Salafismus. Möglichkeiten und Grenzen der Prävention


Masterarbeit, 2015

152 Seiten, Note: 2,15


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Begründung der Themenwahl
1.2 Fragestellung
1.3 Stand der Forschung
1.4 Aktualität der Thematik und Verortung im gesellschaftlichen Diskurs

2. Methode
2.1 Methodendarstellung
2.2 Begründung der Methodenwahl

3. Salafismus
3.1 Begriffserläuterungen
3.1.1 Islam und Islamismus
3.1.2 Radikalisierung
3.1.3 Salafismus
3.2 Absichten, Ausprägungen und Strategien
3.2.1 Zielsetzung
3.2.2 Ausprägungen
3.2.3 Strategie
3.3 Ideologische Merkmale
3.4 Organisatorische Merkmale
3.5 Gegenwärtige Situation
3.6 Ursachen der Radikalisierung
3.7 Radikalisierungsmerkmale
3.8 Radikalisierungshintergründe ausgereister Jihadisten

4. Prävention
4.1 Ansätze allgemeiner Kriminalprävention
4.2 Salafismusprävention
4.2.1 Grundsätze der Salafismusprävention
4.2.2 Ansätze der Salafismusprävention
4.2.3 Probleme der Salafismusprävention
4.2.4 Positionen in der Salafismusprävention
4.2.5 Aktueller Stand der Salafismusprävention
4.3 Deradikalisierung

5. Präventionskonzepte
5.1 Präventions- und Aussteigerprogramm 'Wegweiser'
5.2 Präventionskonzept 'Dialog macht Schule'

6. Empirischer Teil
6.1 Erläuterung zur Durchführung
6.1.1 Transkription
6.1.2 Auswahl der Interviewpartner und Begründung der Auswahl
6.1.3 Problemstellungen
6.1.4 Zielrichtung der Fragen
6.2 Zusammenfassung und Analyse der Interviewinhalte
6.2.1 Interview mit Person 1
6.2.2 Interview mit Personen 2 und 3
6.2.3 Interview mit Person 4
6.2.4 Interview mit Person 5

7. Selbstreflexion / Kritik
7.1 Methode
7.2 Durchführung

8. Zusammenfassung und Fazit

Glossar

Literaturverzeichnis

Anhang

A1. Fragenkomplexe

A2. Datenschutzvereinbarung

A3. Transkription Interview Person 1 (P1)

A4. Transkription Interview Personen 2 und 3 (P2 und P3)

A5. Transkription Interview Person 4 (P4)

A6. Interview mit Person 5 (P5) - Gedächtnisprotokoll

Eidesstattliche Erklärung

1. Einleitung

Spätestens seit dem 11.09.2001 wird die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus nicht nur als globale, sondern auch als bundesrepublikanische Wirklichkeit wahrgenommen. Es stellte sich schnell heraus, dass die Anschläge in New York teilweise von bislang in Deutschland lebenden Muslimen geplant, unterstützt und ausgeführt wurden.

Die Anschläge in Djerba, London, Madrid und die verhinderten Anschläge der sogenannten 'Sauerland-Gruppe', der 'Kofferbomber' oder des Anschlagsversuches auf den Bonner Hauptbahnhof, aber auch der Anschlag eines radikalisierten Einzeltäters auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen und der aktuelle Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitung 'Charlie Hebdo' in Paris führten und führen deutlich vor Augen, dass der islamistisch-salafistische Terrorismus kein Problem 'der anderen' ist. Die Täter sind den Sicherheitsbehörden oftmals vorher nicht oder nur unwesentlich aufgefallen.

Eine neue Dimension der salafistischen Problematik ist seit dem Herbst 2011 festzustellen. Seitdem werben salafistische Prediger massiv um ihre Auslegung des Islam. Dies geschieht sowohl im Internet als auch in Vorträgen, Islamseminaren und im Rahmen einer 'Street-Da'wa'[1], hier insbesondere in Form von Info-Ständen, an denen Korane kostenlos verteilt und Jugendliche angesprochen werden. Das Angebot richtet sich gezielt an Jugendliche und junge Erwachsene, die entweder zur Konversion bekehrt werden sollen oder -falls sie Herkunftsmuslime sind- für eine rigide Glaubensausübung gewonnen werden sollen.

Die Zahl der Personen, die der salafistischen Szene zuzurechnen sind, hat sich seitdem sprunghaft erhöht. In Nordrhein-Westfalen stieg sie von 1000 aktiven Salafisten im Jahr 2012 auf 1500 aktive Salafisten im Jahr 2013. Davon werden bis zu 150 als gewaltbereit eingeschätzt.[2] Bundesweit stiegen die Zahlen aktiver Salafisten im genannten Zeitraum von 4500 auf 5500 Personen.[3]

Eine weitere qualitative Steigerung des Phänomens wurde mit dem fortdauernden Bürgerkrieg in Syrien deutlich. Seit dem Jahr 2013 ist eine steigende Tendenz zu beobachten, dass sich immer mehr Personen der deutschen salafistischen Szene dem Jihad[4] in Syrien und nachfolgend auch im Irak an- schließen. Ende 2013 umfasste dieser Personenkreis bereits 100 Personen aus NRW und 240 Personen bundesweit.[5] Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit lag die Zahl laut verschiedenen Quellen bei 480-600 bundesweit ausgereisten Jihadisten, von einer höheren Dunkelziffer kann ausgegangen werden.

Es ist anzunehmen, dass eine eventuelle Rückkehr dieser Kämpfer erhebliches Risikopotential bergen könnte. Durch die im Jihad erworbene Kampfroutine ist zu erwarten, dass sie militärisch gut ausgebildet sind und durch die erlebten Kriegs- und Gewalterfahrungen verroht sein könnten. Eine mögliche Anschlagsgefahr durch diesen Personenkreis ist deshalb vermutlich als durchaus hoch zu bewerten. Ferner kann davon ausgegangen werden, dass sie in der hiesigen salafistischen Szene als Helden verehrt werden und somit durchaus eine Sogwirkung für weiteren Zulauf entfalten könnten.

Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, sich der Problematik der salafistischen Radikalisierung anzunähern, mögliche Präventionsstrategien zu erläutern und gegebenenfalls Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Im ersten Kapitel der Arbeit soll nach der Einleitung die Themenwahl erläutert und begründet werden. Der aktuelle Stand der diesbezüglichen Forschung in Deutschland und die Aktualität sowie die Verortung des Themas im derzeitigen gesellschaftlichen Diskurs werden beleuchtet, bevor die forschungsleitenden Fragen erläutert werden.

Anschließend wird in Kapitel 2 die Methodenwahl vorgestellt und erläutert.

Der folgende Literaturteil wird einen recht breiten Raum dieser Arbeit einnehmen, da dies zum näheren Verständnis des Phänomens Salafismus geboten scheint.

In Kapitel 3 wird anhand themenbezogener Literatur dargestellt, was der Begriff 'Salafismus' bedeutet, wie sich Salafismus äußert und wo die Gründe bzw. Ursachen für die diesbezügliche Radikalisierung liegen.

Der Begriff 'Prävention' soll in Kapitel 4 kurz allgemein beleuchtet werden, bevor den Themenkomplexen 'Deradikalisierung' und 'Aktueller Stand der Salafismusprävention' und die damit einhergehenden Problemstellungen ausführlicher dargestellt werden.

In Kapitel 5 folgt eine komprimierte Darstellung zweier aktueller Präventionskonzepte.

Sodann schließt sich in Kapitel 6 der empirische Teil der Arbeit an. In diesem Rahmen wird die Auswahl der Interviewpartner begründet und die Durchführung der Interviews erläutert, bevor die Interviews zusammengefasst und analysiert werden.

In einer Selbstreflexion werden in Kapitel 7 die angewandte Methode und die diesbezügliche Durchführung kritisch beleuchtet.

In der folgenden Zusammenfassung (Kapitel 8) werden die Ergebnisse der Literaturauswertung und der Interviews miteinander abgeglichen und hinsichtlich der Ausgangsfragestellung überprüft. Im abschließenden Fazit werden die wesentlichen Gesichtspunkte der Arbeit kurz zusammengefasst; es folgt eine kritische Reflexion der Ergebnisse hinsichtlich der forschungsleitenden Fragen sowie Anregungen zu einer möglichen Optimierung der Präventionsarbeit.

1.1 Begründung der Themenwahl

Das Phänomen Salafismus kann als eine der aktuellsten und dynamischsten Problemstellungen der derzeitigen deutschen als auch europäischen Innenpolitik bezeichnet werden. Gleichwohl ist der aktuelle Forschungsstand sowohl hinsichtlich der Ursachen salafistischer Radikalisierung als auch der diesbezüglichen Radikalisierungsprävention als dürftig zu bewerten. Gleichzeitig ist insbesondere im Präventionsbereich schnelles und effizientes Handeln erforderlich. Aufgrund der Dynamik der Lage und der rapide steigenden Zahlen der radikalisierten Personen müssen Konzepte zeitnah umgesetzt werden. Auf eine längerfristige wissenschaftliche Begleitung und Evaluation diesbezüglicher Projekte oder Programme kann zwar keineswegs verzichtet werden; die akute Situation scheint es jedoch zusätzlich zu erfordern, dass kurzfristige Maßnahmen getroffen werden. Diese Arbeit soll im Ergebnis zumindest in Ansätzen dazu beitragen, vorhandene zentrale Eckpunkte der Salafismusprävention abzugleichen und kritisch zu beleuchten.

1.2 Fragestellung

Die zentralen Fragen dieser Arbeit sind:

- Ist Salafismusprävention möglich?
- Wie kann Salafismusprävention konkret ausgestaltet werden?
- Durch welche Akteure kann dies geschehen?

Es kann vermutet werden, dass der Bereich Salafismus im Vergleich zur allgemeinen Kriminalprävention zusätzliche Problemstellungen und Anforderungen beinhaltet. Hier treffen oftmals nicht oder nicht nur die Ursachen allgemeinkriminellen Verhaltens zu, sondern der Ursprung ist zusätzlich im Hass und der Ablehnung gegenüber der bestehenden Gesellschaftsordnung und des westlich-demokratischen Wertesystems zu sehen. Zudem ist diese Form des Extremismus nicht nur -wie beim Rechts- oder Linksextremismus- politisch, sondern auch religiös motiviert. Insbesondere das Merkmal der radikalen Religiosität wirft Zweifel bezüglich der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen auf: Fanatischem Glauben dürfte mit rationalen Argumenten kaum zu begegnen sein.

Voraussetzung für die Beantwortung der zentralen Fragen ist eine ausgiebige Betrachtung des Phänomens Salafismus, seiner möglichen Ursachen und des salafistischen Radikalisierungsprozesses.

1.3 Stand der Forschung

Insbesondere zur Entstehung terroristischer oder radikaler Gruppen innerhalb des gesellschaftlichen Gesamtgefüges ist der Forschungsstand im Bezug auf Salafismus in Deutschland bislang als eher unzureichend anzusehen. Grund hierfür könnte sein, dass die Kontaktaufnahme und der Zugang zu den Mitgliedern radikaler oder terroristischer Gruppen durch deren Abschottung nach außen für die Forschung äußerst schwierig sind.[6] Dies beinhaltet als logische Konsequenz, dass auch der Forschungsstand zur Salafismusprävention als mangelhaft angesehen werden muss.

Literatur zu Extremismus generell oder auch zum Islamismus ist ausreichend vorhanden, allerdings mangelt es hier oftmals an Aktualität. Gerade zum in Deutschland recht jungen und dynamischen Themenbereich des Salafismus als relativ neue Ausformung des Islamismus muss festgestellt werden, "dass sich die Wissenschaft mit diesem Phänomen nicht ausreichend empirisch auseinandergesetzt hat, sodass sich das Forschungsfeld hierzulande durch mangelnde quantitative und qualitative Studie auszeichnet."[7] Es gibt hierzulande kaum detaillierte Forschungen zu Ursachen und Ablauf salafistischer Radikalisierung und demzufolge auch keine gesicherten Erkenntnisse, die als Fundament für wissenschaftlich fundierte präventive Handlungskonzepte dienen könnten.[8]

Noch unzureichender ist der aktuelle Forschungsstand zum Thema 'Salafismusprävention'; hierzu führen Rauf Ceylan und Michael Kiefer aus, dass Deutschland auf diesem Gebiet „in jedweder Hinsicht ein Entwicklungsland darstellt“.[9] Durch die Dringlichkeit der Situation gibt es jedoch mittlerweile eine erhebliche Anzahl von Präventionsprojekten. Vor dem Hintergrund der bislang eher limitiert erfolgten Forschung zu dieser Thematik muss man allerdings zu dem Schluss kommen, dass die Praxis der Forschung vorerst enteilt ist. Dies ist unbefriedigend für die Praktiker. Sie sind aufgrund der Aktualität und äußerst dynamischen Entwicklung der Lage gezwungen, Konzepte zu erstellen und zu erproben, obwohl sie nur begrenzt auf wissenschaftlich fundierte Forschung zurückgreifen können. Insofern bleibt ihnen zunächst nur, Neues auszuprobieren oder Konzepte aus anderen Themenfeldern wie z.B. Rechtsextremismus zu modifizieren.

Der Aspekt der Deradikalisierung ist in der wissenschaftlichen Literatur ebenfalls unzureichend vertreten.

Die meiste für diese Arbeit gesichtete Literatur zum Salafismus unterschied sich in den Kernaussagen nur wenig. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass das Phänomen, wie schon erwähnt, in Deutschland noch verhältnismäßig neu und unerforscht ist. Allzu konträre Positionen oder gegensätzliche Thesen im Rahmen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung können daher bislang kaum erwartet werden.

Ein aktueller Überblick über die Thematik findet sich insbesondere in den aktuellen Verfassungsschutzberichten des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundesinnenministeriums, in den Sammelbänden von Rauf Ceylan und Benjamin Jokisch (2014), Behnam T. Said und Hazim Fouad (2014), Maruta Herding (2013), Wael El-Gayar und Katrin Strunk (2014) sowie dem Sammelband der Landespolizeischule Rheinland-Pfalz und dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz (2012). Besonders hervorzuheben ist die Arbeit von Rauf Ceylan und Michael Kiefer (2013), die einen exzellenten Überblick sowohl über das Phänomen 'Salafismus' als auch über die diesbezügliche Radikalisierungsprävention gibt.

Zum Verständnis der Probleme und Einstellungen hier lebender Muslime und der daraus möglicherweise resultierenden Radikalisierungstendenzen tragen die Studie 'Muslime in Deutschland' von Katrin Brettfeld und Peter Wetzels (2007) und die 2011 im Auftrag des Bundesministeriums des Innern veröffentlichte Studie 'Lebenswelten junger Muslime in Deutschland' wesentlich bei.

Lebensläufe von Extremisten und Terroristen -u.a. auch aus dem islamistischen Bereich- wurden durch Saskia Lützinger in einer qualitativen Studie im Jahr 2010 dargestellt.

Zu Extremismus allgemein geben Astrid Bötticher und Miroslav Mares (2012) einen fundierten Überblick.

1.4 Aktualität der Thematik und Verortung im gesellschaftlichen Diskurs

Die Aktualität des Themas wird anhand der derzeitigen Berichterstattung über die Syrienproblematik und jüngst über den Anschlag in Paris sowohl in den Print- als auch in den Bildmedien deutlich.

Die Sicherheitsbehörden registrieren stetig wachsende Zahlen von Salafisten, die zur Teilnahme am bewaffneten Jihad nach Syrien oder in den Irak ausreisen.[10] Sowohl die Boulevardpresse als auch die seriösen Medien lassen die Gelegenheit nicht ungenutzt, dies in teilweise reißerischer Form mit dem Ziel der Auflagen- bzw. Quotensteigerung zu thematisieren.

Der momentan stattfindende gesellschaftliche Diskurs beschränkt sich hierbei nicht mehr nur auf die im Gesamtverhältnis zur muslimischen Bevölkerung eher geringe Anzahl von Salafisten[11], sondern stellt nicht selten den Islam in seiner Gesamtheit als prinzipiell unfriedliche und retardierte Religion dar.

Jüngstes Resultat dieser aus Unwissen und Halbwahrheiten gespeisten Debatte sind sowohl die Instrumentalisierung der Thematik durch rechtspopulistische Parteien wie 'AfD' oder 'Pro Deutschland' als auch die durch eine diffuse Islamisierungsangst geleiteten Vereinigungen wie 'Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA)' und ähnliche, regionale Varianten wie z.B. KÖGIDA (Köln), DÜGIDA (Düsseldorf) oder BÄRGIDA (Berlin).

2. Methode

2.1 Methodendarstellung

Die vorliegende Abhandlung ist als teilempirische Arbeit angelegt und besteht aus einem Literaturteil (Kapitel 3-5) und einem qualitativ-empirischen Teil (Kapitel 6-7).

Im Literaturteil wird der derzeitige Stand der Forschung zum Thema Salafismus dargestellt. Bei den verwendeten Quellen wurde der Schwerpunkt auf Veröffentlichungen aus dem deutschsprachigen Raum im Zeitraum von 2009 bis 2014 gelegt.

Wesentlich konträre Standpunkte zur Entstehung von Salafismus und den diesbezüglichen Radikalisierungsmustern wurden in der wissenschaftlichen Literatur nicht gefunden. Dies könnte daran liegen, dass empirische Untersuchungen und die daraus resultierenden Deutungsdiskussionen bislang kaum existieren. Aus diesem Grund muss sich der Literaturteil vorwiegend auf Darstellung des aktuellen Forschungsstandes beschränken. Vorhandene Theorien zu den Ursachen der Radikalisierung sind zwar zum Teil unterschiedlich, erheben jedoch in der Regel keinen wissenschaftlichen Absolutheitsanspruch und widersprechen sich damit nicht im Sinne eines Wissenschaftsstreits um konträre Positionen.

Im empirischen Teil wurden vier Interviews geführt und die Auswahl der interviewten Personen sowie die Begründung dieser Auswahl erläutert.

Die Interviews wurden als semistrukturierte, leitfadengestützte Experteninterviews geführt. Der Expertenbegriff wurde hierbei großzügig ausgelegt: "Als Experten könnte man diejenigen Personen bezeichnen, die in Hinblick auf einen interessierenden Sachverhalt als <Sachverständige> in besonderer Weise kompetent sind."[12]

Im semistrukturierten, leitfadengestützten Interview werden vorher Fragen konzipiert; sie bilden das Gerüst des Interviews. Weitere Fragen, die sich erst im Verlauf des Interviews stellen, sind durchaus zulässig und wünschenswert.[13]

Eine Grundannahme lag der Fragestellung nicht zugrunde, da die aktuell vorliegende wissenschaftliche Literatur zur Salafismusprävention hierfür noch keine ausreichende Grundlage bot.

Am Ende des Forschungsprozesses soll somit entweder die Forschungsfrage beantwortet sein oder die Erkenntnis vorliegen, "dass die Frage anders und neu zu formulieren ist."[14]

2.2 Begründung der Methodenwahl

Im Vorfeld dieser Arbeit war zunächst davon auszugehen, dass die Annäherung an die forschungsleitenden Fragen oder deren Beantwortung nicht allein durch die vorhandene Literatur gewährleistet werden kann.

Der Feldzugang zu radikalisierten Personen oder deren Umfeld dürfte schwierig, vermutlich nahezu unmöglich sein. Zudem wäre zu erwarten gewesen, dass Fragebögen -wenn überhaupt- im Sinne der extremistischen Glaubensauslegung nicht objektiv, sondern als Instrument missionarischen Sendungsbewusstseins missbraucht worden wäre. Deshalb kam eine quantitativ-empirische Arbeit nicht infrage. Ferner konnte davon ausgegangen werden, dass radikalisierte Personen ihre extremistische Weltsicht als Idealzustand ansehen. Insofern dürften sie deshalb nicht bereit sein, an Forschungen teilzunehmen, von denen sie annehmen müssen, dass diese letztendlich zu Gegenmaßnahmen gegen diese Weltsicht führen sollen. Aus diesem Grund schien ein qualitativer Ansatz zielführend.

Während bei quantitativer Forschung subjektive Wahrnehmungen des Forschers als Störfaktor zumeist ausgeschlossen werden sollen, sind sie bei qualitativer Forschung Teil des Forschungsprozesses.[15] Dies ist gerade bei der Interpretation der erhobenen Daten wesentlich, da diese immer im Kontext der eigenen Erfahrungen des Verfassers erfolgt. Somit ist die sowohl bei der Auswahl der Interviewpartner als auch bei der Zusammenstellung der Leitfragen und der Interpretation der Interviewinhalte zwangsläufig vorhandene Subjektivität nicht zwingend ein Nachteil: "Die Unmöglichkeit von Objektivität ist ja nicht ein Mangel, sondern Ausgangspunkt qualitativer Forschung, daher kann es nicht um anzustrebende Objektivität gehen, sondern um einen anzustrebenden angemessenen Umgang mit Subjektivität."[16]

Zudem beruht die qualitative Forschung in erheblich größerem Umfang auf Abbildung einer Momentaufnahme.[17] Somit ist eine qualitative Untersuchung einer solch dynamischen und bislang ungenügend erforschten Problematik besonders zielführend und ist als Grundlage für weitere, dann gegebenenfalls quantitative Methoden förderlich.

Insgesamt soll der qualitative Forschungsprozess nicht zwingend Hypothesen verifizieren oder falsifizieren und Fragen beantworten, sondern neue Fra-gen und Annahmen generieren.

Ferner ist eine qualitative Methode in Bereichen sinnvoll, in denen noch keine hinreichenden Forschungserkenntnisse vorliegen.[18]

3. Salafismus

3.1 Begriffserläuterungen

3.1.1 Islam und Islamismus

Zum Verständnis der Thematik erscheint es sinnvoll, einige zentrale Begriffe vorab zu erläutern. Natürlich lässt es der Rahmen dieser Arbeit nicht zu, den Islam als Weltanschauung und Religion umfassend zu beleuchten; dennoch sind einige Eckpunkte zum Verständnis unabdingbar. Zentrale Kernbotschaft des Islam ist, dass er nicht nur ein religiöser Glaube ist, sondern das Leben eines jeden Gläubigen prinzipiell regelt.[19] Der Koran und die Sunna[20] sind somit nicht nur Quelle religiöser Anleitung, sondern auch unmittelbare Grundlage der Scharia[21]. Das heißt nicht, dass der Islam prinzipiell antidemokratisch ist. Er verordnet keine explizite Staats- oder Regierungsform.[22]

Die Begrifflichkeiten bezüglich der Ausprägungen des radikalen Islam sind nicht immer eindeutig und trennscharf voneinander abzugrenzen. Islamismus ist auch als Oberbegriff anzusehen und in diesem Sinne mehr politische Ideologie als religiöses Phänomen[23], gekennzeichnet durch "eine intolerante Interpretation der islamischen Glaubenslehre"[24]. Somit steht der Islamismus im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Vermutlich lehnt die große Mehrheit der Muslime Gewalt im Namen ihrer Religion ab und verurteilt entsprechende terroristische Handlungen scharf. Allerdings sollte auch nicht verharmlost werden, dass laut der repräsentativen Studie 'Muslime in Deutschland' aus dem Jahr 2007 in der "muslimischen Wohnbevölkerung auf der Einstellungsebene ein relevantes Potential besteht, das sich als Resonanzboden und Rekrutierungsfeld für Radikalisierungen und Extremismen eignen kann"[25].

3.1.2 Radikalisierung

Laut Danny Bürkli steht der Begriff 'Radikalisierung' zum einen für eine radikal-strenggläubige Entwicklung zum religiösen Fundamentalismus, wobei Gewalt jedoch abgelehnt oder zumindest sehr kritisch beurteilt wird. Zum anderen kann Radikalisierung auch in eine Befürwortung des Jihad[26] münden; Gewalt als Mittel der politischen Zielerreichung wird dann als legitim befürwortet, unterstützt oder angewandt.[27]

3.1.3 Salafismus

Der Salafismus ist die radikalste islamistische Glaubensinterpretation. Der Begriff leitet sich aus der Bezeichnung 'Salafiya' (Ausrichtung des strenggläubigen Islam) bzw. 'al Salaf al sahih' (Mohammed und seine rechtgeleiteten Nachfolger) ab. Diese Ausrichtung des Islam strebt eine radikale Rückkehr zur Glaubensausübung im wörtlichen Sinne des Koran an, wie sie von Mohammed und den unmittelbar nachfolgenden Kalifen praktiziert wurde.[28]

Anhänger der 'Salafiya' sind u.a. auch die Vertreter des Wahhabismus[29] in Saudi-Arabien. Salafismus ist insofern kein neues Phänomen; er erfuhr eine Renaissance gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Anhänger der 'Salafiya' leben den Islam streng nach den Vorgaben des Koran und lehnen moderne Auslegungen ab. Aus diesem Grund ist der Begriff der 'Salafiya' für viele Muslime auch positiv belegt, bedeutet dies doch nichts anderes als eine Form der vorbildlichen Glaubensausübung.[30]

Die modernen, seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit ihren Netzwerken unter Verwendung moderner Kommunikationstechnik entstandenen Ausprägungen des Salafismus sind unter dem Begriff 'Neosalafismus' erfasst. Ihre Anhänger werden Neosalafisten genannt, während die Anhänger der historischen 'Salafiya' als 'Salafi' bezeichnet werden.[31]

Im Folgenden werden statt 'Neosalafismus' bzw. 'Neosalafisten' durchgehend die Begriffe 'Salafismus' und 'Salafisten' verwendet, weil diese sich weitgehend auch in der Fachliteratur durchgesetzt haben.

3.2 Absichten, Ausprägungen und Strategien

3.2.1 Zielsetzung

Die allgemeinen Ziele des Salafismus lassen sich kurz und prägnant umreißen. Im Vordergrund steht, die demokratische Verfassung zu beseitigen, einen islamischen Gottesstaat salafistischer Prägung zu installieren[32] und die sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen weltweit so zu gestalten, wie sie zur Zeit des Propheten Muhammed im 7. Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel vorherrschten.[33] Marwan Abou-Taam spricht in diesem Zusammenhang vom "Ziel der totalen Transformation der Gesellschaft".[34]

Weltlich-politische Ziele sind hierbei insbesondere der Sturz jener islamischen Regime, die in den Augen der Salafisten als 'Kuffar'[35] betrachtet werden, die Verdrängung westlicher Besatzungsmächte und westlich orientierten Lebensstils aus islamischen Ländern, die Kontrolle über Bodenschätze (insbesondere Öl), die Befreiung Palästinas sowie die Errichtung eines islamischen Staates.[36]

3.2.2 Ausprägungen

Einige Sicherheitsbehörden, u.a. der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen teilen Salafismus in zwei Richtungen ein (politischer und jihadistischer Salafismus)[37]. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass nur diese beiden Ausprägungen wegen ihres politischen Aktivismus für Sicherheitsbehörden relevant sind. In der Literatur hat sich jedoch eine Einteilung in drei Ausrichtungen durchgesetzt, der auch in dieser Arbeit gefolgt wird.

In der Art und Weise der Zielerreichung gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen salafistischen Ausrichtungen:

Puristischer Salafismus:

Im puristischen Salafismus wird jede Form von politischer Betätigung abge- lehnt; eine Außenorientierung ist in der Regel nicht vorhanden.[38]

Politischer Salafismus:

Politische Salafisten betätigen sich politisch-missionarisch durch Predigten, Vorträge und Öffentlichkeitsarbeit, z.B. Internetseiten und Koranverteilungen. Ihr Ziel ist letztendlich die Installierung eines globalen, salafistischen Gottesstaates. Sie stellen zahlenmäßig den weitaus größten Anteil und werden deshalb auch 'Mainstream-Salafisten' genannt.[39] Sie lehnen Gewalt nicht völlig ab, bejahen sie allerdings lediglich als Mittel der Selbstverteidigung, wenn Muslime angegriffen werden.[40]

Jihadistischer Salafismus:

Jihadisten halten Gewalt als Mittel ihrer Zielerreichung für legitim; die Ausübung von Gewalt gegen Ungläubige ist wesentlicher Bestandteil ihrer Weltanschauung.[41]

Die Grenzen zwischen den verschiedenen Ausprägungen sind fließend und durchlässig. Eine Änderung der Ausrichtung erfolgt im Regelfall eher vom politischen zum jihadistischen Salafismus als umgekehrt.

Eine besondere Ausprägung ist laut Ahmet Cavuldak der sogenannte 'Pop-Islam'. Hier werden Elemente der modernen, an modischen Trends und Styles orientierten Lebensart mit Elementen eines einerseits modernen Lebensstils und einer andererseits sehr strenggläubigen Religionsauslegung gemischt. Es gibt moderne Modelabel, die aber dennoch den strengen Kleidervorschriften insbesondere für weibliche Gläubige Rechnung tragen. Für den 'Star' der Bewegung, den ägyptischen Prediger Amr Khaled, stehen die strengen Kleidervorschriften, die Geschlechtertrennung und die rigide Sittenstrenge nicht zur Diskussion. Auch die Trennung von Staat und Religion lehnt er kategorisch ab.[42]

Der Pop-Islam kann nicht eindeutig dem Salafismus zugerechnet werden; er kann sowohl liberale als auch neosalafistische Züge annehmen. Insofern ist er als Phänomen, auch aufgrund seiner noch relativ kurzen Historie, schwer greifbar. Er kann einerseits das Einfallstor salafistischer Radikalisierung sein, andererseits aber auch der Nachweis, dass ein rigides Islamverständnis nicht zwangsläufig in eine gewaltbejahende Haltung münden muss.[43]

3.2.3 Strategie

Hauptstrategie der salafistischen Prediger, sei es in ihren Islamseminaren, in der 'Street-Da'wa' oder in ihren Internetauftritten, ist in erster Linie das Erzeugen von Angst. Eingehend und detailliert werden die Qualen ausgeschmückt, die die Ungläubigen -und dies sind alle, die nicht dem salafistischen Weltbild folgen- am jüngsten Tag erleiden werden. Den Rechtgläubigen hingegen wird das Paradies versprochen.[44]

Sie bedienen mit ihren Angeboten zudem die Sehnsüchte, die bei jungen Menschen in der Phase der Suche nach einem Lebenssinn häufig auftreten: "Orientierung, Gemeinschaft, Anerkennung, Überlegenheit, Protest gegen Ungerechtigkeit sowie Provokation."[45]

Hinzu kommt, dass Salafisten durch ihre auf jüngere Personen abzielende Internetpräsenz teilweise die Definitionsgewalt über zentrale islamische Begriffe inne haben.[46] Auf diese Weise gelingt es ihnen, dass diejenigen 'Sinnsuchenden', die vom Islam bislang kein oder nur rudimentäres Wissen haben, die auf diesen Internetseiten veröffentlichten Glaubensauslegungen kritiklos übernehmen. Sucht man im Internet nach einzelnen islamischen Begriffen, wird man im Regelfall eher auf eine salafistische Webseite stoßen als auf eine gemäßigt islamische.[47]

Das Internet ist zudem ein wichtiges Medium, um zu Gewalttaten aufzurufen. Auch wenn diese Aufrufe und die im Internet veröffentlichen Drohvideos in Deutschland bislang ohne wesentliche Folgen bezüglich tatsächlich durchgeführter Terroranschläge geblieben sind, so dürfte doch der gewaltverherrlichende Aspekt keinesfalls zu unterschätzen sein. Die einschlägigen Seiten verbreiten "ihre Botschaften anhand einer jugendgerechten Sprache, mit aufwühlenden Bildern, einpeitschenden Reden und häufig unterlegt mit Maschinengewehrsalven."[48]

Ein Beispiel für einen solchen Text ist der auf einer salafistischen Webseite veröffentlichte Text eines Abu Assad Al-Almani, in dem er zu Gewalttaten u.a. gegen jeden aufruft, der das Zeigen von Karikaturen des Propheten Muhammed unterstützt oder gutheißt. Der Text wurde von der Internetplattform 'Globale Islamische Medien Front' (GIMF) verbreitet, einer der radikalsten Plattformen des jihadistischen Salafismus. In dem Text heißt es u.a.:

"Und wir sind der Ansicht, dass wenn Allāh euch diese Feinde in eure Hände fallen lässt, ihr ihnen die Köpfe von ihren Körpern trennt, dies filmt, und der Öffentlichkeit zugänglich macht, so dass ganz Deutschland, ja sogar ganz Europa weiß, dass ihre verbrecherischen Spielchen durch die Schwerter des Islāms durchkreuzt werden."[49]

3.3 Ideologische Merkmale

Politischer Salafismus und jihadistischer Salafismus sind nicht immer trennscharf voneinander zu unterscheiden. "Die Grenzen zwischen dem salafistischen Mainstream und den jihadistischen Gruppen sind fließend, wie überhaupt die gesamte salafistische Szene sich als stark ausdifferenziertes, in stetigem Wandel befindliches Kräftefeld darstellt."[50]

Grundsätzlich sehen sich Salafisten als einzig gläubige Vertreter des wahren Islam. Andere Muslime, mögen sie einen moderaten Islam praktizieren oder auch eine strenggläubige Form, die aber nicht vollkommen konform mit der Praxis der Salafisten ist, werden mitunter als Ungläubige betrachtet. Zwischen ihnen und Vertretern anderer Religionen oder Atheisten wird nicht mehr unterschieden; als ungläubig gelten alle.[51]

Demokratie gilt als Götze, gesetzgebender Souverän kann nur Gott sein, nicht aber das Volk. Insofern wird davon ausgegangen, dass sämtliche individuellen, kollektiven und universellen Probleme gelöst sind, wenn sich alle Menschen streng an Sunna[52] und Koran halten würden.[53]

In der salafistischen Weltdeutung gilt jedwede Form der individuellen geistigen und schöpferischen Freiheit als Teufelswerk und ist somit gotteslästerlich. Gleiches gilt für Handlungen, die der Zerstreuung und Unterhaltung dienen. Philosophie, aber auch jegliche künstlerische Ausdrucksform, sei es Musik, Literatur oder darstellende Kunst, ist verboten.[54]

Salafisten sehen ihre Einstellung und die daraus folgende Handlungsweise u.a. aus Gründen der festgefügten, religiösen Überzeugung als legitim an. Darüber hinaus gilt wohl für einen Großteil der Personen mit terroristischem Hintergrund und mit Einschränkungen auch für 'nur' radikalisierte Personen: "Da sie sich im Sinne der Gruppennorm konform verhalten, werden Handlungen, die nach dem in der Gesamtgesellschaft geltenden Recht kriminell sind, für sie zu keinem Gewissensproblem."[55]

Für die jihadistischen Salafisten gilt es als höchste religiöse Pflichterfüllung, als Märtyrer im Kampf gegen die Ungläubigen zu sterben. Bei ihnen ist die in allen Ausprägungen der Salafisten vorhandene Jenseitsorientierung am stärksten vorhanden. Sie glauben fest an ihren paradiesischen Lohn, wenn sie im Namen ihres Glaubens ihr Leben opfern. Hierzu bedienen sie sich nicht selten meditativer Sprechgesänge (Nasheeds). Nasheeds sind die einzige Musikform, die Salafisten für erlaubt halten, da sie der religiösen Erbauung und nicht der Unterhaltung dienen.[56]

Sehr eindrücklich belegt das der folgende, dem Verfassungsschutzbericht 2014 des Landes Nordrhein-Westfalen entnommene Textauszug des in Syrien kämpfenden ehemaligen 'Gangsta-Rappers' Denis Cuspert, der dem YouTube-Video "Al-Jannah al-Jannah" entnommen wurde:

"Ich wünsch mir den Tod und kann ihn nicht erwarten, bewaffnet mit Bomben und Granaten.

Ich stürme in das Gebäude rein, drück auf den Knopf, al-Jannah al-Jannah

[arabisch: das Paradies, das Paradies] […]

Ich steige in meinen Laster ein, drück auf den Knopf, al-jannah al-jannah.

In die Kaserne der Kreuzzügler, drück auf den Knopf, al-jannah al-jannah. […]

Ich zünd' den Knopf inmitten der Menge, drück auf den Knopf, al-jannah al-jannah. Mitten im Zentrum oder in der U-Bahn, drück auf den Knopf, al-jannah al-jannah." [57]

Nasheeds dieser Art genießen bei den Angehörigen der Szene einen hohen Kultstatus und können erheblich zur Radikalisierung beitragen. Als Beispiel hierfür sei Arid Uka genannt, der am 02.03.2011 in Frankfurt zwei US-Soldaten erschoss und zwei weitere verletzte. Vor der Tat stachelte er sich selbst u.a. durch das Hören solcher Nasheeds auf.[58]

Angesichts solcher Nasheeds und der dort gepriesenen radikalen religiösen Ideologie wird besonders deutlich, was Sigmund Freud zur Religion allgemein geäußert hat: "Ihre Technik besteht darin, den Wert des Lebens herabzudrücken und das Bild der realen Welt wahnhaft zu entstellen, was die Einschüchterung der Intelligenz zur Voraussetzung hat."[59]

3.4 Organisatorische Merkmale

Anhänger des Salafismus haben in der Regel keine überschaubaren Organisationsstrukturen und sind eher informell miteinander verbunden. Sie besuchen zumeist kleinere Hinterhofmoscheen und schotten sich gegenüber Personen aus nicht salafistischen Milieus ab. Muslime, die neu in eine salafistische Bezugsgruppe kommen, begrenzen ihre Kontakte mit zunehmender Zugehörigkeitsdauer auf Personen innerhalb der Szene.[60]

Spielte bzw. spielt sich das religiöse Leben der ersten und zweiten Zuwanderergeneration noch im Umfeld der größeren Moscheevereine und Religionsverbände ab, so ist die soziale und religiöse Kommunikation junger Muslime heute wesentlich vielfältiger. Insbesondere in der salafistischen Szene findet Interaktion heute vielfach mittels mobiler Kommunikationsmittel statt. Die Beschränkung auf den eigenen räumlichen Bereich ist damit aufgehoben. Kontakte können somit nicht nur überregional, sondern auch international aufgebaut werden.[61]

3.5 Gegenwärtige Situation

Die Zunahme salafistischer Tendenzen in Deutschland erfolgte später als in anderen europäischen Ländern. Anfang des Jahrtausends etablierten sich die ersten salafistischen Prediger in überregionalen Islamseminaren und vor allen Dingen durch ihre Internetpräsenz. Sowohl ihr Vortragsstil als auch die Gestaltung ihrer Internetauftritte sprachen insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene an. Als eines der vielen Beispiele sei der Konvertit Pierre Vogel genannt, der bei vielen Anhängern geradezu wie ein Popstar verehrt wird. Die Zahl der Anhänger der salafistischen Szene stieg insbesondere unter dem Einfluss dieser Prediger im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends langsam, aber stetig.[62]

Auch wenn die Anzahl der Salafisten, gemessen an der Gesamtzahl der Muslime in Nordrhein-Westfalen, nur ca. 0,1 % beträgt[63], stellen sie durch ihre Radikalität doch ein erhebliches Sicherheitsproblem dar. Nahezu alle geplanten terroristischen Anschlagsversuche gingen von Personen oder Gruppen der salafistischen Szene aus. Die zahlreichen, aus Deutschland in Kampfgebiete in Syrien und im Irak ausgereisten Jihadisten, die sich dort dem 'Islamischen Staat' (IS) angeschlossen haben, können im Falle ihrer Rückkehr ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen.[64]

Zumindest mittelfristig scheint es keine Anzeichen zu geben, dass sich diese Situation grundlegend ändert.

