Die sowjetische Partisanenbewegung im Zweiten Weltkrieg


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

32 Seiten, Note: Gut (+)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Schwierigkeiten beim Neuaufbau der Partisanenbewegung
2.1. Die Situation in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten
2.2. Die kriegsbedingten Schwierigkeiten bei der Aufstellung der Partisanenverbände

3. Der erfolgreiche Aufbau der Partisanenbewegung
3.1. Anfängliche Probleme der Partisanenbewegung
3.2. Die erfolgreiche Verteidigung Moskaus als Neuanfang
3.3. Frühjahr 1942 – eine neue Situation

4. Auftrag und Vorgehensweise der Partisanen
4.1. Die Aufgaben der Partisanen
4.2. Aufbau und Kommandostruktur der Partisanen
4.3. Die Wirksamkeit der Partisanenaktionen

5. Das Verhalten der Deutschen gegenüber Partisanen und Zivilbevölkerung
5.1. Der Umgang mit der Zivilbevölkerung
5.2. Der Umgang mit ergriffenen Partisanen

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als die Wehrmacht am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, schien auch bei diesem Einfall, wie bereits beim Überfall auf Polen und während des Westfeldzuges, das Konzept des Blitzkrieges Erfolg zu haben. Die deutschen Armeen stießen schnell vor, die Rote Armee wurde anfangs überrannt und erlitt in Kesselschlachten enorme Verluste. Die Wehrmacht stand fünf Monate nach ihrem Einmarsch Moskau. In dem von den Deutschen okkupierten Gebiet lebte ungefähr 40% der sowjetischen Gesamtbevölkerung. Annähernd die Hälfte der ökonomischen Ressourcen der Sowjetunion gingen an die Deutschen verloren,[1] der größte Verlust entstand in der Landwirtschaft, die ihren fruchtbarsten Boden in den besetzten Gebieten hatte (die Ukraine bspw. galt als die „Kornkammer“ der Sowjetunion). Die dramatischen Anfangsniederlagen zeigten, dass die Rote Armee der Wehrmacht zu diesem Zeitpunkt nichts entgegenzusetzen hatte und auf militärische Hilfe angewiesen war. Unter diesen Bedingungen war es für die Sowjetunion nahezu unumgänglich, eine gut funktionierende Partisanenbewegung aufzubauen.

Dass die Partisanenbewegung erst mühsam unter Kriegsbedingungen wieder aufgebaut werden musste, obwohl sie in der russischen Geschichte seit der Niederlage der Grande Armée Napoleons 1812 ihren Platz hatte, und sie auch im russischen Bürgerkrieg von 1918-1920 ein wichtige Element war, lag an den ideologischen Dogmen Stalins. Stalin, der im Bürgerkrieg selbst als Partisane in den Bergen des Kaukasus gekämpft hat, hielt nach der Errichtung des Sowjetstaates den Partisanenkampf für überflüssig. Er ging davon aus, dass die Rote Armee unbesiegbar sei, da sie eine Armee des Volkes sei, die das gesamte sowjetische Volk hinter sich wüsste, eine Armee, die vom Volk geliebt und geachtet würde. Außerdem sei die Rote Armee im Geiste des Internationalismus erzogen, sie kämpfe für das internationale Proletariat. Somit müsse jeder Aggressor erkennen, dass die Sowjetunion überall in der Welt Freunde hätte, die ihr zur Seite stünden. Dies sei die Stärke der Roten Armee und der Sowjetunion, die dadurch unbesiegbar sei.[2] In diesem Sinne übernahm Stalin die Ideen Leo Trotzkis, des Gründers der Roten Armee, dass irreguläre Truppen nur außerhalb der Grenzen der Sowjetunion einzusetzen seien, um die Revolution voranzubringen. Die Verteidigung des eigenen Landes sei die Aufgabe der regulären Armee.[3]

