Leseprobe
EINFÜHRUNG
Ziele des Strafverfahrens:
- Herstellung von Rechtsfrieden (durch)
- Herstellung materieller Gerechtigkeit (richtige Entscheidung)
- Verfahrensgerechtigkeit (prozessordnungsgemäß: Achtung von Rechten aller Beteiligter
Problem: Gegenläufige Ziele, die zu Konflikten führen können.
Angestrebt wird ein Ausgang des Verfahrens, mit dem sich die Betroffenen und die Bevölkerung vernünftigerweise zufriedengeben können.
Ziele des Strafverfahrens:
1. Feststellung und Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs
- materielle Wahrheit, nicht formelle Wahrheit
Problem: Prozessrecht wird zum Vehikel des materiellen Strafrechts; weitere Schlüsse auf die dogmatische Eigenart des Prozessrechts werden tendenziell abgeschnitten
2. Befriedigung
- Schaffung von Rechtsfrieden (Rechtskraft der Entscheidung)
Problem: Materieller Widerspruch zu dem Zweck der Ermittlung materieller Wahrheit (vgl. Einstellungsmöglichkeiten §§ 153 ff.; Verständigungsverfahren § 257c)
3. Gewährleistung rechtsstaatlichen Verfahrens
Anspruch des Beschuldigten auf rechtsstaatliche Verfahrensdurchführung: Art. 20, 92ff. GG, Art. 6 EMRK
Problem: Kein eigentliches Ziel des Strafprozesses, steht insbesondere dem Ziel der Wahrheitsfindung eher entgegen
Prozessrecht und materielles Recht
§ Materielles Recht dient der Feststellung der Strafwürdigkeit einer Handlung
§ Prozessrecht dient der Durchsetzung des materiell bestehenden staatlichen Strafanspruchs
§ Problem: Breiter Grenzbereich (zB Verjährung, §§ 78ff.)
- Praktische Bedeutung, da der Zweifelssatz nach (umstrittener) hM nur im materiellen Recht gilt
Richterliche Überzeugung
Darf ein Angeklagter verurteilt werden? §§ 261, 267: Ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maßan Sicherheit, dass vernünftigerweise und nicht bloßauf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht mehr zulässt.
Die Verfahrensbeteiligten
1. Beschuldigter
2. Verteidiger
3. Staatsanwaltschaft
4. Polizei
5. Richter
6. Zeuge/Verletzter
7. Sachverständiger
8. Urkundsbeamter
Der Beschuldigte
Beschuldigter à Angeschuldigter à Angeklagter (vgl. § 157 StPO)
Rspr bei verkehrsunabhängigen Verkehrskontrollen:
Betroffener ist nur dann als Beschuldigter zu behandeln, wenn konkrete Anhaltspunkte für eineüber dem zulässigen Grenzwert liegende Alkoholisierung sprechen
Nicht ausreichend ist die Wahrnehmung von Alkoholgeruch im Auto
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Rechte
- gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig (Unschuldsvermutung:
(Art. 20 III GG, Art. 6 II MRK),
- hat das Recht, gehört zu werden (Grundsatz des rechtlichen Gehörs;
Art. 103 I GG, §§ 33, 136 II, 257 I StPO, § 67 I, III JGG),
- hat das Recht zu schweigen/auf Aussagefreiheit (Nemo‐ tenetur‐ Grundsatz; Art. 2 I iVm 1 I und 20 III GG, Art. 14 III g IPbpR (=internationaler Paktüber bürgerliche und politische Rechte)) (das gilt auch für aktives Tun)
Umstritten: Recht zur Lüge (oder bei Aussagebereitschaft Pflicht zur Wahrheit?)
P/S: Beschuldigter darf sagen „was er möchte“, außer es berührt einen Straftatbestand
- hat das Recht auf Verteidigung (Art. 6 III lit. c MRK, § 137 I 1 StPO),
- hat das Recht,über seine Rechte belehrt zu werden (§§ 136 I, 163a III 2, IV 2)
Pflichten eines Beschuldigten
- Pflicht zum Erscheinen (auf Ladung der Staatsanwaltschaft [§§ 163a III 2
iVm 133 ff.], des Ermittlungsrichters [§§ 133 ff.] und zur Hauptverhandlung [§ 230 II]),
- Pflicht zum Dulden (z.B. von körperlichen Untersuchungen oder sonstigen Zwangsmaßnahmen),
- Pflicht, Angaben zur Person zu machen (vgl. § 111 OWiG).
