Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen bei Pflegekräften im stationären Bereich. Wirksamkeit eines Kinästhetik-Lernkonzepts

Projektevaluierung im Nordstadt Krankenhaus (Hannover)


Bachelorarbeit, 2016

48 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 ZIELSETZUNG

3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Muskel- Skeletterkrankungen in der Pflege
3.2 Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen und Kinästhetik
3.3 Kinästhetik-Konzept
3.3.1 Interaktion
3.3.2 Funktionale Anatomie
3.3.3 Menschliche Bewegung
3.3.4 Anstrengung
3.3.5 Menschliche Funktion
3.3.6 Umgebung
3.4 Forschungsstand Kinästhetik
3.5 Erhebungsinstrumente
3.6 Pflegestandard „Kinästhetik/Bewegung“ als Instrument der Qualitätssicherung

4 METHODIK
4.1 Bedarfsermittlung durch den WAI-Fragebogen
4.2 Projekt „Bewegen statt Heben“
4.3 Fragebogen
4.3.1 Stichprobenanalyse
4.3.2 Projektevaluierung
4.4 Datenauswertung

5 ERGEBNISSE
5.1 Bedarfsermittlung durch den WAI-Fragebogen
5.2 Stichprobenanalyse
5.3 Projektevaluierung „Bewegen statt Heben“
5.3.1 Körperliche Entlastung durch Kinästhetik
5.3.2 Persönliche Erleben bei der Anwendung von Kinästhetik
5.3.3 Praktische Ausübung der Pflegehandlungen/Mobilisationssequenzen
5.4 Umsetzung der kinästhetischen Arbeitsweise bei Einzelpersonen und im Team
5.5 Veränderung des Pflegezeit-, Personal- und Hilfsmittelbedarfs durch Kinästhetik
5.6 Positive Aspekte bei der praktischen Umsetzung des Kinästhetikkonzeptes
5.7 Störungsfaktoren bei der praktischen Umsetzung
5.8 Anregungen und Verbesserungsvorschläge

6 DISKUSSION UND FAZIT
6.1 Work-Ability-Index
6.2 Projektevaluierung „Bewegen statt Heben“
6.3 Fazit

7 ZUSAMMENFASSUNG

8 LITERATURVERZEICHNIS

9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis

10 ANHANGVERZEICHNIS FEHLER! TEXTMARKE NICHT DEFINIERT

1 Einleitung

Die zunehmende Altersentwicklung und der wachsende Wettbewerb sorgen dafür, dass die heutigen Kliniken sich zukünftig stärker an dem Patientenwohl orientieren. Im Zuge der Gesundheitsreform werden die Patienten als „Kunden“ betrachtet. Insbesondere auf den Klinikstationen wie Neurologie und Neurochirurgie ist eine hohe Patientenanzahl aufgrund ihrer Erkrankung bewegungseingeschränkt und verbringt den überwiegenden Teil des Tages im Bett. Im Zusammenhang mit der Bettlägerigkeit und dem angestrebten Patientenwohl kann beispielsweise mit kinästhetischen Lagerungsmaßnahmen Schmerzlinderung verschafft werden. Hierbei ist die Kinästhetik die Lehre von Bewegungsempfindungen, welche körperliche Muskel- und Knochenstrukturen und deren Funktionen erhalten bzw. nutzen. Zudem wird durch die gemeinsame Bewegungsorientierung von Patient und Pflegepersonal eine kraftökonomische und fließende Bewegung umgesetzt, welche neben dem Patientenwohl ebenfalls zur Gesundheit des Pflegepersonals beiträgt.

Diese Möglichkeiten von Kinästhetik haben viele Mitarbeiter des Pflegepersonals be- reits in Schulungen kennengelernt. Allerdings gestaltet sich die Anwendung der Kinäs- thetik am Arbeitsplatz durch eine hohe Arbeitsverdichtung schwierig, da die pflegeri- sche Arbeit durch eine steigende Patientenanzahl mit einer engen zeitlichen Ablaufor- ganisation verbunden ist. Aus diesem Grund findet beispielsweise bei der Lagerung der Patienten nur teilweise eine personenbezogene Bewegungsanpassung statt, sodass sich die Frage stellt, ob die Kinästhetik in der Praxis eine rückenschonende Arbeitsweise ermöglicht.

