen Bereiche umfasst, übertrifft an Volumen nahezu den Haupttext.
Allein die Anmerkungen bieten eine Fülle von Ansätzen, die zu erörtern schon ein ergiebiges Unterfangen bilden würde. Der Text selbst behandelt im wesentlichen zwei Problemkreise, die zunächst wenig miteinander zu tun zu haben scheinen – ein Sachverhalt, der nicht zuletzt zu den Verständnisschwierigkeiten der Schrift beiträgt. Zum einen wird die Theorie einer möglichen antiken Perspektive entwickelt, zum anderen formuliert der Autor seine These der Perspektive als „symbolischer Form“.
Die vorliegende Arbeit versucht, den Text zu strukturieren, die wichtigsten Ansätze herauszuarbeiten und eine analytische Besprechung zu leisten. Dabei wird bewusst auf eine Berücksichtigung der Fußnoten weitgehend verzichtet, da sie eine Fülle von Zusatzinformationen liefern, die für die hauptsächlichen Ideen allerdings weniger wichtig sind. Es soll auch versucht werden, die beiden genannten, voneinander zunächst unabhängig erscheinende Problemkreise in einen möglichen Bezug zu stellen und Panofskys Gedankengang nachzuvollziehen. Insgesamt soll der Text soweit wie möglich für sich sprechen, um so die grundlegenden Ideen aber auch Kritikpunkte zu erarbeiten.
Inhaltsverzeichnis
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- Einleitung
- Formaler Aufbau des Texts und Vorgehensweise der Textanalyse
- Entwicklung und Bedeutung der Perspektive in der abendländischen Kunst
- Begriffsklärung 1: „Perspektive“
- Begriffsklärung 2: „Symbolische Form“ – Cassirers Terminus und Panofskys Verständnis
- Entwicklung der abendländischen Raumdarstellung bis zur Zentralperspektive (Kapitel III)
- Von der Spätantike bis zum Mittelalter
- Vom Mittelalter bis zur Renaissance
- Auswirkungen der Zentralperspektive (Kapitel IV)
- Problematik der „Wirklichkeitsabbildung“ der Perspektive (Kapitel I+II)
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit bietet eine kritische Textanalyse von Erwin Panofskys „Die Perspektive als „symbolische Form““, einem Schlüsselwerk der Kunstgeschichte. Die Analyse zielt darauf ab, den Aufbau des Texts zu strukturieren, die wichtigsten Ansätze herauszuarbeiten und eine analytische Besprechung zu liefern.
- Die Entwicklung der Perspektive von der Antike bis zur Renaissance
- Die Bedeutung der Zentralperspektive als „symbolische Form“ und ihre Auswirkungen auf die Kunst
- Die Problematik der „Wirklichkeitsabbildung“ der Perspektive
- Panofskys Einbezug der „symbolischen Form“ im Kontext von Ernst Cassirers Werk
- Der Einfluss der Wahrnehmungspsychologie der 20er Jahre auf Panofskys Interpretation
Zusammenfassung der Kapitel
Die ersten beiden Kapitel befassen sich mit den Problemen der Zentralperspektive, die sich aus der Konstruktionsmethode und der Frage nach der „Sehwirklichkeit“ ergeben. Im dritten Kapitel wird die Entwicklung der abendländischen Raumdarstellung von der Spätantike bis zur Renaissance beleuchtet, wobei Panofsky die Entstehung der Zentralperspektive als Ergebnis einer mathematischen Konstruktion beschreibt. Das vierte Kapitel widmet sich den Auswirkungen der Zentralperspektive auf die Kunst und die Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Die Perspektive als „symbolische Form“, Zentralperspektive, Raumdarstellung, Renaissance, Antike, Wahrnehmungspsychologie, Ernst Cassirer, Kunstgeschichte, Erwin Panofsky, Sehwirklichkeit.
- Arbeit zitieren
- M. A. Simone Kraft (Autor:in), 2005, Erwin Panofsky: Die Perspektive als „symbolische Form“. Eine kritische Textanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41844