Beispiel: Kommissar K hat erfahren, dass Bs Ehefrau F verschwunden ist. Bs
Nachbar berichtet K von einem Streit zwischen B und F.
Küberlegt, ob er im Hause des K nach Spuren eines Verbrechens suchen darf und wie er, wenn er B zu der Sache befragen will, an ihn herantreten muss.
I. Durchsuchung der Wohnung nach § 102
→ (‐): setzt Anfangsverdacht voraus („zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“);
insoweit zwar gewisser Beurteilungsspielraum, aber hier
lediglich eine Vermutung.
→ Vorermittlungspflicht: nach h.M. (+)
→ Beachte: Grundrechtseingriffe sind unzulässig!
II. Belehrungspflicht bei der Befragung?
→ (‐): besteht nur gegenüber Beschuldigtem
→ Nach h.M. kein Beweisverwertungsverbot, wenn K den B (informatorisch)
befragt und dieser ein Tötungsdelikt gestehen würde.
Die Verteidiger/Verteidigung (§§ 137 – 149)
Stellung des Verteidigers
Allgemein
- Beschuldigter darf bis zu drei Verteidiger wählen, § 137
- Recht auf Verteidigung (Art. 6 III lit. c MRK, § 137 I stop, Art. 2 iVm Art. 20 GG)
- Zulässige Geheimnissphäre Verteidiger und Beschuldigter: §§ 53 I Nr. 2, 97 I Nr. 1, 160a I 1
- „Kampf ums Recht“ oder „Strafvereitelung als Beruf“?
Stellung des Verteidigers
- Interessenvertreter (§ 137 I: „Beistand“ durch Geschäftsbesorgungsvertrag)
- mal Wahlverteidiger (§§ 138, 142 I 1)
- mal Pflichtverteidiger (§ 140) [Sicherungsverteidiger]
- unabhängig – auch vom Beschuldigten (argumentum e contrario § 297)
(Nach h.M.) „Organ der Rechtspflege“ (§ 1 BRAO)
- Nicht (ausschließlich) gegen das Strafverfolgungsinteresse des Staates arbeiten
- Achtung: Argument „Effektivität der Strafrechtspflege“ ist missbrauchsanfällig: Vordergründige Rechtfertigung unzulässiger Einschränkung von Beschuldigtenrechten
- eA: Eingeschränkte Organtheorie: Verteidiger darf auf möglichst effektive Verteidigung zielen, hat jeden einen „Missbrauch“ seiner Rechte zu unterlassen.
- aA: Verteidiger ist reiner Parteiinteressenvertreter
à Relevanz des Streits: Bezogen auf das Problem der (Un)Abhängigkeit des Verteidigers gegenüber dem Mandanten sowie vor allem hinsichtlich des Problems der Strafvereitelung + der Geldwäsche
Aufgaben
- Rechtliche Beratung des Beschuldigten
- Vertretung des Beschuldigten (nicht in der HV, § 230)
- Äußerung für den Beschuldigten
- Wahrnehmung spezifischer verteidigerrechte
- Aufklärung des Geschehens
- Bemühen um Beilegung des Verfahrens (§§ 153 ff.; TOA nach § 46a, Verständigung, § 257c
Pflichten eines Verteidigers
→ ordnungsgemäße Verteidigung
- Fürsprachepflicht (§ 137 I: „Beistand“, Geschäftsbesorgungsvertrag)
→ Verschwiegenheitspflicht (§ 203 I Nr. 3 StGB)
→ - Anwesenheitspflicht für den Pflichtverteidiger in der Hauptverhandlung
(§ 145 I 1)
- Wahrheitspflicht im Sinne eines Lügeverbots (§ 258 StGB, h.M.: aus § 1 BRAO)
Rechte eines Verteidigers
- Akteneinsicht (§ 147)
- „Verkehr mit dem Beschuldigten“ (§ 148 I)
- Anwesenheitsrechte, §§ 168c, 168d (für die HV: §§ 137, 138a ff. Verweigerung de Kontaktaufnahme des Beschuldigten mit dem Verteidiger seitens der Strafverfolgungsorgane während einer Vernehmung führt zu einem Beweisverwertungsverbot
- Beweisantrags‐ und Fragerecht (§§ 219, 244 ff. bzw. 240 II)
- Erklärungsrechte (§ 257 II)
- Recht, Rechtsmittel einzulegen, § 297
Ausschluss des Verteidigers
§§ 138a ff. regeln den Ausschluss des im Zusammenhang mit der verfolgten Tat straffällig gewordenen Verteidigers