Eine Folge der zu hohen Rückenbelastung kann bei dem Pflegepersonal langfristig zu Muskel- und Skeletterkrankungen und somit zu Krankheitsausfällen führen. Um das Erkrankungspotenzial hinsichtlich Muskel- Skeletterkrankungen zu senken, sollen im Rahmen des Kinästhetikkonzeptes Bewegungsressourcen von Patienten bewusst erkannt und bei Pflegehandlungen berücksichtig werden. Hierzu wird im Jahr 2015 durch die „Lenkungsgruppe Gesundheit“ das Projekt „Bewegen statt Heben“ im Nordstadtkran- kenhaus Hannover ins Leben gerufen. Das Projekt wird für einen Zeitraum von acht Monaten angesetzt und wird vorerst auf zwei Normal- und zwei Intensivstationen der Neurologie und Neurochirurgie umgesetzt.

2 Zielsetzung

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, den Einfluss und die Wirksamkeit von Kinästhetik zur Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen zu überprüfen.

Hierzu soll schwerpunktmäßig das Projekt „Bewegen statt Heben“ mittels eines erstellten Fragebogens evaluiert werden, wodurch Maßnahmen des Konzeptes hinterfragt und mögliche Störungen aufgezeigt werden. Zudem wird mit Hilfe des Fragebogens überprüft, inwieweit kinästhetische Grundsätze bei der einzelnen Pflegekraft sowie im Team bereits umgesetzt werden. Um die Notwendigkeit der gesundheitsfördernden Maßnahmen auf den Klinikstationen vor Projektbeginn aufzuzeigen, findet im Rahmen der Arbeit eine Bedarfsermittlung mittels des Work- Ability-Index Fragebogens statt.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

In diesem Kapitel werden die Grundlagen und Begriffe erklärt und erläutert, die für das Verständnis dieser Arbeit notwendig sind. Hierbei wird zunächst auf die Muskel- Skeletterkrankungen und auf deren Auswirkungen in der Pflege eingegangen. Vor dem Hintergrund, dass die kinästhetischen Grundsätze eine rückenschonende Arbeitsweise prinzipiell unterstützen, wird das kinästhetische Konzept nachfolgend beschrieben. Des Weiteren werden der aktuelle Forschungsstand und die derzeitig angewendeten Erhebungsinstrumente in der Kinästhetik dargestellt. Abschließend wird erläutert, inwiefern der Pflegestandard „Kinästhetik/Bewegung“ als Instrument zur Qualitätssicherung dient.

3.1 Muskel- Skeletterkrankungen in der Pflege

Muskel- und Skeletterkrankungen können unter anderem durch Fehlhaltungen oder eine Überlastung der Wirbelsäule entstehen, die zu chronischen Rückenbeschwerden führen können. Schweres Heben und ungünstige Körperhaltungen gehören im Pflegebereich zum Alltag und begünstigen somit die Entstehung dieser Erkrankungen. Aufgrund einer hohen Arbeitsverdichtung durch die Versorgung von immer mehr Patienten und der stetig zunehmenden Bürokratie herrscht bei den Pflegenden oft Zeitnot, um sich einem Positionswechsel bei der Patientenlagerung in Ruhe widmen zu können. Somit wird dieser oftmals schnell in ungünstiger Körperhaltung ausgeführt.

Laut Unfallverhütungsbericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014" (2016, S.119) sind die Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) infolge von Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes im Gesundheits- und Sozialwesen im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen am höchsten. Diese belaufen sich auf insgesamt 19,8 Tage je Diagnose. Die gesetzliche Krankenversicherung AOK (Allgemeine Ortskrankenkasse) stellte in diesem Zusammenhang 11,7 AU-Tage pro Versicherten fest (Robert Koch Institut, 2012, S.15). Chronische Rückenschmerzen sind infolgedessen häufig. Diese führen oft zu einer Arbeitsunfähigkeit und sind folglich ein Grund für eine Frühverrentung. Des Weiteren fallen durch rückenschmerzbedingte Fehlzeiten hohe Kosten für das Klinikum an und belasten das Gesundheitssystem nachweislich. Im Hinblick auf eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung ist es von großer Bedeutung, Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung von Muskel- und Skeletterkrankungen im Stationsalltag zu gestalten und umzusetzen.

3.2 Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen und Kinästhetik

Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Vorbeugung von Muskel- und Skeletterkrankungen ist eine gesündere bzw. ergonomische Gestaltung der täglichen Arbeit, welche durch eine kinästhetische Arbeitsweise geschaffen werden kann. Kinästhetik fördert neben der patientenschonenden Lagerung auch den Aufbau individueller Verhaltens- und Handlungskompetenzen für den Umgang mit körperlicher Belastung bei den Pflegenden. Diese können zu einer rückenschonenden Arbeitsweise bei den Pflegekräften führen.

