Ich möchte in dieser Hausarbeit Nietzsche den scharfsinnigen Aufklärer betrachten, der mit seinem Denken kritische Impulse für die Philosophie im Allgemeinen, und die Ethik im Speziellen geliefert hat. Zweifellos gibt es auch den ungeheuren Nietzsche, den „Anti-Demokraten”, den „Vordenker des räuberischen Kapitalismus,” oder den „Biopolitiker und Eugeniker.” Dies zu unterschlagen oder gar zu vergessen, würde heißen, Nietzsche nicht verstanden zu haben. Entgegen seiner eigenen Prophetie vom hochgezüchteten Herrenmenschen, die im Nationalsozialismus und der menschlichen Katastrophe von Auschwitz nicht zufällig, wenn auch in umgekehrter Weise Wirklichkeit geworden ist, wie Günter Schulte vermutet, glaube ich, in Nietzsche ebenso den Rebellen der Befreiung, den Freigeist und den Individualisten erkannt zu haben.
Die Hausarbeit ist folgender Maßen konzipiert: Ihr Hauptaugenmerk gilt der Entlarvung, Demaskierung oder auch Aufklärung der Ambivalenz menschlicher Werturteile, die im Laufe von Jahrtausenden zu festen Normen, ja sogar Wahrheiten an sich geworden sind. Der erste Teil, eine Art Grundlegung, soll anhand von Nietzsches Schrift „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne” von 1872/73 an seine genetische Methode heranführen. Es soll die, für die folgenden Erörterungen wichtige Frage beantwortet werden, was Nietzsche unter Wahrheit versteht und welche Bedeutung sie für das menschliche Leben hat. Der zweite Teil kann als Entfaltung der Grundlage verstanden werden: Nietzsches Kritik an moralischen Werturteilen und ihrer scheinbar unabänderlichen Wahrheiten. Hier macht Nietzsche auf die Kehrseiten von verfestigten und institutionalisierten Normen und Wahrheiten aufmerksam, etwa die Unterwerfung und Entindividualisierung des Menschen und die Entsagung und Verachtung des sinnlichen Lebens. Ein Fazit soll schließlich die politische Bedeutung seiner Wahrheitskritik herausstellen: Die unumgängliche Beachtung des Individuums bei moralischen Wertsetzungen.
Inhaltsverzeichnis
- Prolog
- I. Grundlegung: Und wenn Wahrheit eine Lüge ist?
- 1.1. Das Problem von Erkenntnis und Wahrheit: Das Ding an sich
- 1.2. Nietzsches Erkenntniskritik: Warum Wahrheit? Die Relation von Wahrheit und Leben
- 1.3. Wie Wahrheit zur Fabel wurde - Die Genese eines Illusion namens Wahrheit
- II. Entfaltung: Wahrheit und Moral
- 2.1. Das Problem von Erkenntnis und Moral
- 2.2. Außermoralische Ursachen und Motive der Moral
- 2.3. Der Widerspruch zwischen Leben und Moral
- Epilog: Nietzsches individualistischer Moralentwurf
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert Friedrich Nietzsches Wahrheitskritik im außermoralischen und moralischen Sinne und beleuchtet seine kritischen Impulse für die Philosophie und Ethik. Die Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, was Nietzsche unter Wahrheit versteht und welche Bedeutung sie für das menschliche Leben hat. Dabei wird Nietzsches Kritik an den vermeintlich unveränderlichen moralischen Werten und Normen untersucht und die Bedeutung der Individualität im Kontext der Wahrheitssuche hervorgehoben.
- Nietzsches Kritik an der menschlichen Vernunft und der Suche nach dem „Ding an sich“
- Die Genese von Wahrheit als Illusion und ihre Auswirkungen auf das Leben
- Die Kritik an moralischen Werturteilen und ihrer Unterdrückung des individuellen Lebens
- Die Bedeutung der Individualität und die Folgen von Moral für die Entindividualisierung
- Nietzsches individualistischer Moralentwurf und seine politische Bedeutung
Zusammenfassung der Kapitel
Der Prolog beginnt mit einem Zitat von Lichtenberg und stellt die Ambivalenz des Nietzschebildes in der heutigen Zeit dar. Die Arbeit betont, dass Nietzsches Werk von seinem Lebensweg geprägt ist und seine Kritik an Normen und Werten aus einer tiefen Verzweiflung an der Gesellschaft resultiert.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Grundlegung von Nietzsches Wahrheitskritik. Im Unterkapitel 1.1. wird die Frage nach dem "Ding an sich" beleuchtet, die im Kontext der Philosophie seit der Antike eine zentrale Rolle spielt. Nietzsches Kritik an der menschlichen Vernunft und die Suche nach der Wahrheit werden im Unterkapitel 1.2. behandelt. Das Kapitel 1.3. beschreibt die Genese von Wahrheit als Illusion und die Konstruktion des "Wahrheits"-Begriffs im Laufe der Geschichte.
Das zweite Kapitel widmet sich der Entfaltung von Nietzsches Wahrheitskritik im Kontext der Moral. Es werden die problematischen Aspekte von Erkenntnis und Moral in Verbindung mit dem "Ding an sich" beleuchtet. Die Ursachen und Motive der Moral werden im Kapitel 2.2. aus einer außermoralischen Perspektive untersucht. Im Unterkapitel 2.3. wird der Widerspruch zwischen dem Leben und den moralischen Normen und Werten dargestellt.
Der Epilog setzt sich mit Nietzsches individualistischem Moralentwurf auseinander und beleuchtet seine politische Bedeutung für die Anerkennung des Individuums in der heutigen Zeit.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Themengebiete der Arbeit sind: Friedrich Nietzsche, Wahrheitskritik, Erkenntniskritik, Moral, Individualismus, "Ding an sich", Illusion, Lebensentwurf, politische Bedeutung, Gesellschaft, Normen, Werte, Befreiung.
- Arbeit zitieren
- Nils Ramthun (Autor:in), 2001, Friedrich Nietzsches Wahrheitskritik im außermoralischen und moralischen Sinn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4215