Verbot der gemeinschaftlichen Verteidigung, § 146, vgl. auch § 356
Notwendige Verteidigung, §§ 140 – 143
Wegen Schwerwiegende Anklagen oder wegen gravierender Defizite in der Person des Beschuldigten besteht in Strafprozessen notwendige Verteidigung
= Wenn der Beschuldigte keinen Verteidiger selbst auswählt (Wahlverteidiger), wird ihm ein sogenannter Pflichtverteidiger beigeordnet
Grenzen zulässigen Verteidigerhandelns
1. Strafvereitelung, § 258 StGB
Im Hinblick auf die eingeschränkte Organtheorie + § 258 StGB verboten:
- Lügen (allerdings muss nicht „alles gesagt werden“)
- Dem Beschuldigten zur Lüge raten
- Zeugen zu unwahren Aussagen verleiten (vgl. §§ 139, 160 StGB)
- Einen zum Meineid entschlossenen Zeugen benennen
- Beweismittel verfälschen oder beseitigen
Erlaubt:
- Dem Beschuldigten und den Zeugen zu raten, vom Aussage-/Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen
- Den Freispruch trotz eigener Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu beantragen
2. Geldwäsche, § 261 StGB
Indem der Verteidiger sich als Honorar Geld zahlen lässt, dessen deliktische Herkunft er zumindest billigend in Kauf nimmt (dolus eventualis) erfüllt er eigentlich den Tatbestand der Geldwäsche, § 261 II Nr. 1 Alt. 1 StGB, der sogar leichtfertig begangen werden kann (vgl. § 261 V StGB)
Mit Blick auf Art. 12 GG hat das BverfG anerkannt, dass der Straftatbestand der Geldwäsche für den Strafverteidiger teleologisch zu reduzieren sei: Erforderlich bei subjektiv sei subjektiv dolus directus 2. Grades (sicheres Wissen).
Dies sei sachgerecht, da anderenfalls potentielle Straftäter kaum einen Verteidiger beauftragen können.
Die Staatsanwaltschaft
Stellung
„Herrin des Vorverfahrens“
à Anklagebefugnis, § 152 I
à Verpflichtung zum Einschreiten, § 152 II
à objektive Sachverhaltserforschung, §§ 160 I, 161, 163
(§ 161 I (Ermittlungsgeneralklausel/Auffang-Ermächtigungsgrundlage (z.B. bei Standardmaßnahmen wie Finanzermittlungen)))
Hat gegenüber den „Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“ (§ 152 I GVG) ein Weisungsrecht
Weisungsrecht gegenüber Polizei (§§ 160, 161)
„objektives Organ der Rechtspflege“ (§§ 160 II, 296 II) = nicht nur belastende sondern auch entlastende Beweise sichern
„von den Gerichten unabhängig“ (§ 150 GVG)
Organisationsstruktur: §§ 141ff. GVG (Unterscheidung Bundesanwälte (=Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof), Staatsanwälte, Amtsanwälte (keine Befähigung zum Richteramt erforderlich)
„Anklagevertreterin“
- In der Hauptverhandlung ununterbrochen anwesend, § 226
- Verlesung der Anklageschrift, § 243 III
- Fragerecht/ Beweisantragsrecht, §§ 240 II 1, 244 ff.
- Plädoyer, § 258 I
- Rechtsmitteleinlegung, § 296
„Vollstreckungsbehörde“ (§ 451)
„Zwitterstellung der StA“: Bindung an höchstrichterliche Rechtsprechung
- StA ist Behörde (Exekutive) hinsichtlich Aufbau/hierarchischer Struktur
- Und deshalb ist der einzelne StA sowohl wie die StA im Ganzen an die „dienstlichen Anweisungen“ der „Vorgesetzten“ gebunden (§ 146 GVG)
- § 145 GVG erlaubt dem Vorgesetzten sogar, eine Sache ganz an sich zu ziehen (Devolutionsrecht) oder einen StA abzulösen und durch einen anderen zu ersetzen (Substitutionsrecht)
- StA als Organ der Rechtsprechung (Judikative) hinsichtlich ihrer Aufgaben (Ermessenspielräume bei Verfahrenseinstellung)
Problem: Ist StA im Hinblick auf die Entscheidungen nach § 152 II, 170 an die höchstrichterliche Rspr gebunden?
