Einleitung
„Liebe geht durch den Magen“, „Liebe machen“, „Affenliebe“, „die Liebe meines Lebens“ – es lassen sich unendlich viele Redewendungen und Sprichwörter finden, in denen Liebe vorkommt. Doch wird allein an den vier angeführten Beispielen deutlich, dass, obwohl immer dasselbe Wort verwendet wird, mit Sicherheit nicht das gleiche Konzept hinter den Wörtern steht. Die Ursache dafür ist, dass „Liebe“ – wie viele andere Bezeichnungen für Gefühle ebenfalls - zu den Begriffen zählt, deren jeweilige Bedeutung zum einen stark vom individuellen Benutzer, zum anderen auch vom Kontext des Ausgesprochenwerdens und von vielen weiteren Faktoren abhängt. Dem Sprachbenutzer stehen diese vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten für „Liebe“ zur Verfügung, da dieser Ausdruck hochgradig polysem ist, also viele verschiedene Bedeutungen hat.
Um diese Bedeutungen etwas weniger subjektiv zu verdeutlichen, wird das Ziel dieser Hausarbeit sein, die Bedeutungen von „Liebe“ in drei verschiedenen Zeitabschnitten des zwanzigsten Jahrhunderts zu dokumentieren. Damit verbunden ist dann auch die Frage und deren Beantwortung, inwiefern sich die Verwendung oder sogar die Bedeutung des Begriffs geändert hat und welche Faktoren dazu geführt haben könnten. Da die Untersuchung aus der Sicht des heutigen Sprachbenutzers stattfindet, kann sie natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
Um diese Aufgabenstellungen bewältigen zu können, ist zunächst einmal die Kenntnis des theoretischen Hintergrunds der von mir angewandten Methode vonnöten. Dazu werde ich die Grundzüge der Wortfeldtheorie von Jost Trier zusammenfassen und auch auf verschiedene Probleme eingehen, die sich aufgrund der von mir gewählten Fragestellung im Hinblick auf die Methode ergeben.
Anschließend werde ich in zwei semasiologischen Verfahrensschritten mithilfe verschiedener Belege aus den zu untersuchenden Zeiträumen Bedeutungsfelder erstellen. Diese werde ich abschließend vergleichen, um so einen Bedeutungswandel von „Liebe“ im 20. Jahrhundert, falls vorhanden, feststellen zu können.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Jost Triers Wortfeldtheorie
II.1. Kritik an Jost Triers Wortfeldtheorie
III. Methode
III.1. Schwierigkeiten
III.2. Analyse Periode 1, 1900 bis 1905
III.3. Analyse Periode 2, 1940 bis 1945
III.4. Analyse Periode 3, 1980 bis 1985
IV. Ergebnis
V. Fazit
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
„Liebe geht durch den Magen“, „Liebe machen“, „Affenliebe“, „die Liebe meines Lebens“ – es lassen sich unendlich viele Redewendungen und Sprichwörter finden, in denen Liebe vorkommt. Doch wird allein an den vier angeführten Beispielen deutlich, dass, obwohl immer dasselbe Wort verwendet wird, mit Sicherheit nicht das gleiche Konzept hinter den Wörtern steht. Die Ursache dafür ist, dass „Liebe“ – wie viele andere Bezeichnungen für Gefühle ebenfalls - zu den Begriffen zählt, deren jeweilige Bedeutung zum einen stark vom individuellen Benutzer, zum anderen auch vom Kontext des Ausgesprochenwerdens und von vielen weiteren Faktoren abhängt. Dem Sprachbenutzer stehen diese vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten für „Liebe“ zur Verfügung, da dieser Ausdruck hochgradig polysem ist, also viele verschiedene Bedeutungen hat.
Um diese Bedeutungen etwas weniger subjektiv zu verdeutlichen, wird das Ziel dieser Hausarbeit sein, die Bedeutungen von „Liebe“ in drei verschiedenen Zeitabschnitten des zwanzigsten Jahrhunderts zu dokumentieren. Damit verbunden ist dann auch die Frage und deren Beantwortung, inwiefern sich die Verwendung oder sogar die Bedeutung des Begriffs geändert hat und welche Faktoren dazu geführt haben könnten. Da die Untersuchung aus der Sicht des heutigen Sprachbenutzers stattfindet, kann sie natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
Um diese Aufgabenstellungen bewältigen zu können, ist zunächst einmal die Kenntnis des theoretischen Hintergrunds der von mir angewandten Methode vonnöten. Dazu werde ich die Grundzüge der Wortfeldtheorie von Jost Trier zusammenfassen und auch auf verschiedene Probleme eingehen, die sich aufgrund der von mir gewählten Fragestellung im Hinblick auf die Methode ergeben.
Anschließend werde ich in zwei semasiologischen Verfahrensschritten mithilfe verschiedener Belege aus den zu untersuchenden Zeiträumen Bedeutungsfelder erstellen. Diese werde ich abschließend vergleichen, um so einen Bedeutungswandel von „Liebe“ im 20. Jahrhundert, falls vorhanden, feststellen zu können.
