Wir leben in ereignisreichen Zeiten. Die Europäische Union (EU) galt lange Jahre als unveränderlicher Bestandteil unseres Lebens und unserer Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Sicherlich, die EU hat sich verändert: die Integration hat sich vertieft, Kompetenzen wurden dazugewonnen und ausgestaltet, auch die Anzahl der Mitglieder wurde größer. Am 23. Juni 2016 kam es jedoch zu einer der größten negativen Veränderungen in der Geschichte der EU. Das Vereinigte Königreich schuf den Präzedenzfall und wurde zum ersten Mitglied, das sich für einen Austritt aus der Union entschied. Seitdem regieren geordnete Konfusion und Zweifel. In Großbritannien bekriegen sich die „Brexiters“ und die „Remainers“ nach wie vor in den Medien. In anderen Ländern wird mit dem Austritt aus der Union als Wahlversprechen kokettiert. Jeder stellt sich die Frage: wie geht es weiter mit der Union? Nach wie vor gibt es Politiker und Bürger, die an die EU als eine Quelle der Stabilität glauben, aber ihre Anzahl ist geschrumpft. In den Gründerstaaten selbst gibt es Europaskepsis. Geert Wilders in den Niederlanden und Marine Le Pen in Frankreich gehören zu einer grenzüberschreitenden Strömung von Europaskeptikern, gar Europagegnern, die die Institution mitsamt allen Errungenschaften und auch Problemen in Frage stellen. Dies ist ein gefährlicher Trend: wenn führende Mitglieder der Gesellschaft das Vertrauen verlieren, was geschieht dann mit den „Otto-Normal-Verbrauchern“?
Die vielleicht wichtigste Frage, die man sich stellen sollte, ist aber diese: was ist der raison d‘être der EU? In der Vergangenheit wurde die Antwort darauf durch die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg bestimmt; diese Erinnerung verblasst aber zunehmend und ist somit als politische Begründung obsolet. Die EU muss sich also neu definieren, um wieder an Anziehungskraft gewinnen.
Zu dieser Problematik möchte diese Arbeit einen Beitrag leisten. Das Ziel ist, zu verdeutlichen, inwiefern sich die Visionen von der EU und ihrer Daseinsberechtigung unterscheiden, und welche Handlungsweisen daraus resultieren. Als Beispiele bieten sich Großbritannien als größter EU-Skeptiker und Deutschland als zentraler Fürsprecher an.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Hintergrund und Theorien
- Funktionalismus und Föderalismus
- Supranationalismus vs. Intergouvernementalismus
- Deutsche Visionen der EU – von Adenauer bis Merkel
- Die Nachkriegsjahre unter Adenauer
- Willy Brandt- ein Visionär?
- Helmut Kohl: deutsche Wiedervereinigung im europäischen Kontext
- Angela Merkel, die Krisenmanagerin
- Großbritanniens Weg in der EU
- Der lange Anlauf zum Beitritt
- Margaret Thatcher: EEA und Britenrabatt
- Ein Kurswandel unter New Labour?
- Taking back control: Cameron und das Referendum
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die unterschiedlichen Visionen von Europa in Großbritannien und Deutschland, insbesondere im Kontext der Brexit-Debatte. Sie analysiert die historischen Entwicklungen beider Länder in Bezug auf die Europäische Union und zeigt auf, wie sich ihre Vorstellungen vom Wesen und Nutzen der EU seit dem britischen Beitritt bis hin zum Referendum über den Austritt entwickelt haben.
- Die Entwicklung der Europäischen Union und ihre theoretischen Fundamente
- Deutsche und britische Visionen von der EU und ihrer Daseinsberechtigung
- Der Einfluss des historischen Kontextes auf die jeweilige Europapolitik
- Die Divergenz der britischen und deutschen Einstellungen zum Konzept „Europa“
- Die Auswirkungen der Brexit-Debatte auf die deutsch-britische Beziehung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einführung: Das Kapitel skizziert die aktuelle Situation in der EU im Kontext des Brexit und beleuchtet die zunehmende Europaskepsis in verschiedenen europäischen Ländern. Es stellt die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit: Was ist die raison d'être der EU?
- Hintergrund und Theorien: Dieses Kapitel beleuchtet die theoretischen Grundlagen der europäischen Integration, insbesondere die Debatte zwischen Funktionalismus und Föderalismus. Es untersucht die verschiedenen Ansätze und ihre Relevanz für die Gestaltung der EU.
- Deutsche Visionen der EU – von Adenauer bis Merkel: Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung der deutschen Europapolitik von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart. Es analysiert die Visionen der wichtigsten deutschen Bundeskanzler in Bezug auf die EU und ihre Rolle in der Welt.
- Großbritanniens Weg in der EU: Dieses Kapitel behandelt die Geschichte der britischen EU-Mitgliedschaft, vom langen Anlauf zum Beitritt über die Zeit von Margaret Thatcher bis zum Brexit-Referendum unter David Cameron. Es beleuchtet die unterschiedlichen Positionen und Entwicklungen der britischen Regierung in Bezug auf die EU.
Schlüsselwörter
Europäische Integration, Funktionalismus, Föderalismus, Supranationalismus, Intergouvernementalismus, Deutsche Europapolitik, Britische Europapolitik, Brexit, Visionen von Europa, EU-Skepsis, Deutsch-Britische Beziehungen.
- Arbeit zitieren
- Susanne Klein (Autor:in), 2017, Visionen von Europa in Großbritannien und Deutschland nach dem Brexit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/420424