Einschränkend ist jedoch festzustellen, dass nicht von jedem Rückkehrer grundsätzlich eine Gefahr ausgehen muss. Behnam T. Said teilt die Rückkehrer in zwei Kategorien ein. Die erste Kategorie ist traumatisiert und/oder ernüchtert und enttäuscht. Traumatisiert können diese Rückkehrer durch die dort gesehenen Gewalttaten oder Gewaltexzesse sein. Ernüchtert sind sie möglicherweise, weil unter Umständen der Gedanke an humanitäre Hilfe für die im Bürgerkriegsgebiet lebenden Muslime der Grund ihrer Ausreise war und sie vor Ort zur Teilnahme am Kampf genötigt wurden. Bei diesem Personenkreis geht es nicht nur um eine eventuelle Strafverfolgung, sondern vorrangig um Unterstützung zur Verarbeitung ihrer Erlebnisse sowie um Wiedereingliederung und Deradikalisierung.

Die zweite Kategorie sind jene Personen, die durch die im Bürgerkrieg gemachten Gewalterfahrungen sowohl verroht und noch weiter radikalisiert als auch kampferfahren und militärisch ausgebildet sind. Bei diesen Personen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie potenziell höchst gefährlich sein können.[65]

Problematisch könnte es in diesem Zusammenhang sein, die Personen der ersten Kategorie von denen der zweiten Kategorie zu unterscheiden. Denkbar ist hier, dass Personen der zweiten Kategorie Traumatisierung und Desillusionierung vorgeben, um Hilfen (auch finanzieller Art) z.B. durch Aussteigerprogramme in Anspruch zu nehmen. Weitere Vorteile für solche Personen wären möglicherweise geringere Strafen (falls überhaupt Straftaten nachgewiesen werden können) und vor allem auch, eventuell von den Sicherheitsbehörden weitgehend unbehelligt zu bleiben.

3.6 Ursachen der Radikalisierung

Eindeutige Erklärungsmuster für salafistische Radikalisierung scheint es nicht zu geben. Soziale, bildungsdefizitäre oder wirtschaftliche Erklärungsmuster vernachlässigen die Tatsache, dass sich auch Personen radikalisieren, auf die dies nicht zutrifft. Kulturelle oder religiöse Ausgrenzungserfahrungen erklären nicht die wachsende Anzahl radikaler Konvertiten.[66]

Deshalb ist festzustellen, dass die bisherigen wissenschaftlichen Erklärungsansätze für sich gesehen nicht allgemeingültig und zum Teil widersprüchlich sind. Generell lässt sich aus diesem Grund zu den Ursachen für Radikalisierung feststellen, dass hierfür ein äußerst komplexes Bündel an Auslösern infrage kommen kann.

Die bislang meist im europäischen Ausland durchgeführten Studien kommen mehrheitlich zum Resultat, dass es kein einheitliches Profil radikalislamischer Extremisten gibt.[67]

Die in der öffentlichen Debatte gerne plakativ vorgebrachten Begründungen wie mangelnde Bildung und daraus resultierende Perspektivlosigkeit, fehlender Integrationswille oder mangelnde religiöse Offenheit mögen zwar eine Rolle spielen und für den einen oder anderen radikalislamischen Extremisten zutreffen. Letztendlich sind aber auch diese Ursachen nur kleine Puzzlestücke im komplexen Gesamtpanorama möglicher Radikalisierungsursachen. Auch die im Jahre 2009 veröffentlichte Studie "Muslimisches Leben in Deutschland (MLD)" scheint zu belegen, dass diese Aspekte nicht hauptursächlich für islamistische Radikalisierung sein können. So sind signifikante Unterschiede im Bildungsniveau zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zwar festzustellen; sie sind jedoch nicht ausreichend, dass sich darauf Rückschlüsse auf gesteigerte Anfälligkeit für islamistische Einstellungen ziehen lassen würden. Hinzu kommt, dass innerhalb der muslimischen Bevölkerung das Bildungsniveau der alevitischen Muslime erheblich niedriger ist als das anderer muslimischer Glaubensrichtungen.[68]

Aleviten scheinen jedoch nur einen verschwindend geringen Anteil innerhalb der salafistischen Szene zu stellen. Das lässt sich zumindest daraus folgern, dass sie in der einschlägigen Literatur nicht im Zusammenhang mit Salafismus genannt werden.

Bezüglich des oft postulierten fehlenden Integrationswillens weist die MLD-Studie nach, dass immerhin 69 % der hier lebenden Muslime gerne mehr Kontakt zu Deutschen hätten.[69] Gegen eine fehlende Integration spricht auch, dass nur 22,6 % der hier lebenden Muslime angeben, sich stärker mit ihrem Herkunftsland verbunden zu fühlen. Bei 36 % ist die Verbundenheit mit dem Herkunftsland und Deutschland gleich groß; bei 41,3 % ist die Verbundenheit zu Deutschland stärker als zum Herkunftsland.[70] Zur religiösen Offenheit lässt sich feststellen, dass ca. 82 % (66 %) der Muslime mit einer interreligiösen Hochzeit ihres Sohnes (Tochter) einverstanden wären.[71]

Die Studie "Jugendliche als Opfer und Täter von Gewalt" des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) aus dem Jahr 2007/2008 zeigte jedoch, dass ein besonders intensiv gelebter muslimischer Glaube nachteilig für die Integrationsbereitschaft oder -fähigkeit ist. Bei türkischen Jugendlichen wurde festgestellt, dass sie umso schlechter in die Gesellschaft eingegliedert sind, je religiöser sie sind. Hierzu bietet der Leiter des KFN, Christian Pfeiffer, zwei mögliche Erklärungsmuster an: Entweder haben diese strenggläubigen muslimischen Jugendlichen nicht die Bereitschaft zur Integration, weil ihnen die westliche Kultur und Lebensweise nicht erstrebenswert erscheint, oder umgekehrt wird ihnen die Integration verweigert, weil ihre strenggläubige Lebensführung aus westlicher Sicht fremd und suspekt erscheint.[72] Ein weiteres bezeichnendes Ergebnis der Studie war, dass die Befürwortung von Gewalt billigenden Männlichkeitsnormen zunimmt, je religiöser die befragten muslimischen Jugendlichen waren. In allen anderen Glaubensrichtungen war das Gegenteil der Fall; die Gewaltakzeptanz nahm ab, je religiöser die befragten Personen waren.[73] Auch dieser Umstand dürfte einer der vielfältigen Gründe für die Übernahme gewaltbejahender, salafistischer Einstellungen sein.

Dem scheint zunächst die Einschätzung von Claudia Dantschke entgegen- zustehen. Nach ihrer Bewertung sind radikalisierte Jugendliche "im religiös-theologischen Sinne Analphabeten"[74]. Sie haben keine bewusste Einbindung in ihre Religion erfahren, die eine eigene kritische Reflexion mit dem Islam ermöglicht hätte.[75]

Bei genauerer Betrachtung ist dies jedoch nicht unbedingt ein Widerspruch. Der Grad der Religiosität in der Studie des KFN wird nach den eigenen Angaben der Befragten bestimmt. Dass sie angeben, gläubig zu sein, muss nicht zwingend heißen, dass sie über eine reflektierte Kenntnis ihrer Religion verfügen bzw. durch ihre Eltern oder die jeweilige Gemeinde religiös unterwiesen wurden.

Ein weiterer Aspekt der Radikalisierung kann die Bildungs- bzw. Schichtzugehörigkeit sein. Zumindest die jüngeren Salafisten mit Migrationshintergrund sind zum größten Teil in der unteren sozialen Mittelschicht oder Unterschicht zu verorten.[76]

Bei der qualitativ-empirischen Studie "Die Sicht der Anderen" über Lebensläufe von Terroristen bzw. Extremisten (allerdings nicht nur islamistisch, sondern auch rechtsradikal und linksradikal motiviert) wurde festgestellt, dass im überwiegenden Teil dieser Biographien vielfältige problematische Lebensumstände eine Rolle spielten: "Schon früh waren die Befragten mit zahlreichen Entwicklungsbelastungen (z.B. Wechsel von Bezugspersonen, Verlust eines Familienangehörigen) konfrontiert, denen mangels geeigneter Bewältigungsstrategien in den Familien nicht adäquat begegnet werden konnte."[77]

Fast alle ausgewerteten Lebensläufe wiesen unregelmäßige Bildungskarrieren auf. In keinem Fall wurde eine intakte Herkunftsfamilie festgestellt; familiäre Gewalt- und Ohnmachtserfahrungen wurden in fast allen Fällen berichtet.[78] Der unmittelbare Szeneeinstieg vollzog sich regelmäßig über Gleichaltrige und folgte in den meisten Fällen auf einen bedeutsamen Biographie-bruch, sei es ein unerwarteter Umzug ins Ausland oder der Verlust eines Elternteiles.[79] Allerdings wurde auch festgestellt, dass kein singulärer Vorfall originär zum Szeneeinstieg geführt hat.[80] Daraus kann gefolgert werden, dass ein bedeutender biographischer Bruch in der Regel zwar der Auslöser für Radikalisierung ist, aber am Ende einer Kette von belastenden Lebensfaktoren steht.

Bei Personen mit muslimischem Migrationshintergrund kann die Zerrissenheit zwischen zwei Welten eine große Rolle spielen: "Radikalisierung ist eine mögliche, die extreme Antwort auf das psychische Dilemma, das das Leben in der Diasporasituation aufwirft, eine Antwort also auf das Problem einer gespaltenen Identität und das der fehlenden Anerkennung durch die Gastgesellschaft."[81]

Laut Mouhanad Khorchide werden die Erwartungen, die in Deutschland geborene und aufgewachsene junge Muslime an die westliche Gesellschaft haben, nämlich hier gleichberechtigt und heimisch sein zu können, oftmals nicht erfüllt. Als Reaktion betonen Sie ihre kulturelle Verschiedenheit durch Hervorhebung der Gegensätze und Bagatellisierung der Übereinstimmungen mit der Lebensweise der Aufnahmegesellschaft. Die Gebote des Koran, die westlichen Prinzipien entsprechen, wie z.B. Respekt gegenüber anderen Menschen unabhängig von deren Glauben, werden abgelehnt; überbetont werden jene Bestandteile des Koran, die den Unterschied zur westlichen Kultur prägen.[82]

Oft spielen in Radikalisierungsprozessen die Mechanismen der Gruppendynamik eine bedeutende Rolle. Besonders radikalislamische Gruppen fühlen sich unterdrückt und sehen sich gleichzeitig allen, die außerhalb dieses Gefüges stehen, moralisch überlegen. Damit legitimieren sie die Gewaltausübung gegen alles Gruppenfremde, das als Kufr [83] angesehen wird. Die ablehnende Haltung, die der Staat und die Öffentlichkeit ihnen entgegenbringen, wird als Erfolg gewertet.[84]

Insbesondere für junge Menschen, die sich aus ethnischen, kulturellen, sozialen oder religiösen Gründen ausgegrenzt und diskriminiert fühlen, ist der Gedanke der Umma[85], der weltumspannenden Gemeinschaft der Muslime unabhängig von Herkunft oder sozialem Status, äußerst anziehend. Das Gefühl der dort entgegengebrachten Wertschätzung und der Bedeutung jedes einzelnen Mitgliedes trägt hierbei stark zur Steigerung des Selbstwertgefühls bei.[86] Daraus kann gefolgert werden, dass für die radikalisierten Personen mit ihrer rigiden Glaubensauslegung die Ablehnung aller Ungläubigen innerhalb des eigenen, sozialen Systems ein verbindendes Element darstellt.

Edwin Bakker stellte in der von 2001 bis 2009 durchgeführten Studie "Characteristics of Jihadi terrorists in Europe" fest, dass Radikalisierungsverläufe oftmals in längerfristig existierenden Gruppengefügen (z.B. allgemein-kriminelle Jugendgangs) entstehen, die vorher nicht mit radikalislamischen Einstellungen in Zusammenhang standen.[87]

Daraus könnte folgen, dass Radikalisierung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Teil eines dynamischen Gruppenprozesses sein kann, der seinen Ursprung nicht zwingend in religiösen Strukturen haben muss.

Gefährliche Anschauungen entstehen und entwickeln sich umso leichter, je geschlossener die Gruppe ist. Die (Gesinnungs-)Kontrolle und Isolation der Gruppenmitglieder wird hierdurch einfacher, und mit dem Nachlassen der Außenbindungen wird die Gruppe gefestigt.[88] Gerade in persönlichen Identitätskrisen, die häufig Kennzeichen der Jugend und des Erwachsenwerdens sind, ist die Bestätigung durch eine solche Gruppe mit ihren starren, einfachen Regeln und Deutungsweisen, wie sie die salafistische Ausrichtung des Islams vorgibt, durchaus reizvoll: "Für einen Menschen ohne eigene Identität ist nichts wichtiger als eine ständige Bestätigung, daß (sic) er oder sie ein <<guter Kerl>> ist."[89]

Nach Rauf Ceylan und Michael Kiefer nutzen salafistische Missionare nicht selten den Umstand aus, dass junge Menschen, seien es Muslime oder nicht, orientierungslos und sinnsuchend sind. Hier werden eindeutige und klare Antworten auf komplizierte Fragen gegeben; strikte Vorgaben bringen Struktur in das komplexe, moderne Leben in einer Leistungsgesellschaft, die gerade junge Menschen mit ihren Ansprüchen überfordern kann. In der einfachen, salafistischen Weltsicht gibt es keine Zwischentöne und Entscheidungen, sondern ein eindeutiges, dualistisches Weltbild: Handlungen sind entweder halal (erlaubt) oder haram (verboten). Dazu wird das Gefühl vermittelt, Vordenker und Vorkämpfer einer gottgewollten Ordnung zu sein und Teil einer Gemeinschaft, in der jeder gleichviel zählt. Dies sind durchaus Angebote, mit denen herkömmliche Bezugsrahmen wie Familien, Institutionen oder moderate muslimische Glaubensgemeinschaften nicht konkurrieren können.[90]

Als Besonderheit ist auch die Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten zu nennen; diese sind laut Peter Neumann Brutstätten der Radikalisierung, die in besonders hohem Masse Identitätssuchende und Rebellen hervorbringen.[91] Allgemeinkriminelle junge Menschen, die dort eine Haftstrafe verbüßen, könnten aufgrund ihrer möglichen, der Haftsituation geschuldeten emotionalen und psychischen Labilität besonders anfällig für radikale Salafisten sein, die entweder selbst dort inhaftiert sind oder als Seelsorger muslimische Gefangene besuchen.

Vielfach wird Salafismus auch als Teil einer aktuellen Jugendsubkultur gesehen, die -wie viele subkulturelle Bewegungen- letztendlich als Auflehnung gegen die etablierte bürgerliche Lebenswirklichkeit gesehen werden kann.[92] Konnte man Autoritäten vor 45 Jahren mit dem Bekenntnis zur außerparlamentarischen Linken oder vor 35 Jahren mit der Unterstützung des linksökologischen Pazifismus oder der Punkbewegung schockieren und provozieren, so funktioniert dies heute möglicherweise am besten mit dem Bekenntnis zum radikalen Islam.

Dies ist eng verknüpft mit dem erheblichen medialen Interesse, das der Salafismus derzeit augenscheinlich weckt. Ob nach Syrien ausgereiste Jihadisten oder die Auftritte der sogenannten 'Scharia-Polizei': Radikaler Islam ist medienwirksam und Dauerthema in Talkrunden, politischen Dokumentationen und den Druckmedien. Dies könnte ein zusätzlicher Anreiz für Personen sein, denen es nicht nur um den Salafismus als Glaubensauslegung, sondern auch um Provokation der Mehrheitsgesellschaft geht.

Peter Neumann hat in einem Vortrag bei der BKA-Herbsttagung 2010 dargelegt, dass es international eine Vielzahl von Radikalisierungsmodellen gibt, die oftmals zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Neumann stellte jedoch vier Elemente heraus, die die meisten Modelle verbindet:

- Unmut (Grievance): empfundene oder tatsächlich vorhandene Unzufriedenheit
- Ideologie (Ideology): einfache Erklärungsmuster machen aus Unzufriedenheit Sinn, z.B. die vermeintliche Unterdrückung der Muslime durch den Westen und die daraus resultierende Pflicht zum Jihad
- Mobilisierung (Mobilisation): Radikalisierung findet zumeist als gruppendynamischer Prozess unter einem charismatischen Führer statt
- Wendepunkt (Tipping Point): Auslöser für Radikalisierung ist oft ein traumatisches Erlebnis; dies kann persönlicher oder politischer Natur sein.[93]

Alle hier dargelegten Thesen und Erklärungsmodelle scheinen zum Teil zueinander in Konkurrenz zu stehen. Insbesondere bezüglich der möglichen Ursache des mangelnden Bildungsstandes lassen sich durchaus Unterschiede erkennen. Kamal El Guennouni, Saliha Kubilay und Jo Reichertz (siehe S. 22) sowie Sonja Haug, Stephanie Müssig und Anja Stichs (siehe S. 23) sehen dies zumindest kritisch, während Saskia Lützinger (siehe S. 25) feststellt, dass ein bildungsdefizitärer Hintergrund überproportional in Biographien radikalisierter Personen erkennbar ist. Von konträren Positionen kann allerdings kaum gesprochen werden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Urheber dieser Einschätzungen einen wissenschaftlichen Absolutheitsanspruch postulieren würden. Dies konnte jedoch nicht festgestellt werden; vielmehr machten die meisten Autoren deutlich, dass ihre Erklärungsansätze Ursachen aufzeigen können, aber nicht müssen, und dass auch andere mögliche Erklärungsansätze infrage kommen. Zudem wurden in der Literatur keine Erklärungsmuster gefunden, die andere ausschließen würden.

So ist auch die Globalisierung, wie Samuel P. Huntington annimmt, eine mögliche Ursache für Radikalisierung: "Was bei der Bewältigung einer Identitätskrise für die Menschen zählt, sind Blut und Überzeugung, Glaube und Familie. Menschen gesellen sich zu anderen, die dieselbe Herkunft, Religion und Sprache, dieselben Werte und Institutionen haben, und distanzieren sich von denen, die das nicht haben."[94] Auch dies widerspricht in keinster Weise anderen, hier vorgestellten Erklärungen.

Die Gesamtheit der möglichen Ursachen zu benennen, würde bei weitem den Umfang dieser Arbeit sprengen. Denn, wie schon dargelegt: Oft dürfte es ein Konglomerat von Gründen sein, die ihren Ursprung in persönlichen (Lebenskrisen, Identitätskrisen, familiäre Situation), sozialen (Isolation, mangelnde Kontakte, Diskriminierung) oder politischen (fehlende Integration, Perspektivlosigkeit, mangelnde Bildung) Wurzeln haben kann.[95] Bei dem einen kann es vielleicht ein einzelner Auslöser, bei dem anderen eine Kombination von mehreren der dargelegten Faktoren und bei einem dritten vielleicht Gründe, die bislang in der Literatur noch überhaupt keine Berücksichtigung fanden.

Weiterhin ist ein Umstand zu berücksichtigen, der auch generell für delinquentes Verhalten gelten dürfte: Sämtliche Theorien zu möglichen Ursachen erklären nicht, warum bei analogen Faktoren eine Person delinquent oder radikal wird, eine andere jedoch nicht. Angesichts dieser Tatsache ist möglicherweise der von Peter Neumann formulierte Gedanke des 'Tipping Point' ein wesentlicher Gesichtspunkt in der Ursachensuche: Es scheint eine individuell verschiedene Grenze zu geben, jenseits der ein bestimmter Auslöser zu Radikalisierung oder Delinquenz führt. Dies macht sowohl das Erkennen des jeweiligen Zeitpunktes innerhalb einer biographischen Entwicklung als auch die Präventionsarbeit ungemein schwierig.

3.7 Radikalisierungsmerkmale

Die Grenzen zwischen einer sehr strengen Auslegung des Islam und der entsprechenden Lebensweise und einem im Rahmen der demokratischen und pluralistischen Werteordnung nicht mehr tolerierbaren radikalen Islamismus scheinen äußerst durchlässig zu sein. Nicht selten ist es schwierig, einen Radikalisierungsprozess als solchen zu erkennen. Dies trifft nicht nur für Präventionsexperten und diesbezüglich erfahrene Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden zu. Noch wesentlich schwieriger ist eine solche Früherkennung für Personen, die sich nicht oder noch nicht mit der Thematik auseinandergesetzt haben: Lehrer, Freunde, Bekannte und Verwandte oder andere Personen, die mit dem Radikalisierten in regelmäßigem Kontakt stehen.

Sämtliche möglichen Radikalisierungsmerkmale an dieser Stelle aufzuführen, würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Exemplarisch sollen deshalb einige wesentliche Anzeichen aufgeführt werden; hierbei handelt es sich laut dem Verfassungsschutz Niedersachsen um häufige, jedoch nicht zwangsläufige Veränderungen:

- kritische Äußerungen zum Islam werden als persönliche Angriffe gewertet
- eine Person oder eine Gruppe kapselt sich von bisherigen Kontakten ab und fühlt sich von der 'Außenwelt' bedroht, verfolgt oder feindselig behandelt; die Abgrenzung vom bisherigen sozialen Umfeld und der Familie endet häufig im völligen Bruch
- alles 'Westliche' wird zunehmend abgelehnt
- die eigene Religionsausübung bzw. –auslegung wird immer strenger
- es wird ständig über muslimische Themen, insbesondere die angebliche Unterdrückung der Muslime in ihren Kernländern und die Präsenz westlicher Mächte in muslimischen Ländern, diskutiert
- der bewaffnete Jihad wird als gerechtfertigt bezeichnet
- Missionierungsversuche; Forderung gegen jedermann, streng nach salafistischen Regeln zu leben; bei Nichtbefolgung wird das Höllenfeuer angedroht
- auch moderate Muslime oder Muslime anderer Glaubensauslegung (Z.B. Schiiten oder Aleviten) werden als ungläubig bezeichnet
- Teilnahme an Islamseminaren mit radikalen Predigern
- äußere Veränderungen: Kleidung, Barttracht
- bei bislang kriminellen Personen oder BTM-Konsumenten: Ab dem Zeitpunkt der Hinwendung zum strengen Glauben endet sowohl die Delinquenz als auch der BTM-Konsum; bei fortschreitender Radikalisierung sind Straftaten mit politisch motiviertem Hintergrund möglich
- regelmäßiger Kontakt zu anderen radikalen Personen, Gruppen oder Moscheen
- exzessives Internetverhalten, ständige Präsenz auf salafistischen Websites, Konsum von Vorträgen salafistischer Prediger
- vermehrte Reisen in islamische Länder, insbesondere zum Zwecke des Besuches von Sprach- oder Koranschulen[96]

Die oben genannten, klassischen Radikalisierungsmerkmale treffen zwar nach wie vor häufig zu. Oft ist dies aber auch nicht erkennbar, "da Radikalisierung zunehmend im privaten Raum vor dem eigenen PC stattfindet. Der Anschluss an eine Gruppe oder ein islamistisches Netzwerk ist nicht mehr zwingend erforderlich."[97]

Da in diesem Fall Gruppennormen, Gruppenzwänge und gruppendynamische Prozesse vermutlich entfallen, dürften sowohl äußere als auch charakterliche Veränderungen nicht unbedingt erkennbar sein. Dies mag daran liegen, dass nur innerhalb einer Gruppe das Verhalten der schon etablierten Gruppenmitglieder oder des charismatischen Führers als Vorbild dienen und nachgeahmt werden kann. Diese modellhafte Verhaltensweise wird dann möglicherweise erst mit zeitlicher Verzögerung auch auf das Leben außerhalb der radikalisierten Bezugsgruppe übertragen.

Eckert führt dazu aus, dass in einem solchen Fall "die Radikalisierung als Überidentifikation mit einer geglaubten Gemeinschaft auch ohne unmittelbare soziale Kontakte vor sich gehen kann."[98]

Insgesamt ist festzustellen, dass der Radikalisierungsprozess und die damit verbundenen Merkmale durchaus heterogen sein können. Eine Vielzahl der Merkmale trifft auf eine Mehrheit der radikalisierten Personen zu und können als sichere Anzeichen für den Radikalisierungsprozess gewertet werden. Es kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass eine Person, auf die nur wenige oder gar keines dieser Merkmale zutreffen, nicht radikal wäre. Die Radikalisierung kann sich auch aus verschiedenen Gründen (extreme Introvertiertheit, Tarnung, aber auch hohes Tempo des Radikalisierungsprozesses) durchaus nahezu unbemerkt vollziehen.

Auch bezüglich der Radikalisierungsmerkmale sind, wie schon bei den Radikalisierungsursachen, in der ausgewerteten Literatur keine kontroversen Positionen erkennbar.

3.8 Radikalisierungshintergründe ausgereister Jihadisten

Nachfolgend werden einige Analyseergebnisse dargestellt, die die deutschen Sicherheitsbehörden zu Radikalisierungshintergründen von 378 Personen erhoben haben, die aus religiösen Gründen (die Teilnahme am Jihad ist hinreichend wahrscheinlich, kann in vielen Fällen aber nicht sicher beurteilt werden) nach Syrien ausgereist sind. Einschränkend muss allerdings festgestellt werden, dass nicht bekannt ist, ob und nach welchen wissenschaftlichen Kriterien die Daten erhoben wurden und wie aussagekräftig sie sind. Zur Feststellung einer Tendenz und als Basis für weitere Untersuchungen dürften sie jedoch geeignet sein:

- 89% der Personen sind männlich, 11% weiblich
- 88% der Personen lebten in urbanen Strukturen
- 125 Personen waren zum Zeitpunkt der Ausreise zwischen 21 und 25 Jahre alt, 64 Personen zwischen 26 und 30 Jahre, 56 Personen zwischen 15 und 20 Jahre, 37 Personen zwischen 31 und 35 Jahre. 96 Personen waren älter als 35 Jahre. Somit ist die am meisten relevante Gruppe zwischen 21 und 25 Jahre alt
- 61% aller ausgereisten Personen wurden in Deutschland geboren; die ausschließlich deutsche Staatsangehörigkeit besitzen 37% aller Ausgereisten
- ca. ein Viertel der Personen besuchte unmittelbar vor der Ausreise eine Schule; ein Drittel der Gesamtzahl verfügt über einen Schulabschluss
- 43 Ausgereiste (11%) haben eine Hochschule besucht; acht Personen (2%) ein Studium abgeschlossen
- nur von 12% der Personen ist eine vorherige Berufstätigkeit bekannt; diese war überwiegend gering qualifiziert
- 249 Personen sind strafrechtlich in Erscheinung getreten, davon 117 vor der Radikalisierung, nachher 161 (hierbei überwiegend politisch motivierte Straftaten)
- von 54 Personen (14%) ist bekannt, dass sie Konvertiten sind
- 319 Personen (84%) sind dem Salafismus zuzuordnen, zu 56 Personen ist der Hintergrund nicht bekannt. Nur von vier Personen ist bekannt, dass sie nicht dem salafistischen Spektrum angehörten
- für den Beginn der Radikalisierung werden bei 114 Personen (30%) persönliche Freunde als ausschlaggebend erachtet, bei 67 Personen (18%) das Internet. Für 64 Personen (17%) spielte die Koranverteilungsaktion 'Lies!' eine wesentliche Rolle, für 55 Personen (15%) der Besuch von salafistischen Islamseminaren
- nur bei 145 Personen (38%) war die Radikalisierung auch durch äußerliche Merkmale (Kleidung, Bart) festzustellen; Verhaltensänderungen waren bei 114 Ausgereisten (30%) zu erkennen.
- der Radikalisierungsprozess vom Beginn bis zur Ausreise dauerte bei 273 Personen (73%) länger als vier Jahre
- festgestellt wurde der Radikalisierungsprozess in den meisten Fällen durch den Verfassungsschutz (bei 108 Personen, 29%) und die Polizei (bei 103 Personen, 27%). Danach folgen Eltern (bei 85 Personen, 23%), Freunde (bei 52 Personen, 14%) und in Moscheen (bei 25 Personen, 7 %). Von anderen Personen, z.B. Lehrern oder Sozialarbeitern, wurde die Radikalisierung selten erkannt[99]

Die vollständigen Untersuchungsergebnisse liegen als Quelle bislang nicht vor; eine Zusammenfassung wurde jedoch auf der Webseite des ZDF veröffentlicht.

Eine genaue Analyse und Interpretation dieser Daten ist nicht Ziel der vorliegenden Arbeit. Diese Fakten belegen allerdings deutlich (wie schon in Kapitel 3.7 dargestellt), dass die Erkennung von Radikalisierungsverläufen aufgrund wenig einheitlicher Merkmale äußerst problematisch sein kann. Dies trifft als logische Konsequenz in genauso hohem Maße auf die Deradikalisierung zu, da diese nur bei erkannter Radikalisierung erfolgen kann.

Mögliche Folgerung aus den genannten Zahlen ist weiterhin, dass Personen, die regelmäßigen Kontakt zu potentiellen Radikalisierungsgefährdeten haben, umfassend und zeitnah über mögliche Erkennungsmerkmale fortgebildet werden müssen.

4. Prävention

4.1 Ansätze allgemeiner Kriminalprävention

Prävention wird unterteilt in primäre (universelle), sekundäre (selektive) und tertiäre (indizierte) Prävention. In den folgenden Erläuterungen wird ausschließlich auf personenbezogene Prävention eingegangen.

Primäre Prävention bedeutet, dass nicht die Verhinderung unerwünschter Verhaltensweisen im Vordergrund steht, sondern vorrangig sozial- und gesellschaftskonforme Einstellungen unterstützt werden sollen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Verminderung von Risikofaktoren. Primäre Prävention ist auf Dauer angelegt; das Feld der diesbezüglichen Akteure ist weitgefächert und reicht über Behörden, Institutionen, Vereine bis hin zu familiären Protagonisten.[100]

Sekundäre Prävention beinhaltet Maßnahmen für Personen, deren Lebensumstände bereits mit bestimmten Risiken belastet sind und bei denen die Gefahr daraus resultierenden abweichenden Verhaltens nicht unwahrscheinlich ist. Akteure der personenbezogenen sekundären Prävention sind u.a. Institutionen der Jugend- und Sozialarbeit, aber auch Beratungsstellen.[101]

Tertiäre Prävention kommt dann infrage, wenn ein abweichendes Verhalten bereits aufgetreten ist. Sie soll ein weiteres Fortschreiten dieses Zustandes verhindern. Maßgeblich auf diesem Gebiet sind hier u.a. Justizvollzugsanstalten, im Bereich des gewaltbereiten politischen Extremismus aber auch Aussteigerprogramme.[102]

4.2 Salafismusprävention

Zum Themenkomplex der Salafismusprävention sind einige Vorbemerkungen erforderlich, die zum einen den Umfang und zum anderen die Bedeutung dieses Themas aufzeigen. In einer Studie, die Katrin Brettfeld und Peter Wetzels im Jahr 2007 vorgelegt haben, wurden die Einstellungen von Muslimen in städtischen Lebensräumen in Deutschland erhoben. Auch wenn es hier eher allgemein um Islamismus geht und nicht ausschließlich um Salafismus, kann daraus gefolgert werden, dass erheblicher Handlungsbedarf bestehen dürfte. Die Studie stellt dar, welche immens hohe Religionsbindung bei der überwiegenden Mehrheit der Muslime existiert. Ca. 40% der in Deutschland lebenden Muslime sind demnach als sehr religiös einzuordnen und zeigen Tendenzen, den Islam generell zu erhöhen und die westlich orientierte Kultur allgemein herabzusetzen. Dies ist zwar nicht gleichbedeutend mit einer zwangsläufig islamistisch orientierten Haltung, zeigt aber schon einen gewissen Trend in diese Richtung.[103]

Ca. 14% der in Deutschland lebenden Muslime weisen "eine hohe Distanz zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und/oder eine hohe Akzeptanz von politisch-religiös motivierter Gewalt"[104] auf. Bei jungen Muslimen trifft dies sogar bei fast jedem Vierten zu.[105]

Es kann vermutet werden, dass diese festgestellten Einstellungen nicht zwingend in politisch motivierte Gewalthandlungen münden müssen. Es kann jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass diese Einstellungen einen gewissen Nährboden hierfür bieten. Auch wenn dieser Personenkreis sich nicht zwangsläufig dem salafistischen Spektrum zuwendet, sollte Prävention schon hier ansetzen.

4.2.1 Grundsätze der Salafismusprävention

Da der Salafismus ein verhältnismäßig neues Phänomen ist, stehen die Akteure der Extremismusprävention vor neuen Herausforderungen und Problemen. Ein wesentliches Problem stellt sich gleich zu Beginn: Wovor soll die Prävention überhaupt schützen? Beim Rechtsextremismus ist es verhältnismäßig eindeutig: Junge Menschen sollen vor rechtsextremem, rassistischem und antidemokratischem Gedankengut geschützt werden. Beim Salafismus kommt jedoch eine wesentliche Komponente hinzu: Politische und religiöse Einstellungen sind hier vermischt. Grundsätzlich wäre es jedoch nicht grundrechtskonform, Menschen im Rahmen von Präventionsarbeit vor Religiosität zu schützen. Demnach sollte also eng definiert und an jedem Fallbeispiel neu überprüft werden, wo die Grenze zwischen strenger Glaubensausübung und präventionswürdigem Glaubensextremismus liegt.

Wichtigster Grundsatz einer tiefgreifenden und gelungenen Prävention gegen salafistische Radikalisierung ist die Einbindung aller Personen und Institutionen, die mit dem Betroffenen in Kontakt stehen. Dies ist in jedem Falle die Schule und die Familie, kann aber auch die Moschee, der Fußballverein oder der (nicht radikalisierte) Freundeskreis sein.[106] Hier müssen Netzwerke entstehen, in denen schnell und effizient Informationen ausgetauscht, Strategien erarbeitet und deren Umsetzung ständig beobachtet und modifiziert wird.

4.2.2 Ansätze der Salafismusprävention

In der Literatur finden sich verschiedene Ansätze, wie Salafismusprävention auszugestalten sei. Hierbei gibt es einige konträre Sichtweisen, überwiegend ähneln sich die Standpunkte jedoch.

Peter Neumann regt in seinem Vortrag (siehe Kapitel 3.6) an, dass sich Elemente der von ihm benannten Radikalisierungsmodelle auch in Präventionsprogrammen niederschlagen sollten. Entsprechend den jeweiligen Punkten

Unmut (Grievance), Ideologie (Ideology), Mobilisierung (Mobilisation) und Wendepunkt (Tipping Point) schlägt er als Präventionselemente 'Counter-Grievance' (Integrationsmaßnahmen), 'Counter-Ideology' (Aufklärung, z.B. in Schulen und Universitäten), 'Counter-Mobilisation' (als Aufgabe der Sicherheitsbehörden: jihadistische Strukturen erkennen und Gegenmaßnahmen treffen) vor. Die ersten drei Aspekte finden sich mehrfach in der Literatur; interessant ist die Anregung, 'Tipping Points' zu verhindern. Peter Neumann geht davon aus, dass diese Wendepunkte auch von Behörden ausgelöst werden können. Er rät deshalb dazu, übertriebene Reaktionen und Maßnahmen der Behörden gegenüber potentiellen Islamisten zu vermeiden, da überzogenes staatliches Vorgehen eine weitere oder völlige Radikalisierung möglicherweise verstärkt, beschleunigt oder sogar erst auslöst.[107] Schwierig ist hier die Beurteilung, wo beim Einzelnen die Grenze für diesen 'Tipping Point' erreicht oder überschritten wird. Auch kann es nicht die grundsätzliche Strategie von Sicherheitsbehörden sein, um jeden Preis mögliche 'Tipping Points' zu verhindern. Dies würde konsequentes Handeln sowohl in der Gefahrenabwehr als auch in der Strafverfolgung zum Teil erheblich erschweren oder gar unmöglich machen. Es wäre jedoch vermutlich sinnvoll, in der Prüfung über die Verhältnismäßigkeit behördlicher Maßnahmen auch den 'Tipping Point-Ansatz' einzubeziehen.