Zwar wurde noch 1933 eine Dienstanweisung für die Rote Armee erlassen, welche Vorschriften für den Partisanenkampf beinhaltete,[4] doch wurde 1937, im Rahmen der Säuberung des Militärs, das Studium von Guerilla-Strategien, das bis zu diesem Zeitpunkt bei den zentralen Behörden in Moskau betrieben wurde, untersagt.[5]

Es setzte sich der der von Trotzki und Stalin vertretene Standpunkt durch, der den Partisanenkampf auf dem Territorium des Angreifers ansiedelte, da die Arbeiterschaft des angreifenden Landes der eigenen Armee in den Rücken fallen würde, um das sowjetische Proletariat zu schützen. Die Vorbereitungen zum Partisanenkampf auf sowjetischen Boden wurden, ebenso wie die Einplanung von strategischen Rückzugstheorien der Armee, als Defätismus ausgelegt.[6]

Bei der Bearbeitung dieses Themas stellen sich leider nicht unerhebliche Probleme ein. Zum einen ist hier das Problem der extremen Subjektivität der ehemals sowjetischen Geschichtsschreibung zu nennen, die mit ideologisch verklärtem Blick den Kampf der Partisanen als einen Volksaufstand darzustellen versuchte, der von der Masse der Bevölkerung getragen wurde. Des Weiteren muss die, ob der Bedeutung der Partisanenbewegung, erstaunlich dürftige Literaturlage bemängelt werden.

Die westlichen Historiker mussten sich bei ihren Untersuchungen zum Großteil auf Angaben der Sowjets stützen, da kaum Wehrmachtsunterlagen erhalten, oder in die Hände der Roten Armee gefallen sind. Außerdem haben die sowjetischen Regierungen westlichen Forschern den Zugriff auf ihre Archive verwehrt oder stark eingeschränkt. Die sich daraus ergebenden Probleme sind offensichtlich. Sämtliche Staatsdoktrinen der ehemaligen UdSSR konnten nicht, oder nur unzureichend erforscht und somit weder bestätigt, noch widerlegt werden. Ganz deutlich wird dies bei Zahlenangaben aller Art. Die Anzahl der aktiv kämpfenden Partisanen weicht selbst in der Sowjetliteratur erheblich voneinander ab, erst recht weichen sie von den Zahlen ab, die das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) veranschlagt hat. Ähnlich verhält es sich bei Zahlenangaben zum so genannten „Schienenkrieg“, zu Angaben der durch Partisanen getöteten deutschen Soldaten, und zum Umfang der aktiven Kämpfer in der Partisanenbewegung.

In der sowjetischen Historiographie galten hohe Zahlen immer als Beleg für großen Erfolg, dadurch erklärt sich die Vorliebe für immens hohe Zahlen in allen Bereichen. Nur Quellenforschung in den Archiven könnte diese Diskrepanzen aufklären, doch auch nach dem Untergang der Sowjetunion ist es für westliche Wissenschaftler schwierig unumschränkten Zugang zu russischen, weißrussischen oder ukrainischen Archiven zu erlangen.

Daraus ergibt sich die Situation, dass bis heute immer noch strittig ist, wie groß der Anteil aktiver Kämpfer bei den Partisanen war, in welchem Maße sie von der Bevölkerung unterstützt wurden und wie viel Menschen zwangsrekrutiert oder freiwillig in den Reihen der Partisanen kämpften. Auch über ihre Wirksamkeit, über ihre Wichtigkeit oder Unwichtigkeit für den sowjetischen Sieg gehen die Meinungen in der Forschung auseinander.

Diese Fragen werden auch hier nicht ausreichend beantwortet werden können, sie werden mithilfe sowjetischer/ bzw. DDR-Literatur, sowie westlicher Literatur untersucht und diskutiert. Aus diesem Grund bleiben die Ergebnisse spekulativ, jedoch auf Grundlage der verwendeten Literatur nachvollziehbar.