àDarf sie von einer Anklageerhebung absehen bzw. das Verfahren einstellen, wenn sie entgegen der höchstrichterlichen Rspr ein Verhalten für straflos hält?
- Rspr und hL: (-), Argument: Art. 3 I GG und Legalitätsprinzip (mit Rechtsstaatsprinzip Art. 20 III GG), so weit soll § 150 GVG nicht reichen
Befangenheit
- §§ 22ff. (soweit sie Befangenheitstatbestände nennen) analog anwenden (hM)
- Verfahrensmäßige Durchsetzung: Anregung einer Ersetzung (§ 145)
- Evtl. (str) Analoganwendung der in §§ 22ff. enthaltenen Verfahrensvorschriften, sowie auch eine Verpflichtung des Gerichts (Art. 6 II EMRK – fair trial), die Ersetzung zu erwirken
- Revisionsgrund nach § 337
Die Polizei
Nimmt Anzeigen entgegen, § 158 und ermittelt für die StA (§ 161), bei Gefahr im Verzug auch aus eigener Kompetenz, § 163)
Besonders: Polizisten als Ermittlungspersonen der StA (§ 152 I GVG), Stellung ergibt sich gem. § 152 II aus den Landesgesetzen (können neben Polizisten auch andere Personen wie Zollsekretäre oder Forstassistenten sein)
Doppelfunktion:
- Prävention/Repression, jeweiliger Eingriff wird kategorisiert nach dem Schwerpunkt der Maßnahme
- Repressive Eingriffe (Justizverwaltungsakte) sind vor den ordentlichen Gerichten anzugreifen
§ Rechtmäßigkeit bestimmt sich nach StPO
- Präventive polizeiliche Akte (Verwaltungsakte) vor den Verwaltungsgerichten
§ Rechtmäßigkeit bestimmt sich nach Polizeigesetzen
Die Richter
Berufsrichter = Volljuristen, vgl. § 51 DRiG
Ehrenamtliche Richter (im Strafprozess Schöffen): ohne juristische Kenntnisse (für Lebensnähe)
Es gilt: Grundsatz der sachlichen Unabhängigkeit (Art. 97 I GG, § 1 GVG, § 25 DRiG, für Schöffen: § 45 I 1 DRiG)
Jugendrecht: Richter = Vollstreckungsleiter (Aufgaben der StA und der Strafvollstreckungskammer), § 82 I JGG
Zeugen
Stellung
Ist eine Person, die vor der Strafverfolgungsbehörde oder vor dem Gerichtüber die Wahrnehmung von inneren undäußeren Tatsachen aussagen soll (vgl. §§ 68, 54 I, IV) und nicht wegen einer anderen Verfahrensrolle als Zeuge ausscheidet
(nicht erfasst sind reine Werturteile oder Rechtsfragen)
Ist Beweismittel
Ist oft Verletzter
Abgrenzung: Mitbeschuldigter
hM: Mitbeschuldigter kann kein Zeuge sein
- enge Ansicht (BGH/HM (?)): formell: sind mutmaßliche Beteiligte gleichzeitig in semselben Verfahrensabschnitt Beschuldigte, gelten sie als Mitbeschuldigte
- A+: § 60 Nr.2: Die Vereidigung eines teilnahmeverdächtigen Zeugen ist verboten. Zeuge kann ein Beteiligter also jedenfalls dann sein, wenn er in einem anderen Verfahren angeklagt wird.
- Kritik: Sie stellt es in’s Belieben der Strafverfolgungsorgane, welche Rechte der Betroffene hat.
- Deshalb wird man den Beteiligten nur hinsichtlich solcher Umstände als Zeugen vernehmen können, die in keinem Zusammenhang zur gemeinschaftlichen Tat stehen, denn sonst würde er als Zeuge in seinem eigenen Verfahren aussagen.