Eine globale und ökonomisch orientierte Sichtweise der Radikalisierungsbekämpfung zeigt Roland Eckert auf. Davon ausgehend, dass Radikalisierung stark mit wirtschaftlichen und sozialen Ängsten verknüpft ist, regt er die Regulierung der globalen Finanzmärkte und die Bekämpfung der Korruption als unerlässlich an.[108] Diese Sichtweise scheint jedoch zu universalistisch und wenig praxisrelevant. Selbst wenn Radikalisierung damit langfristig als gesamtgesellschaftliches Problem reduziert werden könnte, liegen die drängenden Probleme doch eher in der unmittelbaren Gegenwart. Zudem beschränkt diese Sichtweise die Ursachenzuschreibung auf einen sehr eingegrenzten Bereich – dass dies so nicht zutreffen kann, wurde bereits in Kapitel 3.6 dargelegt.

Die umfangreiche, 2009 begonnene und 2011 vollendete Studie 'Lebenswelten junger Muslime in Deutschland' hat die Einstellungen der Zielgruppe im Spektrum zwischen Integration und Radikalisierung untersucht. Die Autoren der Studie sprechen Empfehlungen aus, die für den Umgang mit radikalem Islamismus und somit auch für Präventionsstrategien im weiteren Sinne maßgeblich sein können. So fordern die Autoren u.a. bzw. geben zu bedenken:

- Terroristen nicht als 'religiös motivierte Gewalttäter' zu bezeichnen, da dies den Islam als Religion beleidige
- jihadistische von nicht jihadistischen Salafisten und anderen Formen des strenggläubigen Islam abzugrenzen, da letztere zum Teil auch durchaus jede Form von Gewalt vehement ablehnen
- restriktive Maßnahmen der Behörden sorgen für Irritationen auch bei gemäßigten Muslimen und für Zulauf bei den Extremisten
- stärkere Vermittlung interkultureller Kompetenzen sowie religiöser, politischer und geschichtlicher Bildung bei Muslimen und Nichtmuslimen
- gesellschaftlichen und politischen Einfluss moderater Muslime stärken und fördern und somit die Bedeutung der Religion respektieren[109]

Floris Biskamp und Stefan Hößl regen an, dass die Präventionsakteure die radikalislamische Ideologie unter folgenden Gesichtspunkten hinterfragen: Zunächst sollen die Adressaten der Maßnahme benennen, woher sie ihre Form der Islaminterpretation haben und ob sie den Urheber für wirklich glaubwürdig halten. Durch gezieltes Hinterfragen der islamistischen Ideologie soll erreicht werden, dass der Betreffende mögliche Widersprüche in der ideologischen Logik erkennt und ihm zugleich die möglichen Folgen deutlich werden, die die konsequente Umsetzung dieser Ideologie nach sich ziehen könnte. Mit dieser Intervention soll erreicht werden, dass -insbesondere in einer Gruppensituation- ein Gedanken- oder Diskussionsprozess initiiert wird, durch den die Betreffenden aus sich selbst heraus beginnen, die Ideologie zu hinterfragen.[110]

Kritisch kann hierzu vorgebracht werden, dass sich dieser Ansatz ausschließlich auf einer rationalen Ebene bewegt. Glaube und Religiosität sind jedoch darüber hinaus nicht unwesentlich spirituell und emotional geprägt; dieser Umstand wird durch die Autoren wenig berücksichtigt.

4.2.3 Probleme der Salafismusprävention

Ein besonderes Problem in der Salafismusprävention ist, dass Salafismus nicht zwangsläufig kriminell sein muss, jedoch in jedem Falle verfassungsfeindlich ist. Somit können die Strategien der 'klassischen' Kriminalprävention nur bedingt greifen. Ist bei der allgemeinen Kriminalprävention der Fokus primär auf Verhaltensänderung gerichtet, muss die Salafismusprävention grundsätzlich eine Einstellungsänderung der betreffenden Personen zum Ziel haben.

Daher ist die Frage, ob Polizei oder andere Sicherheitsbehörden Akteure insbesondere der primären und sekundären Prävention sein können oder sollen, durchaus kritisch zu betrachten. Der Staat und seine demokratischen Einrichtungen sind Symbol für das System, das Salafisten zutiefst ablehnen. Es scheint also nicht sehr naheliegend zu sein, dass ausgerechnet die Repräsentanten dieses verhassten Systems Zugang zu radikalisierten Jugendlichen bekommen könnten.

Weiterhin ist anzunehmen, dass es utopisch sein dürfte, Jugendliche und junge Erwachsene sowohl vor radikalisierenden Umständen zu beschützen als auch die möglichen Ursachen vollständig zu bekämpfen.[111]

Ein weiteres Problem stellt laut Rauf Ceylan und Michael Kiefer die Auswahl bzw. die fachliche Eignung der potentiellen Präventionsakteure dar: Der Islamwissenschaftler hat den analytischen Hintergrund und kann theologisch argumentieren; ihm fehlt jedoch in der Regel die pädagogische Grundlage. Pädagogen, Sozialarbeiter und Sozialpädagogen haben hingegen meistens nur ein unzureichendes islamwissenschaftliches Urteilsvermögen.[112]

Daraus kann gefolgert werden, dass in Präventionsstellen oder -projekten beide Fachrichtungen vertreten sein sollten.

Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) weist in einem Zwischenbericht der DIK-Arbeitsgruppe 'Präventionsarbeit mit Jugendlichen" darauf hin, dass der Gebrauch des Begriffes Prävention bei potentiellen Zielgruppen negativ besetzt sein kann. Jungen Muslimen wird hierbei allein schon durch den Begriff unter Umständen vermittelt, dass ihre Eigenschaft als Muslim für sich bereits ein Risiko begründe.[113] In der Konsequenz bedeutet dies laut DIK: "Insbesondere im universell-präventiven Bereich ist die Verwendung von Begriffen wie „Förderung” oder „Stärkung” häufig angemessener als die Verwendung des Begriffes „Prävention”, da die erstgenannten Begriffe Zielgruppen nicht als Risikogruppen kennzeichnen und die konkrete Zielsetzung von Maßnahmen häufig klarer beschreiben."[114]

Diese Einschätzung ist m.E. nur bedingt nachvollziehbar. Insbesondere die primäre Prävention beschränkt sich nicht ausschließlich auf Jugendliche muslimischen Glaubens. Würde man der Argumentation der DIK folgen, dürfte der Begriff Prävention generell nicht mehr verwendet werden. Allgemeine Kriminalprävention in sozialen Brennpunkten könnte dementsprechend durch die dortigen Zielgruppen so gedeutet werden, dass sie nur aufgrund ihrer Herkunft oder Wohnsituation potentielle Straftäter sind. Zudem sind die von der DIK vorgeschlagenen Begriffe zwar ein Teil jeder Präventionsarbeit, umfassen jedoch nicht den Begriff 'Prävention' in seiner Gesamtheit.

Zumindest punktuell als problematisch erwiesen hat sich die Einbindung muslimischer Institutionen. So kritisiert Michael Kiefer als Resümee seines 2013 beendeten Modellprojekts 'Ibrahim trifft Abraham': "Deutlich hinter den Erwartungen zurück blieb die ausdrücklich erwünschte Kooperation mit den Düsseldorfer Moscheegemeinden."[115]

Sollte diese Einschätzung generell zutreffen, wäre eine Änderung dieses Zustandes dringend angezeigt. Dass islamische Akteure für Präventionsarbeit nahezu unverzichtbar sind, wird im folgenden Kapitel näher ausgeführt.

4.2.4 Positionen in der Salafismusprävention

Als ideale Partner für Primärprävention und Früherkennung benennen Rauf Ceylan und Michael Kiefer insbesondere Schulen und Jugendeinrichtungen.[116] Schule wird vor allem deshalb als wichtigster Präventionsakteur angesehen, da sie "aufgrund der bestehenden Schulpflicht alle jungen Menschen erreichen kann."[117] Julia Emig hält im Gegensatz dazu diese Institutionen nur für bedingt geeignet, da dort oftmals Bedenken gegen Kooperation mit den Sicherheitsbehörden vorhanden seien.[118]

Zu dieser Sichtweise kann durchaus kritisch angemerkt werden, dass nicht in jedem Fall, in dem Früherkennung und Primärprävention eine Rolle spielt, zwangsläufig eine Kooperation mit Sicherheitsbehörden erforderlich ist. Gerade im niedrigschwelligen Bereich sollten Schulen und Jugendeinrichtungen -insbesondere auch in ihrer Funktion als Vermittler sozialer Kompetenzen- als Präventionsakteure erster Wahl gesehen werden.

Salafistische Akteure sprechen häufig die emotionalen Bedürfnisse ihrer Zielgruppen an und erfüllen deren Bedürfnisse nach Verständnis, Anerkennung und Wertschätzung. Deshalb können gerade Institutionen und Personen, die mit dieser potentiellen Zielgruppe tagtäglich in Kontakt kommen, hier ansetzen und diesen Bedürfnissen mit Respekt und Teilnahme entgegenkommen.[119]

Wesentlich für die zukünftige Prävention könnte der Islamunterricht an deutschen Schulen sein. Hier sollte den Schülern ein modernes Koran- und Islamverständnis vermittelt werden. Dies kann insbesondere deshalb von ausschlaggebender Bedeutung sein, da die salafistischen Prediger sowohl dem Koran als auch den Hadithen[120] nur diejenigen Aspekte verwenden, "die als Beleg für ihre bipolare Weltsicht fungieren können".[121]

Saskia Lützinger resümiert die Erkenntnisse aus ihrer Studie dahingehend, dass Unterstützungsmaßnahmen der Jugendhilfe für belastete Familien, die nicht über geeignete Strategien zur Krisenbewältigung verfügen, wesentlich verstärkt werden müssen.[122]

Problematisch ist die Rolle der Sicherheitsbehörden als Präventionsakteur. Einerseits ist es unabdingbar, dass Polizei und Verfassungsschutzbehörden ihrem gesetzlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr (und hierzu zählt auch die Prävention) nachkommen. Auf der anderen Seite kann davon ausgegangen werden, dass ein vertrauensvoller Kontakt zwischen Sicherheitsbehörden und den Zielgruppen der Prävention sehr schwer möglich ist.[123]

In der konkreten Ausgestaltung der Salafismusprävention lassen sich, anders als bei den grundsätzlichen Überlegungen, durchaus gegensätzliche Positionen feststellen. Rauf Ceylan und Michael Kiefer merken hierzu an, dass die Maßnahmen und Angebote der Sicherheitsbehörden, insbesondere der Verfassungsschutzämter, durchaus kritisch zu sehen sind, da "Referenten der Verfassungsschutzbehörden im Regelfall im Bereich der Pädagogik und Sozialarbeit keine fachliche Expertise vorweisen können. Ferner ist zu konstatieren, dass die Verknüpfung der Faktoren Sicherheit und Prävention zu einer unerwünschten Verstärkung der Verdachtslogik führen kann."[124]

Im Gegensatz hierzu stehen beispielsweise Projekte der Sicherheitsbehörden wie das Projekt 'Wegweiser' des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW.

Ein weiteres Spannungsfeld zeigt sich in der Einbindung muslimischer Vereine, Organisationen und Institutionen. Diese sind unerlässliche Partner in der islamistischen Extremismusprävention. Darüber, dass gemäßigte und demokratisch ausgerichtete islamische Akteure eine überaus wichtige Rolle spielen, herrscht breiter Konsens. Insbesondere im Rahmen der Früherkennung salafistischer Tendenzen haben sie aufgrund ihrer Nähe zu muslimischen Jugendlichen, z.B. in Moscheevereinen, einen direkten und maßgeblichen Zugang. Die Frage ist jedoch, ob diese gemäßigten Akteure auch die erforderliche Akzeptanz derjenigen Personen haben, die bereits begonnen haben, sich salafistisch zu radikalisieren. Die moderaten Vertreter des Islam gehören, wie schon in Kapitel 3.3 dargelegt, zu den Feindbildern der salafistischen Szene. Zur Salafismusprävention im Vorfeld können gemäßigte Muslime einen großen Beitrag leisten; bei bereits begonnener Radikalisierung scheint dies eher fraglich.

Die Bedeutung der moderaten muslimischen Verbände für die Prävention im Anfangsstadium wird von diesen selbst anscheinend noch nicht erkannt. Das Problem der salafistischen Radikalisierung ist diesen Verbänden bekannt; konkrete Auswirkungen durch aktive Beteiligung an der Radikalisierungsprävention hat diese Erkenntnis allerdings noch nicht zur Folge gehabt.[125]

Dies könnte daran liegen, dass sich diese Verbände im Spannungsfeld von Religion und Politik bewegen und sich ungern dem Primat deutscher Innenpolitik unterwerfen dürften. Hinzu kommt möglicherweise das Gefühl innerhalb der Moscheegemeinden, bezüglich der islamistischen Radikalisierung unter Generalverdacht zu stehen und sich deshalb im ständigen Rechtfertigungszwang zu befinden.

Neben der Einbindung moderater muslimischer Akteure könnte darüber nachgedacht werden, ob nicht auch Vereinigungen und Einzelpersonen, die weniger demokratieaffin sind, in die Präventionsarbeit eingebunden werden können. Viele der islamistisch ausgerichteten Kräfte lehnen die Demokratie zwar als unislamisch ab, verurteilen allerdings auch jede Form von religiös motivierter Gewalt als in keinster Weise mit den Prinzipien ihres Glaubens vereinbar. Dieser Personenkreis dürfte einen wesentlich besseren Zugang zu radikalisierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben, die in den Jihadismus abzugleiten drohen. Grund hierfür könnte sein, dass die rigide und strenge Auslegung des Glaubens sehr ähnlich oder gleich ist und der Unterschied nur in der Befürwortung oder Ablehnung von Gewalt liegt. Strenggläubige Imame haben sicherlich die für die betreffende Zielgruppe glaubhafteren theologischen Argumente, als moderat-westlich orientierte Prediger. Dies entspricht auch der Position von Lorenzo Vidino, der über das Gewalt ablehnende islamistische oder salafistische Personenpotential sagt: "Nur sie besitzen die Legitimität und Glaubwürdigkeit, denen junge Muslime auf dem Weg zur Radikalisierung Gehör schenken."[126]

In diesem Zusammenhang ist auch auf das grundsätzliche Potential der pop-muslimischen Bewegung (siehe Kapitel 3.2.2) hinzuweisen. Diejenigen Pop-Muslime, die zwar äußerst streng in ihrer Glaubensauslegung, vielleicht auch eher antidemokratisch orientiert sind, jede Form der politischen oder religiösen Gewaltanwendung aber kategorisch ablehnen, verfügen zweifelsohne bei Gleichaltrigen über nicht unwesentliche Einflussmöglichkeiten.

Es liegt nahe, dass die Sicherheitsbehörden einer solchen Sichtweise nicht zustimmen können: Sie können wohl kaum dazu raten, Kräfte in die Präventionsarbeit einzubinden, die unter Umständen von Verfassungsschutzämtern beobachtet werden und die als demokratieablehnend bekannt sind. Es stellt sich aber gleichzeitig auch die Frage, ob es im Rahmen einer Abwehr jihadistischen Radikalisierung nicht durchaus pragmatisch sein könnte, von zwei Übeln das kleinere zu wählen. So könnte es durchaus sinnvoll sein, einen gewaltbejahenden Salafisten zunächst davon zu überzeugen, seine demokratiefeindlichen Absichten ohne Gewaltanwendung zu erreichen. Der Versuch, ihn zur Bejahung demokratischer Prinzipien zu veranlassen, könnte dann ein nächster Schritt sein.

Die Anregung von Julia Emig, dass Sicherheitsbehörden sich bei der Schulung von Imamen zu Präventionsakteuren beteiligen sollten[127], sollte hingegen kritisch beurteilt werden: Welcher radikalisierte Salafist würde einem Imam vertrauen, von dem er vermuten müsste, dass die Sicherheitsbehörden an seiner Ausbildung beteiligt waren?

Unabhängig davon, welche Position man diesbezüglich einnimmt, muss man den Forderungen von Hamed Abdel-Samad beipflichten, der von allen Muslimen verlangt, sich eindeutig gegen Radikalismus und Gewaltbefürwortung zu positionieren und für ein positives Islambild einzutreten. Muslimische Gemeinden ermahnt er, demokratische Richtlinien nicht nur als Lippenbekenntnis anzuwenden, sondern auch innerhalb ihrer Gemeinden umzusetzen und vorzuleben.[128]

4.2.5 Aktueller Stand der Salafismusprävention

Mit zunehmender Aktualität der Problematik wächst das Angebot von Präventionsprojekten. Neben der noch folgenden näheren Erläuterung zu zwei ausgewählten Projekten bzw. Konzepten sollen hier beispielhaft noch einige Projekte genannt werden. Das 'Violence Prevention Network'[129] bietet Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen im Bereich Berlin, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg an. Die 'Beratungsstelle Radikalisierung' unter Federführung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) koordiniert bundesweit mehrere Beratungsstellen. Das BAMF betreibt eigene Beratung, vermittelt aber auch zivilgesellschaftliche Kooperationspartner u.a. in Berlin (Beratungsstelle HAYAT) und Bochum (IFAK e.V.).

Durch das Bundesprogramm 'Initiative Demokratie Stärken'[130] des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurden zwischen den Jahren 2011 und 2014 zahlreiche Modellprojekte gefördert, u.a. Einzelprojekte wie das Düsseldorfer Modellprojekt 'Ibrahim trifft Abraham' des Vereins 'Aktion Gemeinwesen und Beratung e.V.'[131] oder das Projekt 'Berlin: Islam und Ich - Jungsein im Land der Vielfalt' des Vereins 'Aktion Courage e.V. Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage'.[132]

Die in den meisten Projekten verfolgten Konzepte sind weitgehend ähnlich.

Wesentlich ist der Aufbau von Netzwerken mit Institutionen und Personen, die mit dem betroffenen Personenkreis, also den potentiell Radikalisierungsgefährdeten, regelmäßig in Kontakt kommen, die direkte Arbeit mit den Zielgruppen (i.d.R. Jugendliche oder Heranwachsende) und die Sensibilisierung und Fortbildung von Angehörigen einschlägiger Berufsgruppen (z.B. Lehrer, Sozialpädagogen und -arbeiter). Weitere Kernpunkte waren die politische und religiöse Bildung der betreffenden Jugendlichen sowie die Förderung interreligiöser Kompetenz und die Stärkung von Partizipationsfähigkeiten in der demokratischen Mehrheitsgesellschaft.[133]

Wissenschaftlich begleitet und evaluiert wurden die durch das BMFSFJ geförderten Projekte im Auftrag dieses Ministeriums durch das Deutsche Jugendinstitut (DJI). Als Ergebnis dieser Evaluierung wurde zunächst der fortgesetzte Bedarf zur Weiterentwicklung und praktischer Erprobung von Präventionskonzepten festgestellt. Die wesentlichen Resultate des Schlussberichtes lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- die Förderung gesellschaftlicher Teilhabe muslimischer Jugendlicher kann Abgrenzung verhindern und die Voraussetzung für Anerkennung schaffen
- islamophobe Haltungen und Reaktionen von Teilen der Mehrheitsgesellschaft haben großen Einfluss auf islamistische Radikalisierungsprozesse
- dementsprechend wichtig ist die antipolarisierende Arbeit sowohl mit Personen mit islamistischem als auch mit islamfeindlichem Hintergrund[134]

4.3 Deradikalisierung

Ein wesentlicher Teilaspekt der Prävention ist die Deradikalisierung. Prävention bedeutet nicht nur, eine Radikalisierung von vorneherein zu verhindern, sondern ebenso, eine bereits stattfindende Radikalisierung aufzuhalten und im Idealfall umzukehren. Deshalb gleichen sich oftmals die Maßnahmen der Prävention und der Deradikalisierung.

Nach Marwan Abou-Taam ist Deradikalisierung ein Prozess, in dessen Verlauf Personen oder Gruppen extremistische Einstellungen oder Verhaltensweisen aufgeben und sich aus ihrem radikalen Umfeld lösen. Dies kann sowohl individuell und aus eigener Motivation (bei Einzelpersonen) als auch mit Unterstützung von außen (bei Einzelpersonen und bei Gruppen) geschehen. Wesentlich für einen solchen Prozess ist die Vermittlung von Toleranz gegenüber und die Achtung vor Andersdenkenden. Um erfolgreich Radikalisierung verhindern oder umkehren zu können, ist die Vernetzung unterschiedlicher Fachgebiete wie z.B. Polizei, Jugendämter, Migrationsbeauftragte und ähnlichen Institutionen eine wesentliche Bedingung. Insbesondere gilt dies für die Einbindung muslimischer Organisationen, Vereine und Institutionen.[135]

Solche Netzwerke sind sowohl für die Prävention als auch für die Deradikalisierung unerlässlich, um salafistische Einstellungen zu verhindern oder ihnen zu begegnen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Aufklärungsmaßnahmen in Schulen und Präventionsprojekte in von Jugendlichen frequentierten Einrichtungen von hoher Bedeutung. Zu diesem Zweck müssen dort tätige Personen stetig aus-, fort- und weitergebildet werden. Die Vernetzung und der Kommunikationsfluss aller Personen und Institutionen, die im Bereich Salafismusprävention tätig sind, muss gewährleistet und beständig weiterentwickelt werden.[136]

Ein wichtiges Element sowohl der Prävention als auch der Deradikalisierung ist laut Michael Kiefer die interreligiöse Begegnung.[137]

Durch den Austausch von jungen Menschen verschiedener Religionen können sowohl Gemeinsamkeiten aufgezeigt als auch Unterschiede der Religionen konstruktiv diskutiert und so das Verständnis für die Sichtweise des jeweils anderen geweckt oder verstärkt werden.

Insgesamt ist festzustellen, dass der Präventionsaspekt 'Deradikalisierung'

bislang in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Salafismus-thematik zwar durchaus erwähnt wird, dies jedoch noch nicht in dem Umfang erfolgt, wie es die Situation angesichts der zu erwartenden Anzahl von Rückkehrern aus Bürgerkriegsgebieten erfordert.

5. Präventionskonzepte

Nachfolgend werden zwei Präventionsprojekte bzw. –programme kurz vorgestellt. Da beide unterschiedliche Zielsetzungen haben, ist eine Vergleichbarkeit nicht gegeben. Die Auswahl erfolgte aus dem Grund, Beispiele für verschiedene Präventionsstufen darzustellen: 'Wegweiser' ist hauptsächlich in der Sekundär- und Tertiärprävention (als Aussteigerprogramm) angesiedelt, während 'Dialog macht Schule' vorwiegend im Bereich der Primärprävention tätig ist.

5.1 Präventions- und Aussteigerprogramm 'Wegweiser'

Das Programm 'Wegweiser' des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen verfolgt zwei Zielrichtungen: Zum einen soll der Zugang zur salafistischen Szene verhindert werden, zum anderen sollen Szeneangehörige zum Ausstieg bewegt werden. Beraten werden sowohl ausstiegswillige Personen als auch Personen aus dem direkten Umfeld einer radikalisierten Person. Dies können Familienangehörige, Lehrer, Vorgesetzte oder auch Freunde sein, die mögliche Radikalisierungstendenzen wahrnehmen und diesbezüglich Beratung und Unterstützung benötigen.

Institutionen und Behörden, die zum Thema Salafismus Informationen benötigen, können im Rahmen von Vorträgen und Schulungen durch Projektmitarbeiter über die Thematik aufgeklärt werden.[138]

Die Konzeption des Programmes ist insofern neuartig, dass es keine einheitlichen konzeptionellen Vorgaben gibt. Die Netzwerkpartner vor Ort entwickeln eigene Konzepte, die sich an den jeweiligen örtlichen Bedingungen und individuellen Fallkonstellationen orientieren.

'Wegweiser' koordiniert dabei ein engmaschiges Netzwerk aus z.B. Jugendämtern, Schulen, Jobcentern, Polizei, Moscheegemeinden und Migrantenorganisationen und kooperiert mit diesen. Die Beratungsstelle 'Wegweiser' vermittelt Rat- und Hilfesuchende an feste Anlaufstellen, derzeit in Bochum, Bonn und Düsseldorf. Weitere Stellen sind geplant. Die Ansprechpartner (Betreuer) in den Beratungsstellen sind pädagogisch qualifiziert, haben Islamkenntnisse und Erfahrung im Umgang mit den Zielgruppen sowie in der Beratungstätigkeit. Die Betreuer analysieren nach dem Gespräch mit dem ratsuchenden Klienten das Ausmaß der Problematik und mobilisieren gegebenenfalls im Rahmen der bestehenden Kontakte lokale Netzwerkpartner zur weiteren Planung und Umsetzung konkreter Unterstützungsmaßnahmen.

Ein entscheidender Gesichtspunkt des Präventionsprogrammes 'Wegweiser' ist, dass das Programm ohne zeitliche Befristung läuft.[139]

Weitere wesentliche Inhalte des Programmes 'Wegweiser' sind dem Gedächtnisprotokoll des Interviews mit der zuständigen Referentin und Koordinatorin zu entnehmen.[140]

Kritisch muss hinterfragt werden, ob eine Verfassungsschutzbehörde die geeignete Institution sein kann, um Präventionsarbeit nicht nur zu koordinieren und fachlich zu begleiten, sondern auch zu finanzieren. Schließlich hat diese Behörde den klar umrissenen gesetzlichen Auftrag zur gefahrenabwehrenden Ausforschung sicherheitsrelevanter Sachverhalte. Insofern könnte mutmaßt werden, dass ein erhebliches Interesse daran besteht, an die Daten der Verdachtsfälle zu gelangen, die den Beratungsstellen durch besorgte Personen aus dem sozialen Umfeld der betreffenden Person bekannt werden. Weiter könnte vermutet werden, dass die Finanzierung dieser Beratungsstellen ein Druckmittel darstellen könnte, dass diese relevante Daten an die Behörde herausgeben.

Hierzu macht der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, jedoch deutlich, dass kein Einfluss auf die Beratungsstellen ausübt wird: "Die Wegweiser-Betreuer sind als Berater in einem ungestörten Vertrauensraum tätig und grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Vertraulichkeit ist ein zentrales Prinzip von Wegweiser."[141]

5.2 Präventionskonzept 'Dialog macht Schule'

Bei dem Dialoggruppenprojekt 'Dialog macht Schule' handelt es sich um ein u.a. von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und der Robert-Bosch-Stiftung finanziertes Projekt, das derzeit in Berlin, Hannover, Wuppertal und Stuttgart durchgeführt wird.[142]

Kernpunkt ist der Gedanke, dass Defizite im Hinblick auf politische Bildung, Interkulturalität und demokratisches Bewusstsein insbesondere bei Jugendlichen aus bildungsfernen und/oder sozial benachteiligten Familien, vielfach auch mit Einwanderungshintergrund, erheblich zur Entwicklung extremistischer Einstellungen beitragen können.[143]

Daraus resultierend ist die Zielsetzung, Schüler ab der 7. Klasse, "vornehmlich aus Einwandererfamilien, langfristig und nachhaltig in ihrer Persönlichkeitsentwicklung, demokratischen Bewusstseinsbildung und gesellschaftlich Partizipation zu unterstützen."[144] Themen und Problematiken, die die Jugendlichen besonders interessieren und beschäftigen, z.B. Identität, Heimat, Mobbing, Rassismus und Religion, können in einem Dialog- und Reflexionsprozess innerhalb der Gruppe diskutiert und bearbeitet werden.[145] Dies geschieht im Rahmen des Unterrichtes oder in verpflichtenden Arbeitsgemeinschaften über einen Zeitraum von zwei Jahren in Gruppen von maximal 15 Schülern.[146] Dialogmoderatoren sind Studierende oder Doktoranden, häufig mit eigenem Migrationshintergrund und vorwiegend aus pädagogischen, psychologischen und islam-, sozial- oder politikwissenschaftlichen Fachbereichen, die vor Aufnahme ihrer Tätigkeit für diese Aufgabe qualifiziert werden.[147]

Die Schüler lernen in diesen Dialoggruppen, sich konstruktiv mit eigenen und fremden Problemen und Einstellungen auseinanderzusetzen, problematische Standpunkte werden durch die Dialogmoderatoren auch durchaus konfrontativ bearbeitet und hinterfragt, ohne jedoch eine Haltung der Wertschätzung aufzugeben. Ein weiteres, wesentliches Lernziel besteht darin, den Jugendlichen zu vermitteln, dass Alltagsthemen gleichzeitig auch sehr häufig politische Themen sind und deshalb auch eine politische Auseinandersetzung und Bewertung erfordern.[148]

Kritikpunkte sind bei diesem Konzept kaum feststellbar; lediglich Rauf Ceylan und Michael Kiefer werfen die Frage auf, ob die Durchführung als verpflichtende Unterrichtsmaßnahme sinnvoll ist und ob die überaus breitgefächerte Zielsetzung (Vermittlung eines konstruktiven und kritischen Umgangs mit persönlichen, religiösen, politischen und gesellschaftlichen Themen) für eine tatsächliche und umfängliche Zielerfüllung überhaupt erreicht werden kann. Zugleich stellen sie jedoch heraus, dass 'Dialog macht Schule' bezüglich seiner nachhaltigen Struktur und seiner konzeptionellen Effizienz herausragend und beispiellos sei. Festgemacht wird dies insbesondere an der langen Projektdauer, und dem stetigen Austausch und der Weiterbildung der Dialogmoderatoren.[149]

Eine Evaluierung des Projektes fand bislang nicht statt. Grundsätzlich dürfte es ohnedies schwierig sein, Maßnahmen von sowohl auf Verhaltens- als auch auf Einstellungsänderung angelegten Präventionsprojekten zu evaluieren.

6. Empirischer Teil

6.1 Erläuterung zur Durchführung

Die Kontaktaufnahme zu den Interviewpartnern erfolgte telephonisch. Nach kurzer Erläuterung des Hintergrundes wurde in allen Fällen die Zustimmung gegeben. Nach dem persönlichen Kennenlernen und nochmaliger Erläuterung des Vorhabens wurden die Interviews mitgeschnitten und später transkribiert; dies war lediglich bei P5 nicht der Fall. Hier wurde ein autorisiertes Gedächtnisprotokoll angefertigt. Obwohl die Kernfragen identisch waren, ergaben sich doch in allen Interviews verschiedene Aspekte, die situationsabhängig hinterfragt und vertieft wurden.

Sowohl aus diesem Grund als auch durch die verschiedenen Perspektiven der Interviewpartner war letztendlich eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse nur in Ansätzen möglich.

6.1.1 Transkription

Für die Transkription wurde vorwiegend das einfache Transkriptionssystem nach Thorsten Dresing und Thorsten Pehl angewandt.[150] In folgenden Punkten wurde von diesen Regeln abgewichen: Interviewte Personen wurden nicht mit 'B', sondern mit 'P' gekennzeichnet. Leichte sprachliche Glättungen wurden vorgenommen, lediglich bei P2 und P3 wurde weitgehend darauf verzichtet, um den Bildungshintergrund der interviewten Personen zu verdeutlichen. Zudem wurde in allen Interviews auf Zeitmarken verzichtet.

6.1.2 Auswahl der Interviewpartner und Begründung der Auswahl

Der Auswahl der Interviewpartner (qualitatives Sampling) ist entscheidend für den Forschungsprozess.[151]

Grundüberlegung war, dass das Thema Salafismusprävention aus möglichst verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden sollte, um die Komplexität möglicher Lösungsansätze besser erfassen und bewerten zu können. Aus diesem Grund sollten sowohl Akteure der Salafismusprävention als auch Betroffene der Salafismusproblematik befragt werden. Die Auswahl der Präventionsakteure ergab sich auch aus der räumlichen Nähe. Zudem schien es vorteilhaft, eine direkt und unmittelbar am Präventionsprozess beteiligte Akteurin, aber auch eine eher mit Koordination befasste Akteurin zu befragen. Dadurch sollte im Idealfall auch die Mikroebene 'Präventionsakteure' aus zwei verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden.

Auch Betroffene der Problematik, in diesem Fall ein Elternpaar, wurden ausgewählt, um aus nicht professioneller Perspektive Hinweise zu möglichen Präventionsmaßnahmen zu erhalten.

Aktive Angehörige der Salafistenszene wurden nicht befragt. Die Eigenschaft des Interviewers als Vertreter einer Sicherheitsbehörde mit Strafverfolgungs-zwang schloss von vorneherein aus, aktive Mitglieder des salafistischen Spektrums zu befragen. Der Erkenntnisverlust wäre nach erfolgter Belehrung vermutlich sehr hoch gewesen. Zudem ist davon auszugehen, dass die Gesprächsbereitschaft gegenüber einem Polizeibeamten eher gering ausgefallen wäre.

Einen Szeneaussteiger zu finden und für ein Interview zu gewinnen, kann als besonderer Glücksfall bezeichnet werden, da ein Ausstieg aus der Szene bislang immer noch die Ausnahme sein dürfte. Gerade von einem Aussteiger konnten jedoch besondere Hinweise auf mögliche Deradikalisierungs- und Präventionsstrategien erhofft werden, da dieser Prozess persönlich durchlaufen wurde.

Eine direkte Vergleichbarkeit der gesamten Interviewinhalte wird aufgrund der heterogenen Auswahl der Interviewpartner erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Im Gegenzug können aber gerade dann Ergebnisse mit hohem Aussagewert erhofft werden, wenn trotz der unterschiedlichen Perspektiven der Befragten Antworten auf einzelne Fragen ähnlich oder gleich ausfallen.

6.1.3 Problemstellungen

Bei der Durchführung der Interviews ergaben sich zwei Problemstellungen: Zunächst war der Strafverfolgungszwang (siehe Kapitel 6.1.2) zu berücksichtigen. Dieses Problem konnte sowohl den befragten Szeneaussteiger als auch die Eltern einer ausgereisten Person und die Mitarbeiterin der Beratungsstelle betreffen. Da es im Rahmen der Möglichkeiten lag, dass alle vorgenannten Personen von eigenen Straftaten, Straftaten von Angehörigen oder Straftaten des Beratungsklientels berichten, wurden im Datenschutzblatt auch eine Belehrung über die Strafverfolgungspflicht des Interviewers abgegeben und vor dem Interview noch einmal eingehend erläutert. Der mögliche Erkenntnisverlust war insofern nicht vermeidbar, wurde aber als verhältnismäßig gering eingeschätzt.

Die zweite Problemstellung war, dass bei der Befragung der P5 (Referentin und Koordinatorin des Programmes 'Wegweiser' beim Verfassungsschutz NRW) aus innerdienstlichen und sicherheitsrechtlichen Gründen keine Tonaufzeichnung gefertigt werden konnte. Anhand von schriftlichen Aufzeichnungen des Gespräches wurde ein sinngemäßes Gedächtnisprotokoll gefertigt. Dieses Protokoll wurde hinterher der interviewten Person zur Kontrolle vorgelegt, um eine eventuell fehlerhafte Wiedergabe des Interviewinhaltes auszuschließen.

Bezüglich der Zusammenfassung und Analyse der Interviewinhalte ergibt sich als grundsätzliches Problem der qualitativen Sozialforschung die Schwierigkeit des Fremdverstehens bzw. der Indexikalität: "Menschliche Sprache stellt jedoch […] im Grunde genommen das denkbar ungeeignetste Medium der Verständigung dar (und dennoch ist es das beste (sic), was wir haben), da sie unheilbar vage, indexikal ist […]."[152]

In diesem Sinne ist nicht nur die Interpretation, sondern auch schon die Zusammenfassung der im Interview erlangten Daten in erster Linie eine subjektive Sinnzuschreibung des Forschenden, der sich dem tatsächlichen Sinngehalt im besten Falle nur weitgehend annähern kann. Eine vollständig objektive Zusammenfassung würde voraussetzen, dass man den individuellen Sprach- und Bedeutungscode des Gegenübers vollständig entschlüsselt hat. Da dies nicht einmal annähernd möglich ist, unterliegt auch die zusammenfassende Darstellung subjektiver Deutung.[153] In dieser Hinsicht ist es von Vorteil, wenn der Forschende -wie im vorliegenden Fall- über langjährige professionelle Erfahrung sowohl mit der Ausgangsthematik als auch mit der Sinnzuschreibung verbaler Aussagen verfügt.

6.1.4 Zielrichtung der Fragen

"Ergebnis der Formulierung von Fragestellungen ist die Eingrenzung des als wesentlich erachteten Ausschnitts eines mehr oder minder komplexen Forschungsfeldes, das unterschiedliche Festlegungen dieser Art ermöglichen würde."[154] Aus diesem Grund wurden die Fragen in zwei Fragenkomplexe unterteilt; der erste beschäftigt sich mit dem Radikalisierungsverlauf, der zweite mit möglichen Präventionsmaßnahmen und deren Akteuren. Die Fragenkomplexe und die jeweiligen Fragen sind im Anhang aufgeführt.

6.2 Zusammenfassung und Analyse der Interviewinhalte

Bei der Auswertung und Analyse der Interviews wurde das Hauptaugenmerk auf die Aussagen bezüglich der möglichen Ursachen und Merkmale und daraus folgend der Früherkennung salafistischer Radikalisierung und die Ansätze für Deradikalisierungs- bzw. Präventionsstrategien gerichtet. Die Zusammenfassung der Interviews folgt nicht dem Interviewverlauf, sondern wurde nach den o.g. Aussageschwerpunkten strukturiert. Auf eine sprachliche Abstrahierung der Zusammenfassung wurde bei den Interviews des Aussteigers P1 und der Eltern P2 und P3 weitgehend verzichtet, um den Inhalt der Interviews überwiegend authentisch abzubilden. Hierzu wurden auch beispielhafte Textpassagen zitiert. Zentrale Kernpunkte wurden dann noch einmal extrahiert.