II. Jost Triers Wortfeldtheorie
Jost Trier stellt in seiner 1931 veröffentlichten Arbeit Der Deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes die Theorie auf, dass „kein ausgesprochenes Wort […] im Bewusstsein des Sprechers und Hörers so vereinzelt da [steht], wie man aus seiner lautlichen Vereinsamung schließen könnte.“[1] Dies bedeutet für das ausgesprochene Wort, dass der Sprecher dieses aus einer Menge von an dieser Stelle ebenfalls verwendbaren Wörtern ausgesucht hat, weil es für den Kontext am besten passend schien.
Diese Menge von anderen zur Verfügung stehenden Wörtern innerhalb des gleichen Begriffsfelds bezeichnet Trier als die „Begriffsverwandten“ des verwendeten Wortes, die „dem ausgesprochenen enger oder ferner benachbart sind“[2]. Zusammen mit dem ausgesprochenen Wort bilden diese Begriffsverwandten eine strukturierte Einheit, die man Wortfeld nennt. Jost Trier führt das Beispiel der Notenskala an, die heutzutage in Deutschland sechs Glieder (sehr gut, gut, befriedigend, ausreichend, mangelhaft, ungenügend) hat. Wird also die Arbeit eines Schülers mit „ausreichend“ bewertet, weiß er aufgrund der Kenntnis der Notenskala, dass seine Arbeit zwar nicht „befriedigend“ war, aber auch nicht nur „mangelhaft“, und kann somit seine Leistung einordnen. Wäre diese Notenskala nur viergliedrig (sehr gut, befriedigend, ausreichend, ungenügend), würden diese vier Felder zusammen den gleichen Bereich an Leistungsqualitäten in der außersprachlichen Wirklichkeit abdecken. Allerdings würde der Schüler seine eigene Leistung entsprechend schlechter einordnen, da das Feld „ausreichend“ hier das zweitschlechteste wäre anstatt wie in dem anderen Beurteilungssystems in der unteren Mitte angesiedelt. In beiden Fällen ist dem Schüler die Qualität seiner Leistung jedoch bewusst, weil dem Beurteilenden eben auch die Alternativen zur Verfügung gestanden hätten, die aber nicht den Tatsachen entsprochen hätten.[3]
Trier geht weiterhin davon aus, dass dieses so vorhandene Wortfeld durch die Einzelworte seine inneren Grenzen erfährt. Zur Veranschaulichung wählt er das Bild eines Mosaiks, von dem er sich in späteren Arbeiten allerdings etwas distanziert. Wie in einem Mosaik wäre das so geschaffene Wortfeld also lückenlos, und die einzelnen Steine oder Teile würden einander genau ergänzen und nicht überlagern. Das hieße, dass der Sprachbenutzer immer genau ein passendes Teil oder Wort zur Verfügung hätte, weil eine Grenze zwischen ihm und dem benachbarten Teil verhindern würde, dass auch nur partielle Überschneidungen in der Bedeutung existieren.
Hadumod Bußmann fasst den oben aufgeführten Sachverhalt wie folgt zusammen:
[Ein Wortfeld ist] ein von Jost Trier […] eingeführter Terminus zur Bezeichnung einer Menge von sinnverwandten Wörtern, deren Bedeutungen sich gegenseitig begrenzen und die lückenlos (mosaikartig) einen bestimmten begrifflichen oder sachlichen Bereich abdecken sollen.[4]
Die Bedeutung des Einzelwortes ist also nach Trier abhängig von er Bedeutung seiner Nachbarn, und auch nur verständlich, wenn den Sprachbenutzern das Wortfeld, wenn auch unbewusst, gegenwärtig ist.[5]
Für die diachronische Untersuchung von Sprache heißt das für Trier, dass man die Veränderung des gesamten Begriffsfeldes betrachten muss, um die Bedeutungsveränderung des Einzelwortes zu verstehen. Ein Beispiel: Hat ein Begriff vormals eine Bedeutung innegehabt, die nun lexikalisiert ist, so nimmt dieses neue Wort den Platz der vorherigen Bedeutung ein. Somit erfährt das Wort, das vorher diese Bedeutung innehatte eine Bedeutungsverengung, also einen Bedeutungswandel. Daher ist auch das, was ich in dieser Hausarbeit Bedeutungswandel oder vielmehr die geänderte Verwendung von „Liebe“ nennen werde, nach Jost Trier ein Feldgliederungswandel. Bedeutungswandel ist für ihn also die „Folge[n] des Gliederungswandels für das Einzelwort, in der begrifflichen Neuorientierung, die das Einzelwort vom Feldgliederungswandel aus erfährt.“[6]
Abschließend noch einmal eine Zusammenfassung dieses Sachverhalts nach Bußmann:
…ein Wort [existiert] nicht isoliert im Bewußtsein von Sprecher /Hörer, sondern [bildet]stets
zusammen mit begriffsverwandten Wörtern eine strukturierte Menge sich gegenseitig beeinflussender Elemente. […] Die Bedeutung des einzelnen Wortes ist abhängig von der Bedeutung der übrigen Wörter des gleichen Wort- bzw Begriffsfeldes, […] erfährt ein einziges Wort einen Bedeutungswandel, so ändert sich die Struktur des ganzen Wortfelds. Daraus folgt, dass die isolierte historische Wortforschung durch Feldforschung zu ersetzen ist.[7]
Mit dieser kurzen Zusammenfassung habe ich keineswegs den gesamten Inhalt des Buches abgedeckt, sondern nur die Teile, die mir für meinen Zweck relevant erschienen.