- weite Ansicht: Materiell: Mitbeschuldigter ist jeder, gegen den wegen derselben Tat ermittelt wird (ist jeder, gegen den ein Anfangsverdacht besteht)
- (Kritik: §§ 55, 60 Nr. 2)
- Mischung: formell-materiell: Neben Tatverdacht ist ein Inkulpationsakt erforderlich: Mitbeschuldigteneigenschaft endet mit Abschluss des abgetrennten Verfahrens
Pflichten
Erscheinen (arg. Aus §§ 48, 51, 161a I)
Wahrheitsgemäßaussagen (§§ 57 S1, 68, 70, 161a)
Ausnahmen von der Aussagepflicht nach §§ 52, 53
Ggf. schwören (§§ 57, 59, 70)
Ladung der StA Folge leisten und dort aussagen, § 161a I 1
Rechte
Eidesverweigerungsrecht (§ 61)
Zeugenbeistand (§ 68b I)
Zudem u.a. Recht auf Entschädigung (§ 71)
Zusammenhängende Bekundung (§ 69 I 1)
Faire Behandlung (Rechtsgedanke des § § 68a)
Die Vernehmung
Grds. Einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen, § 58 I
Muster
1. Belehrung (§§ 161a I 2, 57; §§ 52 iII 1, 55 III bzw. 161a I 2, 163 III)
2. Vernehmung zur Person (§§ 68, 68a)
Wegen Notwendigkeit der Identifikation grds. Aussagepflicht, selbst bei Zeugnisverweigerungsrecht
3. Bezeichnung des Gegenstandes der Untersuchung und der Person des Beschuldigten (§ 69 I 2)
4. Vernehmung zur Sache (§ 69)
5. Ggf. Vereidigung (§ 59) (Nacheid)
à Vernommen ist der Zeuge auch dann, wenn ihn die Polizei formlos (informatorisch)über den Ermittlungsgegenstand befragt
Belehrung
Bei Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 53, 53a oder einer Zeugnisverweigerungspflicht nach § 54 muss darüber keine Belehrung stattfinden, da davon ausgegangen wird, dass sie ihre Rechte und Pflichten kennen (Ausnahme: Offensichtliche Unkenntnis)
Anwesenheitsrechte
Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten
Fallbeispiel (P/S Rn. 444): B ist verdächtig, seine Ehefrau vergewaltigt zu haben. Der Sohn der Ehefrau aus erster Ehe, der Zeuge Z, wird vom Ermittlungsrichtervernommen. Z sagt, er sei mit B „nicht verwandt und nicht verschwägert“ und wird nach § 55 belehrt. Obwohl er sich anfangs weigert auszusagen, belastet er B später schwer . Darf die Aussage im weiteren Verfahren verwertet werden, wenn Z das letztlich doch nicht will?
- „Verschwägert“ (§ 1590 I 1 BGB: „Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert.“)
- Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 I Nr. 3
- Verletzung der Belehrungspflicht nach § 52 III 1
- Folge: Zum Schutz des Angehörigenverhältnisses keine Verwertung.
- BGH: Verwertung zulässig, wenn Zeuge auch bei Belehrung ausgesagt hätte, wenn er sein Zeugnisverweigerungsrecht kannte oder wenn ein Zeuge die Vernehmungsperson arglistigüber sein Verwandtschaftsverhältnis getäuscht hat.
Lösung:
Zeugnisverweigerungsrecht?
§ 52 I Nr. 3 (vgl. § 1590 I 1 BGB)
à Zeugnisverweigerungsrecht +
Keine Belehrung (Verletzung § 52 III 1)
Folge: Zum Schutz des Angehörigen keine Verwertung
Aber: BGH: Verwertung zulässig, wenn Zeuge auch bei Belehrung ausgesagt hätte, wenn er sein Zeugnisverweigerungsrecht kannte oder wenn ein Zeuge die Vernehmungsperson arglistigüber sein Verwandtschaftsverhältnis getäuscht hat
Verletzter
Ist eine natürliche Person, die durch die behauptete Tat – ihre Begehung vorausgesetzt – unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt ist
à darunter fällt der Inhaber des Rechtsgutsobjekts (Sache, Körper, Wohnung), wogegen sich der Angriff des Täters real richtet
aA (OLG Hamburg) für manche Verfahren: Auch mittelbar Geschädigter soll erfasst sein
Rechte: § 406d ff
Kann mehrere Rollen einnehmen:
- Anzeigender
- Zeuge (§ 48ff.)
- Privatkläger (§§ 374ff.)
- Nebenkläger (§§ 395 ff.)