Bei dem Interview der Personen P2 und P3 wurden in der Zusammenfassung und Analyse nicht explizit zwischen den einzelnen Gesprächsanteilen differenziert, da kontroverse Antworten nicht gegeben wurden.

6.2.1 Interview mit Person 1

Bei Person 1 (P1) handelt es sich um eine 20-jährige männliche Person. P1 ist in Duisburg geboren und aufgewachsen; die Eltern sind aus Kasachstan eingewanderte Deutsche. Der Vater ist Arbeiter, die Mutter Hausfrau. P1 hat noch einen älteren Bruder.

P1 verfügt über einen Hauptschulabschluss (10. Klasse); den Realschulabschluss auf dem Berufskolleg hat er nicht geschafft. Als Zukunftsperspektive will er sich als Internethändler via Amazon selbständig machen.

Sowohl P1 als auch seine Eltern sind evangelisch; die Religion wurde bzw. wird in der Familie aber nicht praktiziert. Nach eigenen Angaben hat P1 sich erstmals 2007 mit dem Islam beschäftigt, insbesondere mit den Hintergründen der Terroranschläge vom 11.09.2001. Im Zuge dieser intensiven Beschäftigung ist er zum Islam konvertiert. Seine Informationen zum Islam erhielt er über einschlägige, radikale Internetforen; in diesem Zusammenhang hat er sich selbst binnen weniger Wochen radikalisiert. Dies ging bis hin zu dem Wunsch, am Jihad teilzunehmen. Wegen der Ankündigung eines Bombenanschlages im Internet wurde P1 bereits rechtskräftig verurteilt; die Strafe ist mittlerweile verbüßt.

P1 hat sich von der salafistischen Szene gelöst und bezeichnet sich mittlerweile als areligiös.

Zusammenfassung des Interviews:

a) Aussagen zu den Ursachen bzw. Merkmalen der Radikalisierung:

Der Einstieg in den Salafismus begann mit dem Interesse an den Motiven des Anschlages am 11.09.2001. Durch Internetrecherche gelangte P1 schnell auf einschlägige salafistische Internetseiten. Da er über keine Vorkenntnisse bezüglich des Islam verfügte, hielt er die dort publizierten Inhalte für maßgeblich.[155]

Zu den Radikalisierungsmerkmalen führte P1 aus, dass man diese nicht zwangsläufig wahrnehmen müsse. Es gebe Personen, die ihre Radikalisierung vollständig verbergen können. Bei diesen Personen geschehe alles "hinter geschlossenen Türen", auch das Gebet und die Internetaktivitäten. Man bemerke die Radikalisierung erst, wenn es "zu spät" ist. Bei anderen sei es auffällig; sie distanzierten sich von ihrem Freundeskreis und redeten bevorzugt über "Nahostthemen" und ähnliches.[156]

P1 selbst hat sich anfangs ebenfalls sehr unauffällig verhalten; mit der Zeit hat er aber die Kontakte zu Freunden abgebrochen und ihre Religion herabgesetzt. Im weiteren Verlauf hat er Al Qaida gegenüber seinen Eltern verteidigt und ist mit seiner Einstellung immer "öffentlicher" geworden.[157]

P1 führte seine Radikalisierung u.a. auf die Koranausgabe zurück, die er sich aus dem Internet heruntergeladen hat. Dort seien z.B. Verse aus dem Kontext genommen worden. In einem "richtigen" Koran heißt es z.B., dass man keinen Menschen töten darf. Die betreffenden Verse in seinem Koran legten jedoch nahe, dass man keinen Muslim töten dürfe. Er habe dies als wahr empfunden, da er es nicht besser gewusst habe.[158]

Zur Dauer des Radikalisierungsprozesses gab P1 an, dass es bei ihm selbst nur wenige Tage gedauert habe. Nach nicht einmal einer Woche sei er bereit gewesen, "irgendwas in die Luft zu jagen". Die Dauer sei aber von Person zu Person sehr unterschiedlich.[159]

b) Aussagen zu Deradikalisierung und Prävention:

Die Frage, ob es Möglichkeiten gegeben hätte, ihn auf seinem Weg der Radikalisierung aufzuhalten oder den Prozess umzukehren, verneinte P1. Diejenigen, die gegen seine Radikalisierung gewesen wären, hätten sich ohnehin gar nicht darum bemüht.

Er selbst war zu sehr von der Richtigkeit seiner Ansichten überzeugt.[160]

Zudem war er Gegenargumenten aufgrund der Umfeldbedingungen ('gefälschter' Koran, radikale Prediger und deren Milieu) nicht mehr zugänglich.[161]

Als Personen, die generell in Präventions- oder Deradikalisierungsmaßnahmen eingebunden werden könnten, benannte P1 vorrangig muslimische Prediger, die nicht salafistisch ausgerichtet sind. In zweiter Linie kämen auch "normale" Muslime infrage, die keine Prediger seien, sich aber mit dem Islam auskennen.

Behörden, Lehrer oder Eltern lehnte er als Präventionsakteure ab: "Ja, also, ich habe bis jetzt noch niemanden erlebt, der durch Behörden, Lehrer, Eltern davon abgekommen ist."[162]

Hoffnung gebe es seiner Meinung nach nur für Personen, die noch am Anfang der Radikalisierung stünden. Diese sollten in Kontakt mit gemäßigten Predigern gebracht werden oder mit engen muslimischen Freunden reden.[163]

Insgesamt habe er aber wenig Hoffnung. Er kenne persönlich niemanden, der sich von seinen Ansichten habe abbringen lassen.[164]

Zum geeigneten Zeitpunkt möglicher Maßnahmen gab P1 an, dass dies bei den ersten Anzeichen (z.B. dem Konsum von Pierre-Vogel-Videos) geschehen müsse. Besser sei es allerdings, solche Tendenzen schon im Vorfeld durch gezielte Information zu verhindern.[165]

Zu seiner eigenen Deradikalisierung sagte P1 aus, dass muslimische Freunde eine wesentliche Rolle gespielt haben. Man habe ihm deutlich gemacht, dass er auf dem falschen Weg sei und ihm den Koran richtig erklärt. Er habe keine Gegenargumente gehabt. Er sei auch davon überzeugt, dass einige Salafisten keine Gegenargumente hätten, wenn man die richtigen Gründe anführe. Das heiße allerdings nicht, dass man sie damit überzeugen könne. Wichtig sei ein Mindestmaß an Bereitschaft, sich andere Sichtweisen anzuhören.[166]

Wenn Salafisten die Argumente ausgingen, würden sie sich darauf zurückziehen, dass ihr Gegenüber nichts vom Islam wisse.[167] Salafismus sei in erster Linie ein tiefes Gefühl, das aus dem Herzen käme. Das sei wie Liebe, die könne man auch nicht kontrollieren. "Selbst, wenn man sagt, nein, die Person will ich nicht lieben, das Herz sagt was anderes."[168]

Analyse:

Vor der Interviewsituation zeigte sich P1 zunächst sehr aufgeregt; dies konnte er auch so benennen. Seine Unsicherheit äußerte sich z.B. darin, dass er im Vorgespräch nachfragte, "in welche Richtung er denn antworten solle". Ihm wurde erklärt, dass es keine 'richtigen' oder 'falschen' Antworten gebe und auch kein Ergebnis in einer bestimmten Richtung erwartet werde. Er wurde aufgefordert, genau und detailliert seine eigene Sicht und Einschätzung zu den jeweiligen Fragen zu schildern. Die Nervosität legte dann sich sehr schnell nach Interviewbeginn.

P1 sprach häufig in sehr langen, ineinander verschachtelten Sätzen[169], ohne dass dies die Erfassung des Bedeutungsinhaltes wesentlich erschwerte. Seine zahlreichen, auch längeren Denk- bzw. Sprechpausen und seine Suche nach Formulierungen ließen den Schluss zu, dass er bemüht war, seine Gedanken verständlich und nachvollziehbar darzustellen.

Auf einige Inhalte kam er wiederholt zu sprechen, diese schienen ihm besonders wichtig. Dies war zum einen die Unwissenheit der Radikalisierten über den Islam aufgrund der falschen Informationen durch salafistische Prediger oder bestimmte Koranausgaben.[170] Zum anderen waren dies Aussagen, dass es nach seiner Einschätzung wenig Hoffnung auf den Erfolg von außenveranlassten Deradikalisierungs- oder Präventionsmaßnahmen gebe.[171]

Insgesamt war festzustellen, dass P1 trotz seiner teilweise unstrukturierten Erzählweise sehr reflektiert über seine Sichtweise, seine Erfahrungen und seine Einschätzung zum Thema berichten konnte. Das angestrebte Ziel, Erkenntnisse zu den Bereichen Radikalisierung, Deradikalisierung und Prävention zu gewinnen, konnte erreicht werden

Als wesentliches, extrahiertes Ergebnis des Interviews ist festzuhalten:

- Grund für Radikalisierung ist Unwissen und falsche, unreflektierte Information
- Radikalisierungsprozesse sind zunächst nicht unbedingt feststellbar
- bei fortgeschrittenem Radikalisierungsprozess äußert sich dies durch verstärkte Internetaktivität, Gesprächsfokussierung auf bestimmte Themen (Nahost, Verteidigung terroristischer Vereinigungen usw.) und Abbruch bisheriger Kontakte
- die Dauer des Radikalisierungsprozesses ist unterschiedlich, kann aber äußerst kurz sein
- Prävention sollte einsetzen, bevor Personen in Kontakt mit Salafismus kommen
- Deradikalisierung ist in einem Frühstadium des Prozesses möglich
- als Akteure kommen in erster Linie gemäßigte Prediger, nachrangig andere islamkundige Muslime und enge Freunde infrage
- Deradikalisierung durch Behörden, Lehrer, Eltern wird als nicht erfolgversprechend eingeschätzt
- erfolgreiche Deradikalisierung durch Maßnahmen von außen ist bei fortgeschrittenem Radikalisierungsprozess unrealistisch; ein Szeneausstieg kann in diesem Stadium nur noch intrinsisch motiviert sein

6.2.2 Interview mit Personen 2 und 3

Bei den Personen 2 und 3 (P2 bzw. P3) handelt es sich um ein Ehepaar aus einer Mittelstadt am Niederrhein. Beide sind 54 Jahre alt und Deutsche. Sie haben als höchsten Bildungsabschluss den Hauptschulabschluss; er (P2) ist Arbeiter, sie (P3) ist Hausfrau. Das Ehepaar ist evangelisch, hat den Glauben aber nie praktiziert. Sie sind Eltern eines 22-jährigen Konvertiten, der Mitte 2013 in den Jihad nach Syrien ausgereist ist, um dort für die Terror-organisation Islamischer Staat (IS) zu kämpfen. Knapp drei Monate nach dem Interview mit den Eltern und kurz vor Fertigstellung der vorliegenden Arbeit meldeten sich die interviewten Eltern und teilten mit, dass ihr Sohn bei einem Bombenangriff in Syrien getötet worden sei.

Der Sohn ist in der o.g. Mittelstadt geboren und aufgewachsen und verfügte über den Hauptschulabschuss (10. Klasse). Auch er war ursprünglich evangelisch und hat seinen Glauben ebenfalls nicht praktiziert. Eine Berufsausbildung hat er nicht abgeschlossen; bis zu seiner Ausreise hatte er mehrere

Gelegenheitsjobs.

Vor seiner Konversion war er nach Angaben seiner Eltern wegen ein oder zwei jugendtypischen Delikten aufgefallen, nach seiner Konversion wurde er im Zusammenhang mit einer gewalttätigen Demonstration mit salafistischem Hintergrund wegen Landfriedensbruch verurteilt.

Zusammenfassung des Interviews:

a) Aussagen zu den Ursachen bzw. Merkmalen der Radikalisierung:

Die interviewten Eltern bemerkten erstmalig eine Veränderung ihres Sohnes, als dieser abrupt und überraschend mit dem Fußballspielen aufhörte. Als Begründung nannte er, dass er "jetzt zum Islam geht".[172] In der Folgezeit hielt er sich oft in einem für seine salafistische Szene einschlägig bekannten Stadtteil auf und bewegte sich viel im Internet.[173] Aufgefallen ist, dass er zunächst "lieb geworden" ist. Vorher war er durch seine Aggressivität aufgefallen.[174] Der Vater (P2) gab an, dass er seinen Sohn getestet habe: Er habe Bin Laden beleidigt, daraufhin sei ihm sein Sohn "bald am Kragen gegangen". Von da an habe P2 Bescheid gewusst.[175] Er habe bei seinem Sohn auch einen Hass gegen Israel und Amerika wahrgenommen.[176]

Im weiteren Verlauf der Radikalisierung habe der Sohn fünfmal täglich gebetet und ein islamisches Gewand getragen. Auch seine Ernährung habe er verändert; die Mutter durfte nur noch in türkischen Geschäften einkaufen.[177]

Er habe Fernsehberichte dahingehend kommentiert, dass unschuldige Muslime getötet würden und Amerika schuld wäre. Er habe sich dadurch verpflichtet gefühlt, den Muslimen zu helfen.[178]

Der Sohn wird als "wie besessen" geschildert. Versuche, mit ihm zu reden, seien vergeblich gewesen; er sei dann "richtig grantig" geworden.[179]

Zur Radikalisierungsdauer vom Anfang bis zur vollständigen Radikalisierung gaben die Interviewten an, dass diese Entwicklung sehr langsam vor sich gegangen sei.[180] Es habe ca. drei bis vier Jahre gedauert.[181]

Zu den möglichen Ursachen gaben die Interviewten an, dass "die Leute" ih- ren Sohn stark beeinflusst und einer "Gehirnwäsche" unterzogen hätten.[182]

Beide Elternteile vermuten auch, dass die Radikalisierung im Zusammenhang mit dem hohen, vielfach muslimisch geprägten Ausländeranteil an der Schule ihres Sohnes zusammenhängen könnte.[183]

b) Aussagen zu Deradikalisierung und Prävention:

Als mögliche Präventions- oder Deradikalisierungsakteure benannten die Eltern Psychologen und die Polizei.[184] Geeignete Maßnahmen seien Vorträge an Schulen, damit die Jugendlichen schon vorher aufgeklärt werden. Dies solle ab dem Alter von ca. 13 Jahren stattfinden.[185]

Bezüglich ihres Sohnes hatten die Befragten keine Vorstellung, wer ihnen hätte helfen können. Ihr Sohn sei völlig unzugänglich gewesen.[186] Beide können sich nicht vorstellen, dass überhaupt Hilfe möglich gewesen wäre. Vielmehr glauben sie, dass ohne die Bereitschaft ihres Sohnes keine Maßnahmen möglich gewesen wären.[187]

Die Frage nach Maßnahmen bei schon fortgeschrittener Radikalisierung bezog P2 auf seinen Sohn. Im Falle seiner Rückkehr müsse man ihn "einsperren, vom Islam isolieren, dass der gar kein Kontakt mehr dazu hat für eine gewisse Zeit."[188]

Maßnahmen sollten bei den ersten, kleinen Anzeichen beginnen[189]. Bis zu einem halben Jahr Szenezugehörigkeit sehen die Eltern noch die Möglichkeit der Deradikalisierung, nach drei Jahren nicht mehr.[190] Dann kann von außen nicht mehr auf die Person eingewirkt werden: "Er kann das ja nur von alleine wollen."[191]

Analyse:

Die befragten Eltern machten einen hilflosen und völlig überforderten Eindruck. Dies schien allerdings weniger an der Interviewsituation zu liegen, sondern an den generell belastenden Umständen, da die o.g. Wahrnehmung auch bei Telefonaten vor und nach dem Interview festzustellen war.

Ihre Hilflosigkeit im Umgang mit der Radikalisierung ihres Sohnes und dessen Abreise nach Syrien, wurde mehrfach deutlich. So wurde die Theorie geäußert, dass ihr Sohn in einer Moschee "aussortiert" wurde:

"P2: Wird man da, ich denke mal so, aussortiert. Was zu gebrauchen ist, werden die Namen weiter gegeben. So stelle ich mir das vor. Dann kommen Salafisten, die kümmern sich darum, die zu gebrauchen sind.

P3: Ja, er ist ja auch ein kerniger Bursche, so (…) er ist jetzt nicht dünn oder schmächtig, auch nicht zu dick, also er ist wendig (Wort unverständlich) können sie gebrauchen."[192]

Die Hilflosigkeit wurde auch nach dem Interview durch eine Bemerkung bei der Verabschiedung deutlich. Beide klammern sich an den Gedanken, dass ihr Sohn nicht zum jihadistischen Kampf in Syrien sei, sondern dort humanitäre Hilfe leiste. Auf die Frage zu einer möglichen Deradikalisierung können die Befragten nur unkonkrete Vorschläge machen ("irgendwie die Hand draufhalten"[193] ), sie wirken abermals unsicher und überfordert.

Deutlich wird auch der Selbstvorwurf, die Radikalisierung ihres Sohnes nicht ernstgenommen zu haben[194] und ihn seinerzeit auf einer Schule mit hohem Anteil muslimischer Schüler angemeldet zu haben.[195]

Insgesamt erbrachte die Befragung weniger deutliche Erkenntnisse als das Interview mit P1. Ursache hierfür dürfte sein, dass P2 und P3 intellektuell nur eingeschränkt zu einer reflektierten Betrachtung der Thematik fähig schienen. Anders als P1 waren sie auch nicht in der Lage, ihre Antworten zu generalisieren bzw. abstrahieren, sondern bezogen sie jeweils unmittelbar auf ihren Sohn.

Ein aufschlussreiches Ergebnis des Interviews geht allerdings aus der Analyse der Gesamtsituation hervor: Die Ratlosigkeit der Eltern schon im Anfangsstadium der Radikalisierung wurde während des gesamten Gespräches in der Intonation des Gesagten und in hilflosen Gesten deutlich. Auch die bezüglich der Problematik getätigten Aussagen "Aber heute, die sind ja gewarnt jetzt, was passiert in Syrien und so. Wir wussten davon ja noch nix, heute weiß man das ja, das ist der Unterschied."[196] und "Ja, heute weiß man mehr jetzt wie damals."[197] belegen dies. Für die Prävention könnte deshalb von Bedeutung sein, dass nicht nur Schüler im Unterricht frühzeitig über Radikalisierung und Salafismus aufgeklärt werden sollten, sondern im Rahmen von schulischen Informationsveranstaltungen auch die Eltern.

Die Ergebnisse des Interviews lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- mögliche Radikalisierungsursachen des Sohnes konnten nur hinreichend unkonkret benannt werden; dies war Manipulation bzw. Gehirnwäsche durch andere und ein hoher Anteil muslimischer Mitschüler an der Hauptschule
- Radikalisierungsmerkmale bezüglich des Sohnes waren die Aufgabe des Hobbys (Fußball), häufige Internetpräsenz, anfangs verminderte Aggressivität, später dann zunehmende Streitigkeiten, deutlicher Hass gegen Israel und USA, Verteidigung von Bin Laden, Änderung des Äußeren und der Ernährung, zunehmende Unzugänglichkeit
- Prävention sollte durch Information an den Schulen möglichst früh beginnen (ab dem 13. Lebensjahr)
- als Präventions- bzw. Deradikalisierungsakteure wurden Psychologen und Polizei und Muslime (ohne nähere Eingrenzung) genannt
- Deradikalisierung könnte durch völlige Isolierung von islamischen Einflüssen (durch "einsperren") erfolgreich sein
- nach längerem Zeitraum der Radikalisierung ist keine Hilfe von außen mehr möglich; der Betreffende kann sich nur noch aus eigenem Antrieb deradikalisieren

6.2.3 Interview mit Person 4

Bei Person 4 (P4) handelt es sich um eine Mitarbeiterin der IFAK e.V. (Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit) in Bochum. Sie leitet dort das Projekt "Beratungsnetzwerk für Toleranz und Miteinander"; hierbei handelt es sich um ein Beratungsangebot für Angehörige –in erster Linie Eltern- von Personen, bei denen die Gefahr salafistischer Radikalisierung im Raume steht. Die IFAK e.V. gehört in diesem Rahmen zu einem Beratungsnetzwerk, das bundesweit vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) koordiniert wird.

Hauptaufgabe des o.g. Projektes ist das Coaching und die Beratung von Eltern; Gespräche mit den der salafistischen Szene zugehörigen Kindern finden nur statt, wenn diese eine Beratung wünschen.

Person 4 ist in ihrer jetzigen Funktion seit 2012 tätig und arbeitet seit insgesamt 14 Jahren im Bereich Migration bzw. Förderung der Integration.

Zusammenfassung des Interviews:

a) Aussagen zu den Ursachen bzw. Merkmalen der Radikalisierung:

Eine der wesentlichen Ursachen für salafistische Radikalisierung sind laut der befragten Person P4 große biographische Brüche und psychiatrische Auffälligkeiten: "Aber so von der, wie gesagt, die Gemeinsamkeit, würde ich echt sagen, das sind biographische Brüche. Große biographische Brüche. Das kann man eigentlich, also müsste ich jetzt noch mal nachgucken, aber gefühlte neunundneunzig Prozent haben biographische Brüche in ihren Lebensläufen. Und was auch gefühlt stark vorhanden sind, sind (…) psychologische Brüche beziehungsweise psychiatrische Krankheiten. Also viele Jugendliche haben schon Aufenthalte in einer Klinik hinter sich und viele haben auch schon eine Psychotherapie hinter sich."[198] Auffallend oft sind diese biographischen Brüche familiär bedingt, z.B. durch Trennung oder Scheidung der Eltern.[199]

Ein geringer Bildungsstand als Radikalisierungsursache wird nicht bestätigt.[200] Oftmals ist vor der Radikalisierung eine allgemeinkriminelle Karriere festzustellen, die mit der Hinwendung zur Strenggläubigkeit endet. Ein bedeutender Faktor ist auch die Wertschätzung und Zuwendung der Gruppe.[201]

Auch die Beeinflussung durch die sozialen Medien ist laut P4 klar als Radikalisierungsursache zu sehen.[202] Insbesondere Mädchen und junge Frauen, so P4, radikalisieren sich hierdurch.[203] Bei Jungen und jungen Männern spielt dies zwar auch eine große Rolle; doch hier ist der persönliche Kontakt noch wichtiger.[204] Auch der Einfluss des Umfeldes spielt eine wichtige Rolle. P4 nennt hier ein Beispiel von zwei jungen Frauen, die sich außerhalb des salafistischen Umfeldes durchaus westlich kleiden und schminken.[205]

Ursachen, die der Befragten oftmals von den Eltern genannt oder vermutet werden, sind: "Mein Kind hat eine Gehirnwäsche bekommen"[206] oder "Ja, mein Kind war in der Klasse schon immer mit muslimischen Kindern zusammen"[207].

Zu den Merkmalen salafistischer Radikalisierung gibt P4 die Eindrücke der ratsuchenden Eltern wieder. Hier werden vor allem Verschleierung, andere Essgewohnheiten und Aufmüpfigkeit genannt. Auch der Vorwurf an die Eltern, "Ungläubige" und "Heuchler" zu sein, wird geschildert. P4 bewertet dabei die Einzelaspekte nicht unbedingt als Anzeichen, bei einer Bündelung könne aber durchaus von Radikalisierung gesprochen werden.[208]

b) Aussagen zu Deradikalisierung und Prävention:

Eine wesentliche Voraussetzung sowohl für Prävention als auch für Deradikalisierung ist der Kontakt zwischen den Eltern und Jugendlichen.[209] Dies bedeutet auch, dass die Eltern vor der Radikalisierung initiativ werden: "Nicht erst anfangen zu reagieren, sondern Eltern müssen eigentlich agieren. Immer. Immer agieren. Und nie reagieren."[210]

Wichtig ist laut P4 eine systemische Herangehensweise. In diesem Zusammenhang wird durch Mitarbeiter der Beratungsstelle das Umfeld des Jugendlichen betrachtet, um in dessen familiären oder sozialen Umgebung Vertrauenspersonen festzustellen. Über diese soll versucht werden, auf den Jugendlichen Einfluss zu nehmen.[211]

Eine maßgebliche, organisatorische Voraussetzung für Salafismusprävention ist ein intensiver Ausbau der Netzwerke von Projekten oder Beratungsstellen. Zusätzlich sollte das Thema Prävention mehr und auch anders in die Öffentlichkeit getragen werden.[212]

Von großer Wichtigkeit ist die Prävention an Schulen: "Die Schulen müssten FLÄCHENDECKEND, in jeder Schule müsste es islamischen, also islamisch-theologischen Unterricht geben, flächendeckend."[213] Die Jugendlichen sollen in der Schule über den Islam informiert werden und dadurch nicht notwendigerweise ihre Fragen zum Islam im Internet stellen, da sie dort mit hoher Wahrscheinlichkeit auf salafistische Webseiten gelangen.[214]

Weiter mahnt P4 auch die Öffnung des Wohlfahrtssystems an und fordert muslimische Wohlfahrtsverbände in Zusammenarbeit mit dem Staat. Dies soll den Islam stärker in die Gesellschaft tragen.[215]

Liberalen Predigern sollte ein größeres Forum in der Öffentlichkeit gegeben werden, während den salafistischen Predigern kein so umfangreicher Raum im Fernsehen überlassen werden sollte.[216]

Bezüglich beginnender Radikalisierungsprozesse appelliert P4 insbesondere an Lehrer, Polizei und auch Personen in einem sozialen Tätigkeitsbereich, solche Entwicklungen zu kommunizieren.[217]

Im Falle einer Heimkehr (damit dürfte die Rückkehr aus einem Jihad-Gebiet gemeint sein) sieht P4 wenig Ansätze für ihr Arbeitsgebiet, sondern vorrangig eine Aufgabe für die Polizei: "Also ich meine, wenn die wirklich zurückkehren und wieder hier einreisen, dann ist, dann muss die Polizei handeln. Da kann ich nichts anderes mehr erwarten. Von mir auch nicht erwarten. Oder von den Beratungsstellen erwarten."[218]

Für Akteure der Prävention in Beratungsstellen wird als wichtig erachtet, dass der entsprechende Aufgabenbereich die Haupttätigkeit der betreffenden Person ist: "Aber es reicht nicht, das MAL zu machen. Das geht nicht."[219]

Sinnvoll ist auch ein gemischtes Team, sowohl in religiöser als auch in geschlechtsspezifischer Hinsicht, um auf besondere Bedürfnisse und Anforderungen des Klientels eingehen zu können.[220]

Als weitere, mögliche Präventionsakteure (neben Lehrern, Sozialarbeitern usw.) werden auch christliche Geistliche genannt, da salafistisch radikalisierte Jugendliche zuweilen auch einen christlichen Hintergrund haben.[221]

Als Beginn von Präventionsmaßnahmen, wird, jedoch ohne nähere zeitliche Eingrenzung, die Schulzeit genannt,[222] an anderer Stelle auch schon der Kindergarten.[223]

Die Frage, ob es einen Zeitpunkt gibt, an dem Präventionsmaßnahmen nicht mehr möglich sind, verneinte P4.[224]

Analyse:

Der Person P4 war in der Interviewsituation der professionelle Hintergrund deutlich anzumerken; Ausführungen zu Reflexionsfähigkeit und Nachvollziehbarkeit der vermittelten Inhalte erübrigen sich daher. Überaus deutlich wurden die Schwerpunkte der fachlichen Einschätzung von P4 bezüglich einiger der abgefragten Erhebungsmerkmale. So wurden als Ursache der salafistischen Radikalisierung an vier Stellen des Interviews biographische Brüche bzw. die Familienbiographie genannt.[225] Andere mögliche Ursachen wurden nicht so nachdrücklich und häufig genannt wie die biographischen. P4 machte allerdings bei der Ursachenbenennung stets deutlich, dass diese Ursachen entweder von den Eltern der Betroffenen genannt wurden[226] oder dass diese Ursachen "gefühlt" zutreffen.[227] Absolute Aussagen werden bezüglich der Ursachen nicht getätigt.

Bezüglich der Merkmale machte P4 nur beispielhafte Angaben, die sich größtenteils auf die Beobachtungen der betroffenen Eltern stützen.[228] Hinsichtlich der Aussagen zu den Merkmalen schien es P4 insofern nicht wichtig, diese möglichen Anzeichen umfassend zu benennen. Maßgeblich war die Feststellung, dass einzelne Gesichtspunkte kaum Bedeutung haben: "Einzelne Dinge, einzelne Aspekte würden jetzt nicht auf eine Radikalisierung hindeuten, aber die Kumulation des Ganzen, die vielfältigen Aspekte. Also das würde ich so als Radikalisierung deuten."[229]

Aufgrund ihrer Tätigkeit lag der inhaltliche Schwerpunkt der Ausführungen von P4 auf der Präventionsthematik. Hier redete sie sowohl über die Inhalte der eigenen Präventionsarbeit als auch über ihre generellen politischen und gesellschaftlichen Forderungen bezüglich der Salafismusprävention. Mehrfach wies sie auf die Wichtigkeit einer systemischen Betrachtungsweise in der Durchführung präventiver Maßnahmen.[230] Wichtig ist es dementsprechend, das gesamte Umfeld des Jugendlichen zu betrachten. Dies kann einerseits dazu verhelfen, Ursachen für die Radikalisierung zu erkennen[231], andererseits können in der systemischen Betrachtung möglicherweise Ansatzpunkte für Deradikalisierungsstrategien erkannt werden.[232] Hierbei wird untersucht, wer aus dem persönlichen Umfeld des Betroffenen noch Einfluss auf denjenigen haben könnte, um diese eventuelle Bezugsperson in die Deradikalisierungs- bzw. Präventionsmaßnahmen mit einzubinden.

Ganz entscheidend war für P4 die Aufrechterhaltung des Kontaktes zwischen Bezugspersonen (in der Regel die Eltern) und dem Jugendlichen. P4 bekräftigte diesen Umstand während des Interviews an sechs verschiedenen Stellen innerhalb der Befragung.[233] Der Kontakt ist demnach in jeder Phase einer möglichen Radikalisierung von hoher Bedeutung, sei es schon ganz zu Beginn einer möglichen Radikalisierung oder auch erst nach einer eventuellen Ausreise der betroffenen Person in ein Jihadgebiet.

Eine zentrale bildungspolitische Forderung ist die Implementierung einer umfassenden Aufklärung im Rahmen der Schulausbildung. Hier sollen die Grundzüge eines moderaten und modernen Islam möglichst früh vermittelt werden. Dies soll verhindern, dass radikale Prediger mit ihrer salafistischen Islamauslegung mangelhaft informierte Jugendliche beeinflussen können.[234]

Widersprüchlich erschien die Einschätzung zu Präventionssausichten bei einem weit fortgeschrittenen Radikalisierungsprozess. Einerseits gibt P4 an, dass z.B. bei Rückkehrern aus einem Jihadgebiet Prävention kaum mehr möglich sei und von Beratungsstellen nicht mehr geleistet werden kann.[235] An anderer Stelle erklärt P4, dass es keinen Zeitpunkt gibt, an dem Prävention nicht mehr möglich wäre.[236] Der zuletzt geäußerte Standpunkt kann möglicherweise jedoch als 'professioneller Zweckoptimismus' gedeutet werden.

Im Wesentlichen lassen sich die wichtigsten Positionen von P4 wie folgt komprimiert zusammenfassen:

- als Ursachen werden in erster Linie erhebliche biographische Brüche genannt; weiterhin kommen auch psychologische Ursachen sowie Anerkennung und Beeinflussung in der salafistischen Bezugsgruppe infrage
- der Bildungshintergrund wird als eher unerheblich eingeschätzt
- auf Radikalisierungsmerkmale wird nur am Rande eingegangen; als sichere Anzeichen wird nur die Bündelung mehrerer verschiedener Aspekte gedeutet
- wesentlich für die unmittelbare Präventions- und Deradikalisie-rungsarbeit ist es, in einer systemischen Betrachtung des persönlichen Umfeldes Ansatzpunkte für Maßnahmen zu finden
- ebenfalls erforderlich ist der ständige Kontakt zwischen Eltern und Kind
- institutionelle Voraussetzung für Prävention sind die enge Vernetzung der Präventionsakteure, flächendeckender schulischer Islamunterricht und die Einrichtung muslimischer Wohlfahrtsverbände
- Präventionsakteure sind neben dem unmittelbaren sozialen Umfeld vor allem Lehrer, Polizei und Personen in einem sozialen Tätigkeitsbereich sowie liberale muslimische Prediger

6.2.4 Interview mit Person 5

Die interviewte Person (P5) ist Referentin und Koordinatorin beim Projekt "Wegweiser" des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes NRW, Abt. Verfassungsschutz. Sie ist seit fünfeinhalb Jahren im Präventionsbereich tätig.

Eine inhaltliche Zusammenfassung des Interviews erscheint an dieser Stelle wenig zweckmäßig, da aufgrund der Interviewsituation das Gespräch bereits weitgehend komprimiert verschriftlicht wurde und in dieser Form im Anhang beigefügt ist.

Analyse:

Die Interviewsituation lässt sich analog zu P4 bewerten. Auch P5 bot durch ihren professionellen Hintergrund keine Ansatzpunkte für eine nähere Betrachtung ihres Gesprächsverhaltens oder sprachlicher bzw. intellektueller Besonderheiten. Die hohe sprachliche Präzision und inhaltliche Dichte der Antworten erschweren eine Analyse auch des Bedeutungsgehaltes der erhobenen Daten. Eine besondere Schwerpunktsetzung hinsichtlich der abgefragten Items erfolgt durch P5 nicht. Auch mögliche Widersprüche innerhalb der Aussagen konnten nicht festgestellt werden.

Besonders betont werden sollte die Sichtweise bezüglich einer möglichen Deradikalisierung zum Zeitpunkt eines sehr weit fortgeschrittenen Radikalisierungsprozesses:

"Ebenso, wie biographische Brüche eine Person zur Radikalisierung veranlasst haben, können erneute biographische Brüche diesen Prozess umkehren. Dies ist dann aber ein Prozess, der von außen, also von den Akteuren der Salafismusprävention, nicht gesteuert oder ausgelöst werden kann."[237]

Letztlich bleibt als analytische Betrachtung lediglich die komprimierte Zusammenfassung der wesentlichen Kerninhalte des Interviews:

- als mögliche Ursachen bzw. Auslöser salafistischer Radikalisierung nennt P5 eine allgemeinkriminelle Vorkarriere, Identitätsprobleme, Probleme mit Eltern oder Schule sowie biographische Brüche[238]
- Merkmale der Radikalisierung können der plötzliche Abbruch oder Wechsel von sozialen oder auch familiären Kontakten, Übernahme extremistischer Positionen, Ablehnung bisheriger Autoritäten, Besuch einschlägiger Moscheen, Teilnahme an "Lies"-Ständen, Androhung der Hölle gegenüber 'Ungläubigen' sowie vermehrte Nutzung salafistischer Internetseiten sein. Diese Merkmale können nach und nach, aber auch zeitgleich oder in zeitnaher Abfolge auftreten[239]
- wesentliche Punkte der Prävention sind die Sensibilisierung von Eltern, Schulen und Einrichtungen der Jugendarbeit hinsichtlich der Früherkennung von Radikalisierung sowie regelmäßiger Netzwerkaustausch der Präventionsakteure[240]
- bedeutsame Aspekte der Deradikalisierung sind "gezielte Projekt- Jugend- und Sozialarbeit"[241], Vermeidung des Kontaktabbruches zwischen der radikalisierten Person und den Angehörigen und diesbezüglich konkrete Kommunikationstipps für die Angehörigen[242],
- bei fortgeschrittener Radikalsierung sind Maßnahmen kaum noch durchführbar; die Gefahrenabwehr durch Sicherheitsbehörden ist hier vorrangig[243]. Als Akteure der Prävention bzw. Deradikalisierung werden Schulen, Beratungsnetzwerke und das soziale Umfeld Betroffener genannt[244]
- der Zeitpunkt für Präventionsmaßnahmen sollte möglich früh gewählt werden (in der Schule, durch gezielte Lehrerfortbildung)[245]

7. Selbstreflexion / Kritik

7.1 Methode

Es muss vorausgeschickt werden, dass der Literaturteil dieser Arbeit einen hohen Umfang aufweist. Dies war deshalb wichtig, da ein fundierter Überblick über Ideologie, Ursachen und Merkmale des Salafismus für das Verständnis der Problemfelder bezüglich der Prävention und Deradikalisierung notwendig erschien.

Die gewählte Methode des Experteninterviews stellte sich insgesamt als geeignete Vorgehensweise heraus, um Erkenntnisse zum Forschungsgegenstand zu gewinnen. Als schwierig erwies sich hierbei jedoch die Suche und Auswahl nicht professionell mit dem Thema befasster Interviewpartner. Aussteiger aus der salafistischen Szene gibt es bislang kaum; zudem dürften die meisten dieser Aussteiger ihren Rückzug aus der Szene aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich machen. Bei betroffenen Angehörigen zeigte es sich, dass die Bereitschaft zur Durchführung eines Interviews in der Regel eher gering war.

Es ist nach Betrachtung der erzielten Ergebnisse aber zu erwarten, dass weitere qualitative Untersuchungen bei Angehörigen und Aussteigern zu tieferen und vielleicht neuen Gesichtspunkten bezüglich der Radikalisierungsgründe und der Präventionsmöglichkeiten führen könnten.

In der Konzeption des Leitfadens war die Frage nach Radikalisierungsursachen nicht vorhanden. Da der Leitfaden jedoch lediglich als Gerüst diente, wurden die interviewten Personen, sofern sie sich nicht von selbst äußerten, in der konkreten Gesprächssituation befragt.