3.3 Kinästhetik-Konzept

Kinästhetik nach Hatch und Maietta (2003) ist ein erfahrungsbezogenes Lernkonzept, welches hilft, die eigene Bewegung bewusst wahrzunehmen und als Ressource für die eigene Gesundheitsentwicklung zu nutzen. Der Ansatz ist individuell (= situationsabhängig) oder ganzheitlich (= patientenorientiert).

Bewegungen sollen für den Patienten und die Pflegekräfte unter Einbezug vorhandener Ressourcen stress- und angstfrei sowie kräfteschonend gestaltet werden. Für Pflegekräfte soll insbesondere ein unphysiologischer Einsatz des Hebens und Tragens vermieden werden, wodurch prophylaktisch Muskel- und Skeletterkrankungen vorgebeugt wird. Zum Beispiel lernt die Pflegekraft durch Kinästhetik das Gewicht nicht zu tragen, sondern über knöchernde Strukturen zu führen und somit das Gewicht an die Unterstützungsfläche abzugeben (Menche, 2007, S.496-502). Patienten profitie- ren ebenfalls von Kinästhetik, da Schmerzen durch schonendes Bewegen verringert werden. Eine Berücksichtigung der Patientenressourcen ermöglicht diesem sowohl ein selbstbestimmtes Handeln als auch eine schnellere Mobilisation.

Das Kinästhetik-Konzept besteht aus sechs Einzelkonzepten, die nachfolgend erläutert werden.

3.3.1 Interaktion

Das Konzept der Interaktion beschreibt die Wechselbeziehung zwischen Patient und Pflegekraft. Dieses besteht aus den Sinnen (sehen, hören, riechen, schmecken, tasten, kinästhetischer Sinn = Körpersinn, Gleichgewichtssinn), Bewegungselementen und Interaktionsformen. Die Pflegekraft soll hierbei insbesondere in ihrer Bewegungswahrnehmung sensibilisiert werden. Pflegende können die genannten Sinne nutzen, um dem Patienten Informationen mitzuteilen, wodurch dieser eine Bewegung einfacher umsetzen kann. Dies kann beispielsweise durch eine gesprochene Aufforderung "Stehen Sie bitte auf“ geschehen. Die Bewegungselemente"Raum, Zeit und Anstrengung" sind jeweils optimal zu kombinieren. Meist benötigt die Pflegekraft weniger Zeit als der Patient. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass sich die Pflegekraft an der Zeit des Patienten orientieren sollte. Der innere Bewegungsraum besteht aus dem Spielraum der Gelenke, sodass der ä u ß ere Raum die Umgebung des Patienten darstellt.

Hierbei ist entscheidend, den gemeinsamen Bewegungsraum von Patient und Pflege- kraft zu ermitteln. Angemessene Organisation von Raum und Zeit verringert das An- strengungspotenzial beider Pateien erheblich. Des Weiteren seien noch drei Interaktionsformen genannt. Bei der einseitigen Interaktion geht der Kontakt nur von einer Seite - entweder vom Patient oder von der Pflegekraft - aus. Bei der schrittweisen Interaktion sind viele kleine Teilschritte notwendig, um einen Bewegungsablauf zu ermöglichen. Bei der gleichzeitig- gemeinsamen Interaktion, wie beispielsweise beim untergehakten Laufen, führen die Pflegekraft und der Patient gemeinsam eine Bewegung aus (Menche, 2007, S.497).

3.3.2 Funktionale Anatomie

Das Konzept der funktionalen Anatomie gliedert sich in der Kinästhetik in drei Kategorien auf. Diese sind im Folgenden näher erläutert.

Knochen und Muskeln:

Die Knochen sind hart und stabil, wohingegen Muskeln weich und instabil sind. Die Knochen sollen das Gewicht tragen und es auf die Unterstützungsfläche leiten. Hierbei sollen die Muskeln so weit wie möglich unbelastet bleiben (Menche, 2007, S.498).

Massen und Zwischenräume

In der Kinästhetik werden sieben Massen beschrieben, die sich in Kopf, Brustkorb, Be- cken sowie beider Arme und Beine aufteilen. Diese sind stabil erfahrbar und weisen viele knöchernde Strukturen auf. Die Zwischenräume (Hals, Taille, Schultergelenke und Hüftgelenke) besitzen viele muskuläre Strukturen und sind daher eher instabil. Infolge- dessen soll sich an den Massen orientiert werden. Die Pflegekraft muss weniger Kraft aufwenden, indem sie Masse für Masse bewegt und nicht in die instabilen Zwischen- räume fasst (Menche, 2007, S.498).

