Parteien spielen im politischen System eine zentrale Rolle, indem sie die politische Willensbildung des Volkes in einem demokratischen, parlamentarischen System ermöglichen und durch die Formulierung und Bündelung von Interessen als Vermittler zwischen dem Staatsvolk auf der einen Seite und den politischen Entscheidungsapparaten auf der anderen Seite wirken. Durch das wechselseitige Agieren der in einem politischen System bestehenden Parteien sowie aufgrund von strukturellen Gegebenheiten entwickeln sich unterschiedliche Parteiensysteme heraus, die so vielfältig sind wie die Gesellschaften, in denen sie entstehen.
Die systematisch-vergleichende Analyse westlicher Parteien und Parteiensysteme hat dabei breites Interesse in der europäischen politikwissenschaftlichen Forschung gefunden. Der französische Politikwissenschaftler Maurice Duverger skizziert in seinem Werk Les Partis Politiques 1951 einen ersten umfassenden Umriss der Bandbreite und organisatorischen Verflochtenheit von Parteiensystemen. Weiterhin stellte er als erster Politikwissenschaftler eine zwingende Beziehung zwischen Wahl- und Parteiensystemen her. Giovanni Sartori arbeitet in seinem Werk parties and party systems von 1976 verschiedene Kategorien heraus, anhand derer Parteiensysteme analysiert werden können. Dabei stellt er Parteien funktional als Interessenrepräsentationsinstanzen des Volkes dar, deren Aufgabe es ist, die Wünsche des Volkes zum Ausdruck zu bringen. Der deutsche Parteienforscher Klaus von Beyme versucht in seinem Werk Parteien in westlichen Demokratien 1982 die verschiedenen Stränge der Forschung in einer theoriegeleiteten empirischen Gesamtdarstellung zusammenzubinden.
Die vorliegende Arbeit möchte nun auf der Grundlage der oben genannten Grundsatzwerke einen Analyserahmen entwickeln, hinsichtlich dessen die Entstehung und Ausgestaltung von Parteiensystemen untersucht werden kann. Darauf aufbauend soll das kanadische Parteiensystem hinsichtlich seiner Struktur analysiert werden und nach Erklärungsfaktoren für dessen Entwicklung gesucht werden. Insbesondere stellt sich die Frage, weshalb in Kanada trotz eines relativen Mehrheitswahlrechts heute ein Parteiensystem mit einer Vielzahl unterschiedlicher Parteien beobachten werden kann und inwieweit es sich dabei um einen typischen Fall eines multipolaren Parteiensystems handelt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Parteiensysteme als Untersuchungsgegenstand politikwissenschaftlicher Forschung
- 2. Untersuchungskategorien
- 3. Rahmenbedingungen der kanadischen Politik
- 4. Das Parteiensystem Kanadas
- 5. Erklärungsansätze für die Entstehung eines multipolaren Parteiensystems
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die Entstehung und Entwicklung des kanadischen Parteiensystems zu analysieren. Dabei steht die Frage im Vordergrund, weshalb in Kanada trotz eines relativen Mehrheitswahlrechts ein multipolares Parteiensystem mit einer Vielzahl unterschiedlicher Parteien entstanden ist.
- Struktur und Entwicklung von Parteiensystemen
- Das kanadische Parteiensystem im Vergleich zu anderen Systemen
- Einfluss von Wahlrecht, Gesellschaftsstruktur und politischen Kultur auf das Parteiensystem
- Die Bedeutung von Cleavages und Wahlkampagnen
- Multipolare Parteiensysteme als spezifische Kategorie
Zusammenfassung der Kapitel
1. Parteiensysteme als Untersuchungsgegenstand politikwissenschaftlicher Forschung
Das Kapitel beleuchtet die zentrale Rolle von Parteien in politischen Systemen und die Entstehung verschiedener Parteiensysteme. Es werden wichtige politikwissenschaftliche Werke zur Analyse von Parteien und Parteiensystemen vorgestellt, wie z.B. von Maurice Duverger, Giovanni Sartori und Klaus von Beyme. Die Arbeit fokussiert auf die Analyse von Parteiensystemen und deren Entwicklung und nutzt die Erkenntnisse der genannten Autoren für die Entwicklung eines eigenen Analyserahmens.
2. Untersuchungskategorien
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Kategorien, die zur Analyse von Parteiensystemen relevant sind. Es wird zwischen strukturellen und inhaltlichen Kategorien unterschieden. Zu den strukturellen Kategorien zählen die Anzahl der Parteien und die Fragmentierung des Parteiensystems. Inhaltliche Kategorien fokussieren auf die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die inhaltliche Themensetzung der Parteien. Es werden verschiedene Ansätze und Indizes zur Messung der relevanten Kategorien vorgestellt.
3. Rahmenbedingungen der kanadischen Politik
Das Kapitel analysiert die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Kanada. Es werden die Entwicklung des politischen Systems, das kanadische Wahlrecht und die politische Kultur, insbesondere die Konfliktlinien zwischen anglophonen und frankophonen Kanadiern, Nationalisten und Regionalisten, sowie die Kultur des Multikulturalismus, untersucht.
4. Das Parteiensystem Kanadas
Dieses Kapitel befasst sich mit dem kanadischen Parteiensystem. Es wird die historische Entwicklung des Parteiensystems, die Unterschiede zwischen dem Parteiensystem auf Bundesebene und auf lokaler Ebene sowie die Charakteristika des aktuellen kanadischen Parteiensystems auf Bundesebene analysiert. Es werden sowohl strukturelle als auch inhaltliche Eigenschaften des kanadischen Parteiensystems betrachtet.
5. Erklärungsansätze für die Entstehung eines multipolaren Parteiensystems
Dieses Kapitel untersucht verschiedene Erklärungsansätze für die Entstehung eines multipolaren Parteiensystems in Kanada. Es werden der Zusammenhang zwischen Wahlrecht und Parteiensystem, die Bedeutung von Cleavages innerhalb der kanadischen Gesellschaft, die Bedeutung lokaler Wahlkampagnen und die Rolle individueller Wahlentscheidungen analysiert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe, die in dieser Arbeit behandelt werden, sind: Parteiensysteme, Wahlrecht, Gesellschaftsstruktur, politische Kultur, Cleavages, Multipolarität, Kanada.
- Arbeit zitieren
- Jonathan Loos (Autor:in), 2018, Das multipolare Parteiensystem in Kanada. Entwicklungslinien und Erklärungsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418858