Der qualitative Teil dieser Arbeit kann mit lediglich vier Interviews natürlich nur einen denkbar geringen Ausschnitt eines großen, aber in weiten Teilen noch unbearbeiteten Forschungsgebietes geben. Insofern soll diese Arbeit auch nicht als ergebnisorientierte Forschungsarbeit, sondern als Mosaikstein in dem wissenschaftlich noch unzureichend beackerten Feld der Salafismusprävention dienen.

7.2 Durchführung

In der Nachbereitung der Interviews wurde erkannt, dass die Formulierung der Fragen deutlicher und prägnanter hätte ausfallen müssen. Gemeint sind hierbei nicht die im Leitfaden formulierten Fragen, sondern die direkte Umsetzung der Befragung im Interview. In der Interviewsituation wirkten die Fragen häufig sprachlich nicht klar und eindeutig, wenngleich sie zumeist im Sinne ihrer Intention verstanden und beantwortet wurden.

An manchen Stellen der Interviews fiel im Nachhinein auf, dass gezieltere Nachfragen sinnvoll für einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gewesen wären.[246]

8. Zusammenfassung und Fazit

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Präventions- und Deradikalisierungsstrategien sowohl anhand der vorliegenden Literatur als auch durch eigene Erhebungen in Form von Interviews darzustellen und zu vergleichen. Die vorherige, intensive Beschäftigung mit Radikalisierungsursachen und -mecha-nismen war hierfür eine wesentliche Voraussetzung.

Die Gründe für Radikalisierung werden in der Literatur zwar zum Teil unterschiedlich bewertet; widersprüchliche Positionen im Sinne eines wissenschaftlichen Diskurses gibt es allerdings nicht. Der Grund hierfür könnte darin liegen, dass die diesbezüglichen Sichtweisen auf einer Vielzahl von Faktoren basieren, die bei jedem Individuum verschieden sind oder sein können. Auch die Auswertung der durchgeführten Interviews bestätigte dies.

Insgesamt muss festgestellt werden, dass die Faktoren salafistischer Radikalisierung, anders als die Faktoren der Allgemeinkriminalität, von einer sehr hohen Dynamik gekennzeichnet sind. Aktuelle, oftmals nicht vorhersehbare Entwicklungen können vermutlich einen starken Einfluss auf Radikalisierungsprozesse nehmen. So ist z.B. anzunehmen, dass das Auftreten der PEGIDA-Thematik oder 'erfolgreich' durchgeführte Anschläge (siehe Paris) als 'Radikalisierungsmotor' fungieren können. Dies dürfte die Arbeitsfelder Prävention und Deradikalisierung erheblich erschweren.

Im Bereich der Prävention gibt es durchaus unterschiedliche Standpunkte, bei denen es in erster Linie um die möglichen Akteure der Prävention geht.

Ein erbitterter Wissenschaftsstreit ist hier allerdings ebenso wenig festzustellen wie unverrückbare, betonierte Positionen.

Im Folgenden werden die aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse und die Ergebnisse der durchgeführten Interviews abgeglichen und vor dem Hintergrund der Ausgangsfragestellungen (Ist Salafismusprävention möglich? Wie kann Salafismusprävention konkret ausgestaltet werden? Durch welche Akteure kann dies geschehen?) überprüft und bewertet. Eine zusätzliche vergleichende Darstellung der Radikalisierungsursachen und -merkmale soll aufgrund des gewählten Themenschwerpunktes Prävention/Deradikalisie-rung nicht erfolgen. Aufgeführt werden zudem vorwiegend Aspekte, die in der Literatur und den Interviews mehrfach genannt wurden. Eine Unterscheidung zwischen Maßnahmen und handelnden Akteuren ist zumeist nicht erforderlich, da die meisten genannten Handlungsoptionen im Präventions- oder Deradikalisierungsbereich auch implizit die infrage kommenden Akteure benennen.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Aussagen in der Literatur und in den Interviews nicht wesentlich differieren oder sich widersprechen.

Der Auf- und Ausbau von Netzwerken und die damit verbundene Einbindung aller Personen und Institutionen, die mit der Zielgruppe Berührungspunkte haben, ist der zentrale und meistgenannte Aspekt bezüglich Salafismusprävention. Ebenfalls großer Konsens herrscht über die Bedeutung der Einbindung moderater muslimischer Institutionen oder Personen in die Präventions- bzw. Deradikalisierungsarbeit; dies wird mehrfach sowohl in der Literatur als auch in den Interviews genannt. Islamunterricht als Gegengewicht zu den Islamseminaren und Internetvorträgen der salafistischen Prediger sowie auch generell eine Förderung der sozialen, politischen und geschichtlichen Bildung und der interkulturellen Kompetenz sind weitere, zentrale Punkte in Literatur und Interviews. Ein weiterer, zumindest zweimal genannter Aspekt ist das gezielte, kritische Hinterfragen der islamistischen Ideologie und das Verhindern von "Tipping Points", insbesondere bezüglich behördlichen Handelns. In den Interviews wird durch die befragten Präventionsakteure mehrfach auf die Bedeutung des Kontaktes zwischen Eltern und der radikalisierten Person hingewiesen.

Uneinigkeit besteht bezüglich der Rolle von Schulen bzw. Lehrern als Akteuren der Prävention, dies wird zwar mehrheitlich durch die Forderungen nach Islamunterricht, Förderung der politischen Bildung und Lehrerfortbildungen befürwortet; aber teilweise auch kritisch beurteilt.

In dem vorgestellten Präventionsprojekt "Dialog macht Schule", aber auch in dem beendeten Projekt "Ibrahim trifft Abraham" und in weiteren Konzepten spielen die interreligiöse Begegnung und der daraus resultierende Dialog eine wesentliche Rolle.

Die Einbindung islamistischer, aber gewaltablehnender Prediger in die Präventionsarbeit stellt zwar in der Literatur eine Ausnahme dar, scheint aber durchaus nachvollziehbar, logisch konsistent und könnte als niedrig-schwellige Option zumindest in Erwägung gezogen werden.

Die in der Literatur und in den Interviews festgestellten bzw. erhobenen und sich überwiegend deckenden Befunde sind vor dem Hintergrund des augenblicklichen Forschungsstandes zunächst durchaus generalisierbar, da es kaum Ansatzpunkte für kritisches Hinterfragen der meisten Aspekte gibt. Dies mag daran liegen, dass kritische, wissenschaftliche Repliken auf einzelne Positionen aufgrund der Aktualität der vorliegenden Literatur (die verwendeten Veröffentlichungen entstammen überwiegend den Jahren 2012-2014) eventuell noch nicht publiziert sind. Hauptgrund dürfte jedoch der schon mehrfach erwähnte unzureichende Forschungsstand sein: Es können Forschungsergebnisse nicht kontrovers diskutiert werden, wenn nicht genügend vergleichbares Material vorliegt.

Nach bisheriger Einschätzung kann jedoch auch davon ausgegangen werden, dass künftige Ergebnisse die bisherigen Erkenntnisse nicht widerlegen, sondern eher ergänzen werden.

Unter diesem Blickwinkel ist auch der Aussagewert dieser Arbeit zu beurteilen. Es wurden zwar keine wesentlichen neuen Erkenntnisse erlangt; dies wurde aber weder erwartet noch erhofft. Eine Befragung der eigentlich relevanten Zielgruppe, nämlich der radikalisierten Salafisten, ist in hohem Maße problematisch und schwierig durchzuführen. Vor diesem Hintergrund wird das Erlangen relevanter Informationen auch weiterhin solange diffizil bleiben, bis eine größere Anzahl von Szeneaussteigern existiert, die in qualitative oder quantitative Erhebungen eingebunden werden können.

Die Bedeutung dieser Arbeit sowohl für den wissenschaftlichen Diskurs als auch für die Präventionspolitik und -praxis kann daher primär lediglich in einer Bestätigung und Verfestigung des bisherigen Kenntnisstandes liegen.

Insgesamt können die gestellten Ausgangsfragen nur teilweise als beantwortet gelten: Ob Salafismusprävention möglich ist, kann erst durch die weitere, wissenschaftliche Evaluierung von Präventionsprojekten erforscht werden. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dies zeitlich und finanziell einen erheblichen Aufwand bedeuten würde. Für eine wirklich aussagekräftige Evaluierung würde es vermutlich nicht reichen, Präventionsmaßnahmen in einer Risikogruppe wissenschaftlich zu begleiten. Zeitgleich müsste eine ähnlich zusammengesetzte Gruppe beobachten werden, bei der keine Präventionsmaßnahmen durchgeführt werden. Nur durch diesen Vergleich könnten Aussagen getroffen werden, die wissenschaftlichen Kriterien genügen würden.

Ähnliches gilt grundsätzlich für die Frage nach der konkreten Ausgestaltung von Prävention und für die Frage, welche Akteure einzubinden sind. Auch hier lassen sich ohne weitere Forschung keine gültigen Aussagen treffen. Mögliche Akteure werden zwar sowohl in der Literatur als auch in den Interviews benannt; verifizieren lässt sich deren Erfolg jedoch vorerst nicht.

Aus den Ergebnissen der Literatur- und Interviewauswertung generierten sich einige weiterführende Fragen, auf die bislang im Zusammenhang mit der Salafismusthematik wenig bzw. gar nicht eingegangen wurde. Eine hieraus resultierende, allerdings zunächst unkonkrete und allgemein gehaltene Frage könnte lauten: Welche Aspekte, sowohl was die Ursachen der Radikalisierung als auch die Frage der Prävention und Deradikalisierung anbelangt, sind bisher gänzlich übersehen oder nur unzureichend beachtet worden?

Ebenfalls könnte die Frage nach den Ursachen einer Nicht-Radikalisierung gestellt werden: Was unterscheidet bei gleichen sozialen Voraussetzungen und Milieus Menschen, die in ein radikales Umfeld abgleiten, von jenen, die das nicht tun? Könnten dies bestimmte soziale Kompetenzen sein? Und wenn ja, könnte man mit gezielten kompetenzfördernden Maßnahmen auf soziale Defizite einwirken und protektive Faktoren stärken?

Zuletzt stellt sich die Frage, ob hinsichtlich eines gewalttätig ausgerichteten Jihadismus tatsächlich immer eine religiöse Komponente hauptursächlich ist. Wäre es nicht möglich, dass bei einigen Personen eine Neigung zu extremer Gewalt im Vordergrund steht? Insbesondere bei den Personen, die zur Teilnahme am Jihad nach Syrien ausreisen, könnte in einem solchen Fall Religion nur als mögliche Rechtfertigung vorgeschoben sein. Dies hätte zur Folge, dass vor dem Einsetzen von konkreten Präventionsmaßnahmen zunächst von Fall zu Fall unterschieden werden muss, ob eher eine religiös-politische Motivation oder ein Verlangen nach Gewaltausübung im Vordergrund stehen könnte.

Die Antworten werden vermutlich so lange offen bleiben müssen, bis diese Punkte wesentlich mehr erforscht sind, als dies zum jetzigen Zeitpunkt der Fall ist.

Eine wesentliche, aber zugleich die vielleicht schwierigste Aufgabe, die den Akteuren der Salafismusprävention zufällt, ist es, ihrer Zielgruppe zu verdeutlichen, dass die Welt weitaus komplexer ist, als es der Salafismus in seiner dualistischen Weltsicht vermittelt. Da aber der Reiz dieser einfachen Sichtweise einer der Kernpunkte salafistischer Ideologie ist, scheint eine solche Aufgabe wahrlich ein gordischer Knoten zu sein: Wie kann man Jugendlichen die Komplexität und kulturelle Vielfalt der Welt positiv vermitteln, wenn sie möglicherweise genau daran zu verzweifeln drohen?

Nachfolgend sollen Vorschläge oder Denkanstöße formuliert werden, die in der Literatur bislang nicht oder nur am Rande behandelt wurden.

Dialog und Begegnung gehören zu den Kernpunkten der meisten Präventionsprojekte. Möglicherweise wäre es hier ein denkbarer Weg, solche Dialogprojekte nicht nur interreligiös, sondern auch 'interextremistisch' durchzuführen und damit die Prävention des Salafismus als auch des Rechtsextremismus zu verbinden. Jugendliche mit erhöhten entsprechenden Risikofaktoren oder schon aufgetretenen Anzeichen für salafistische oder rechte Radikalisierung könnten in gemischten Dialoggruppen Einsicht in die Lebenswelten und vor allem Vorbehalte und Ängste des jeweils anderen gewinnen. Ein eventuell durch den Austausch und gemeinsam durchgeführte Freizeitprojekte entstehendes gemeinsames Gruppengefühl könnte hier wesentlich zu einem anzustrebenden Lernziel 'Toleranz' beitragen.

Sowohl für die Prävention als auch für die Deradikalisierung lässt sich ein möglicher Zwiespalt erkennen: Aufgrund der Brisanz und Sensibilität des Themenfeldes scheinen sich Experimente einerseits von vorneherein zu verbieten. Andererseits könnte es gleichzeitig aufgrund der dürftigen wissenschaftlichen Erkenntnislage angebracht sein, neue und bislang unerprobte oder unkonventionelle Wege zu gehen. Eine Möglichkeit wäre, sich die Methoden der salafistischen Prediger zu verdeutlichen und zumindest in Teilen zu übernehmen und für Gegenmaßnahmen zu verwenden.

In diesem Zusammenhang fiel auf, dass der emotionale Aspekt der Radikalisierung in der Literatur zwar erkannt, aber nicht adäquat und konsequent zur Konzeption von Gegenstrategien herangezogen wird. Salafistische Prediger nutzen den Umstand, dass Religion eine weniger rationale, dafür aber höchst spirituelle und auch affektive Basis hat. Sie arbeiten deshalb vorwiegend auf einer emotionalen Ebene: Einerseits erzeugen sie Angst durch die Androhung der Hölle, andererseits stellen sie die Wertschätzung, Akzeptanz und Anerkennung durch die Gemeinschaft in Aussicht. An diesem Punkt könnte durchaus überlegt werden, welche Fachrichtung ebenfalls mit emotionalen Anknüpfungspunkten arbeitet. Höchst erfolgreich ist das im Bereich der Werbepsychologie der Fall. Ein denkbarer, wenngleich höchst ungewöhnlicher Ansatz wäre es, Erkenntnisse und Strategien dieser Wissenschaftsdisziplin auf ihre Eignung für Prävention und Deradikalisierung zu prüfen. Der mögliche Blickwinkel könnte hier sein, dass die radikalisierte Person ein potentieller Kunde ist, dem etwas verkauft werden soll, was er eigentlich nicht haben will: Deradikalisierung.

Die betreffende Person wird sich vermutlich als schwieriger Kunde herausstellen. Die üblichen, sonst positiv konnotierten Auslöser und Anreize (z.B. Genuss, Erotik, Freiheit) dürften bei radikalisierten Salafisten nicht funktionieren. Es könnten jedoch positiv besetzte Schlüsselreize aus der Zeit vor der Radikalisierung als Anknüpfungspunkte für einen emotionalen Zugang gewählt werden. Auf diese Weise könnten Bedürfnisse geweckt oder wiedererweckt werden, die vielleicht grundsätzlich und verborgen noch vorhanden sind und den Weg in ein gesellschaftskonformes Leben weisen könnten.

Für die Bereiche Prävention und Deradikalisierung ist es nach Analyse und Bewertung der vorliegenden Erkenntnisse sowohl aus der Literatur als auch aus den Interviews wünschenswert, dass Präventionsprojekte auf Dauer angelegt sind. Hierzu wären erhebliche finanzielle Mittel bereitzustellen. Zu finanzieren ist nicht nur die Ausweitung bestehender und die Einrichtung weiterer Präventionsprogramme und –projekte, sondern auch deren wissenschaftliche Begleitung und Evaluation. Ebenfalls erstrebenswert ist eine wesentlich intensivierte Forschungstätigkeit bezüglich der Ursachen und Radikalisierungsmechanismen des Phänomens Salafismus. Wichtig scheint auch, zukünftige Forschung nicht isoliert am Thema Salafismus auszurichten, sondern vergleichend mit anderen Feldern der Extremismusforschung zu verknüpfen. Nur im Vergleich mit Radikalisierungsursachen aus dem links- und rechtsextremen Bereich kann das Phänomen Salafismus gültig bewertet werden.

Insgesamt kann konstatiert werden, dass sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen der Salafismusprävention noch nicht abschließend beurteilt wer-den können. Nach Würdigung der hier verwendeten Literatur und der geführten Interviews kann die Erkenntnis kaum überraschen, dass Salafismusprävention möglichst schon deutlich im Vorfeld, auf jeden Fall aber bei den ersten Anzeichen beginnender Radikalisierung einsetzen sollte. Dass Salafismusprävention möglich ist, kann weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Auf welche Weise und mit welchen Mitteln dies geschehen sollte, muss die zukünftige und weiterführende wissenschaftliche Begleitung von Präventionsprogrammen und –projekten zeigen.

Grenzen der Prävention bzw. Deradikalisierung scheinen erreicht, wenn der Radikalisierungsprozess bereits fortgeschritten ist. Gezielte Maßnahmen von außen sind dann vermutlich nur noch sehr bedingt erfolgversprechend; der Wille zur ideologischen Umkehr kann in diesem Fall weitgehend nur noch intrinsisch motiviert sein. Äußere Faktoren und Auslöser, wie z.B. erneute Biographiebrüche oder negative Erfahrungen innerhalb der radikalisierten Szene, mögen dann auch weiterhin eine große Rolle spielen. Diese Faktoren jedoch gezielt herbeizuführen, dürfte schwer realisierbar sein.

Letztlich bleibt festzustellen, dass Salafismusprävention ein dringliches, doch gleichermaßen auch ein ungemein komplexes, schemenhaftes und ungeordnetes Problemfeld darstellt.

Glossar

Vorbemerkung: Die meisten der aufgeführten Begriffe werden sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch in den Printmedien in unterschiedlichen Schreibweisen benutzt.

Da'wa (deutsch: Einladung):

Da'wa ist als Aufklärung, Werbung und Missionierung für den Islam zu verstehen. Da'wa-Arbeit ist Pflicht für jeden Muslim; hierunter fallen z.B. Missionierung in Justizvollzugsanstalten, Drogenhilfe, aber auch das Betreiben einschlägiger Internetseiten und die Durchführung von Koranverteilungsaktionen und Islamseminaren.[247]

Hadithe (deutsch: Erzählung, Bericht):

Berichte über Taten und Aussagen des Propheten. Da das Leben des Propheten als vorbildlich gilt, sind diese Hadithe in einer Sammlung vereinigt (gSunna) und gelten als wichtige Grundlage des islamischen Rechts.

Jihad (deutsch: Bemühung, Anstrengung):

inneres Ringen eines jeden Muslims, durch Vervollkommnung ein gottgefälliges Leben zu führen (großer Jihad); der 'kleine Jihad' meint hingegen den (auch bewaffneten) Kampf gegen Ungläubige.[248]

Kuffar (Pl., deutsch: Ungläubige, Sg. Kafir)

jeder, der nicht an Allah und an Muhammed, seinen Propheten, glaubt.[249]

Kufr (deutsch: Unglaube)

bezieht sich ursprünglich ausschließlich auf Atheisten und auf die Religionen, die nicht ahl-al-kitab (Buchbesitzer, also Juden und Christen) sind. Salafisten verbinden diesen Begriff auch auf Christen, Juden und Muslime, die die salafistische Weltsicht nicht teilen.[250]

Scharia (deutsch: Wassertränke, Weg zur Tränke):

religiöse Rechtsordnung im Islam; enthält auch Normen des privaten, öffentlichen und Strafrechts. Die Scharia speist sich aus den Vorschriften des Korans und der gSunna. Je nach Glaubensauslegung wird sie weit oder sehr eng interpretiert. Eine weite Auslegung kann vollständig grundgesetzkonform sein, eine enge Auslegung kann extremistische Positionen begründen.[251]

Sunna (deutsch: Brauch):

die überlieferten Aussagen, Gewohnheiten, Taten und Verhaltensweisen des Propheten Muhammed. Die einzelnen Aussprüche des Propheten bezeichnet man als gHadithe. Sie sind neben dem Koran die zweite wichtige Rechtsquelle im Islam.[252]

Umma

die Gemeinschaft der Muslime[253]

Wahhabismus

strenggläubige Richtung des Islam; sie gründet sich auf die Schriften des Muhammad ibn Abd al-Wahhab (18. Jahrhundert) und ist in Saudi-Arabien

die festgelegte staatliche Glaubensrichtung.[254]


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Anhang

A1. Fragenkomplexe

A2. Datenschutzvereinbarung

A3. Transkription Interview Person 1 (P1)

A4. Transkription Interview Personen 2 und 3 (P2 und P3)

A5. Transkription Interview Person 4 (P4)

A6. Interview mit Person 5 (P5)

Eidesstattliche Erklärung

A1. Fragenkomplexe

Fragenkomplex A: Radikalisierung

1.

Was sind die ersten Anzeichen für eine mögliche Gefährdung bzw. Radikalisierung? Wie äußert sich dies im konkreten Fall?

2.

Wie vollzieht sich die Radikalisierung bzw. vollzog sich im konkreten Fall?

Fragenkomplex B: Maßnahmen

1.

Wie können Sie in Ihrer Funktion als … gegensteuern?

2.

Wer kann konkret in Maßnahmen eingebunden werden?

-im Vorfeld
-bei beginnendem Radikalisierungsprozess
-bei fortgeschrittener Radikalisierung

(Von wem hätten Sie Hilfe gewünscht oder erwartet?)

3.

Welche Prävention ist möglich?

-im Vorfeld
-bei beginnendem Radikalisierungsprozess
-bei fortgeschrittener Radikalisierung

4.

Zu welchem Zeitpunkt sollte Prävention einsetzen?

5.

Bis zu welchem Zeitpunkt ist Prävention möglich?

A2. Datenschutzvereinbarung

Vereinbarung zum Datenschutz für wissenschaftliche Interviews

Im Folgenden möchte ich Sie über die Einzelheiten des von mir geplanten

Forschungsvorhabens informieren:

Verantwortlich für die Durchführung und wissenschaftliche Auswertung des Interviews:

Thorsten Bliß, Studierender des Masterstudiengangs „Kriminologie und Polizeiwissenschaft“ am Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.

Das durchzuführende Interview dient zur Erstellung einer Masterarbeit über Salafismusprävention. In diesem Zusammenhang soll herausgearbeitet werden, wann, wo, wie und durch wen Prävention in diesem Bereich stattfindet oder stattfinden sollte.

1.

Der Interviewer trägt dafür Sorge, dass alle erhobenen Daten streng vertraulich behandelt und ausschließlich zum vereinbarten Zweck verwendet werden.

2.

Hiermit erklären Sie Ihr Einverständnis mit einer Tonaufnahme, anschließender Verschriftlichung und wissenschaftlichen Auswertung des Interviews.

Der entstandene Datenträger mit der Tonaufnahme wird vom Interviewer verschlossen aufbewahrt; Zugang zu diesem Datenträger haben nur der Interviewer und –zu Kontrollzwecken- dem Datenschutz verpflichtete Mitarbeiter des Lehrstuhls.

Zu Auswertungszwecken wird von der Tonaufnahme ein schriftliches Protokoll gefertigt. Personenbezogene Daten werden in diesem Protokoll sowie in der daraus resultierenden Auswertung anonymisiert.

Bei einer Veröffentlichung der Auswertung ist damit sichergestellt, dass eine Identifikation Ihrer Person nicht möglich ist.

3.

Sobald der Forschungszweck es zulässt, werden Ihre personenbezogenen Daten vernichtet bzw. gelöscht.

4.

Ihre Einwilligung ist freiwillig. Durch eine Verweigerung der Einwilligung entstehen Ihnen keine Nachteile. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen und die Löschung bzw. Vernichtung Ihrer Daten verlangen.

5.

Abschließend möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich neben meiner Eigenschaft als Studierender des o.g. Masterstudiengangs Polizeivollzugsbeamter des Landes Nordrhein-Westfalen bin. Dies bedeutet, dass ich bei Kenntnisnahme von strafrechtlich relevanten Sachverhalten dem Strafverfolgungszwang unterliege.

Diesbezüglich mache ich darauf aufmerksam, dass Sie solche Sachverhalte, die entweder Sie selbst oder einen nahen Angehörigen betreffen, nicht zum Gegenstand Ihrer Antworten machen sollten. Die Fragen des Interviews sind jedoch so konzipiert, dass Antworten, die strafrechtlich relevante Sachverhalte beinhalten könnten, vermieden werden.

6.

Ich habe die Information über das Forschungsvorhaben erhalten. Ich bin mit der vorgesehenen Verarbeitung meiner Daten einverstanden.

-------------- ---------------

Ort, Datum Unterschrift

A3. Transkription Interview Person 1 (P1)

geführt Dienstag, 07.10.2014, 11:00 Uhr bis 11:29 Uhr

I:

Erzählen Sie doch mal ganz kurz, wie Sie auf den Salafismus gekommen sind.

P1:

Das fing mit dem 11. September an, als ich mich damit befasst habe und die Attentäter (…) nach denen recherchiert habe und auch die Motive recherchiert habe, da bin ich auf den Salafismus gekommen und da der 11. September ja von Salafisten ausgeführt wurde und auch salafistische Motive hatte (…). Dadurch bin ich dann auf den Salafismus gekommen, aber damals hatte ich so gut wie gar kein Wissen über den Islam und wenn man sich (…) mit einem Thema befasst, mit dem man sich vorher nie befasst hat und mit dem man sich null auskennt oder nur ganz wenig, also wenn man dann direkt am Anfang die falschen Informationen bekommt, dann nimmt man das als die richtigen Informationen (…). Man nimmt das dann so auf, was man halt zu lesen und zu sehen bekommt und so denkt man dann (…) in dem Fall über den Islam und (...) so war das bei mir.

I:

Wo hatten Sie die Informationen her?

P1:

Aus verschiedenen Internetseiten (…) und aus Videoportalen, hauptsächlich YouTube.

I:

Wissen Sie noch, welche das waren, die Internetseiten?

P1:

Ja, eine (...) an eine kann ich mich erinnern, Islamic Hacker Union hieß die…Inhaber der Seite, es war nur einer, den hab ich auch später kennengelernt über Facebook. Der war (…) der wohnte in Neumünster, der war auch sehr radikal (…) und der (…) galt in Neumünster (…) als (…) quasi der Hauptsalafist. Der war da bekannt (...) und der war auch im Fernsehen und der wurde da auch (…) vom Verfassungsschutz wurde der überwacht und (…) der war halt der bekannte Salafist in Neumünster; also das war kein kleiner Fisch.[255]

I:

Ich glaube, ich kenne ihn. Sie haben dann ja auch Kontakte zu anderen Leuten aus dem Kreis gehabt, denke ich mal, zu Salafisten. Was glauben Sie denn, woran man bei einem Salafisten die ersten Anzeichen erkennt, dass der sich radikalisiert oder in Gefahr ist, sich zu radikalisieren?

P1:

Also, es gibt Menschen, bei denen merkt man das wirklich nicht. Die machen das so gut (…) so gut, dass meist vielleicht sogar die Eltern das nicht merken. Bei anderen kommt es vor, dass die schon auffälliger sind, zum Beispiel; dass die sich von ihrem Freundeskreis distanzieren, von allem (…) und (…) sich mehr um ihre Religion kümmern, sage ich jetzt mal so (…) in Ausführungszeichen (…). Und, ja, mit welchen Leuten die noch dann Kontakt pflegen, wenn das auch Strenggläubige sind, da kann man schon merken, dass die sich verändern, dass die sich radikalisieren, und auch (…) wenn man mit ihnen in ein Gespräch kommt, was ihre Interessen sind, wenn die dann von Nahostthemen reden, Kriege, Al Qaida, wenn man merkt, dass die sich hauptsächlich dafür interessieren, dann ist das schon ein Anzeichen. Bart tragen finde ich jetzt nicht unbedingt ein Anzeichen, aus verschiedenen Gründen. Bart tragen kann jeder, auch irgendwelche Leute, die gar nichts mit Islam zu tun haben (…) Musiker (…) also Bart hat nicht ja nicht direkt was mit dem Islam zu tun (…). Kann ja halt jeder tragen, aber es gibt auch Muslime, die tragen Bart, aber die distanzieren sich von Salafismus, deshalb ist das mit dem Bart (…) nicht leicht zu erkennen, also (…) schwer. Wenn man jemanden mit einem Bart sieht, dann weiß man nicht, ist der Muslim, wenn ja (…), welche Kontakte hat der, ist der radikal. Das ist ein großes Fragezeichen. Manche verhalten sich sehr ruhig, bei einigen merkt man das gar nicht, die machen alles wirklich hinter geschlossenen Türen, sogar das Beten, dass nicht mal die Eltern das mitbekommen und auch, wenn die Internetseiten besuchen und so, die machen das wirklich unauffällig. Bei einigen merkt man das wirklich zu spät.

I:

Wie war das denn bei Ihnen im konkreten Fall? Dass Sie sich radikalisiert haben oder immer radikaler wurden?

P1:

Ob das bei mir auffällig wurde?

I:

Ja, ob es da Zeichen gab, die man hätte erkennen können?

P1:

Am Anfang habe ich mich versucht, meiner Umgebung anzupassen, also dass ich halt nicht auffalle. Ich habe (…) mich auch in mein Zimmer quasi eingeschlossen. Ich habe mich von meinem Umfeld nicht distanziert, aber mit der Zeit bin ich auffälliger geworden (…) habe quasi meine Freunde damals in der Schule habe ich verabstoßt. Ich habe auch angefangen, ihre Religion zu beleidigen und wollte nichts mehr mit denen zu tun haben. Das war ein Anzeichen (…) und auch dass ich mich mehr mit dem Islam und Al Qaida und sowas befasst habe und damit war ich auch nicht unauffällig. Also das war schon auffällig, dass ich mich damit befasst habe, da ich viel darüber geredet habe. Ja, das waren die Anzeichen, die ersten.

I:

Also Sie haben jetzt auch zum Beispiel gegenüber Ihrem engeren Umkreis, Ihren Eltern darüber geredet und das verteidigt oder haben Sie sich da zurückgehalten?

P1:

Später habe ich mit meinen Eltern darüber geredet, ich habe (...) die Al Qaida habe ich verteidigt vor meinen Eltern, wenn ich mit denen darüber geredet habe. Ich habe denen gesagt, was ich darüber denke und ich habe auch gedacht, dass es mir egal ist, wenn die irgendwas dagegen machen wollen. Also ich wurde von Zeit zu Zeit immer öffentlicher damit.

I:

Was glauben Sie, wie man da –wenn Sie das jetzt selber so im Rückblick betrachten, als Sie sich immer mehr radikalisiert haben- wie man hätte da entgegensteuern können? Oder hätte da irgendjemand entgegensteuern können?

P1:

Meinen Sie damit, dass während ich mich radikalisiert habe, da wieder wegbringen kann?

I:

Genau. Ob irgendjemand oder irgendwas Sie davon hätte abbringen können.

P1:

Also, das ist schwer zu sagen. Das kommt also bei mir selber (…) ich war sehr radikal, deshalb hätte ich (…) habe ich es für unwahrscheinlich gehalten, dass mich irgendjemand damit (…) davon abbringen könnte. Ich war also sehr überzeugt davon und die meisten, die dagegen sind, die geben sich auch, egal ob Christ oder Muslim oder sonst wer, die geben sich gar nicht die Mühe, dich da von das Gegenteil zu überzeugen. Von daher, aber selbst wenn ich (…) ich war sehr überzeugt (…). Ich hatte einen Koran vor mir, der war aber falsch verschrieben, also geändert. Und das war auch mein erster Koran, deshalb habe ich auch gedacht, das wäre der richtige Koran. Wie gesagt, wenn man (…) ein Buch hat das erste Mal und den liest, merkt man erst mal gar nicht, dass der verändert ist, da man ihn ja als erstes Mal liest. Ja, und davon war ich überzeugt und genau den Koran habe ich dann als wahr empfunden.

I:

Inwiefern war der anders als andere Korane?

P1:

Da war nur ein Teil verändert, da waren einige Sachen (…) wo einige Sachen wurden entfernt, so dass man einige Versen aus dem Kontext nimmt. Der wurde halt so geschrieben, wie man (…) wenn man jetzt einen richtigen Koran nimmt, da steht ja, dass man keinen Menschen töten darf. Wenn man einen Menschen tötet, ist es, als wenn man die ganze Menschheit tötet. Wenn man einen Menschen rettet, ist es, als wenn man die ganze Menschheit rettet und (…) solche Sachen, die wurden da verändert. Die wurden so verändert, dass man das so interpretiert, dass man keinen Moslem töten darf, aber die anderen sind egal.

I:

Von wem kamen diese Korane, wissen Sie das noch?

P1:

Die habe ich aus dem Internet auch, die kann man als PDF runterladen. Aber das war nur ein Beispiel, da gibt es noch mehr Veränderungen.

I:

Also, als Sie schon richtig radikalisiert waren, sage ich mal, hätte man Sie mit Argumenten da nicht mehr erreichen können?

P1:

Nee. Dazu kommen noch die radikalen Prediger, die radikale Umgebung, also die Menschen, die man in seinem Umkreis hat, also volles Programm halt. Der verfälschte Koran, die radikalen Prediger, deren Umfeld.

I:

Wenn man denn versucht, da irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen gegen Leute, die sich radikalisieren oder die in Gefahr sind, sich zu radikalisieren, was glauben Sie, wer kann da eingebunden werden? Wer kann das machen?

P1:

Wer das machen könnte? Ich würde sagen, die Muslime, die sich von Radikalismus distanzieren. Diese Prediger halt, die sich von Salafismus distanzieren. Die könnten das.

I:

Die in erster Linie, meinen Sie?

P1:

Genau. In zweiter Linie dann halt die normalen Muslime, die zwar keine Prediger sind, aber sich mit dem Islam auskennen und sich von Salafismus distanzieren. Die können das auch versuchen, die haben auch gute Chancen.

I:

Wie sieht es aus mit dem persönlichen Umfeld oder Behörden. Könnten die da auch eine Rolle spielen? Lehrer?

P1:

Also bei den meisten (…) wenn ich (…) ich sage jetzt mal, was ich jetzt für eine Erfahrung gemacht habe (…) alle, die mit den Behörden oder sonst wem zu tun haben, die haben sich davon nicht abbringen lassen. Also die sind beim Salafismus geblieben, egal, wie die Behörden Druck gemacht haben, sie versucht haben zu überzeugen oder auch, dass die Probleme mit den Behörden haben, die halten wirklich dran fest.

Ich habe bis jetzt noch niemanden gesehen, der davon ab (…) weggekommen ist vom Salafismus durch Behörden, Lehrer, oder sonst wen oder Eltern. Ich habe es sogar erlebt, dass die Salafisten, also die ich kannte, dass die sich von Eltern, von ihren Eltern distanziert haben, wenn die Eltern gesagt haben, das ist nicht in Ordnung. Entweder ziehen die aus oder, wenn die Eltern keine Chance mehr sehen, das Kind dann davon abzubringen, dann werden die auch rausgeworfen aus zuhause, davon kenne ich hier auch in Duisburg einen. Ja, also, ich habe bis jetzt noch niemanden erlebt, der durch Behörden, Lehrer, Eltern davon abgekommen ist.

I:

Damals hätten Sie natürlich keine Hilfe gewünscht oder erwartet, weil Sie waren ja auf diesem Trip. Jetzt im Nachhinein, was würden Sie da sagen, wer hätte Ihnen helfen können oder wer hätte Ihnen helfen sollen?

P1:

Also, ich habe, ich denke da an Muslime.

I:

Wie Sie gerade schon gesagt haben.

P1:

Richtig.

I:

Was glauben Sie jetzt, aus Ihrer Erfahrung heraus, wie könnten Betroffene unterstützt werden? Also die, die sich radikalisieren, die, die vielleicht noch nicht so radikalisiert sind, dass die alles abbrechen.

P1:

Diejenige, die sich noch nicht so radikalisiert haben auf dem Weg dahin, bei denen habe ich, also bei denen habe ich noch Hoffnung, vielleicht nicht bei allen.

I:

Und wie könnte man die unterstützen?

P1:

Also, man sollte, die sollten schon darüber mit ihren, mit anderen Predigern reden, nicht mit Pierre Vogel und auch eventuell mit ihren Eltern.

I:

Sie sagten gerade: Nicht mit Pierre Vogel oder mit Pierre Vogel?

P1:

Nicht mit Pierre Vogel und ähnlichen Predigern wie Sven Lau und (…) ich weiß jetzt nicht, ob ich den Prediger nennen soll, den Deso Dogg, ich weiß nicht, den kann ich vielleicht nicht Prediger nennen, aber man sollte sich vielleicht nicht mit solchen umgeben, er hat ja auch schon Videos von sich online gestellt, wo er irgendwas erzählt über den Salafismus, wo er Leute fehlleitet. Mit solchen Leuten sollte man sich nicht abgeben. Man sollte, wenn man auf dem Weg zur Radikalisierung ist, aber noch nicht ganz drin ist, dann sollte man schon mit engen vertrauten muslimischen Freunden darüber reden, was die davon halten und ich denke mal, dass der oder andere damit nicht glücklich ist, eventuell auch (…) zu einer Moschee gehen, die sich von Salafismus distanziert. Ich denke mal, dass, wenn diese Leute, die auf dem Weg sind, sich zu radikalisieren, mit engen muslimischen Freunden darüber reden, dass die Prediger oder Moscheen empfehlen bekommen, die den Leuten weiterhelfen können, die auf dem Weg sind, sich zu radikalisieren. Also (…) helfen in dem Sinne jetzt, davon abzukommen.

I:

Gut. Das wiederholt das jetzt nochmal ein bisschen, müssen Sie dann nicht alles nochmal sagen, aber welche Prävention, glauben Sie, ist im Vorfeld möglich, das heißt bevor jemand überhaupt vielleicht konvertiert oder, wenn er konvertiert ist, bevor er sich radikalisiert? Gibt es da irgendeine Möglichkeit, dass man jungen Leuten von vorneherein klarmachen kann, ja, ich sage mal, dass sie die Finger vom Salafismus lassen sollen?

