Einleitung
[…] tout texte se construit comme mosaique de citations, tout texte est absorption et transformation d’un autre texte. A la place de la notion d’intersubjectivité s’installe celle d’intertextualité, et le langage poétique se lit, au moins, comme double.1
Jeder Text besteht aus mehreren Texten, ist selbst ein Intertext. Das ist die Aussage des Zitats. Intertextualität ist demnach überall vorzufinden und unvermeidbar. So sind alle wissenschaftlichen Arbeiten, wie auch diese Hausarbeit, Paradebeispiele für Intertextualität, weil sie auf andere Texte verweisen und diese im eigenen Text verarbeiten. Aber auch in der Literatur findet sich das Phänomen der Intertextualität; Autoren lassen die Protagonisten ihrer Bücher Werke anderer Verfasser lesen oder beziehen sich implizit auf andere literarische Stücke. Oscar Wildes The Picture of Dorian Gray zum Beispiel ist eine Referenz zu Ovids Pygmalion und Narziss.
Auch Cornelia Funke bedient sich in Tintenherz der Technik der Intertextualität, wobei sie über ein simples ‚Erwähnen’ anderer literarischer Werke hinausgeht, indem sie diese zur Grundlage von Tintenherz macht: Literatur und Lesen sind hier der Handlungsträger.
Die folgende Arbeit soll nun zunächst einen kurzen Abriss über die Theorie der Intertextualität geben (was ist Intertextualität, wie wird Intertextualität in der Postmoderne verwendet, etc.), um danach zu diskutieren, auf welche Art Funke intertextuell arbeitet, welche Funktion Intertextualität in Tintenherz hat und wie es Funke dabei gelingt mit Tintenherz, das an sich ein Jugendbuch ist, auch erwachsene Leser anzusprechen. In der Schlussfolgerung soll ebenfalls kurz auf eine Verwendung von Tintenherz, speziell in Bezug auf Intertextualität, im Fremdsprachenunterricht eingegangen werden.
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1 Kristeva S.85.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Intertextualität
2.1. Aspekte und Konzeptionen
2.2. Postmoderne
3. Das Buch im Buch
3.1. Literatur und Lesen als Handlungsgrundlage
4. Formen und Funktion der Intertextualität in Tintenherz
4.1. Das Zitat
4.1.1. Die Kapitelüberschriften
4.2. Die Anspielung
4.2.1. Anspielungen im Text
4.3. Mehrfachadressierung
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
[…] tout texte se construit comme mosaique de citations, tout texte est absorption et transformation d’un autre texte. A la place de la notion d’intersubjectivité s’installe celle d’intertextualité, et le langage poétique se lit, au moins, comme double.[1]
Jeder Text besteht aus mehreren Texten, ist selbst ein Intertext. Das ist die Aussage des Zitats. Intertextualität ist demnach überall vorzufinden und unvermeidbar. So sind alle wissenschaftlichen Arbeiten, wie auch diese Hausarbeit, Paradebeispiele für Intertextualität, weil sie auf andere Texte verweisen und diese im eigenen Text verarbeiten. Aber auch in der Literatur findet sich das Phänomen der Intertextualität; Autoren lassen die Protagonisten ihrer Bücher Werke anderer Verfasser lesen oder beziehen sich implizit auf andere literarische Stücke. Oscar Wildes The Picture of Dorian Gray zum Beispiel ist eine Referenz zu Ovids Pygmalion und Narziss.
Auch Cornelia Funke bedient sich in Tintenherz der Technik der Intertextualität, wobei sie über ein simples ‚Erwähnen’ anderer literarischer Werke hinausgeht, indem sie diese zur Grundlage von Tintenherz macht: Literatur und Lesen sind hier der Handlungsträger.
Die folgende Arbeit soll nun zunächst einen kurzen Abriss über die Theorie der Intertextualität geben (was ist Intertextualität, wie wird Intertextualität in der Postmoderne verwendet, etc.), um danach zu diskutieren, auf welche Art Funke intertextuell arbeitet, welche Funktion Intertextualität in Tintenherz hat und wie es Funke dabei gelingt mit Tintenherz, das an sich ein Jugendbuch ist, auch erwachsene Leser anzusprechen. In der Schlussfolgerung soll ebenfalls kurz auf eine Verwendung von Tintenherz, speziell in Bezug auf Intertextualität, im Fremdsprachenunterricht eingegangen werden.