Orientierung

Durch Orientierungshilfen kann der Patient die Bewegung besser verstehen und umset- zen. Es wird unterschieden zwischen körperlicher und räumlicher Orientierung. „Bei- spielweise hat ein Patient vor dem Aufstehen zunächst die r ä umliche Orientierung, sich nach oben zu bewegen. Damit er aufstehen kann, gibt ihm die Pflegekraft die k ö rperli- che Orientierung “ nach unten, indem sie ihm durch Druckausübung auf das Knie ver- deutlicht, dass er sein Körpergewicht zum Aufstehen auf die Füße verlagern kann (Menche, 2007, S. 498).“

3.3.3 Menschliche Bewegung

Laut dem kinästhetischen Grundprinzip existieren Spiral- und Parallelbewegungen. Die Spiralbewegungen sind Drehbewegungen um zwei Bewegungsachsen, die Parallelbewegungen haben nur eine Bewegungsachse. Die Spiralbewegungen benötigen weniger Anstrengungen, jedoch mehr Platz als die Parallelbewegungen (Menche, 2007, S. 498).

3.3.4 Anstrengung

Die zwei Anstrengungsformen teilen sich in Ziehen und Drücken auf. Am Anfang einer Bewegung drückt oder zieht jeder Mensch mit unterschiedlichen Körperteilen, wodurch ein Spannungsfeld aufgebaut wird. Eine Störung des Spannungsfelds in der Interaktion zwischen Patienten und Pflegekraft ist, wenn beispielsweise die Pflegekraft den Patien- ten hochziehen möchte, während dieser sich noch abdrückt. Hierbei wird es für den Pa- tienten anstrengender, da sein Drücken nutzlos ist (Menche, 2007, S. 499).

3.3.5 Menschliche Funktion

Die menschlichen Funktionen gliedern sich in einfache Funktion und komplexe Funkti- on auf. Die einfache Funktion besteht aus den Grundpositionen wie Schneidersitz, Rü- cken-, Ellenbogen- und Bauchlage sowie Hand-Knie-, Einbein- und Zweibeinstand. Die komplexe Funktion beinhaltet zum einen die Bewegung am Ort und zum anderen die Fortbewegung. Unter der Bewegung am Ort werden Funktionen verstanden, die keinen Ortswechsel mit sich ziehen wie beispielsweise beim Essen und Trinken. Bei der Fort- bewegung soll das Gewicht aller Massen an einen neuen Ort gebracht werden. Hierfür ist die Voraussetzung das selbstständige Organisieren des eigenen Körpergewichtes in die jeweiligen Positionen. Das Körpergewicht wird beispielsweise zunächst auf ein Bein verlagert, wodurch es erst dann für das andere Bein möglich ist, einen Schritt zur Fort- bewegung durchzuführen (Menche, 2007, S.500).

3.3.6 Umgebung

Das Konzept der Umgebung beschreibt die Wechselbeziehung zwischen den Aktivitäten des Menschen und seiner Umgebung. Die Pflegekraft gestaltet die Umgebung des Patienten, sodass Bewegungen so einfach wie möglich durchführbar sind. Soll der Patient beispielsweise aus dem Bett aufstehen, senkt die Pflegekraft zuvor das Bett ab, sodass der Patient leicht aufstehen kann (Menche, 2007, S. 500).

3.4 Forschungsstand Kinästhetik

In Bezug auf die Wirksamkeit der Kinästhetik wurden bereits einige Studien erstellt. Nach Buge und Mahler wurde ein Evaluationsbericht zur Auswertung der Befragung zum Kinästhetikprojekt im Universitätsklinikum Heidelberg durchgeführt. Untersucht wurde die Wirkung des Kinästhetikprojektes in dem Zeitraum von 1998 bis 2003. Ins- gesamt wurden über 800 Teilnehmer in verschiedenen Kinästhetikkursen geschult. Die Ergebnisse legten dar, dass die Kinästhetikschulungen eine deutliche körperliche Entlas- tung der Teilnehmer im Brust- und Lendenbereich ermöglichten und des Weiteren eine deutliche Übernahme von Eigenaktivität durch die Patienten feststellbar war. Hierbei wurde in den Arbeitsbereichen Normal-, Intensiv- und Altenpflege sowie in Bezug auf das Alter keine erheblichen Unterschiede aufgezeigt. Ob sich der Hilfsmitteldarf durch die kinästhetische Arbeitsweise verändert hat, beantworteten die befragten Pflegekräfte (56,9%) tendenziell mit eher nein bzw. nein (Buge & Mahler, 2004).