II.1. Kritik an Jost Triers Wortfeldtheorie
Versucht man nun aufgrund dieser theoretischen Basis eine Methode zur Erstellung eines Wortfelds zu konzipieren, wird man schnell feststellen, dass die Theorie Triers – zumindest in dieser ersten Fassung – für den Anwender einige Schwierigkeiten aufwirft. Diese Schwierigkeiten haben in der Fachliteratur häufig zu Kritik an und zur Modifizierung von Jost Triers Theorie geführt. Es existieren relativ viele Kritikpunkte, allerdings möchte ich mich hier nur auf zwei beschränken, die mir selbst die größten Probleme bereitet haben.
Zunächst einmal empfinde ich es als problematisch, festzustellen, welche Kriterien zur Feststellung von Begriffsverwandtschaften angebracht werden: Sollten ausschließlich Synonyme bzw. bedeutungsähnliche Worte zu einem Wortfeld zählen, oder auch Antonyme (Jost Trier spricht ja auch davon, dass „jedes ausgesprochene Wort […] seinen Gegensinn anklingen [lässt]“[8] )? Die Beschreibung von Jost Trier, dass die begriffliche Beziehung des Gegensinnes gar nicht die wichtigste sei, sondern dass „neben und über ihr eine Fülle anderer Worte [auftaucht], die dem ausgesprochenen [Wort] begrifflich enger oder ferner benachbart sind“[9], und dass man diese Menge als die Begriffsverwandten des ausgesprochenen Wortes bezeichnet, war für meine Fragestellung nicht sehr hilfreich.
Des Weiteren stellte sich mir die Frage nach den Grenzen im Begriffsblock. Bei Trier scheinen diese für die einzelne Sprachstufe sehr fest und nicht überlappend zu sein. Tatsächlich aber existieren innerhalb der paradigmatischen Wortbeziehungen Synonymien, die zwar selten total sind, aber dennoch in einigen Merkmalen überlappen. „Das Feld suggeriert klare Feldgrenzen. In der Praxis erweist sich das leider gerne als Trugschluss.“[10] Ein Beispiel dafür wäre die Abgrenzung zwischen „Freundschaft“ und „Liebe“ – in beiden Fällen ist jeweils eine Bedeutung >Zuneigung zwischen zwei Menschen<. Daher wäre das Mosaik äußerst instabil, da einzelne Steine teilweise aufeinander angebracht sein müssten. Heidrun Pelz verwendet zur Verdeutlichung dieses Problems die Worte Freund, Bekannter, Kollege, Kommilitone. Diese decken sich an bestimmten Stellen – so können Kollegen ebenso wie Freunde durch Zuneigung miteinander verbunden sein.[11] Und wenn man sich nur vor Augen führt, wie häufig man im alltäglichen Sprachgebrauch nicht sicher ist, wann man jemanden als Freund oder Bekannten bezeichnen soll, wird auch hier die Überlappung deutlich.
Andererseits kann auch nicht immer von Lückenlosigkeit der Begriffsfelder, wie Triers Bild vom Mosaik es suggeriert, die Rede sein: Zum Beispiel existiert in einem Wortfeld „Dinge, die zu einer Supermarktkasse gehören“ kein Wort für die Gegenstände, mit denen auf dem Förderband der Kasse die Waren der einzelnen Käufer voneinander getrennt werden.
[...]
[1] Trier, Jost. Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Von den Anfängen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Heidelberg: Universitätsverlag, ²1973. S. 1
[2] ebd., S. 1
[3] vgl. ebd, S. 6 - 7
[4] Bußmann, Hadumod. „Wortfeld.“Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, ²1990. S. 854
[5] Trier, 1931. S. 7
[6] ebd., S. 19
[7] Bußmann, Hadumod. „Wortfeldtheorie.“Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag, ²1990. S. 855
[8] Trier, 1931. S. 1
[9] ebd., S.1
[10] Linke, Angelika, Markus Nussbaumer und Paul R. Portmann. Studienbuch Linguistik. Hrsg. Henne, Helmut, Horst Sitta und Herbert Ernst Wiegand. Reihe Germanistische Linguistik 121. Tübingen: Niemeyer Verlag, 4. Auflage, 2001. S. 155
[11] vgl. Pelz, Heidrun. Linguistik. Eine Einführung. Hamburg: Hoffmann und Campe, 7. Auflage, 2002. S. 190
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