- Antragssteller im Adhäsionsverfahren (§§ 403ff.) (= Vermögensrechtliche Ansprüche werden i Strafverfahren geklärt)
Sachverständiger
Stellung
Beweisperson, bringt aufgrund eines durch die Strafverfolgungsbehörden erteilten Auftrags seine besondere Sachkunde in’s Strafverfahren ein. Kraft dieser Sachkraft teilt dem Gericht kraft seiner Sachkunde allgemeine Erfahrungssätze mit, stellt Tatsachen fest und zieht Schlussfolgerungen
Arten der Mitarbeit im Gericht
Gutachter zieht Schlüsse auch Tatsachen: Anknüpfungstatsachen
Ermittelt Anknüpfungstatsachen allein aufgrund seiner Sachkunde: Befundtatsachen
(Heißen Zusatztatsachen, wenn das Gericht diese ebenso gut mit dem ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnis- und Beweismitteln hätte herausfinden können)
Pflichten
Erscheinen (arg. §77)
Erstattung eines Gutachtens (§ 75)
Ausnahme: § 76
Ggf. schwören: § 79
Rechte
Darf den Beschuldigten oder Zeugen vernehmen (§ 80 I)
Bekommt Akteneinsicht (§ 80 II)
Darf Gutachtenerstattung verweigern (§ 76)
Erhält für seine Tätigkeit Entschädigung (§ 84)
Der Gang des (Normal-)Verfahrens
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Anfangsverdacht (§§ 152 II, 160 I) à Ermitteln
à StA prüft: Hinreichender Tatverdacht: §§ 170 I, 203
à Gericht prüft: Hinreichender Tatverdacht (Filterfunktion)
à Verhandlung
Das Erkenntnisverfahren
Hat sich jemand strafbar gemacht/ Besteht ein Strafanspruch?
1. Vorverfahren/ Ermittlungsverfahren, §§ 151 - 177
Zweck: § 160 I: StA hat zur Erschließung darüber, ob dieöffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.
Darf dafür auch Zwangsmaßnahmen einsetzen
Öffentliche Klage darf erhoben werden, wenn hinreichender Tatverdacht besteht, § 170 I, 203.
a. Anfangsverdacht /Einleitung eines Strafverfahrens
Verstoß gegen Grenzen des Ermessensspielraums erst dann, wenn Einleitung des Ermittlungsverfahrens willkürlich erscheint. (bloße Vermutung – wenn von bestimmten Anzeichen ohne ausreichende Tatsachengrundlage willkürlich auf die Annahme einer Straftat geschlossen wird.)
i. Der Anstoß„Anzeige oder auf anderem Wege“ (§ 160 I)
1. Art der Tat
Offizialdelikte müssen von Amts wegen verfolgt werden (§§ 152, 160 I, 163 I 1) (alle Verbrechen und die meisten Vergehen)
Antragsdelikte Strafantrag des Verletzten oder berechtigten nach §§ 77ff. StGB erforderlich
Relativ: StA kann u.U. dasöffentliche Interesse bejahen und auch ohne Strafantrag ermitteln
Absolut: Straftat wird nur bei Vorliegen eines Strafantrags im engeren Sinne verfolgt
2. Art der Kenntniserlangung
(Straf)Anzeige (§ 158 I): kann von jedermann formlos gestellt werden
à Zuständige Behörde: § 158 I
- Keine Anzeigepflicht, beachte aber bei Nichtanzeige: §§ 138, 258 StGB
Strafantrag
Strafantrag im weiten Sinne: der ausdrückliche Wunsch des Verletzten oder sonst Berechtigten nach Strafverfolgung
Strafantrag im engen Sinne (nach § 158 II): gemeint ist der Strafantrag gemäß§ 77 ff. StGB, der für Antragsdelikte erforderlich ist. (Achtung: Formerfordernis!)
„Auf anderem Wege“: Durch eigene Wahrnehmung: § 160 I, Verfahren muss von Amts wegen eingeleitet werden, wenn auf anderem Wege Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat erhalten wurde.
Problem : Str.: Sonstige Ermittlungspflicht, wenn StA außerdienstlich Informationenüber eine Straftat erhält.
à Grds. Muss StA nach § 152 II immer einschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Tatbegehung vorliegen) à Erforschungspflicht auch, sofern SStA „auf anderem Wege“ Kenntnis erlangt (§ 160 I)
Gedanke: Da StA die Gedanken „mit in den Dienst nimmt“, erhält die Institution Staatsanwaltschaft Kenntnis vom Anfangsverdacht, §§ 174, 176 StPO.