P1:

Ja, da gibt es viele Möglichkeiten, also (…) man (…) das Internet spielt ja eine große Rolle dabei, da gibt es ja (…) das Internet wird auch von Leuten, die sich gegen Salafismus stellen, stark genutzt, um Leute davon zu überzeugen, dass Salafismus der falsche Weg ist und da gibt es auch Möglichkeiten zum Beispiel, Vorträge von richtigen Predigern, also nicht Pierre Vogel, nicht Sven Lau, sondern Predigern, die sich davon distanzieren, Vorträge davon zeigen, Videos schicken, auch normale Aufklärungsvideos, die (…) die selber gemacht sind, aber belegbar sind mit Hilfe von Koranversen und Aussagen von Predigern, kann man alles schicken und (…) man kann auch mit den Leuten, die (…) Sie meinen jetzt, die sich noch gar nicht radikalisiert haben, aber konvertiert sind (…) man kann diesen Leuten (…) man kann mit denen auch darüber persönlich reden und (…) wenn er konvertiert ist, dann (…) sollte (…) man (…) auch mit ihm zum Prediger gehen und das Thema ansprechen, damit er aufgeklärt ist und Bescheid weiß.

I:

Ja, glauben Sie, dass man Prävention (…) oder welche Prävention ist noch möglich bei fortgeschrittener Radikalisierung? Also wenn jemand schon wirklich (…) drin ist?

P1:

Ja, wie gesagt, bei den meisten gibt es wenig Hoffnung, meine Erfahrung. Ich habe ja die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die ich kenne, die Salafisten, dass sich bis jetzt noch keiner abbringen lassen hat. Klar gibt es welche, die weggekommen sind, aber (…) persönlich kenne ich jetzt keinen und im Umfeld habe ich auch keinen, aber es gibt den einen oder anderen, der war auch mal im Fernsehen, so Leute kenne ich, die (…) aber halt nicht persönlich, die halt öffentlich aufgetreten sind, die ich aus dem Fernsehen kenne oder aus der Zeitung. Aber (…) fortgeschrittene (…) Leute, die (…) schon richtig mittendrinne sind (…) also, was mir einfallen würde ist auch halt (…) die richtigen Prediger (unverständliches Wort) die richtigen Vorträge. Also, man kann es denen ja mal zeigen, die Vorträge und man kann es ja mal versuchen mit den richtigen Predigern, aber bei Leuten die mittendrinne (…) mittendrin sind, da sollte man sich nicht allzu große Hoffnung machen, dass die auch danach (…) direkt nach den Vorträgen oder nach dem Besuch beim Prediger, nach dem Besuch bei den richtigen Moscheen, dass die sich dann wieder normal verhalten und dass die dann wieder normal sind. Man sollte sich da keine großen Hoffnungen machen.

I:

Was glauben Sie, zu welchem Zeitpunkt Präventionsmaßnahmen einsetzten sollten?

P1:

Wenn man merkt, dass Leute auf dem Weg sind, sich zu radikalisieren.

I:

Also, wenn ich das richtig verstehe, sobald man merkt, dass die Beschäftigung mit dem Islam sehr intensiv wird.

P1:

Richtig. Wenn auch (…) schon, sage ich mal, wenn (…) der erste (…) Kontakt, also jetzt nicht direkter Kontakt, sondern (…) wenn die Leute das erste Mal Videos schauen von Pierre Vogel und, dann sollte man, finde ich, schon eingreifen und sagen „Komm‘, ich zeig dir richtige Prediger, halte dich von Pierre Vogel und Sven Lau und so fern“, also, da finde ich schon, sollte man eingreifen, wenn (…) wenn Leute anfangen, sich bei den falschen Predigern zu informieren, also, wenn die schon das erste Mal von diesen Predigern, Pierre Vogel und ähnlichen Predigern, oder auch Seiten, es gibt ja auch Fälle, Internetseiten, die werden halt nicht von Pierre Vogel oder so geleitet, sondern von irgendwelchen (…) Extremisten, die (…) gute Internetkenntnisse haben, die verbreiten ja auch ihre Ideologie über Internetseiten, zum Beispiel der aus Neumünster. Das war ja einer dieser Leute, die gute Internetkenntnisse hatten und die Seite, die (…) die wurde auch oft besucht.

I:

Ist auch ein Konvertit, glaube ich?

P1:

Ja, der ist auch konvertiert. Ja, und (…) wenn es anfängt bei den Leuten, dass die sich über solche Internetseiten informieren, solche Videos gucken von Pierre Vogel oder auch Bin Laden oder arabische Prediger mit deutschen Untertiteln, die zu Gewalt aufrufen, also dann sollte man direkt einschreiten, sofort, ohne (…) Verzögerung. Aber das Beste halt wäre, wenn man die Leute schon davor informiert, dass die vorgewarnt sind.

I.

Was glauben Sie denn, was quasi so der letzte Zeitpunkt ist, an dem Prävention noch möglich wäre?

P1:

Boh, das ist schwer zu sagen. Da (…) habe ich keine Antwort drauf. Bei den meisten geschieht Radikalisierung sehr schnell. Das ist schwer zu sagen. Es kommt drauf an halt (…) es ist bei den Leuten unterschiedlich, wie schnell die sich radikalisieren, von Person zu Person ist das sehr unterschiedlich, bei einigen dauert das (…) Wochen, Monate, bei einigen sogar Tage, bei einigen Stunden, bei mir hat das auch (…) vielleicht einen Tag oder so gedauert, da ich (…) ich habe mich ja intensiv damit beschäftigt, also mehrere Stunden darüber gelesen. Das ging ganz schnell.

I:

Wie äußerte sich das bei Ihnen? Bis zu welchem (…) welchem Punkt waren Sie bereit, zu gehen als Salafist? Also was (…) was hatten Sie da (…) waren Sie schon so weit, dass Sie sagten „Ich will kämpfen“?

P1:

Ja, richtig. Also, wie gesagt, bei mir hat das (…) nur wenige Tage gedauert, nicht mal eine Woche, bis ich gesagt habe „Ich bin bereit zu kämpfen, ich bin bereit, irgendwas in die Luft zu jagen“. Das ist halt unterschiedlich von Person zu Person.

I:

Da, in der Beziehung sind Sie, glaube ich, damals auch, das Verfahren ist ja, glaube ich, abgeschlossen, sind Sie auch verurteilt worden.

P1:

Ja.

I:

Weil Sie das im Internet verbreitet haben, mit einem Aufruf, oder wie war das noch, Sie haben angedroht, irgendwas in die Luft zu sprengen. Dafür sind Sie auch verurteilt worden.

P1:

Ja, richtig.

I:

Wie kam es denn, dass Sie dann plötzlich davon abgekommen sind?

Einfach so, von alleine?

P1:

Nein, also (…) also muslimische Freunde spielen eine große (…) haben eine große Rolle gespielt, also viele aus meiner Schule haben gesagt, sogar alle aus meiner Schule haben gesagt „Das ist nicht richtig, das ist nicht der Islam. Das ist falsch, was du machst“. Ich habe auch Sachen geschickt bekommen, Videos (…) Vorträge (…) und sogar (…) Treffen mit muslimischen Freunden, die mir verschiedene Sachen aus dem Koran erklärt haben, und das hat alles für den Gegenteil gesprochen, erst wollte ich mich nicht überzeugen lassen, aber das hat sich hinterher angesammelt, also (…) für einige Sachen hatte ich auch keine Argumente. Und der eine oder andere Salafist hat (…) wird auch keine Argumente haben, wenn man ihm die Sachen vorlegt. Heißt nicht, dass der dann vom Gegenteil überzeugt ist, aber (…) es gibt Sachen, da können die nicht argumentieren.

I:

Das heißt schon, wenn ich das so richtig verstehe, wie das bei Ihnen gelaufen ist, man muss zumindest eine Mindestbereitschaft haben, sich auf eine andere Sichtweise einzulassen oder sich die auch anzuhören?

P1:

Richtig. Bei einigen, ich sage mal bei den meisten nach meinen Erfahrungen jetzt, die sind nicht mal bereit, sich andere Sichtweisen anzuhören und wenn (…) und wenn die sich die Sichtweisen anhören, dann hören die sich die entweder nicht richtig an, weil dann machen die einen auf (…) stur, also, die halten dann an ihrer Sichtweise fest, gehen gar nicht auf Argumente ein, wenn man (…) wenn ich jetzt zum Beispiel einen Salafisten vor mir hätte und mit ihn argumentieren könnte und ihn alles erklären könnte bis aufs Detail ihn Argumente liefern würde (…) alles (…) es gibt (…) die meisten Salafisten würden sagen „Du hast keine Ahnung, du weißt nichts über den Islam“ (…) und die würden dann sagen (…) also dass ich halt keine Ahnung hätte. Das war’s dann, die würden gar nicht auf Argumente eingehen, die würden mich gar nicht vom Gegenteil überzeugen, die würden das auch gar nicht können, bei vielen Argumenten haben die halt gar keine Gegenargumente, keine Gegenbeweise, nichts, aber die sind so fest da drin, die können nicht anders, sage ich mal. Die anderen, dann gibt es da noch die Sorte, die (…) die versuchen, mit Gegenargumenten zu überzeugen, beziehungsweise die versuchen (…) die haben halt Gegenargumente. Aber einige Argumente von denen sind dann halt (…) entsprechen dann halt nicht der Wahrheit, also, die kommen halt mit Sachen, die (unverständliches Wort) aus dem Koran sind, die da nie drin stehen. Lesen Verse vor vom falschen Koran und nehmen das dann als Argument. Obwohl ich hier einen anderen Koran habe, wo was anderes drin steht, mit solchen Sachen kommen die dann ja und (…) die sind halt so fest da drin (…) Salafismus, das ist auch so eine (…) hauptsächlich, sage ich mal, eine Gefühlssache. Das kommt wirklich aus dem Herzen, also (…) man sagt ja nicht umsonst (…) Überzeugung, dass man überzeugt ist. Die nennen sich ja Muslims, ich sage jetzt mal, die sagen ja von sich aus „Ich bin überzeugter Moslem“ und bezüglich auch so eine Sache, die aus dem Herzen kommt, also wirklich Gefühlssache.

Und die sind da schon so tief drin, die haben so ein starkes Gefühl, dass die da nicht weg können, also (…) was soll ich als Beispiel nehmen (…) zum Beispiel Liebe, das ist auch, das ist manchmal auch so eine Sache, die man nicht kontrollieren kann. Selbst wenn man sagt, nein, die Person will ich nicht lieben, das Herz sagt was anderes. Genauso ist das auch mit Salafismus. Man hat so ein starkes Gefühl (…) das Gefühl ist wirklich so stark, man sagt, man will. Da gibt es kein „Ich will nicht“, man hat so ein starkes Gefühl, dass man nicht anders kann und (…) das Gefühl ist auch wirklich so stark, dass man nicht auf die Idee kommt, zu sagen: „Ich will nicht, das gefällt mir nicht“. Wenn man da wirklich drin ist, dann hat man dieses starke Gefühl, wenn man dieses starke Gefühl hat, dann sagt man: „Ja, ich bin bereit, ich will das. Das ist der richtige Weg. Punkt“.

I:

Ich glaube, das war ein gutes Beispiel. Das heißt, es belegt ja dann auch, dass Argumente gar nicht zählen. Wie bei der Liebe, wenn man verliebt ist, da kann jeder sagen, diese Frau oder dieser Mann ist nichts für dich, da hört man nicht drauf. Da können die Argumente noch so gut sein.

P1:

Genau.

I:

Sie sind jetzt aber immer noch Muslim?

P1:

Nein, ich bin schon lange (…) schon seit 2011 bin ich da raus.

I:

Jetzt quasi ( ) ...unreligiös wieder geworden?

P1:

Richtig.

I:

Fällt Ihnen noch etwas ein?

P1:

Nein. Wenn Sie noch Fragen haben. (…)

I:

Nein, ich bin soweit fertig, ich bedanke mich ganz herzlich.

A4. Transkription Interview Personen 2 und 3 (P2 und P3)

geführt Dienstag, 14.10.2014, 15:05 Uhr bis 15:23 Uhr

I:

Was waren denn bei Ihrem Sohn die ersten Anzeichen für die Radikalisierung?

P3 (Mutter):

Erst (…) er kam nach Hause und sagte (…) er (…) er hat gesagt, er geht jetzt nicht mehr zum Fußball zum Beispiel erst mal er ist zum Fußball immer gegangen, in den Fußballverein jahrelang und auf einmal hörte das auf, wirklich schlagartig, sage ich, "Ja, warum gehst du jetzt nicht mehr zum Fußball mehr" , "Nein ich habe mich jetzt entschieden, damit aufzuhören, ich mache jetzt gehe jetzt zum, zum Islam." Er konvertiert jetzt zum einer anderen Reali (…) Religion. Ja. Da (…) so fing das an.

I:

Wie ging das dann weiter?

P3 (Vater):

Ja, wie ging das weiter. Er (…) ging viel nach L.[256] (…) in diese (…) wussten wir ja gar nicht, wir haben gedacht, er geht zu Freunden, da wohnt ja auch dieser M. da in der I-Straße[257]. Ja, ich habe gedacht, höre mal, er geht DAHIN und (…) und auch ab und zu DAHIN. L.[258] selber (…) die Freunde kannte ich nicht alle, manchmal kamen auch welche auch hier hin, aber selten. Ja, wie ging es weiter, eigentlich und er saß viel am Internet, hier zuhause. Manchmal, wenn er Frühschicht hatte, viertel nach vier (…) aufstehen musste, war (Name des Sohnes) nachts stand er auf und ging nach draußen.

P2 (Vater):

Nach draußen, jaja. Hat er einen Anruf gekriegt und ist rausgegangen.

P3:

Und rannte auch ganz schnell, ja.

P2:

Da sind auch welche, die ihn abgeholt und gebracht und so was.

P3:

Ja, das war auch schon mal, dass jemand hier mit einem Auto vor der Tür (…) und die Männer habe ich ja nicht gesehen, die waren im Auto, ich glaube, Bärtige, ein Bärtiger war dabei.

P2:

Bei uns war er war zuerst immer was lieb war er, ist richtig lieb geworden.

P3:

Ja, er ist lieber geworden. Vorher war er aggressiv gewesen, er war vorher ziemlich aggressiv. Hat uns die Badezimmertür, unsere Duschtür eingeschlagen und Türen (…) eingeschlagen. Dann ist er erst mal lieb geworden.

P2:

Ich habe ja ausprobiert, so mit Proben, welche Richtung das läuft, ob er jetzt radikal ist oder nicht. Habe ich probiert, und da wusste ich die Antwort dann. Habe so zu Bin Laden was Beleidigendes gesagt. Da wäre der mir bald am Kragen gewe (…) gegangen und da wusste ich, in welche Richtung er geht.

I:

Und worauf führen Sie diese Änderung zurück? Dass er da plötzlich so radikal geworden ist?

P3:

Er (…) er (…) dass sie, wo er mit zusammen war, ich weiß ja nicht die Leute, ihn massiv (…) auf ihn eingeredet haben oder ihn manipuliert haben.

P2:

So eine Gehirnwäsche.

P3:

Gehirnwäsche, ja. Und ihn immer wieder jeden Tag, der war ja jeden Tag da, nur wir haben das nicht so (…) ernst genommen wahrscheinlich.

P2:

Ja, und er war gegen Amerika und Israel, so ein Hass war da.

P3:

Wir haben das nicht so ernst genommen.

I:

Im Vorgespräch sagten Sie, dass das auch was mit der Schule zu tun hatte, Ihrer Meinung nach.

P3:

Ja, weil da viele Ausländer

P2:

Ja, viele Ausländer, waren viele.

P3:

die auch sicher (…) ja, Moslems

P2:

Also jetzt kein Radikaler, aber da kam er schon mit Islam zusammen.

P3:

Ja, deswegen mache ich mir den Vorwurf, dass ich ihn da (…) ich meine, sicher kann (…) hätte auch sein können, dass er, wenn er auf die Volksschule gegangen wäre, genauso dahin gekommen wäre, weiß man ja nicht, aber (…)

P2:

Ich denke, da in so Moscheen, das ist vielleicht auch alles harmlos, aber

P3:

Ich bin ja auch kein Rassist.

P2:

Wird man da, ich denke mal so, aussortiert. Was zu gebrauchen ist, werden die Namen weiter gegeben. So stelle ich mir das vor. Dann kommen Salafisten, die kümmern sich darum, die zu gebrauchen sind.

P3:

Ja, er ist ja auch ein kerniger Bursche, so (…) er ist jetzt nicht dünn oder schmächtig, auch nicht zu dick, also er ist wendig (Wort unverständlich) können sie gebrauchen.

I:

Wie ging das mit der Radikalisierung dann weiter? Er ist ja wahrscheinlich (…) ja, irgendwie hat er sich immer radikaler gezeigt. Wie äußerte sich das?

P3:

Er hat (…) er hat fünfmal am Tag gebetet (…) und auch nachher so Gewänder getragen, so langes Hemd, musste ich immer waschen (…) und er (…) mit dem Essen, ich musste (…) in diese türkischen Läden (…) durfte nicht mehr bei Lidl oder Real (…) oder (…) Fleisch kaufen, nur noch in türkische Läden, Rindfleisch, Hühnerfleisch, kein Schweinefleisch mehr. Da konnte man das auch schon sehen, dass völlig andere Lebensweise als wir.

I:

Sie sagten eben, dass Sie ihn auf Bin Laden angesprochen haben und er den vehement verteidigt hatte. Hat er auch so, ich sage mal, im normalen Miteinanderleben, wenn Berichte im Fernsehen kamen zum Beispiel, da irgendwelche Kommentare zu abgegeben?

P2:

Ja, wenn Amerika und Islam, wenn die umgebracht werden, Unschuldige.

P3:

Ja, wie in Amerika, ja.

P2:

Ja, die haben den so im Kopf reingesetzt, dass er sich verpflichtet fühlte da, Islam zu helfen, die Bürger da. So wurde denen das in den Kopf gesetzt.

I:

Ja (…) was oder wie schätzen Sie das ein: Hätten Sie da in Ihrer Funktion als Eltern irgendwie etwas gegensteuern können? Hätte es da irgendeine Möglichkeit gegeben?

P3:

Wir haben versucht, mit ihm immer wieder zu reden. Die Oma hat versucht, mit ihm zu reden. Wir alle eigentlich, Onkel (…).

P2:

Der war wie besessen.

P3:

Aber keiner kam richtig zu ihm durch. Und wenn man das versucht hat, dann

gab es Streit.

P2:

Man kriegte sich in die Haare mit dem, der war so (unverständliches Wort), anderes lässt der gar nicht zu dann.

P3:

Er wurde richtig grantig, richtig (…).

P2:

Da war öfter auch Streit mit ihm.

P3:

Sonst war er freundlich, wenn man nichts dagegen gesagt hat, war er freundlich (…) nett (…) hat deine Mutter auch gesagt, der hat sich geändert, sagt sie, im Positiven, hat sie gesagt.

P2:

Ja, das war der erste Eindruck so, dann.

I:

Was (…) wer könnte denn Ihrer Einschätzung nach konkret in Maßnahmen eingebunden werden? So im Vorfeld. Also wer, glauben Sie, könnte da (…) schon was machen? Bevor es mit der Radikalisierung überhaupt losgeht.

P3:

Ja, Psychologen. Psychologen, die (…) wenn man erkennt als Eltern vielleicht, dass der eigene Junge oder das eigene Mädchen, die Tochter, dahin tendiert, vielleicht durch einen Psychologe das gegensteuert. Argumente dagegen bringt, gegen den Islam, diese radikale. Der normale Islam ist ja (…) wäre ja in Ordnung gewesen.

P2:

Islam ist ja nicht alles schlecht.

I:

Ein Psychologe, das wäre ja auch schon bei beginnender Radikalisierung oder wenn die schon fortgeschritten ist. Haben Sie denn eine Idee, wer überhaupt im Vorfeld, ohne, dass es überhaupt dazu kommt, wer da was machen

könnte oder ob da was gemacht werden könnte?

P3:

Ja (…) die Polizei (…) die Polizei auch.

P2:

Ja, bei die Kinder, muss man als Jugendliche schon anfangen, in die Schule vielleicht schon überall (…) Ich habe gehört, die sollen ja schon auf Schulen gewesen sein.

P3:

Jaja, dass man Vorträge (…)Vorträge, in den Schulen vielleicht, und dass man an die Jugendlichen und da auch schon an die Kinder (…) ja weiß nicht, Kinder (…).

P2:

Aber heute, die sind ja gewarnt jetzt, was passiert in Syrien und so. Wir wussten davon ja noch nix, heute weiß man das ja, das ist der Unterschied.

P3:

(…) aber an die Jugendlichen, bei Jugendlichen ab 13 so vielleicht, die schon dahingehend aufklärt.

P2:

Und da hat er uns ja erst belogen, er sagte, er ist nach Ägypten, und später hat er erst gesagt, dass er in Syrien ist.

(Langes Schweigen)

I:

Gibt's denn irgendjemanden, von dem Sie –jetzt so im Nachhinein gesehen- Hilfe gewünscht oder erwartet hätten?

P3:

Ja (...) sicher hätte man (…) aber ich wüsste jetzt nicht, wer uns da jetzt hätte helfen können, denn es kam ja keiner an ihn ran. Selbst die Polizei, die damals aus Essen (…) die Essener, wo das mit Bochum, Bochum war, die Demonstration, die wollte auch (…)

P2:

Bonn, meinst du, Bonn.

P3:

Ja, Bonn, ja. Bonn, ja. Die wollte er auch zu sich heranziehen, sogar die Polizei. Wollte er mit diskutieren.

(Langes Schweigen)

I:

Was glauben Sie denn jetzt, so nach Ihrer Erfahrung, die Sie jetzt gemacht haben, so im Nachhinein gesehen, wie können Betroffene denn unterstützt werden, so in zukünftigen Fällen?

P2:

Wenn sie mal zurückkommen, oder was?

I:

Nee, also betroffene Eltern jetzt zum Beispiel, also so wie Sie jetzt. Wie hätten Sie unterstützt werden können, oder vom wem?

P2:

Als das angefangen hat jetzt?

I:

Ja.

(Langes Schweigen)

P3:

Sag' du jetzt mal.

P2:

Ja, heute weiß man mehr wie jetzt wie damals.

(Langes Schweigen)

I:

Also, hätten Sie da mehr Hilfe von Behörden erwartet?

P3:

Ja, von Behörden, ja.

P2:

Ja, wo hätten die helfen können, wenn der Junge nicht mitmacht.

P3:

Ich würde mir wünschen, wenn der jetzt zurück käme, dass er jetzt ins Gefängnis käme.

P2:

Man konnte den ja nicht einfach einsperren.

P3:

(…) und vielleicht so davon wegkommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man da irgendwie (…) wie soll man da jemand helfen. Das kann ich mir nicht vorstellen.

P2:

Er kann das ja nur von alleine wollen.

P3:

Er kann von alleine nur das wollen, er ist ja erwachsen (unverständliches Wort).

(Langes Schweigen)

I:

Glauben Sie denn, dass jetzt in anderen Fällen überhaupt irgendeine Vorbeugung möglich ist? Das geht so ein bisschen in die Richtung, nach der ich eben schon gefragt habe, im Vorfeld, bevor es überhaupt losgeht, da haben Sie ja gesagt: Schulen, Vorträge (…).

P2:

(mehrere unverständliche Worte) weiß man ja, was kommt. Damals wusste man das ja nicht.

P3:

Mit Psychologen, psychischer Hilfe und mit, ja (…) immer wieder aufklären, so was. (Langes Schweigen)

I:

Und wenn es dann schon losgegangen ist, die Radikalisierung (…) haben Sie da noch eine Idee, was man dann machen kann?

P3:

Jaaa (…) dann versuchen, immer wieder auf denjenigen einzuwirken, auf das Kind. Haben wir ja auch versucht, aber da war er schon zu weit fort (…) fortgeschritten. Vielleicht ganz am Anfang direkt (…) wenn man bemerkt, das da irgendwie was faul ist.

P2:

Oder wenn man weiß, der ist schon radikal, schon irgendwie die Hand drauf halten (…).

I:

Das heißt, bei fortgeschrittener Radikalisierung (…)

P3:

Ja, ich glaube (…) so wie der (Name des Sohnes) war (…) ich meine, es gibt ja (…) ist ja verschieden bei den Jugendlichen. Die einen sind weniger radikal, die anderen mehr.

P2:

Ausgerechnet die Konvertierten sind schlimmer wie die Alteingesessenen.

P3:

Extrem. Ich denke, das ist extrem (…).

I:

Das ist wie bei den Nichtrauchern. Da sind die, die aufgehört haben, die radikalsten.

Also, wiederhole ich jetzt nochmal: Sie meinen, wenn die Radikalisierung richtig fortgeschritten ist, kommt man da nicht mehr so richtig heran.

P3:

Nee, ich hier jetzt so als normale Person, glaube ich nicht mehr. Da muss schon schul (…) geschulte (…) Leute ran, so wie Sie sagten, Moslems dann selber. Denke ich, dass das am hilfreichsten wär, dann.

P2:

Jetzt, könnte ich mir höchstens so vorstellen, der würde jetzt kommen: Einsperren, vom Islam isolieren, dass der gar kein Kontakt mehr dazu hat für eine gewisse Zeit.

P3:

Ich weiß nicht, ob das (unverständliches Wort). Ich kann mir nicht vorstellen, das ist so in dem sein Hirn drin.

P2:

(Unverständlicher Satz)

(Langes Schweigen)

I:

Zu welchem Zeitpunkt sollte denn die Vorbeugung, die Prävention, einsetzen?

P3:

Ganz am Anfang, wenn (…) sobald man merkt, die ersten Anzeichen. Wenn man merkt, dass (…) in die Richtung gehen könnte. Sofort dann reingehen.

I:

Auch schon vorher?

P3:

Ja, wie gesagt. Kind. So 13 (…) 12, 13, vielleicht vorher schon in Schulen (…).

P2:

In Schulen, im Unterricht, dass (unverständliches Wort) darüber sprecht, schon in der Schule.

P3:

Ja (…) Kindergarten ist sicher schon zu früh, das begreifen die Kinder sicher noch nicht.

P2:

Aber so 12, 13 Jahre, würde ich sagen, kann man schon reden drüber. Weil die ja auch an Kinder drangehen.

P3:

Ja (…) ja, stimmt.

(Langes Schweigen)

I:

Jetzt noch eine Frage: Bis zu welchem Zeitpunkt ist es überhaupt noch möglich, da irgendwie noch einen Fuß in die Tür zu bekommen?

P3:

Jaaa, vielleicht (…) nachdem man ein halbes Jahr da drin war, vielleicht, dass man dann noch was machen könnte. Aber wenn er dann schon (…) drei Jahre dabei ist oder was (…) ich denke, dann sind (…) die haben zu viel schon in die (…) in die Hirn (…) in den (…)

P2:

Ist ja, wie eine Gehirnwäsche.

P3:

(…) rein (…) ja, manipuliert (…).

(Langes Schweigen)

I:

Wie lange hat es denn bei ihrem Sohn gedauert von dem Zeitpunkt, wo er Ihnen auch erklärt hat "Ich bin konvertiert, ich habe den Islam angenommen" bis zu dem Zeitpunkt, wo Sie das Gefühl hatten, dass er jetzt richtig radikal wird? Was war das für ein Zeitraum, ungefähr?

P3:

Mit, ich glaube, so mit 16, 17 ist er da (…) hat das angefangen, jaa, bis 20, oder? Ja, so ungefähr. (Langes Schweigen)

I:

Also, es waren schon ein paar Jahre, wo er gar nicht so radikal war?

P3:

So schlimm nicht. Am Anfang war er immer richtig lieb und nett und und (…)ja.

P2:

Nee, nee, war erst harmlos. Er war ja erst nett. Wie ich gesagt habe: Die werden dann aussortiert, was zu gebrauchen ist, werden die Namen dann weiter gegeben.

P3:

Er hat nie angefangen mit Alkohol, das war für mich zum Beispiel schon mal ein Pluspunkt, kein (…) nicht geraucht, nicht (…) jetzt Spiele oder so, dass er in die Spielhalle ging oder so (…).

P2:

Normalerweise Internet hätten wir ihm auch verboten, aber das nutzen sie ja trotzdem.

(Langes Schweigen)

I:

Haben Sie das Gefühl denn gehabt, dass er wirklich auch sehr lange, sehr ausgiebig immer im Internet war?

P2:

Nachts.

P3:

Ja, doch, nachts immer. Heute noch durch What's App, ja, durch What's App immer noch ein bisschen Kontakt (…) und wir sehen das auch, dann ist er manchmal nachts (…)

P2:

Ja, die tun ja immer nachts beten auch, morgens dann (…)

I:

Ja, klar. So diese (…) diese extreme Radikalisierung, ging die dann sehr schnell? Das heißt, war er lange Zeit ganz normal muslimisch und wurde dann sehr schnell radikal oder war das ein Prozess, der so nach und nach kam?

P2:

Ja, nachher immer heftiger. Wenn Nachrichten kamen mit Assad, dann so war auf ihm am schimpfen, und so.

P3:

Nach und nach, ja.

P2:

Da kam das wahrscheinlich so dann, dass er sich verpflichtet fühlte, dann da hin zu gehen.

I:

Also war er jetzt nicht abrupt drei Jahre lang völlig gemäßigt und dann plötzlich radikal, sondern peu à peu.

P2:

Er war ja über Amerika immer am schimpfen, und so.

(Langes Schweigen)

I:

Gut, dann wäre ich mit meinen Fragen soweit schon durch. Wenn Ihnen sonst noch irgendwas einfällt, was man machen kann (…).

P3:

Ja, wie können uns ja dann melden. Das muss ich mir aufschreiben.

A5. Transkription Interview Person 4 (P4)

geführt Dienstag, 21.10.2014, 17:01 Uhr bis 17:58 Uhr

I:

Ich habe das in zwei Fragenkomplexe aufgeteilt, da geht es einmal um die Radikalisierung und dann einmal um die Maßnahmen, das ist ein leitfadengestütztes Interview; das heißt, ich werde schon schauen, dass ich diese Fragen unterbringe, es können sich im Laufe der Antworten aber noch Einzelfragen ergeben. Sie haben ja dann auch ständig Kontakt mit besorgten Angehörigen von Leuten, die sich vielleicht schon radikalisiert haben oder wo die Gefahr besteht, dass sie sich radikalisieren könnten. Was sind denn die ersten Anzeichen für eine mögliche Gefährdung bzw. für eine mögliche Radikalisierung?

P4:

Das ist sehr vielfältig. Wir beraten ja die Eltern und die erzählen ja dann auch erst mal die gesamte Biographie ihrer Kinder und da kommt dann auch (…) praktisch die aktuelle Lage dann zum Durchscheinen und da wird dann halt oft gesagt, dass (…) also es kommt fast in jedem Fall vor "Mein Kind hat eine Gehirnwäsche bekommen", und dann frage ich immer: "Was heißt das denn genau, was verstehen Sie denn da drunter?", und dann kommen halt so ganz viele Aufzählungen, die dann auf eine Radikalisierung hindeuten, zum Beispiel "Mein Kind verschleiert sich total", "Mein Kind isst nicht mehr zuhause", "Mein Kind hört nicht mehr auf uns", "Mein Kind sagt, wir sind Ungläubige, wir sind Heuchler", das sind so Anzeichen, ich sage mal so: Einzelne Dinge, einzelne Aspekte würden jetzt nicht auf eine Radikalisierung hindeuten, aber die Kumulation des Ganzen, die vielfältigen Aspekte. Also das würde ich so als Radikalisierung deuten. (…) Und es geht ja dann auch immer darum: wie schaffen wir es mit den Eltern, dass die den Kontakt zu ihrem Kind aufrechterhalten. Darum geht es immer in erster Linie, dass dieser Kontakt nicht abgebrochen wird und die immer noch irgendwie einen Halt haben und praktisch wissen: ah, meine Familie steht hinter mir, die hält zu mir und ich kann jederzeit meine Meinung auch wieder ändern, ich muss nicht in diese Gruppe, in diese salafitische oder islamistische Gruppe mich weiter hinein bewegen, ich habe auch noch die Möglichkeit, mich zu meiner Familie zu bewegen.

Also diese Option soll den Kindern auch immer wieder offen gehalten werden. Ich meine, es gibt da noch mal andere Aspekte, wenn die Kinder von (…) von, weiß ich nicht, vom Jihad erzählen und davon reden, dass sie ausreisen möchten, dann ist das noch einen Schritt weiter, wo wir dann auch sagen, da müssen wir jetzt mal gucken, wie wir damit umgehen.

I:

Wenn so Eltern nachfragen –der Radikalisierungsverlauf geht ja in der Regel oder oft sehr schnell- wenn die sagen: Ja, woran erkenne ich das, was sind die ersten kleinen Anzeichen, wo ist die Schwelle, wo ich wirklich reagieren muss als Eltern?

P4:

Also, ich würde gar nicht sagen, sie müssen reagieren, wenn sie sich radikalisieren, sie müssen eigentlich vorher schon reagieren, bevor sie sich radikalisieren. Also selbst wenn das Kind sich (…) also wir haben ja ganz viele Konvertiten, und wenn das Kind zum Islam konvertiert, ist noch gar nichts Schlimmes dabei, aber dass (…) die Eltern, die müssen sich auch dann schon dafür interessieren. Also die müssen immer im Kontakt zum Kind sein und die müssen wissen, warum ist das Kind zum Islam konvertiert, warum denn überhaupt, was reizt es denn da dran? Die müssen im Gespräch, im Kontakt bleiben. Und genau das ist ja eigentlich das Fatale: Nicht erst anfangen zu reagieren, sondern Eltern müssen eigentlich agieren. Immer. Immer agieren. Und nie reagieren. Denn wenn Eltern anfangen, zu reagieren, dann stimmt eh schon was in der Beziehung nicht. Und dann ist eine Radikalisierung (…) ja, es ist schwer dann, die Eltern dann zu beraten und zu sagen "Achten Sie darauf, achten Sie darauf, und dann können Sie das und das machen".

Solche Patentrezepte gibt es nicht. Man kann eigentlich nur (…) Prävention heißt für mich in dem Fall: Arbeiten mit den Eltern. Die Eltern müssen Kontakt zu ihren Kindern haben, im Vorfeld, die müssen ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern haben, und die können kein gutes Verhältnis aufbauen, wenn es eh schon geschädigt ist. Ja, und wenn sie sich dann dem Islam zuwenden oder in salafitische Gruppen rein bewegen, dann kann man nicht anfangen, ein gutes Verhältnis aufzubauen. Dann muss das da sein.

I:

Die Schwierigkeit ist ja sicherlich: das, was Sie jetzt so gesagt haben, richtet sich ja an Eltern, sage ich mal, zumindest mit einem Mindestmaß an Reflexionsfähigkeit. Ist ja auch nicht immer da, oftmals sind die Eltern ja erst sogar total froh, weil das Kind plötzlich vorher, weiß ich nicht, allgemeinkriminell war, BTM-Delikte hingelegt hat und plötzlich total straffrei wird, und die sind ja erst mal sehr glücklich. Das ist dann natürlich schon schwierig (…) ja, dann so von vorneherein kritisch damit umzugehen. Wie vollzieht sich die Radikalisierung oder wie geht die dann weiter; wie vollzieht die sich im konkreten Fall?

P4:

Ja, ich denke mal, das ist schwierig, dann mit den Eltern noch zu arbeiten, also beziehungsweise die Eltern so zu coachen, dass die ihre Kinder da rausholen können. Also zumal, wenn die Kinder schon volljährig sind und die überhaupt keinen, keinen Einfluss mehr auf die Kinder haben. Wenn das Verhältnis, die Kommunikation gestört ist und die Kinder volljährig sind, dann kann man eigentlich nur gucken: Kommt man noch an das Kind selbst ran? Wie können die Eltern den Kontakt aufrecht erhalten zu dem Kind? Und schauen, ob man dann noch irgendwie es schafft, an die Kinder ranzukommen. Man muss da wirklich von Fall zu Fall gucken, also ich habe da keine Allgemeinrezepte, ich gucke immer mit den Familien (…) praktisch systemisch, also in welchem Umfeld bewegt sich das Kind, wer hat vielleicht von der Familie oder vom Bekanntenkreis irgendwie noch Einfluss auf das Kind. Manchmal ist es ein Onkel, der Nachbar oder eine gute Freundin oder ein Freund. Und wir versuchen dann über die noch mal Einfluss zu nehmen und da an das Kind heranzukommen.

Also wir haben zum Beispiel einen Fall in Dortmund, da ist ein Mädchen, was sich voll verschleiert und sich radikalisiert, auch am "Lies-Stand"[259] konvertiert ist, ja, und da auch gar nicht mehr auf die Eltern hört und auch die Eltern beschimpft "Ihr seid Ungläubige, ihr seid alle Kuffar[260] ", und also das ganze Programm praktisch so auch an den Tag legt. Dann aber kommt ein Moment, ein Wochenende, wo sie den ganzen Schleier wieder ablegt und sich schminkt und ihren Ex-Freund trifft. Und sie ist immer, man hört auf einmal, sie ist noch verliebt in ihn, ja, so, und da haben wir jetzt einen Anker gefunden. Jetzt versuchen wir über diesen Ex-Freund, der mit der Szene überhaupt nichts zu tun hat, wahrscheinlich auch Alevit ist, und über den versuchen wir jetzt doch noch mal an das Mädchen heranzukommen. Und ich glaube, das ist natürlich kein Patentrezept. Wir müssen wirklich im System gucken, also bei jeder einzelnen Familie, bei jeder einzelnen Mutter oder Vater, je nachdem, wo das lebt, wo hält sich das auf, wo verkehrt es, mit wem verkehrt es, mit wem spricht es, wer hat Einfluss, wer kommt irgendwie an das Kind ran. Und an diese Leute müssen wir rankommen.