Die im Landeskrankenhaus Hörgas-Enzenbach durchgeführte Studie von 2009 zeigte, dass die Pflegekräfte nach den Kinästhetik Schulungen weniger Anstrengungen verspürten. Die Pflegekräfte empfanden, dass bei pflegebedürftigen Patienten (19,4%) und übergewichtigen Patienten (53,7%) sowie bei Patienten mit hoher Körperspannung (27,8%) die Tätigkeit mit Hilfe der Kinästhetik einfacher war (Maietta et al., 2009). Dies veranschaulicht, dass die kinästhetische Arbeitsweise eine Reduzierung körperli- cher Belastung hervorrufen kann und somit zu einer rückenschonenden Arbeitsweise beiträgt.

3.5 Erhebungsinstrumente

Im Folgenden werden einige der derzeitig angewendeten Erhebungsinstrumente von Kinästhetik-Studien in tabellarischer Form dargestellt.

Tab: 1: Erhebungsinstrumente (Margit Sedlak - Emperer, 2012, S.28- S.38)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass der Fragebogen ein häufig angewendetes Erhe- bungsinstrument ist. Der Fragebogen ist eine kostengünstige und schnell umzusetzende Methode, um das vorgegebene Projektziel zu evaluieren und somit zu überprüfen. Bei einer schriftlichen Befragung entsteht außerdem kein Zeitdruck, der durch einen Inter- viewer entstehen könnte. Des Weiteren wird die Anonymität der Befragten gesichert.

3.6 Pflegestandard „Kinästhetik/Bewegung“ als Instrument der Qualitätssicherung

Ein Pflegestandard dient als Instrument zur Qualitätssicherung. Um eine effektive Um- setzung zu gewährleisten, ist es allerdings von Bedeutung, diesen in die Praxis zu trans- ferieren bzw. umzusetzen. Nach Menche (2007, S.75) sind die Pflegestandards wie folgt definiert: „Allgemein gültige Normen, die den Aufgabenbereich und die Qualität der Pflege definieren. Pflegestandards legen themen- und tätigkeitsbezogen fest, was die Pflegepersonen in einer konkreten Situation leisten wollen / sollen und wie die Leistung auszusehen hat“.

In dem Nordstadtkrankenhaus in Hannover gibt es seit 2015 den Pflegestandard „Kinästhetik/Bewegung“. Eine wesentliche Forderung des Standards ist es, dass die Bewegungsunterstützung so gestaltet wird, dass sie schonend für Patient und Mitarbeiter ist. Wird der Bewegungstransfer zwischen der Pflegekraft und dem Patienten schonend durchgeführt, kann die körperliche Belastung der Pflegekraft verringert werden und somit Muskel-Skeletterkrankungen vorbeugen.

4 Methodik

4.1 Bedarfsermittlung durch den WAI-Fragebogen

Um eine gezielte Gesundheitsförderungsmaßnahme im Klinikum Hannover vornehmen zu können, wird zunächst auf den vier Projektstationen des Nordstadtkrankenhauses eine Bedarfsermittlung zur Arbeitsfähigkeit durchgeführt. In diesem Rahmen wird der evaluierte Fragebogen des Work-Ability-Index (WAI) eingesetzt (siehe Anhang 2), mit Hilfe dessen beurteilt werden kann, ob Maßnahmen zur Gesundheitsförderung festge- legt und die Arbeitsbedingungen verbessert oder erhalten werden sollten. Hierbei steht im Vordergrund der Befragung das Projekt „Bewegen statt Heben“. Die Bedarfsermittlung wird vor Projektbeginn durchgeführt. Es werden insgesamt 89 Fragebögen verteilt.

4.2 Projekt „Bewegen statt Heben“

Nach Ermittlung der WAI-Werte der Pflegekräfte wird das Projekt „Bewegen statt Heben“ als Maßnahme zur Gesundheitsförderung der Mitarbeiter im Hinblick auf Muskelund Skeletterkrankungen umgesetzt.

Das Projekt “Bewegen statt Heben“ soll die Pflegekräfte in den Kinästhetikmaßnahmen schulen. Die in Kinästhetik geschulten Mitarbeiter erfahren, wie sie Patienten mit weniger körperlicher Anstrengung bewegen sowie unterstützen und somit ihre eigene Gesundheit, mit besonderem Fokus auf die Rückengesundheit, schützen können.