Da dies allerdings die privaten Möglichkeiten von StAs einschränken würde, wird im Hinblick auf Art. 2 I GG eine Einschränkung vorgenommen:
Das Recht des einzelnen StA auf freie Gestaltung seiner Persönlichkeit muss abgewogen werden gegen das Interesse, welches die Allgemeinheit an der Strafverfolgung hat.
hM: Abwägung im Einzelfall
- Betroffene Rechtsgüter? /Schwere der Tat (Gewaltmonopol des Staates fordert zumindest bei schwerer Tat, dass Ermittlungen eingeleitet werden)
- Persönliche Belastung des StA? (Bindung zur Person), (und Rückzugsraum des Ermittlungsbeamten (Privatsphäre)
- Wie sehr gefährdet das Unterlassen des Einschreitens die Allgemeinheit? wenn nach „Art oder Umfang“ dieöffentlichen Belange in besonderem Maße berürt sind.)
- BGH: Einschreiten ist dann geboten, wenn nach Art und Umfang der Tat die Belange der Öffentlichkeit und der Volksgesamtheit in besonderem Maße berührt werden.
tvA: Immer Pflicht zum Einschreiten
Argument:öffentliches Interesse an der umfassenden Verfolgung aller Straftaten
Manche: Nur die Befugnis zum Einschreiten
Manche: Materiellrechtliche Wertungen
- Abstellen auf den Katalog des § 138 StGB
- Abstellen auf „Verbrechen“ (§ 12 StGB)
Argument: Abwägung zwischen dem Interesse an der Privatsphäre des Angehörigen der Strafverfolgungsbehörde und andererseits soll er nicht besser stehen als der nach § 138 StGB strafbare Privatmann
tVA: Niemals Pflicht zum Einschreiten (Schutz dessen Privatsphäre geht vor)
3. Hinreichender Tatverdacht (zureichende tatsächliche Anhaltspunkte) , (§ 152 II)
à individualisierter Ansatzpunkt entscheidend, der auf der Basis allgemeiner Erfahrung (des betreffenden Strafverfolgungsorgans) eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Straftat bewirkt
Voraussetzung außerdem für: Beantragung eines Strafbefehls (407), beschleunigtes Verfahren (417)
Es gilt stets Art. 6 II EMRK: Unschuldsvermutung (Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldigt ist.
Gilt wegen. Art. 20 III GG (Rechtsstaatsprinzip) für das gesamte Strafverfahren.
à Beschuldigter darf nicht als schuldig behandelt werden, insbesondere nicht sanktioniert werden.
Es gilt auch: In dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten)
Gilt auch für manche Prozessvoraussetzungen, aber nur hinsichtlich der tatsächlichen Umstände.
Problem: Beurteilung, ob eine Straftat vorliegt – Beachtung der gefestigten Rspr?
Geht die gefestigte Rspr von einer Straflosigkeit eines Verhaltens aus, darf die StA anklagen, wenn sie eine Rapr Änderung herbeiführen will.
Geht die gefestigte Rspr von der Strafbarkeit eines Verhaltens aus, muss sie anklagen, kann aber vor Gericht auf Freispruch plädiere.
b. Zulässigkeit/Sonderprobleme
Problem: Zulässigkeit der Vorermittlungen:
(Grund: Ermittlung immer Eingriff in Grundrechte. Dieser nur erlaubt, wenn „durch oder aufgrund eines Gesetzes“ eingegriffen wird. Aufgabennormen reichen nicht aus – erforderlich ist eine Befugnisnorm. Bei wichtigen Rechtsgütern sogar speziellere Befugnisnorm (bspw. Durchsuchung § 102 StPO))
à § 161 I 1 ermächtigt nicht zu Vorermittlungen, wenn kein Anfangsverdacht besteht.
Anerkannt nur im Falle des Rechtsguts „Leben“ (Leichenfund), laut § 159 I genügen irgendwelche „Anhaltspunkte“
Ausnahme: Vorermittlungspflicht (so die hM): aus §§ 152 II, 1611 I 1 ivM § 160 I
A- (Putzke/Scheinfeld): Zirkelschluss, da diese Normen das Bestehen eines Anfangsverdachtes voraussetzen. Dürften/müssten sie diese aber erst ermitteln, würden die Normen keinen weitergehenden Sinn mehr haben. Umkehrschluss aus § 159 I, dass andere Vorermittlungen als solche zum Rechtsgut Leben unzulässig sind.
Umstritten: Ausweitung
Teile Rspr und Lit: Gilt nur für Verjährung (Tatzeitpunkt?), die anderweitige Rechtshängigkeit und den Strafklageverbrauch (Ist die strafbare Handlung schon innerhalb eines schon abgeurteilten gerichtlichen Vorgangs begangen worden?) und das Vorliegen eines Strafantrags (Gab es einen Strafantrag des bestohlenen Verletzten vor seinem Tod?)