I:

Würden Sie denn sagen, dass es irgendeine Gemeinsamkeit gibt bei den Jugendlichen, die sich radikalisieren, oder zumindest, was die Mehrheit anbelangt, ja, dass es da Gemeinsamkeiten gibt, sei es Bildungsabschluss, sei es (…) Alter natürlich, Herkunft, soziale Herkunft?

P4:

Ich kann jetzt nur von unserer Beratungsstelle sprechen. Ich weiß nicht, wenn man jetzt alle Beratungsstellen, also alle Partner vor Ort, die das BAMF[261] koordiniert, wenn man da eine Evaluation macht, wie das Ergebnis aussieht, das weiß ich nicht. Das kann ich nicht sagen, da müsste man direkt mit dem BAMF sprechen. Ich kann jetzt nur von unserer Beratungsstelle sprechen; wir haben jetzt ungefähr hundert Fälle seit Januar 2012 angesammelt und es sind sechzig bis siebzig Prozent Familien, deren Ehe gescheitert ist, wo Scheidungsfamilien sind, also wo die Eltern getrennt sind oder wo die Kinder mit Stiefeltern aufgewachsen sind, die ganz große Probleme mit der Stiefmutter oder dem Stiefvater hatten. Dann haben wir jetzt in unserer Beratungsstelle auch einen ganz großen Anteil von Konvertiten. Kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass Herkunftsmuslime sich nicht an Beratungsstellen wenden, weil da einfach eine größere Schwelle besteht und sich Deutsche per se gerne an Ämter wenden. Kann natürlich damit zusammenhängen, dass die deutschen Eltern es gewohnt sind, den Umgang mit Ämtern zu pflegen und dann mal eben schnell die Hotline vom BAMF anzurufen, das ist schnell getan. Dass deswegen die Fallzahlen auch da höher sind, das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen.

Aber so von der, wie gesagt, die Gemeinsamkeit, würde ich echt sagen, das sind biographische Brüche. Große biographische Brüche. Das kann man eigentlich, also müsste ich jetzt noch mal nachgucken, aber gefühlte neunundneunzig Prozent haben biographische Brüche in ihren Lebensläufen. Und was auch gefühlt stark vorhanden sind, sind (…) psychologische Brüche beziehungsweise psychiatrische Krankheiten. Also viele Jugendliche haben schon Aufenthalte in einer Klinik hinter sich und viele haben auch schon eine Psychotherapie hinter sich. Wo man auch immer merkt, irgendwie sind da auch Dispositionen vorhanden, die eventuell was damit zu tun haben, dass man offener ist und anfälliger und ansprechbarer ist als andere Jugendliche. Also da, vom Bildungsstand her, da kann ich das nicht bestätigen, dass es eine bestimmte Gruppe ist, weiß ich nicht, dass man sagt, das sind jetzt die von der Hauptschule oder die von der Gesamtschule oder die, die nicht so gut sind. Das würde ich jetzt nicht sagen, weil wir haben auch, wenn man in die Fälle mal reinguckt, sehr viele, die Abitur gemacht haben oder Abitur machen. Auch sehr viele, die schon studieren oder ein Studium abgebrochen haben. So, das geht wirklich von einem neunzehnjährigen, der wirklich überhaupt keinen Schulabschluss hat bis zu einem Aussteiger, der das Maschinenbaustudium abgebrochen hat. Also da kann ich jetzt nicht irgendwie sagen, das gehört in die oder die Bildungsschicht. Nein, das würde ich nicht sagen. Aber die Familienbiographie, die spielt sicherlich eine große Rolle.

I:

Wie sieht es aus mit großem Ausländeranteil in den Schulklassen? Also ich habe schon öfter die Rückmeldung gekriegt, dass die im Grunde nur muslimische Freunde hatten. Und damit quasi dann auch groß geworden sind, besonders bei den Konvertiten. Könnte das eine Rolle spielen?

P4:

Das könnte sein. Also es gibt (…) Eltern sagen häufig "Ja, mein Kind war in der Klasse schon immer mit muslimischen Kindern zusammen".

Also diese Aussage kommt häufiger vor. Oder "Die hatte schon immer muslimische Freunde". Und jetzt hat sie aber auch diese muslimischen Freunde nicht mehr. Es kommt dann der Zeitpunkt, wo dann diese muslimischen Freunde auch zu Ungläubigen werden, wo sie sich dann andere muslimische Freunde suchen. Also die sind dann einfach zu liberal und erst hört man so, dass sie selbst sich nicht dazugehörig fühlen, weil sie ja nicht Muslime waren. Und dann auf einmal kommt aber der Punkt, wo dann die Muslime nicht mehr (Rest des Satzes unverständlich). Also es ist schon eine Nähe zum Islam da gewesen und eine Offenheit, würde ich schon auch so sehen, aber es sind nicht unbedingt DIE Freunde, die dann praktisch die Ausschlaggebenden sind, aber vielleicht ist es auch so etwas wie (…) ja, ich habe ja schon ein bisschen Ahnung oder ich habe ja muslimische Freunde und der Zugang zu anderen fällt dadurch vielleicht leichter. Dass da nicht mehr so eine Schwelle vorhanden ist, das ist sicherlich möglich. Das kann ich aber so gar nicht sagen, aber möglich ist es.

I:
Ich habe oft die Erfahrung gemacht, na ja oft, zumindest aber so oft dass es auffällt, dass so gerade Leute, die achtzehn, neunzehn sind, dann sagen "Ich war ja vorher rechtsradikal". Wo ich dann das Gefühl habe, da muss auch irgendwie so eine extremistische Grundhaltung da sein. Oder Hauptsache Protest, Hauptsache anders als alle anderen. Also das habe ich jetzt bestimmt von, ja gut, von hundert Leuten sind es vielleicht fünf oder sechs. Aber das finde ich dann schon relativ viel. Wenn die sagen, ich habe mich früher mit Rechtsradikalen rumgetrieben.

P4:

Also ich glaube, ich habe es in einem Fall mal gehabt, jetzt nicht so häufig, dass das mal vorkommt. Was ganz häufig halt vorkommt, ist dass die eine kriminelle Vergangenheit haben. Also dass die Drogen genommen haben, dass die, weiß ich nicht, Brüche gemacht haben. Oder viel im Rotlichtmillieu unterwegs waren. Also das (…) ja und dann sagen die Eltern ja "Ich bin ja froh, dass er jetzt nicht mehr kriminell ist, sondern betet und im Haushalt auf einmal hilft und er ist jetzt richtig anständig geworden". Also das ist schon auch vorhanden. Es gibt wahrscheinlich auch einen Zusammenhang eh auch zwischen Jugendlichen, die da sich kriminalisieren, indem sie in ihrem Umfeld auch Delikte da, sage ich mal, haben und in Familien aufwachsen, wo biographische Brüche sind. Also das hängt ja auch eh zusammen. Ich denke, es hat immer was damit zu tun: Wie ist das Kind sozialisiert worden? Was für einen Halt, was für einen Rückhalt hat es in der Familie? Wie wird es aufgefangen? Wie gucken die Eltern das Kind an? Wird es wertgeschätzt? Wird es verneint? Wird es abgelehnt?

Ein Beispiel auch: Eine Mutter, die zwei Jungs, also Zwillinge auch hatte, und die sind beide mit vier Jahren ins Heim gekommen. Der eine wurde, als er drei Jahre alt war, schon vom Stiefvater fast zu Tode geprügelt. Die sind mit vier Jahren dann beide ins Heim gekommen, mit zwölf Jahren wurden die auseinander gerissen, der eine wegen Schwererziehbarkeit, der andere ist in dem Heim geblieben. Der hat da eine Einzelbetreuung bekommen im Heim, und dort wurde er auch noch misshandelt. Und wenn ich dann die ganze Biographie von diesen Kindern höre, und dann endlich kommt mal jemand, wo sie wirklich vielleicht angeschaut werden, wo ihnen wirklich mal jemand ins Herz schaut, dann kann ich das auch gut nachvollziehen. Dass sie da sich hingezogen fühlen und zu dieser Gruppe gehen. Wenn sie das ganze Leben lang nur misshandelt und verachtet worden sind, und niemand mal den Jungen in den Arm genommen hat. Das sind natürlich unsere gesellschaftlichen Missstände, die da regelrecht nach schreien. Nach Hilfe schreien.

I:

Ja, ich denke auch, das ist auch der Reiz. Weil man ist plötzlich Teil einer Gemeinschaft, wo eigentlich per se jeder wertgeschätzt wird. Egal, welchen Hintergrund der hat. Das ist natürlich schon ein großer Reiz.

Wodurch radikalisieren die sich im Regelfall? So die jüngeren Konvertiten oder auch Geburtsmuslime? Durch Freunde, durch das Internet, durch (…)

P4:

Also, ich denke, es ist beides. Bei den Mädchen hört man immer wieder, also die Eltern versichern mir "Das Mädchen geht nicht aus dem Haus. Es ist nur zuhause im Zimmer, es geht nur zur Schule, es kommt nach der Schule nach Hause, es befindet sich nur im Zimmer". So, und dann frage ich "Was macht es denn den ganzen Tag im Zimmer?" "Ja, es ist im Internet".

Also, da ist dann ganz klar eine Radikalisierung über die Medien, über weiß ich nicht, über irgendwelche social media, über YouTube und andere Dinge. Und natürlich spielt auch das Handy eine ganz große Rolle. Dass da What's App und SMS ganz viel hin- und hergeschrieben werden. Also oft kennen die Leute, also die jungen Menschen, überhaupt nicht ihren Kommunikationspartner. Aber es wird eine virtuelle, tiefe Freundschaft entwickelt, und dann wird so weit vertraut, dass die mit denen so über die Medien reden, als würden sie die persönlich kennen. Und dann lassen die sich dann auch von denen ganz stark beeinflussen über diese Medien. Über What's App und über YouTube und über Facebook und keine Ahnung, welche, Twitter, was da noch alles benutzt wird. Aber da passiert gerade bei den Mädchen ganz, ganz, ganz viel (…) also, ich würde mal sagen, dass gerade so junge Frauen, die (…) wie soll ich sagen, da auch einen Wunsch nach einer Beziehung hegen, diesen aber so nicht ausleben können und dann aber auch das Internet nutzen, um an (…) junge Männer zu kommen und zu heiraten. Also, das ist jetzt ganz verrückt, aber wir haben mehrere Fälle, wo die jungen Frauen sagen, ich möchte heiraten und es gibt schon einen Mann im Internet. Also, es wird jetzt nicht so genau wortwörtlich gesagt, aber da kommt dann da raus. Es gibt gewisse andere Frauen im Internet, die dann für die junge Männer suchen. Also eine Art Heiratsmarkt, eine Heiratsvermittlung. Und dann hat auch das eine Mädchen erzählt, sie hätte da schon einmal einen gehabt, dann hat sie sich mit ihm geschrieben und hat festgestellt, dass er ihr nicht islamisch genug ist. Jetzt ist sie auf der weiteren Suche. Also, das ist, das erzählen die dann auch wirklich. Also, es ist ganz viel darüber.

Und jetzt habe ich auch einen Fall, ein Mädchen, die auch sagt "Ich möchte nicht mehr (…) zuhause leben, ich möchte auch nicht mehr meine Ausbildung zu Ende machen oder mein Abitur zu Ende machen. Ich brauche nicht mehr in die Schule, ich werde einfach heiraten. Und im Koran steht, der Mann hat für mich zu sorgen. Und ich suche mir jetzt einen muslimischen Mann".

Also, das sind dann ganz feste Vorstellungen. Und wenn man dann natürlich noch mal tiefer einsteigt und fragt "Ja, wie stellst du dir denn das Eheleben vor mit dem Moslem? Erzähle doch mal, wie sieht denn so ein Tagesablauf für dich aus?".

Da fangen sie dann an, zu stocken. Da kann man dann noch mal weiter mit ihnen sprechen und sie zum Grübeln anregen. Weil da hört es eigentlich dann auf, die Reflexion. Also beziehungsweise: Der Wunsch wird gehegt, aber die wissen nicht, was dahintersteht oder was da noch für Vorstellungen dahinter sind. Also, soweit denken die da nicht irgendwie. Wie so ein Alltag dann aussehen könnte, da kann man sie noch mal zum Nachdenken anregen.

Und bei den Jungen, da, bei den jungen Männern, denke ich, geht es doch mehr über die persönlichen Kontakte. Also wahrscheinlich auch erst über das Internet, oder auch begleitend über das Internet, durch die Medien, aber da spielen persönliche Kontakte, glaube ich, eine größere Rolle. Dass die auch viel mehr rausgehen und sich in Moscheen treffen oder in privaten Wohnungen treffen und da mehr in der Öffentlichkeit auch präsent sind oder bei Veranstaltungen, bei den Lies-Ständen auch präsent sind und da auch eine Kommunikation vorhanden ist.

I:

Wie können denn Sie in Ihrer Funktion hier dem entgegensteuern?

P4:

Also wir alleine können da sicherlich nicht so viel ausrichten. Also ich denke, wir sind da ein kleiner Baustein in diesem ganzen Präventions- und Interventionssystem. Also das muss natürlich weiterhin ausgebaut werden. Wenn man überlegt, seit Januar 2012 gibt es das Bundesnetzwerk, die Beratungsstellen. Jetzt fangen erst die ganzen Länder an, etwas zu unternehmen, wie Wegweiser in NRW, und in Hessen gibt es jetzt Projekte. Und wenn die anderen Länder kommen. Selbst aber in NRW, und das Bundesrecht ist natürlich auch zu wenig für NRW. Das muss eigentlich viel, viel, viel weiter ausgeweitet werden. Und es muss, sage ich mal, noch anders in die Öffentlichkeit reingetragen werden. Anders, als die Medien es jetzt machen. Wir sind, wie gesagt, ein kleiner Baustein. Ich denke, wenn die im Laufe des Prozesses oder nach mehrmaligen Beratungsstunden sagen "Sie haben uns geholfen. Wir wissen jetzt, wie wir besser umgehen können". Oder "Wir haben das oder das erreicht". Oder "Wir haben es geschafft, dass unsere Tochter jetzt alleine zu Ihnen kommt". Dann ist das natürlich ein großer Erfolg, wenn wir irgendwie an die rangekommen sind. Oder die gesagt haben, ja, also ein Fall jetzt auch in Köln, wunderbar, wo die (…) das Mädchen zu ihrem Onkel einen ganz tollen Kontakt intensiviert hat und aufgebaut hat und jetzt hat sie zwar einen Moslem geheiratet, aber so weit, dass sie sagen "Wir distanzieren uns von dieser Gruppe. Wir wollen zusammenleben und zusammenbleiben und wir hegen jetzt auch den Kontakt zur Familie".

Es ist also eine türkische Herkunftsfamilie, auch mit muslimischem Hintergrund. Und da ist es also wirklich, dass die, das junge Paar sagt "Okay, wir haben uns gefunden, aber wir distanzieren uns von der Gruppe".

Und auch einen ganz regen Kontakt jetzt zum Onkel hegen. Und wenn der Mann irgendwie, der studiert noch nebenbei, dann ist es auch so, dass seine Frau bei ihrem Onkel oft noch übernachtet. Also da auch die Möglichkeit hat, in der Ehe gefunden hat, da für sich auch noch einen Freiraum zu schaffen und den ganz engen Kontakt zur Familie herzustellen. Also, so was gibt es auch, und das ist schon einfach ein großer Erfolg. Und man sieht immer nicht so: Ah, da haben wir jetzt einen vor der Ausreise gerettet, oder da ist wieder einer, der trägt jetzt nicht mehr, oder die trägt jetzt nicht mehr das Kopftuch. Das ist natürlich mühselig. Man muss wirklich genau (unverständliches Wort) gucken, wie die Radikalisierung stattfindet. Im Einzelfall das System angucken. Genauso kann man auch im Einzelfall die kleinen Erfolge sich betrachten. Genauso mühselig wie das andere. Also, das ist jetzt nicht so, dass man sagt "So hier sind unsere Erfolge. Und da und da und da. Das ist messbar.

Das ist genauso mühselig.

I:

Wer kann denn konkret in Maßnahmen –in welcher Form auch immer, ob das Beratung von Angehörigen ist, wie Sie das machen oder ob das direkt mit den Leuten ist- wer kann konkret noch eingebunden werden, im Vorfeld? Bevor es zu einer Radikalisierung kommen kann?

P4:

(…) Im Vorfeld (…) Also im Nachfeld hätte ich gesagt, also ich sage mal, im Vorfeld, Prävention heißt für mich: Aufklärung in der Schule, also: Die Schulen müssten FLÄCHENDECKEND, in jeder Schule müsste es islamischen, also islamisch-theologischen Unterricht geben, flächendeckend. Die Kinder müssten nicht so weit kommen, dass sie sich nur über das Internet über den Islam informieren. Weil, wenn ich da eingebe "Islam, wer bist du?", dann komme ich garantiert auf Pierre Vogel. So, und die Kinder müssen eigentlich die Frage nicht mehr im Internet stellen müssen. Sie müssen eigentlich schon in der Schule aufgeklärt sein. Wie der Islam entstanden ist. Wie die Abspaltungen entstanden sind. Die müssen die Richtungen können. Und die müssen wissen, wie viele Möglichkeiten der Korandeutung es gibt. Ja, welche Möglichkeiten gibt es denn, den zu deuten. Den im historischen Kontext, den im salafitischen Kontext. Also diese ganzen, diese ganze Vielfalt, die muss denen DA schon präsent sein. Bevor sie überhaupt selbst anfangen, sich damit zu beschäftigen.

I:

Das würde dann aber auch heißen, bei dem hohen Anteil an Konvertiten, den wir haben, grundsätzlich, auch an Schulen, wo wenige Leute mit Migrationshintergrund sind (…)

P4:

Also, ich habe ja die Meinung, dass jeder Religion ein Religionsunterricht zusteht. Also, es gab ja auch eine Zeit lang die Diskussion, auch im Rahmen der Integrationspädagogik, sollte man nur Ethik unterrichten, und den ganzen theologischen Unterricht auch für Christen außen vorlassen. Nur noch für alle Ethikunterricht. Oder sollte man praktisch für alle Religionen theologischen Unterricht für jede Religion anbieten. Ich bin der Meinung, auch wenn nur ein Hindu in der Klasse ist, müsste hinduistischer Unterricht angeboten werden. Das ist meine Meinung. Und wenn nur ein Moslem in der Klasse ist, müsste auch (…)

Das heißt aber nicht, dass ich die deutschen Christen von diesem muslimischen, theologischen Unterricht ausschließen würde. Ich würde das zu einer eher wahlfreien Unterrichtseinheit machen. Also ich weiß nicht, ob es funktionieren würde. Ich kann mir vorstellen, dass viele Kinder das freiwillig besuchen würden. Man müsste praktisch auch, sage ich mal, die Möglichkeit geben, allen Kindern, die sich mit dem Islam auseinandersetzen wollen, auch diese Möglichkeit haben, das in der Schule zu tun.

In der Schule, wo sie nochmal wirklich, wo durch den Lehrplan abgesichert ist, wie wird der Islam vermittelt. Das finde ich wichtig. Es reicht einfach nicht aus, den Islam über Moscheen und über das Internet zu vermitteln. Das geht nicht, das funktioniert nicht, das sehen wir ja hier, und es muss andere Möglichkeiten, müssen geschaffen werden. Und das ist, Schule wäre eins, wie man das dann genau macht mit den Lehrplänen und Wahlpflicht oder wahlfrei, ich bin keine Lehrerin, weiß ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass das irgendwie gut funktionieren könnte.

Aber neben der Schule gehört für mich auch (…) das ganze Wohlfahrtssystem müsste sich öffnen. Wir haben den jüdischen Wohlfahrtsverband, wir haben die Diakonie, wir haben die Caritas. Wir haben immer noch keinen muslimischen Wohlfahrtsverband, der fehlt in meinen Augen auch. Muslimischer Wohlfahrtsverband heißt dann auch: in Kooperation mit dem Staat. Das heißt: man kann genau gucken, was machen die muslimischen Wohlfahrtsverbände. Und es gehört für mich auch dazu, dass muslimische Wohlfahrtsverbände dann Kindergärten und andere Vereine zu karikativen Zwecken auch gründen und da vermehrt in die Gesellschaft reingehen. Die Gesellschaft wird immer pluraler, immer vielfältiger. Wir werden auch einfach immer mehr muslimische Menschen hier haben, und der Islam ist eine wachsende Religion weiterhin. Die ist schon stark gewachsen, sie wird auch weiterhin wachsen. Und es kann ja nicht unser Ziel sein, diese wachsende Religion weiterhin an die Wand zu drängen. Es muss einfach eine weitere Öffnung, eine staatliche Öffnung geben. Wir haben Religionsfreiheit; das heißt nicht, dass wir frei von Religion wollen. Sondern wir haben die Religionsfreiheit, und der islamische Wohlfahrtsverband, ich denke, kommt irgendwann. Und ich hoffe auch, dass er kommt irgendwann. Also da sind ja auch einige mit im Gespräch, dass man (…) also der islamische Wohlfahrtsverband ist für mich auch ein wichtiger Ort, um überhaupt Islam, die islamische Religion über die Zivilgesellschaft in die Gesellschaft zu tragen. Das ist für mich noch ein weiterer Punkt neben Schule. Und der Kindergarten gehört ja für mich dann eigentlich auch da dazu. Also Prävention im Kindergartenbereich gehört für mich in die Schiene Wohlfahrtsverbandsarbeit rein, das gehört für mich dazu.

I:

Bei beginnendem Radikalisierungsprozess – wer wäre dann im Boot für Maßnahmen, Ihrer Meinung nach?

P4:

Ja, ich meine, weiterhin müssen die Eltern sensibel sein und das natürlich auch praktisch dann aufzeigen. Also sich an Beratungsstellen wenden. Es ist aber nach wie vor immer noch so, dass es (…) wenn die Eltern zum Beispiel nicht fit im Internet sind und nicht googeln würden und nicht auf diese Hotline stoßen von Wegweiser[262] oder vom BAMF, von einem von den beiden, was machen die dann?

Ich frage ja auch immer "Wo waren Sie schon überall? Wo gehen Sie hin, wenn Sie auf einmal was entdecken?".

Ja, also gerade am Anfang 2012 hat man von fast allen Familien gehört "Ich war bei der Kirche, beim Sektenbeauftragten".

Also, das waren oft die Wege, die die Eltern gegangen sind. "Aber die konnten mir nicht helfen" war dann das nächste. Und die haben sich auch nicht speziell mit dem Islam auseinandergesetzt. Das war dann eher, mehr, so die waren auf Scientology fixiert. Also da auch stark besetzt gewesen. Aber mit dem Phänomen 'Islam' waren die dann auch erst mal überfordert oder beziehungsweise überfahren worden. Und konnten dann nicht reagieren. Ich denke mal, es ist schon wichtig, dass die Eltern reagieren beziehungsweise agieren sollten. Es sollten die Lehrer, die Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Polizei sowieso, auf der Hut sein. Also alle, die mit den Jugendlichen zu tun haben und eine beginnende Radikalisierung sehen oder vermuten, sollten das kommunizieren. Was ich aber nicht gut finde, ist dass man dann auch wieder, so, wie es in den Medien ist, das so ins Negative zieht. Also, es heißt ja nicht irgendwie, dass der Islam an sich eine schlechte Religion ist. Jede Religion hat schlechtes und gutes. Und man muss dann einfach einen differenzierten Blick haben. Und ich denke, dass die Öffentlichkeit mit der Religion anders umgehen muss und sollte. Ich finde es nicht gut, wenn man salafitische Prediger ins Fernsehen holt, Das haben wir ja in der Vergangenheit häufig gehabt. Man sollte vielmehr die Prediger holen, die, sage ich mal, wirklich liberal sind. Man kennt sie; man kennt die liberalen Prediger. Entweder, ich weiß nicht, sind die nicht bereit, in die Öffentlichkeit zu gehen, oder werden die nicht angefragt. Das kann ich nicht beurteilen. Weil es gibt ja ganz viele, sage ich mal, islamische Vertreter, denen man auch vertrauen kann. Aber die kennt man nicht, die sind nicht in der Öffentlichkeit.

Man kennt aber zuhauf die ganzen islamistischen Prediger. Die kennt man, sogar mit Namen, mit Bild, die kennt man alle. Und ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, damit umzugehen, befürchte ich. Ja, wie kann man noch, also wie wird man sensibel auf Radikalisierung?

Der Kontakt, der Kontakt, der Kontakt, immer wieder Gespräche führen mit den Jugendlichen, mit den Kindern. Aufklärung. Wie hat man damals die Kinder vor Scientology gewarnt, war ja meine Generation. Da haben dann auch die Eltern mit einem gesprochen "Pass auf, wenn dich da jemand anspricht".

Es muss einfach mehr Aufklärung betrieben werden.

I:

Durch die ganzen Akteure, die Sie gerade genannt haben. Im Grunde alle, die irgendwie mit Jugendarbeit, mit Jugend zu tun haben.

P4:

Ich meine, das passiert ja jetzt auch. Es ist ja auch so, dass die Wegweiser-Kollegen und auch wir in die Schulen gehen, in Gremien, in Netzwerke gehen, wo Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sitzen, die dann auch vielleicht – letztens waren wir bei der Diakonie, in der Wohngruppe. Die haben auch Auffälligkeiten gesehen. Auch erst mal gesagt, da könnte was sein, da muss nichts sein, und wir holen uns mal die Berater hier ins Haus und machen mal hier so eine Teamsitzung mit denen gemeinsam, um die mal ein bisschen zu sensibilisieren. Und wenn man dann mal so konkrete Fälle mit denen durchspricht, so und so ist das bei dem abgelaufen, oder so und so ist da eine Radikalisierung abgelaufen, dann werden die auch sensibler und wissen das und können das eher auseinanderhalten und differenzieren. Wenn einer da kein Schweinefleisch isst, hat das nichts zu sagen. Aber wenn die Summe aller Aspekte auf einmal aufeinandertreffen, wenn das noch dazukommt und das noch und das noch dazukommt, und wenn man dann noch fragt "Mensch, wo geht der hin? Wo kommt der her? Und was macht der genau?", dann schließt sich irgendwann das Bild, und dann kann man schon sagen, da ist eine Radikalisierung. Und da ist eine Ausreise vorprogrammiert. Da ist eine, sage ich mal, eine Kriminalität in sich schon, wo man einfach auch eventuell sogar auch die Polizei schon mit hinzuziehen muss. Das muss man dann beurteilen. Und aber um das zu beurteilen, muss man natürlich auch ein bisschen da differenziert hingucken. Ich meine, wir arbeiten ja auch, wo wir dann mit den Eltern sprechen und wo wir dann auf einmal hören "Das und das und das und der hat ja schon von Ausreise gesprochen, ich habe ihm schon den Pass weggenommen" oder "Der hat schon das Ticket gehabt, jetzt ist er doch nicht geflogen".

Wo ich dann frage "Ja, haben Sie denn die Polizei eingeschaltet?" Wenn die Eltern sagen: "Nein", dann werde ich die aber ganz dringend dahin beraten, das zu tun.

Und sagen "Es ist jetzt eigentlich schon mehr als zwölf".

I:

Wer kann denn noch was tun oder soll noch was tun, wenn die Radikalisierung schon richtig fortgeschritten ist?

P4:

(…) Ja, also ich, wir kooperieren da natürlich dann auch mit der Polizei. Das ist mit dem Staatsschutz, das ist schon (…) wichtig für uns auch. Ich möchte nicht die Verantwortung übernehmen, wenn da was passiert. Und das ist schon (…) also in den meisten, oder wir haben es eigentlich in allen Fällen geschafft, dass wir die Eltern dazu bewegen konnten, dass die selbst die Polizei oder den Staatsschutz angerufen haben. Wir mussten das bisher nicht machen. Und wenn dann dieser Schritt getan wurde, und wir dann mit den Eltern darüber gesprochen haben, dann konnte man auch noch mal anders zusammenarbeiten. Dann konnte man sagen "Hier, das und das ist jetzt passiert". Wir tauschen uns dann halt auch aus und ich finde das schon auch wichtig, um dann halt auch weiteres zu verhindern. Aber unsere Arbeit jetzt bleibt eigentlich immer wieder dabei, mit den Eltern, wenn also zum Beispiel ein Kind in Syrien ist, dann mit den Eltern dahingehend zu sprechen "Bleiben Sie in Kontakt mit Ihrem Kind, auch wenn das jetzt ausgereist ist oder in Pakistan ist oder sonst wo ist. Bleiben Sie in Kontakt mit Ihrem Kind. Schreiben Sie regelmäßig E-Mails, fragen Sie viel. Wenn es sich meldet, versuchen Sie möglichst viel, den Kontakt aufrecht zu erhalten".

Die haben ja auch nicht immer eine Internetverbindung. Nur manchmal dann, wenn sie wieder näher an der Türkei sind oder in der Türkei sind, dass dann mal wieder eine E-Mail kommt. Dass man immer versucht, diesen Kontakt aufrecht zu erhalten.

Ich weiß nicht, ob die ihre Kinder jemals wiedersehen. Also, ich mag das auch nicht den Eltern sagen. Das ist zwar meine Vermutung, dass die meisten ihre Kinder nicht mehr wiedersehen. Aber das mag man den Eltern natürlich nicht sagen. Und von daher sage ich "Halten Sie den Kontakt aufrecht, und fragen Sie viel und reden Sie viel mit denen".

I:

Und dass bei richtig fortgeschrittener Radikalisierung ist im Grunde dann auch reine Prävention, Beratungsmaßnahmen kaum mehr möglich sind, würde ich dann das so interpretieren. Kann wirklich nur die Polizei das Schlimmste verhüten.

P4:

Genau. Also ich meine, wenn die wirklich zurückkehren und wieder hier einreisen, dann ist, dann muss die Polizei handeln. Da kann ich nichts anderes mehr erwarten. Von mir auch nicht erwarten. Oder von den Beratungsstellen erwarten. Von uns kann ich weiterhin erwarten, die Eltern zu unterstützen. Oder Trauerbegleitung ein Stück weit zu machen. Also, wir haben ja auch Familien gehabt, deren Kind faktisch jetzt auch in Syrien erschossen wurde. Und wo wir dann auch mit den Eltern ein Stück weit Trauerbegleitung machen. Und dann gucken, wie können die trauernden Eltern weiterhin vermittelt werden in Trauergruppen, wo sie vielleicht Gleichgesinnte treffen. Das haben wir jetzt auch in unserem Netzwerk gemacht. Und zwar habe ich, betreue ich eine Mutter in Bielefeld, deren Kind gestorben ist, erschossen worden ist. Und wahrscheinlich noch eine Mutter aus Düsseldorf, deren Kind wahrscheinlich tot ist. Was aber jetzt noch nicht so verifiziert ist.

Und zusammen mit der Berliner Kollegin wird jetzt, beziehungsweise die Berliner machen das eher, aber wir arbeiten denen halt auch zu, wird eine Trauergruppe von Müttern gegründet, die ihre Kinder verloren haben oder verlieren werden, wie auch immer. Da muss man von ausgehen, dass es noch mehr werden. Und es hat sich jetzt einmal eine Gruppe getroffen in Berlin, mit trauernden Müttern. Ich weiß jetzt nicht, wie viel die waren. Und die werden jetzt auch demnächst eine Internet-Homepage auf die Beine stellen, wo die Mütter dann auch nochmal zum Ausdruck bringen: Wir lassen uns nicht unterkriegen. Also so nicht wortwörtlich, aber es soll halt nach außen getragen werden: Wir lassen uns nicht von den Islamisten unterkriegen. Wir haben zwar unsere Kinder verloren, aber uns kriegt ihr nicht klein.

Also auch nochmal so ein Power-Schub von den Müttern aus. Wo die dann vielleicht auch irgendwann so stark sind und auch selbst nicht nur sich selbst so Kraft geben, sondern vielleicht auch Ansprechpartner sein können und selbst anderen Müttern helfen. Ja, also das ist so das Ziel. Und ich denke mal, das ist ein sehr guter Ansatz, sehr gutes Konzept. Und ich glaube (…) leider, ich glaube leider, dass diese Gruppe grösser werden wird.

I:

Damit haben Sie schon einen Teil der nächsten Frage vorweggenommen, nämlich wie können Betroffene unterstützt werden? Sie machen es also auch tatsächlich, im Grunde, wenn die Präventionsarbeit vorbei ist, weil das Kind meinetwegen gestorben ist, unterstützen Sie sogar im Nachhinein noch. Vorher, wie können Betroffene da noch unterstützt werden? Also, jetzt nicht nur von Ihnen, sonder generell. Was glauben Sie, wie Betroffene unterstützt werden können, deren Kinder sich radikalisieren?

P4:

Nicht von den Beratungsstellen, sondern andere?

I:

Überhaupt. Auch von den Beratungsstellen natürlich, aber auch so in der ganzheitlichen Sicht.

P4:

Es gibt Eltern, die brauchen eine (…) engmaschige Betreuung. Also, es gibt Eltern, die (…) haben wir jetzt auch eine Familie aus Dortmund, mit denen haben wir jede Woche Kontakt, manchmal sogar mehrmals in der Woche. Die brauchen da eine ganz, ganz intensive Betreuung. Und dann gibt es da aber Personen, die, ja, weiß ich nicht, da wird dann alle paar Monate ein Telephonat geführt und dann wird geguckt, wie hat sich das entwickelt. Und manchmal entwickelt es sich zum Guten. Da ist einer Diabetiker, der kümmert sich jetzt so stark um seine Krankheit, der hat jetzt gar keinen Kopf mehr dafür so weiterhin. Der muss jetzt auch operiert werden, und dies und das. Und da ist dann praktisch der Fokus mehr auf seine Gesundheit gerichtet als auf seinen Freundeskreis, den er in diesem salafitischen Milieu verhaftet sind. Und dann ist das auch gut. Dann kann man weiter gucken "Ja, kümmern Sie sich und gucken Sie, dass seine Gesundheit gefördert wird".

Und solche Sachen. Dann ist das auch, sage ich mal, nicht so notwendig, da eine engmaschige Betreuung zu machen. Aber bei den anderen, wo es, sage ich mal, gerade in dem Prozess der Radikalisierung ist, wo es immer weiter geht und wo man das beobachten kann, da ist eine sehr engmaschige Betreuung notwendig. Also da wird fast täglich telephoniert, würde ich mal fast sagen. Wo man jeden Tag oder mindestens zweimal die Woche dann guckt, was ist jetzt passiert, mit wem hat der oder die sich getroffen und was ist da rausgekommen? Haben die jetzt Stubenarrest gegeben oder nicht? Haben die jetzt irgendwie das Buch weggenommen und haben sie mal geguckt, woher hat der das Buch überhaupt? Ist das Buch auf dem Index? Wo hat er das bestellt? Solche Fragen, tagtäglich gucken. Also, es sind ja wirklich oft Kleinigkeiten, wo man dann gemeinsam recherchiert, wo den Eltern das schon zu viel ist. Wo die einfach immer eine Unterstützung brauchen. "Ja, woher hat die jetzt die islamische Kleidung und waren sie mit der zusammen die islamische Kleidung kaufen. Und warum isst sie das Brot nicht, das haben wir doch aus einem Laden gekauft, da gibt es doch nur Halal[263] -Essen, warum isst sie das nicht?" Solche Fragen werden dann gestellt.

I:

Das heißt, die stellen auch ganz, ganz konkrete, handfeste Fragen an Sie dann?

P4:

Ja, es geht bis in das Mehl, was gekauft wird, bis, ja (…). Also, das habe ich jetzt nicht so ausgeführt, aber es ist sehr, sehr konkret. Man hat schon das Gefühl, man lebt da mit in der Familie und kriegt alles hautnah mit. Es wird, ja, es werden dann auch Photos gezeigt, da war dann ein Vater mit seiner Tochter in London gewesen. Und dann hat der Photos gezeigt und zeigt:

"Ja, guck, hier war ich mit ihr in London und sie hat den Schleier abgelegt. Kaum waren wir in Dortmund zurück, zieht sie wieder den Schleier an."

So, solche Sachen. Wie kommt es dass sie in London nicht den Schleier trägt? Also, das hat ja dann doch was mit dem Umfeld zu tun. Und es kommt nicht von innen heraus.

I:

Das zeigt ja dann auch (…) auch, dass der strenge Glaube, denke ich, dann nicht sehr reflektiert wird, weil, wenn es wirklich so aus Glaubensgründen ist. Weil Allah sieht auch in London, ob man einen Schleier trägt oder nicht. Das ist ja dann schon interessant.

P4:

Genau, solche Sachen. Und da reden wir natürlich auch mit den Eltern. Gerade über solche konkreten Gespräche kommt man eigentlich dem ganzen Phänomen noch ein Stück näher. Also, wo setzen die plötzlich den Schleier ab, oder wo fängt auf einmal an, doch den Kajalstift aus der Tasche rauszunehmen und wo nicht. Wo befinden die sich gerade dann, die Kinder. Und warum essen sie da das Brot und da nicht. Solche Kleinigkeiten manchmal, aber genau solche Kleinigkeiten bringen einen manchmal ein Stück weiter.

I:

Das heißt, das sind dann für Sie auch die Angriffspunkte, wenn Sie sagen, die zieht ihren Schleier in London ab, da haben wir noch eine Möglichkeit zum anpacken, an dieser Stelle. Und das, denke ich, das heißt dann auch für mich im Umkehrschluss, dass die Betroffenen auch schon –soweit möglich- professionell unterstützt werden müssen.