2. Intertextualität
Der Begriff ‚Intertextualität’ wurde erstmals in den sechziger Jahren von Julia Kristeva, einer bekannten bulgarischen Linguistin, geprägt; bis dahin galten literarische Texte ausschließlich als „in sich geschlossene[] und organische[]“[2] Einheiten. Kristeva stützt sich vornehmlich auf die Theorie der Dialogizität des Wortes von Michail Bachtin, eines russischen Literaturtheoretikers, der seine theoretischen Ausführungen hauptsächlich am Beispiel der epischen Gattung Roman zeigt, welche er als „herrschaftsfeindlich, ideologiekritisch und daher dialogisch“[3] bezeichnet. Unter dialogisch versteht Bachtin hier eine reflektiert-kritische Auseinandersetzung mit Normen sozialer Gemeinschaften durch verschiedene Standpunkte der „Erzähler- und Figurenrede“[4]. Seitdem entwickelte sich die Theorie der Intertextualität zu einem festen Bestandteil der Kultur- und modernen Literaturwissenschaften.[5]
2.1. Aspekte und Konzeptionen
Die sogenannten ‚Intertextualisten’ spalten sich in zwei Lager. Die eine Seite setzt sich vorwiegend aus Linguisten, Philosophen und Soziologen zusammen, die sich selbst als Postmodernisten, Poststrukturalisten oder auch Dekonstruktionisten bezeichnen und welche die Theorien Kristevas, Bachtins und anderer vorantreiben. Die andere Gruppe besteht hauptsächlich aus Literaten, die die Diskussion um die Intertextualität für sich nutzen und verschiedene Formen der Intertextualität wie dem Zitat oder der Collage in der Literatur wiederentdecken.[6]
Die Frage danach, was Intertextualität bedeutet, ist in der Forschung nicht eindeutig beantwortet. Im ursprünglichen Sinne ist ein Intertext wohl schlicht ein Text zwischen anderen Texten; eine genaue Definition eines Intertexts ist jedoch in der Forschung bisher nicht eindeutig festgelegt.[7] Abgesehen davon spielt der Rezipient eines Textes eine herausragende Rolle, auch im Falle von Cornelia Funkes Tintenherz. Der Autor verarbeitet, vereinfacht ausgedrückt, Texte in seinem eigenen Text – bewusst oder unbewusst – und der Leser filtert diese heraus. Ob und wie viel Intertext der Leser erkennt, hängt stark von dessen Vorwissen ab. Derselben Meinung ist auch Riffaterre[8], der einen Intertext definiert als einen oder mehrere Texte, von welchen der Leser Kenntnis haben muss, um das Gesamtwerk, in dem die verschiedenen Texte verarbeitet sind, verstehen zu können. Bei Funkes Tintenherz führt das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Vorwissen zu einer Rezeption des Werks auf unterschiedlichen Ebenen, worauf die vorliegende Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt noch eingehen wird.
2.2. Postmoderne
Intertextualität wird von der heutigen Forschung nicht nur als irgendein herausragendes Wesensmerkmal von postmodernen Texten angesehen, sondern „als das Kennzeichen des postmodernen Romans definiert“[9]. Auch Broich[10] bezeichnet das groß angelegte Verweisen auf andere Texte beispielsweise in den Romanen Arno Schmidts als eindeutiges Merkmal der Postmoderne. Allerdings ist eine Referenz zu anderen Texten keineswegs ein Phänomen der Neuzeit; so waren zum Beispiel die Werke Ovids im Mittelalter oder der frühen Neuzeit sehr beliebte Bezugstexte und wurden ausschweifend in den eigenen Werken der Autoren verarbeitet[11].
Was genau also kennzeichnet einen intertextuellen Roman als postmodern? Dazu meint Manfred Pfister es sei der „besonders hohe Intertextualitätsgrad moderner und postmoderner Literatur, die diese immer wieder zum Paradigma für Intertextualität überhaupt werden ließ“[12]. Das heißt, dass ein postmodernes Werk sehr stark und bewusst intertextuell geprägt, während umgekehrt ein intertextuelles Werk nicht unbedingt modern oder gar postmodern ist.[13] Funkes Tintenherz ist durch seine bewusste und gehäufte Referenz zu anderen Texten und die Art ihrer Verarbeitung in der Geschichte eindeutig ein Werk der Postmoderne.
[...]
[1] Kristeva S.85.
[2] Holthuis S.12.
[3] Ibid.
[4] Ibid.
[5] Vgl. Müller; Hansen-Kokoruš; Worton & Still.
[6] Vgl. Plett S.3f.
[7] Vgl. ibid S.3-5.
[8] Vgl. S.56.
[9] Loewe S.315.
[10] Vgl. Broich S.32.
[11] Z.B. Pyramus und Thisbe bei Georg Wickram (spätes 17. Jhdt).
[12] S.27.
[13] Vgl. Loewe S.315.
- Arbeit zitieren
- Nadine Scherny (Autor:in), 2005, Intertextualität in der KJL: Cornelia Funkes Tintenherz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41975
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