Putzke/Scheinfeld: Grds. Anwendung auf alle Verfahrensvrrs, für eine Beschränkung gibt es keinen Sachgrund.
c. ZE
Liegen die Voraussetzungen zur Einleitung eines Strafverfahrens vor, sind die Ermittlungsbehörden zum Einschreiten verpflichtet (Verfolgungszwang)
Für Polizei: § 163 I 1
StA: § 152 II
d. Erforschung des Sachverhalts
i. Umfang
§ 160 I: Sachverhalt im Hinblick darauf erforschen, ob eine Klage zu erheben ist.
D.H.:
- Sind die Verfahrensvoraussetzungen gegeben?
- Können die vorhandenen bzw. zu erwartenden Beweise die gerichtliche Überzeugung (§ 261) begründen, dass die Voraussetzungen eines Straftatbestands vorliegen und dass der Beschuldigte zu bestrafen ist?
à StA ist objektiv und hat nach § 160 II nicht nur die belastenden sondern auch die entlastenden Beweise zu ermitteln.
(1) Verständigung/“Deal“
Zulässig, wenn Vrrs des § 153a StPO vorliegen (Zustimmung von Gericht, STA und Beschuldigtem)
§ 257c StPO
(2) Prüfen der Verfahrensbedingungen
Verfahrensvoraussetzungen (Prozess-/Verfolgungs-/Sachentscheidungsvoraussetzungen) müssen gegeben sein.
Es dürfen keine Verfahrenshindernisse bestehen.
Verfahrenshindernisse und Verfahrensgrundsätze
Zu prüfen bei der Frage ob:
- Das Verfahren nach §§ 153 ff. eingestellt werden kann
- Die Vrrs für eine Anklageerhebung vorliegen (§ 170 I)
- Ein Eröffnungsbeschluss erlassen werden darf (§ 203)
- Gegen einen Angeklagten Strafbefehl beantragt und erlassen werden darf (§§ 407 ff.)
- Ein Beschleunigtes Verfahren beantragt werden darf (§§ 417 ff.)
- Ein Angeklagter verurteilt werden darf
- Eine Revision Aussicht auf Erfolg hat
Prozessvoraussetzungen/ Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse) (nicht in StPO)
= Sind Voraussetzungen dafür, dass ein Sachurteil (Verurteilung oder Freispruch) ergehen kann
Rechtsfolgen
Fehlen von Prozessvoraussetzungen à Fortführung des Strafverfahrens hat keinen Sinn à Deswegen müssen die Strafverfolgungsbehörden das Vorliegen derselben in jedem Verfahrensstadium von Amtswegen prüfen
Fehlende Prozessvoraussetzungen:
- Stehen einer Eröffnung des Ermittlungsverfahrens (§ 152 II) entgegen
- Zwingen, wenn sie im Verlauf des Ermittlungsverfahrens bekannt werden, zur Einstellung nach § 170 II
- Zwingen, wenn sie im Zwischenverfahren bekannt werden, zur Ablehnung der Verfahrenseröffnung nach § 204
- Führen nach Eröffnung des Hauptverfahrens, außerhalb der Hauptverhandlung, zu einer Verfahrenseinstellung durch Beschluss nach § 206 a
- Führen in der Hauptverhandlung zu einer Verfahrenseinstellung durch Prozessurteil nach § 260 III
Arten von Prozessvoraussetzungen
- Positiv = müssen gegeben sein
- Negativ = Dürfen nicht gegeben sein
- = Prozesshindernisse
- Endgültig
- Vorrübergehend
- à Vorläufige Einstellung, § 205 (direkt oder analog)
- zB vorrübergehende Verhandlungsunfähigkeit
à So elementar, dass bei einem Nicht-Gegebensein kein Befassen mit der Sache stattfinden darf (Befassungsverbot/ Grundlage des Verfahrens)
- Das Gericht betreffend
- deutsche Gerichtsbarkeit/internationale Zuständigkeit à deutsches Strafrecht gem. §§ 3-7 StGB anwendbar und kein Fall der Exterritorialität, §§ 18 – 20 GVG
- Rechtswegeröffnung § 13 GVG (Strafsachen)
- sachliche (§ 1 StPO iVm §§ 24 ff., 73 ff., 120 GVG) undörtliche Zuständigkeit (§§ 7ff. Achtung: § 16)
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