P4:

Was heißt jetzt professionell unterstützt?

I:

Also von Beratungsstellen zum Beispiel. Dass so der Pfarrer nebenan vielleicht noch helfen kann, aber nicht professionell begleitet.

P4:

Ja, also, ich glaube, es reicht nicht, von jemanden begleitet werden, der das ab und zu macht. Es kann natürlich ein Pfarrer sein, wenn er das jeden Tag macht. Wenn es sein (…) wenn er was sieht und das ist sein Job und er müsste das jeden Tag machen, dann glaube ich schon, ist er dazu in der Lage. Aber es reicht nicht, das MAL zu machen. Das geht nicht.

Also, wir machen das jetzt (…) jeden Tag, seit drei Jahren und machen nichts anderes. Ich glaube, man kriegt auch einen (…) man wird von Jahr zu Jahr sensibler. Man kriegt mehr Wissen, man kriegt auch, man kriegt diese Feinheiten mehr mit. Am Anfang, also als ich angefangen habe mit diesem Projekt, da habe ich zwar viel über den Islam gewusst, aber nicht über diese Feinheiten. Wo man genau die Eltern nach fragen sollte. Diese Fragen, die hinterher irgendwie nach und nach irgendwie, vielleicht weiß ich in fünf Jahren noch mehr. Kann noch geschickter fragen.

Also, man entwickelt sich ja auch immer selbst weiter und wird wissender. Und im Moment weiß ich aber schon, diese und diese Frage, die brauche ich nicht stellen, weil das ist eh (unverständliches Wort), die Kategorie kennt man schon, aber man muss die und die Frage stellen, dann kriegt man noch ein bisschen mehr raus und weiß, aha, da ist wirklich ein Punkt der Radikalisierung. Oder da geht es in eine Richtung, wo man noch mal ein bisschen näher hingucken muss. Das kriegt man dann, glaube ich, mehr raus mit der Zeit. Das weiß man, glaube ich, nicht, wenn man MAL eine Familie begleitet. Oder mal jemanden berät. Also, das habe ich auch gemerkt, als die (…) die Kollegin in Berlin, die das viel, viel länger macht als wir, die da auch ganz am Anfang, als ich angefangen habe mit der Beratung auch viel weiter war. Das hat man einfach gemerkt. Die hat da viel mehr Wissen, viel mehr Sensibilität an den Tag gelegt und wusste schon viel geschickter ihre Fragen zu stellen. Und, also das war dann auch für mich immer so ein Vorbild, und ich habe da auch, oder wir alle haben, denke ich auch, viel immer so in den Netzwerktreffen von ihr gelernt. Und dennoch unterscheide ich mich aber von ihr, weil ich glaube, sie sieht das also aus einer technischen Perspektive, während ich, glaube ich, noch mehr Empathie für die Eltern entwickele. Ja, also, ich möchte ihr keine Empathie absprechen, aber ich glaube, dass ich da noch mehr so eine Sensibilität für die Eltern und deren Gefühle entwickeln kann oder habe.

I:

Also sie hat mehr so eine instrumentelle Sicht.

P4:

Ja, ja, genau. Und was ich halt auch so merke, ist, dass (…) dass, wenn zwei das gleiche fragen, noch lange nicht dasselbe ist. Also wenn ich das frage oder meine Kollegin, die selbst muslimischer Herkunft ist, ist komplett was anderes. Wir haben also Familien (…) eine Familie jesidischer Herkunft, deren Sohn sich radikalisiert hat, wo der Vater hier angerufen hat und hat gesagt "Ich möchte nur mit Ihnen reden, auf keinen Fall mit ihrer muslimischen Kollegin".

So, und dann haben wir gesagt, gut, dass wir zu zweit sind und so unterschiedlichen Religionen angehören oder Herkünften angehören.

Dann haben wir eine alevitische Familie, die sagt "Ich möchte auf jeden Fall mit ihrer Kollegin reden, weil die kann türkisch sprechen. Wir sprechen besser türkisch; und die kennt die Kultur".

Da habe ich gesagt "Kein Problem für mich, dann wird sie da federführend sein".

Oder wir haben Familien, wo die sagen "Ja, Sie verstehen ja mehr so die Sprache und die Kultur, aber Sie gucken nochmal mit einer anderen Perspektive drauf".

Also, dass die dann auch so beides so wertschätzen können. Ich finde es wichtig, ein gemischtes Team zu haben. Aber so von der Religion her, von der sprachlichen Herkunft her. Und auch, was wir jetzt im Beratungsnetzwerk zwar nicht bieten können, aber in Kooperation mit Wegweiser bieten können, ist die geschlechtliche Teilung.

Ja, also, die Wegweiser-Kollegen sind männlich, wir sind weiblich. Wir haben (...) wir betreuen zum Beispiel Familien, wo wir auch an die jungen Mädchen rankommen. Die würden nie alleine mit einem männlichen Wegweiser-Kollegen sprechen. So dass wir dann in Kooperation betreuen, diese Familie. Und wenn das Mädchen dann alleine – es ist mittlerweile so, dass es auch zu uns in die Einrichtung kommt – und mit dem Wegweiser-Kollegen spricht, dann ist eine von uns dabei. Schon alleine wegen der geschlechtlichen Begleitung. Und im umgekehrten Fall, wenn Wegweiser-Kollegen ein Mädchen haben, wo sie nicht mit alleine sprechen können, dann werden wir ins Boot geholt. So ist da eine wunderbare Kooperation. Und wir haben mit den Wegweiser-Kollegen einmal im Monat eine Teamsitzung und gucken dann immer, welche Fälle können wir gemeinsam betreuen oder geht das überhaupt nicht oder was ist da möglich. Das ist, wenn man denn bei einem Träger arbeitet, ist das natürlich ein Stück weit einfacher.[264]

I:

Ja, die nächsten beiden Fragen haben Sie im Grunde schon (…) beantwortet, ja, die nächste Frage: Welche Prävention möglich ist im Vorfeld, bei beginnendem Prozess, bei fortgeschrittener Radikalisierung, haben Sie im Grunde schon gesagt, als ich gefragt habe, wer in die Maßnahmen eingebunden werden kann. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt Prävention einsetzen sollte, haben Sie im Grunde auch schon, nämlich von Anfang an, im Kindergarten schon; haben Sie auch schon zu meiner vollen Zufriedenheit beantwortet.

P4:

Also, was ich nochmal, ich finde so Priester, Pastor von Kirchen, finde ich eigentlich auch wichtig. Wir haben jetzt bisher überhaupt keine Erfahrung gehabt, die irgendwo einzubeziehen. Ich denke aber, dass da vielleicht wirklich noch etwas ist, was man noch ausbauen könnte, dass da noch Potential vorhanden ist, was nicht im Moment geschöpft wird. Ich glaube auch, gerade bei ängstlichen Eltern, die, sage ich mal, sich mit der Religion des Islam überhaupt nicht auskennen, da vielleicht auch noch mal so einen Priester oder so einen evangelischen Pastor mit reinzuholen, der auch ein bisschen so die Ängste der Eltern nimmt. Das finde ich eigentlich auch ganz wichtig. Und wenn ein Kind, also das hatten wir hier auch, die waren vorher Messdiener, ja, lange Zeit in der Kirche. Ob man nicht mal guckt, ob man noch mal diesen Priester, wo der Messdiener war, oder der Pastor, der das Kind viele, mehrere Jahre begleitet hat und konfirmiert hat, wenn das noch nicht so lange her ist, auch noch mal mit ins Boot holen. Das finde ich jetzt gar nicht so weit hergeholt, gar nicht so weit weg. Ich habe aber jetzt keine Erfahrung da drin.

I:

Müsste man mal ausprobieren. Zumal ja Konvertiten oft aus strenggläubigen, christlichen Familien kommen. So, die allerschwierigste Frage habe ich mir bis zum Schluss aufbewahrt: Bis zu welchem Zeitpunkt ist Prävention möglich? Oder würden Sie sagen, es gibt da einen Zeitpunkt, wo man nur noch sagen kann: Jetzt kann im besten Fall es nur noch der liebe Gott richten oder das Schicksal, dass derjenige von alleine vernünftig wird. Gibt es quasi da einen 'Point of no return'?

P4:

Ist ja eine Sache, wie wird Prävention definiert. Also, Prävention kann ja auch heißen, ich verhindere, dass der hier eine Bombe zündet. Ja? Also, Prävention kann aber auch heißen, ich verhindere, dass der zum Islam konvertiert. Wo fängt Prävention an und wo hört sie auf? Das haben wir ja jetzt nicht definiert. Und wenn man das jetzt ganz weit fasst, Prävention, dann hört sie nie auf. Dann würde ich sagen, dann hört sie erst dann auf, wenn derjenige tot ist.

I:

Aber ich meine, wenn man jetzt von der reinen Straftatverhinderung als Prävention ausgeht, wo man wirklich jemanden noch erreichen kann, von seinem radikalen Weg wieder umzukehren, gibt es da einen Punkt, wo sie sagen würden, ab da geht es wirklich beim besten Willen nicht mehr?

P4:

Nein, das würde ich persönlich nicht sagen. Kann sein, dass meine Kollegen das so sehen, der eine oder andere, aber ich persönlich würde die Hoffnung am Menschen nie aufgeben.

I:

Das war ein gutes Schlusswort. Dann bedanke ich mich herzlich für Ihre Zeit.

A6. Interview mit Person 5 (P5) - Gedächtnisprotokoll

geführt: Dienstag, 28.10.2014, 10:00 Uhr - 11:15 Uhr

Erläuterung der Person 5 zum Projekt "Wegweiser"

Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW bietet mit "Wegweiser" ein umfangreiches Präventions- und Aussteigerprogramm an, das insbesondere im Bereich der Primärprävention eng mit Behörden und Institutionen zusammenarbeitet. In diesem Rahmen werden u.a. durch Vorträge, Workshops und Öffentlichkeitsarbeit Multiplikatoren geschult, um salafistische Radikalisierungstendenzen zu erkennen und frühzeitig wirkungsvoll gegensteuern zu können.

Zielgruppen dieser Multiplikatorenschulungen sind u.a. Lehrer, Mitarbeiter kommunaler Ämter oder Mitarbeiter von freien oder kirchlichen Trägern der Jugendhilfe.

Perspektivisch ist vorgesehen, auch andere Ressorts, z.B. aus dem Ministerium für Schule und Weiterbildung, dem Ministerium für Familie, Jugend, Kultur und Sport oder dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales in diese Arbeit mit einzubinden.

Ferner ist das Projekt "Wegweiser" Ansprechpartner für aussteigewillige Szeneangehörige und Familienangehörige oder sonstige Personen aus dem engen sozialen Umfeld von radikalisierten Personen, aber auch für Lehrer, Sozialarbeiter oder Personen aus dem Bereich der beruflichen Aus- und Fortbildung, die radikale Tendenzen bei Personen erkennen und diesbezüglich Hilfe in Anspruch nehmen wollen.

Die Mitarbeiter des Projektes "Wegweiser" bieten in diesem Zusammenhang konkrete Betreuungs- und Hilfsangebote für Angehörige (in der Regel Eltern) an. Die Betreuung kann in solchen Fällen sowohl durch Projektmitarbeiter als auch durch Mitarbeiter kooperierender Netzwerkpartner (derzeit gibt es Anlaufstellen in Bochum, Bonn und Düsseldorf) erfolgen.

Sicherheitsrelevante Sachverhalte werden durch die Netzwerkpartner gemeldet und nachfolgend ausschließlich durch die Mitarbeiter von "Wegweiser" selbst bearbeitet. Hierdurch ist eine eventuell erforderliche, frühzeitige Einbindung anderer Sicherheitsbehörden rechtzeitig gewährleistet.

Zusätzlich wird auch Kontakt zu den Szeneangehörigen selbst gesucht. Zielsetzung ist in diesem Fall, die Radikalisierung der entsprechenden Person zu verhindern oder eine weiterführende Radikalisierung aufzuhalten.

Voraussetzung hierfür ist allerdings eine prinzipielle Gesprächsbereitschaft der entsprechenden Probanden; bei diesem persönlichen Kontakt sollen dann Ansatzpunkte erkannt werden, ob die jeweilige Person zu einem Ausstieg aus der Szene bereit ist. Gründe hierfür können z.B. persönliche Krisen oder auch Zweifel an der Richtigkeit und Legitimität der salafistischen Ideologie sein.

In diesem Fall können auch konkrete Hilfsangebote, z.B. durch Unterstützung bei Wohnungs- oder Arbeitssuche, gemacht werden.

Interview:

I:

Was sind die ersten Anzeichen für eine mögliche Gefährdung oder Radikalisierung?

P5:

Die Anzeichen hierfür können im Grunde nach und nach, aber auch gleichzeitig oder zumindest sehr zeitnah auftreten. Oft kommt es zu einem allmählichen oder auch abrupten Wechsel des Freundeskreises. Die Person wird in der Schule auffällig, indem sie Kontakte zu Personen des anderen Geschlechts plötzlich ablehnt, sich in Diskussionen in der Schule, im Freundeskreis oder innerhalb der Familie eindeutig und unzweifelhaft für radikalislamische Positionen einsetzt oder überzogene, propagandistische Kritik gegen die USA oder Israel äußert.

Autoritäten, z.B. Lehrer, werden nicht mehr anerkannt. Andersgläubigen oder "Ungläubigen" wird die Hölle angedroht.

Weiter können szenetypische Kontakte wie der Besuch einschlägiger, radikalislamisch orientierter Moscheen oder Teilnahme an "Lies"-Ständen festgestellt werden.

Auch eine übermäßig häufige Nutzung des Internets und der damit verbundene Besuch der Seiten salafistischer Portale oder Prediger ist regelmäßig gegeben.

I:

Wie vollzieht sich die Radikalisierung im konkreten Fall?

P5:

Das ist sehr individuell, auch zeitlich. Bei manchen ist das ein länger andauernder Prozess, bei anderen kann es sehr schnell gehen. Im Grunde verstärken sich die oben beschrieben, ersten Radikalisierungsanzeichen. Es kommt vielfach zu einem völligen Bruch mit dem sozialen Umfeld, auch mit der eigenen Familie. Die Schule oder die Berufsausbildung wird oft abgebrochen. Auslöser, sowohl für den Einstieg in die Radikalisierung als auch für eine fortschreitende Radikalisierung sind oftmals Probleme mit der Schule, mit den Eltern oder mit der eigenen Identitätsfindung. Häufig gab es vorher schon einen allgemeinkriminellen Hintergrund mit Eigentums-, Gewalt- oder BTM-Delikten. Instabile Familienverhältnisse und der damit oftmals einhergehende Verlust von wichtigen Bezugs- und Identifikationspersonen sind häufig in der Biographie radikalisierter Personen zu finden.

I:

Wie können Sie in Ihrer Funktion innerhalb des Projektes "Wegweiser" gegensteuern?

P5:

Das geschieht hauptsächlich durch die Einbindung verschiedener, beteiligter Institutionen oder Personengruppen, seien es Schulen, unsere Netzwerkpartner oder das soziale Umfeld des Betroffenen. Nur im gemeinsamen, regelmäßigen Austausch aller beteiligten kann der salafistischen Radikalisierung entgegengewirkt werden.

I:

Wer kann konkret in Maßnahmen eingebunden werden?

P5:

Im Vorfeld gilt es zunächst, Eltern für die Thematik zu sensibilisieren. Schulen und andere Einrichtungen, die viel mit Jugendlichen oder jungen Erwachsenen arbeiten, müssen vor allem durch Informationsveranstaltungen und Vorträgen in die Lage versetzt werden, sehr früh die Tendenzen und Anzeichen einer möglichen Radikalisierung zu erkennen. Dies wäre ein wichtiger, erster Schritt. Ferner muss dieser Personenkreis natürlich wissen, an wen man sich in einem solchen Fall wenden kann und wo bzw. bei wem professionelle Hilfe und Unterstützung eingeholt werden kann.

Hat die Radikalisierung bereits begonnen, ist eine gezielte Projekt-, Jugend- oder Sozialarbeit erforderlich. In diesem Stadium ist von Seiten von der Ausführenden aber schon ein theoretisches Fundament bezüglich Islam, Salafismus und diesbezüglicher Radikalisierungsverläufe notwendig. Auch hier kann das Projekt "Wegweiser" wertvolle und professionelle Hilfestellung geben.

In einer schon weit fortgeschrittenen Radikalisierungsphase werden Maßnahmen schwierig; insofern gibt es auch nicht mehr viele Akteure, die dann noch eingebunden werden können. In der Regel kommen spätestens hier die Sicherheitsbehörden, allen voran die Polizei, ins Spiel. In dieser Phase ist die konkrete Gefahrenabwehr, z.B. durch Gefährderansprachen, vorrangig.

I:

Wie können Betroffene unterstützt werden?

P5:

In erster Linie durch Beratungsangebote. Vor allem sollen sie das Gefühl haben, mit ihren Problemen nicht alleine gelassen zu werden. In der konkreten Beratung sind vor allem Kommunikationsvorschläge wichtig. Es ist im Kontakt zu dem radikalisierten Angehörigen, also in der Regel dem eigenen Kind, unabdingbar, dass der Kontakt nicht abbricht. Eine wesentliche Rolle hierbei spielt die Kommunikation. Wenn diese falsch läuft, zieht sich der Betroffene noch mehr oder sogar vollständig zurück. Dann ist es sehr schwierig bzw. unter Umständen unmöglich, die Kommunikation wieder herzustellen. Deshalb helfen wir den Angehörigen mit Kommunikationstopps. Das bedeutet vor allem, dem Betroffenen nicht etwa Vorwürfe zu machen, sondern sich interessiert an seinem Glauben und seinen Beweggründen zu zeigen.

Für uns ist es auch von großer Bedeutung, diese Gründe der Radikalisierung zu erfahren bzw. zu erfassen und diese in die Beurteilung künftiger Fälle einzubeziehen. Je mehr wir über die Radikalisierungsgründe und -mechanismen wissen, desto zielführender sind unsere Beratungsmaßnahmen und Hilfsangebote für neue Fälle.

I:

Welche Prävention ist a) im Vorfeld, b) bei beginnendem Radikalisierungsprozess und c) bei fortgeschrittener Radikalisierung möglich?

P5:

Dies ist soweit eigentlich schon in der Frage beantwortet worden, wer konkret in Maßnahmen eingebunden werden kann. Zunächst ist da die Sensibilisierung aller Personen oder Institutionen erforderlich, die mit jungen Leuten in Kontakt kommen. In erster Linie sind das natürlich die Eltern und die Schule.

Bei beginnender Radikalisierung wurden gute Erfahrungen mit interreligiöser Projektarbeit gemacht. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt "Ibrahim trifft Abraham" unter der Federführung Dr. Michael Kiefer. Hier arbeiten Schüler verschiedener Religionen miteinander, um sich gegenseitig kennenzulernen und ihre jeweiligen Religionen vorzustellen. Ziel ist es, dass die Schüler im gegenseitigen Kontakt feststellen, dass ihre Religionen eigentlich viel mehr Gemeinsamkeiten als trennende Elemente haben.

Wichtig ist hierbei, dass nicht die "Salafismuskeule" hervorgeholt wird, sondern dass die Problematik abstrahiert wird. Würde man das Projekt vordergründig unter der Kategorie "Salafismusbekämpfung" durchführen, würde man gleichzeitig die muslimischen Teilnehmer von vorneherein in eine solche Ecke stellen.

Anhand dieses Projektes wird deutlich, dass es auch bei beginnender Radikalisierung in erster Linie um Kommunikation geht.

Bei fortgeschrittener Radikalisierung ist eine Prävention, wie vorhin schon erwähnt, kaum noch möglich. In dieser Phase bleibt nur zu hoffen, dass die betreffende Person von alleine, etwa durch irgendein Schlüsselerlebnis, zur Abkehr findet.

I:

Zu welchem Zeitpunkt sollte Prävention einsetzen?

P5:

So früh wie möglich, also schon in der Schule. Dies geht eigentlich nur durch gezielte Lehrerfortbildung. Bevor es überhaupt zu einer Radikalisierung kommen kann, sollte dies schon im Unterricht thematisiert werden.

I:
Bis zu welchem Zeitpunkt ist Prävention möglich?

P5:

Bei weit fortgeschrittener Radikalisierung ist Prävention von außen, wie schon erwähnt, kaum noch möglich. Hier kann man nur auf biographische Wendepunkte hoffen, die die betreffende Person dazu veranlasst, seine radikale Haltung zu hinterfragen und gegebenenfalls aufzugeben. Dies ist nicht oft der Fall, kann aber vorkommen. Vor allem bei Personen, die zur Teilnahme am Jihad ausgereist kann, kann es passieren, dass sie angesichts des brutalen Vorgehens der dortigen Jihadisten feststellen, dass dies sich dann doch nicht mit ihrem Glauben vereinbaren lässt.

Ebenso, wie biographische Brüche eine Person zur Radikalisierung veranlasst haben, können erneute biographische Brüche diesen Prozess umkehren. Dies ist dann aber ein Prozess, der von außen, also von den Akteuren der Salafismusprävention, nicht gesteuert oder ausgelöst werden kann.

Eidesstattliche Erklärung

Hiermit versichere ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, alle Ausführungen, die anderen Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wurden, kenntlich gemacht sind und die Arbeit in gleicher oder ähnlicher Fassung noch nicht Bestandteil einer Studien- oder Prüfungsleistung war.

Mülheim an der Ruhr, 13.02.2015

Thorsten Bliß

[1] siehe Glossar

[2] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 268

[3] vgl. Bundesministerium des Innern, o. A., S. 206

[4] siehe Glossar

[5] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 275

[6] vgl. Malthaner u. Waldmann, 2012, S. 13

[7] Ceylan u. Kiefer, 2013, S. 81 f.

[8] vgl. ebd., 2013, S. 109

[9] ebd., 2013, S. 115

[10] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 268

[11] vgl. Ceylan u. Jokisch, 2014, S. 7

[12] Deeke, 1995, S. 8

[13] vgl. Helfferich, 2011, S. 36

[14] ebd., 2011, S.27

[15] vgl. Flick, 2012, S. 29

[16] Helfferich, 2011, S. 155

[17] vgl. ebd., 2011, S. 182

[18] vgl. Neu, 2011, S.12

[19] vgl. Gerlach, 2006, S. 102 f.

[20] siehe Glossar

[21] siehe Glossar

[22] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, ohne

Jahresangabe, S. 42

[23] vgl. Bötticher u. Mares, 2012, S. 245

[24] ebd., 2012, S. 245

[25] Brettfeld u. Wetzels, 2007, S. 201

[26] siehe Glossar

[27] vgl. Bürkli, 2011, S. 40 f.

[28] vgl. Gerlach, 2006, S. 251 f.

[29] siehe Glossar

[30] vgl. Ceylan u. Kiefer, 2013, S. 77

[31] vgl. ebd., 2013, S. 77 ff.

[32] vgl. Strunk, 2014, S. 71 f.

[33] vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport -Verfassungsschutz-, 2012, S. 28

[34] vgl. Abou-Taam, 2012a, S.1

[35] siehe Glossar

[36] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 88

[37] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 263

[38] vgl. El Difraoui, 2012, S. 7

[39] vgl. El Difraoui, 2012, S. 7 f.

[40] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 265

[41] vgl. ebd., 2014, S. 263

[42] vgl. Cavuldak, 2011, S. 5

[43] vgl. Gerlach, 2006, S. 212

[44] vgl. Kiefer, 2013, S. 2

[45] Müller, 2012, S. 23

[46] vgl. El Difraoui, 2012, S. 6

[47] vgl. ebd., 2012, S. 23

[48] Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2013, S. 23

[49] Al-Almani, Abu Assad: Abrechnung mit Deutschland. www.Abu+Assad+-+Abechnung+

mit+Deutschland[1].pdf.letzter Zugriff: 05.03.2014

[50] Malthaner u. Waldmann, 2012, S. 35

[51] vgl. Strunk, 2014, S.71

[52] siehe Glossar

[53] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 264

[54] vgl. Abou-Taam, 2012a, S.1

[55] Böllinger und Jäger, 1981, S. 234

[56] Senatsabteilung für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz: S. 1 ff.

[57] Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S.

279, Originaltext aus dem YouTube-Video "Al-Jannah al-Jannah"

[58] www.taz.de

[59] Freud, 1996, S. 51

[60] vgl. Ceylan u. Kiefer, 2013, S. 80

[61] vgl. Cavuldak, 2011, S. 3

[62] vgl. Malthaner u. Hummel, 2012, S. 248 ff.

[63] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014a, S. 4

[64] vgl. ebd., 2014a, S. 13

[65] vgl. Said, 2015, S. 170

[66] vgl. El Guennouni, Kubilay u. Reichertz, 2014, S. 125

[67] vgl. Fahim, 2013, S. 41

[68] vgl. Haug, Müssig u. Stichs, 2009, S. 211

[69] vgl. ebd., 2009, S. 275

[70] vgl. ebd., 2009, S. 299

[71] vgl. Haug, Müssig u. Stichs, 2009, S. 279 ff.

[72] vgl. Pfeiffer, 2012, S. 65 f.

[73] vgl. ebd., 2012, S. 70 ff.

[74] Dantschke, 2014, S. 197

[75] vgl. ebd., 2014, S. 197

[76] vgl. Waldmann, 2009, S. 125

[77] Lützinger, 2010, S. 21

[78] vgl. ebd., 2010, S. 28 ff.

[79] vgl. ebd., 2010, S. 41 ff.

[80] vgl. ebd., 2010, S. 73

[81] Waldmann, 2009, S. 38

[82] Khorchide, 2014, S. 54 f.

[83] siehe Glossar

[84] vgl. Abou-Taam, 2012, S. 38

[85] siehe Glossar

[86] vgl. Ceylan u. Kiefer, 2013, S. 75

[87] vgl. Bakker, 2011, S. 131 ff.

[88] vgl. Popitz, 2006, S. 181

[89] Gruen, 2013, S. 191

[90] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 92 f.

[91] vgl. Neumann, 2010, S. 2

[92] vgl. Köpfer, 2014, S.467 f.

[93] vgl. Neumann, 2010a, S 2 f.

[94] Huntington, 1998, S. 194

[95] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 93

[96] vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport -Verfassungsschutz-, 2012, S.71 ff.

[97] Emig, 2012, S. 51 f.

[98] Eckert, 2013, S. 14

[99] zdf.de, 2014, S. 3-15

[100] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 111 f.

[101] vgl. ebd., 2013, S. 112

[102] vgl. ebd., 2013, S. 114

[103] vgl. Brettfeld und Wetzels, 2007, S. 493

[104] ebd., 2007, S. 495

[105] vgl. ebd., 2007, S. 496

[106] vgl. Kiefer, 2013, S. 6

[107] vgl. Neumann, 2010a, S. 3 f.

[108] vgl. Eckert, 2012, S. 297

[109] vgl. Frindte et al, 2011, S. 645 ff.

[110] vgl. Biskamp und Hößl, 2014, S. 219

[111] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 104

[112] vgl. ebd., 2013, S. 109

[113] vgl. Deutsche Islam Konferenz, 2012, S. 2

[114] ebd., 2012, S. 2

[115] Kiefer, 2013, S. 14

[116] vgl. Ceylan und Kiefer., S. 111

[117] ebd., 2013, S. 127

[118] vgl. Emig, 2012, S. 57

[119] vgl. Dantschke, 2014a, S. 490 f.

[120] siehe Glossar

[121] Ceylan und Kiefer, 2013, S. 157

[122] vgl. Lützinger, 2010, S. 76

[123] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 167

[124] ebd., 2013, S. 103

[125] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 128

[126] Vidino, 2013, S.31

[127] vgl. Emig, 2012, S. 55

[128] vgl. Abdel-Samad, 2008, S. 237

[129] www.violence-prevention-network.de

[130] www.demokratie-staerken.de

[131] www.ibrahim-trifft-abraham.de

[132] www.schule-ohne-rassismus.org/islam-und-ich.html

[133] vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2014, S. 16-23

[134] vgl. ebd., 2014, S. 48 ff.

[135] vgl. Abou-Taam, 2012, S. 46 f.

[136] vgl. ebd., 2012, S. 48

[137] vgl. Kiefer, 2013, S. 12

[138] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014b, S. 1

[139] vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014c, S. 1-5

[140] siehe Anhang: Gedächtnisprotokoll des Interviews P5, S. 143 f.

[141] Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014d, S. 3 f.

[142] Internetseite 'Dialog macht Schule' –Förderer & Partner-, 2013,S. 1

[143] vgl. Internetseite 'Dialog macht Schule' –Die Idee-, 2013, S. 2

[144] vgl. Flyer 'Dialog macht Schule', 2013, S. 4

[145] vgl. Internetseite 'Dialog macht Schule' –Die Idee-, 2013, S. 2

[146] vgl. Flyer 'Dialog macht Schule', 2013, S. 5

[147] vgl. ebd., 2013, S. 6

[148] vgl. Faltbroschüre 'Dialog macht Schule' der Robert-Bosch-Stiftung, 2013, S. 2

[149] vgl. Ceylan und Kiefer, 2013, S. 149 f.

[150] vgl. Dresing und Pehl, 2013, S. 21 ff.

[151] vgl. Kruse, 2014, S. 241

[152] Kruse, 2014, S. 59

[153] vgl. ebd., 2014, S. 380

[154] Flick, 2012, S. 135

[155] vgl. Anhang, S. 92, Z. 17-38

[156] vgl. ebd., S. 93, Z. 19-29 u. S. 94, Z. 6-10

[157] vgl. ebd., S. 94, Z. 23-32 und S. 95, Z. 6-10

[158] vgl. ebd., S. 95, Z. 32-38 u. S. 96, Z. 10-18

[159] vgl. ebd., S. 102, Z. 14-31

[160] vgl. Anhang, S. 95, Z. 23-32

[161] vgl. ebd., S. 96, Z. 28-34

[162] ebd., S. 98, Z. 5-6

[163] vgl. ebd., S. 99, Z. 16-24

[164] vgl. ebd., S. 100, Z. 21-25

[165] vgl. ebd., S. 101, Z. 35 – S. 102, Z. 6

[166] vgl. ebd., S. 103, Z. 19-38

[167] vgl. Anhang, S. 104, Z. 5-12

[168] ebd., S. 104, Z. 34-35

[169] vgl. z.B. ebd., S. 93, Z. 24-29

[170] vgl. ebd., S. 92, Z. 17-24; S. 95, Z. 32-38; S. 96, Z. 10-17; S. 99, Z. 12- 14; S. 100, Z. 12-13; S. 104, Z. 19-25

[171] vgl. ebd., S. 97, Z. 26-36; S. 98, Z. 5-6; S. 100, Z. 21-37; S. 103, Z. 37 bis S. 104, Z. 7; S. 104, Z. 31 bis S. 105, Z. 8

[172] vgl. Anhang, S. 106, Z. 13-19

[173] vgl. ebd., S. 106, Z. 25-30

[174] vgl. ebd., S. 107, Z. 14-16

[175] vgl. ebd., S. 107, Z. 20-23

[176] vgl. ebd., S. 107, Z. 38

[177] vgl. ebd., S. 109, Z. 10-15

[178] vgl. Anhang, S. 109, Z. 24-29

[179] vgl. ebd., S. 106, Z. 6-16

[180] vgl. ebd., S. 118, Z. 21-22

[181] vgl. ebd., S. 116, Z. 37-38

[182] vgl. ebd., S. 107, Z. 30-35

[183] vgl. ebd., S. 108, Z. 13-23

[184] vgl. ebd., S. 110, Z. 30-34 u. S. 111, Z. 12

[185] vgl. ebd., S. 111, Z. 14-26

[186] vgl. ebd., S. 111, Z. 37-38

[187] vgl. ebd., S. 113, Z. 11-24

[188] Anhang, S. 115, Z. 10-12

[189] vgl. ebd., S. 115, Z. 25-26

[190] vgl. ebd., S. 116, Z. 20-23

[191] ebd., S. 113, Z. 22

[192] ebd., S.108, Z. 29-36

[193] ebd., S. 114, Z. 19

[194] vgl. Anhang, S. 107, Z. 35 bis S. 108, Z. 6

[195] vgl. ebd., S. 108, Z. 21-23

[196] ebd., S. 111, Z. 22-23

[197] ebd., S. 112, Z. 37

[198] Anhang, S. 123, Z. 16-23

[199] ebd., S. 122, Z. 35 bis S. 123, Z. 7

[200] vgl. ebd., S. 123, Z. 26-35

[201] vgl. ebd., S. 125, Z. 7-12 und Z. 28-34

[202] vgl. ebd., S. 126, Z. 18-21

[203] vgl. ebd., S. 126, Z. 25-29

[204] vgl. ebd., S. 127, Z. 25-32

[205] vgl. ebd., S.122, Z. 5-11, und S. 137, Z. 33-34

[206] ebd., S. 119, Z. 23-24

[207] ebd., S. 124, Z. 12-13

[208] vgl. ebd., S. 119, Z. 26-32

[209] vgl. Anhang, S. 119, Z. 32-35

[210] ebd., S. 120, Z. 28-30

[211] vgl. ebd., S. 121, Z. 30-35 u. S. 122, Z. 16-20

[212] vgl. ebd., S. 128, Z. 6-15

[213] ebd., S. 129, Z. 19-21

[214] vgl. ebd., S. 129, Z. 21-32

[215] vgl. ebd., S. 130, Z. 30 bis S. 131, Z. 20

[216] vgl. ebd., S. 132, Z. 22-26

[217] vgl. Anhang, S. 132, Z. 12-15

[218] ebd., S. 135, Z. 12-15

[219] ebd., S. 139, Z. 10

[220] vgl. ebd., S. 140, Z. 26-30

[221] vgl. ebd., S. 141, Z. 23-36

[222] vgl. ebd., S. 129, Z. 25-32

[223] vgl. ebd., S. 131, Z. 18-20

[224] vgl. ebd., S. 142, Z. 33-35

[225] vgl. Anhang, S. 123, Z. 5-7; S. 123, Z. 16-19 u. 36; S. 125, Z. 15-16

[226] vgl. ebd., S. 119, Z. 20-29 und S. 124, Z.12-15

[227] vgl. ebd., S. 123, Z. 18-21

[228] vgl. ebd., S. 119, Z. 20-29

[229] ebd., S. 119, Z. 29-32

[230] vgl. ebd., S. 121, Z. 30-35; S. 122, Z. 16-20 und S. 129, Z. 5-6

[231] vgl. ebd., S. 128, Z. 36 bis S. 129, Z. 6

[232] vgl. ebd., S. 121, Z. 30-35 und S. 122, Z. 16-20

[233] vgl. Anhang, S. 119, Z. 33 bis S. 120, Z. 7; S. 120, Z. 25-28 und Z. 36-38; S. 121, Z. 26- 29; S. 132, Z. 32-33 und S. 134, Z. 22-26

[234] vgl. ebd., S. 129, Z. 18-32 und S. 130, Z. 22-29

[235] vgl. ebd., S. 135, Z. 12-15

[236] vgl. ebd., S. 142, Z. 33-35

[237] Anhang, S. 148, Z. 28-31

[238] vgl. ebd., S. 145, Z. 18-24

[239] vgl. ebd., S. 144, Z. 24 bis S. 145, Z. 7

[240] vgl. ebd., S. 145, Z. 30 bis S. 146, Z. 10

[241] ebd., S. 146, Z. 14-15

[242] vgl. ebd., S. 146, Z. 32-38

[243] vgl. ebd., S. 146, Z. 20-24

[244] vgl. Anhang, S. 145, Z. 31-35

[245] vgl. ebd., S. 148, Z. 12-14

[246] als Einzelbeispiel vgl. Anhang, S. 128, Z. 14-15: Wie soll es konkret in die Öffentlichkeit getragen werden?

[247] vgl. Gerlach, 2006, S. 248

[248] vgl. Gemein und Redmer, 2005, S. 313

[249] vgl. Gemein und Redmer, 2005, S. 316

[250] vgl. Niedersächsisches Ministerium f. Inneres und Sport -Verfassungsschutz-, 2012, S. 96

[251] vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport -Verfassungsschutz-, 2012, S. 11

[252] vgl. Gerlach, 2006, S. 253

[253] vgl. Gemein und Redmer, 2005, S. 320

[254] vgl. Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport -Verfassungsschutz-, 2012, S. 100

[255] Hierbei handelt es sich um den bekannten Salafisten Harry Machura alias Isa al-Khattab

[256] Ortsname aus Anonymisierungsgründen gekürzt

[257] Name und Straßenname aus Anonymisierungsgründen gekürzt

[258] Ortsname aus Anonymisierungsgründen gekürzt

[259] Die Kampagne "Lies!" beinhaltet Infostände, an denen kostenlos Korane verteilt werden und gezielt missioniert wird (Da'wa-Arbeit).

[260] Ungläubige

[261] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

[262] "Wegweiser" ist ein Präventions- und Austeigerprojekt des Ministeriums für Inneres und Kommunales NRW

[263] erlaubt, zulässig

[264] Die IFAK Bochum ist sowohl Kooperationspartner bei Wegweiser als auch beim BAMF

Ende der Leseprobe aus 152 Seiten

Details

Titel
Salafismus. Möglichkeiten und Grenzen der Prävention
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
2,15
Autor
Jahr
2015
Seiten
152
Katalognummer
V418848
ISBN (eBook)
9783668678606
ISBN (Buch)
9783668678613
Dateigröße
1065 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
salafismus, möglichkeiten, grenzen, prävention
Arbeit zitieren
Thorsten Bliß (Autor:in), 2015, Salafismus. Möglichkeiten und Grenzen der Prävention, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418848

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