Die Arbeitsgruppe dieses Projektes besteht aus Physiotherapeuten, Kinästhetik-Trainer/- innen (Stufe 2) und aus 1-2 Pflegekräften pro Projektstation. Des Weiteren wird das Projekt von einer Pflegewirtin als auch der Pflegedirektorin des Nordstadtkrankenhau- ses unterstützt und begleitet. Es werden für dieses Projekt vorerst vier Stationen ausge- wählt, welche aus zwei neurologischen Normalstationen sowie aus einer neurologischen und einer neurochirurgischen Intensivstation bestehen. Im Rahmen der Arbeit wird das Projekt mittels eines in Anlehnung an Buge und Mahler (2004) erstellten Fragenbogens evaluiert, dieser gibt einen Rückschluss über den Status der durchgeführten Maßnah- men. Bei erfolgreicher Auswertung kann eine Implementierung der kinästhetischen Maßnahmen im gesamten Nordstadtkrankenhaus angestrebt werden.

Das Projekt wird vorerst für einen Zeitraum von acht Monate genehmigt. Um das Pflegepersonal auf die kinästhetischen Maßnahmen vorzubereiten, werden verschiedene Schulungen über diesen Zeitraum angeboten. Die mit einem „X“ gekennzeichneten Felder zeigen auf, in welchen Monaten und wie häufig die Schulungen im Jahr 2015 stattfinden. Wie in der Tabelle dargestellt, werden die Schulungstermine in drei Ebenen eingeteilt und nachfolgend erläutert.

Tab. 2: Terminplan für das Projekt „Bewegen statt Heben“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Ebene: Praxisschulung durch Kinästhetik-Trainer/-innen Die Kinästhetik-Trainer/-innen (Stufe 2) unterstützen die Pflegekräfte bei der Umset- zung der kinästhetischen Arbeitsweise. Die Trainer/-innen gehen für jeweils eine Stunde zweimal monatlich auf die jeweiligen Projektstationen und unterweisen die Pflegekräfte direkt vor Ort.

Wenn es die Situation es auf den Klinikstationen zulässt, wird eine Selbsterfahrung mit den Pflegekräften durchgeführt. Hierbei wird beispielsweise die Mobilisation nach kin- ästhetischen Grundsätzen im Gegensatz zur konventionellen Positionierung ausgeübt. Des Weiteren wird teilweise (je nach Zeitkontingent der Pflegekräfte) ein Patient zur Mobilisation ausgesucht. Hierbei findet zunächst eine Fallbesprechung bezüglich Anamnese, Bewegungseinschränkung und Ressourcen des Patienten statt. Dieses ist wichtig, um vorhandene Ressourcen des Patienten zu nutzen und ihn individuell unter- stützen zu können. Im Anschluss wird der Patient aufgesucht und die betreuende Pfle- gekraft führt mit ihm eine Bewegungssequenz durch (z.B. Mobilisation vom Bett in den Rollstuhl). Die Kinästhetik-Trainer/-innen unterstützen bei Problemen und geben mög- liche Anregungen für die Umsetzung von Kinästhetik. Dokumentiert wird mit dem In- strument des Kinästhetik-Konzepts (siehe Anhang 1).

2. Ebene: Schulungen in Grund- und Aufbaukursen durch Kinästhetik-Trainer/-in Die Kinästhetik-Schulungen der Pflegekräfte werden in Form von Grund- und Aufbau- kursen angeboten. Innerhalb des Projektes werden je ein Grund- und ein Aufbaukurs 14/48

[...]

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen bei Pflegekräften im stationären Bereich. Wirksamkeit eines Kinästhetik-Lernkonzepts
Untertitel
Projektevaluierung im Nordstadt Krankenhaus (Hannover)
Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Note
1,6
Autor
Jahr
2016
Seiten
48
Katalognummer
V420453
ISBN (eBook)
9783668718395
ISBN (Buch)
9783668718401
Dateigröße
1781 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
prävention, muskel-, skeletterkrankungen, pflegekräften, bereich, wirksamkeit, kinästhetik-lernkonzepts, projektevaluierung, nordstadt, krankenhaus, hannover
Arbeit zitieren
Mai-Larissa Krausewitz (Autor:in), 2016, Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen bei Pflegekräften im stationären Bereich. Wirksamkeit eines Kinästhetik-Lernkonzepts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/420453

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