2. Die Schwierigkeiten beim Neuaufbau der Partisanenbewegung

2.1. Die Situation in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten

In den ersten Wochen nach dem deutschen Überfall war die sowjetische Führung paralysiert: Stalin fand sich erst am 3. Juli, also elf Tage nach dem Einmarsch der Deutschen, in der Lage sich über Rundfunk an sein Volk zu wenden. Er ging in dieser Rede auf die Situation ein, vor die der Einmarsch der Wehrmacht die Bevölkerung der Sowjetunion stellte. Er gab klare Anweisungen, was zu tun sei, um den Feind wieder aus dem Land zu vertreiben. In Bezug auf Partisanen hieß es: „(…). In den vom Feind okkupierten Gebieten müssen Partisanenabteilungen zu Pferd und zu Fuß gebildet und Diversionsgruppen geschaffen werden zum Kampf gegen die Truppenteile der feindlichen Armee, zur Entfachung des Partisanenkrieges überall und allerorts, zur Sprengung von Brücken und Straßen, zur Zerstörung der Telefon- und Telegrafenverbindungen, zur Niederbrennung der Wälder, der Versorgungslager und der Trains. In den okkupierten Gebieten müssen für den Feind und alle seine Helfershelfer unerträgliche Verhältnisse geschaffen werden, sie müssen auf Schritt und Tritt verfolgt und vernichtet und alle ihre Maßnahmen müssen vereitelt werden. (…).“[7]

Am 18. Juli 1941 erließ das ZK die Direktive „Über die Organisierung des Kampfes im Rücken der deutschen Truppen“,[8] die vom ZK selbst zwar als streng geheim eingestuft wurde, aber dennoch schnell bekannt geworden ist[9] und die ebenfalls darlegt, wie notwendig es sei, den Deutschen „unzumutbare Bedingungen“ für die Zeit ihrer Besatzung zu schaffen. In der Direktive heißt es, um diese Bedingungen zu erreichen sind, „(…), ihre (die der Deutschen, Anm. d. A.) Kommunikationsverbindungen, ihre Versorgung und militärischen Einheiten zu desorganisieren, alle ihre Maßnahmen zu vereiteln, die Räuber und ihre Kollaborateure zu vernichten, überall die Bildung von Partisanenverbänden als Kavallerie und Infanterieeinheiten und Vernichtungsgruppen zu unterstützen, das Netz unserer bolschewistischen Organisation auszuweiten mit dem Auftrag alle Möglichkeiten gegen die faschistischen Okkupanten anzuwenden.“[10]

Bei der Aufstellung einer Partisanenarmee in den von den Deutschen besetzten Gebieten kam es nicht nur zu organisatorischen Problemen, auf die ich noch eingehen werde, sondern vor allen Dingen zu allgemeinen Bedenken der Sowjetführung in Bezug auf die eigene Bevölkerung. Die Sowjets waren sich durchaus der Tatsache bewusst, dass in vielen okkupierten Gebieten die Deutschen als Befreier begrüßt wurden. In Weißrussland z. B. wurden die deutschen Truppen mit Brot und Salz, und somit als Gäste, willkommen geheißen.[11] In manchen Gebieten wurden die deutschen Soldaten von den Einwohnern der Dörfer mit Blumen überschüttet. Ein Korporal eines Panzer-Regiments schrieb: „Nirgendwo habe ich auch nur das geringste Anzeichen von Haß bei den Zivilisten gesehen. Wir werden nur von lächelnden Gesichtern begrüßt.“[12]

Ähnlich war die Situation in Lettland, Estland und Litauen, sowie in der Westukraine. In diesen, erst kurz vor Beginn des Krieges von der Sowjetunion annektierten Gebieten, gab es kaum Unterstützung für die Partisanen und wenn es sie gab, wie z. B. in Litauen, dann war sie nicht nur antideutsch, sondern auch antikommunistisch eingestellt.[13] In der Ukraine war es fast der Normalfall, dass Partisanen sofort an die Deutschen verraten wurden.[14]

Aufgrund dieser Verhältnisse hatte die sowjetische Führung nachvollziehbare Probleme, in diesen Gebieten bewaffnete Verbände aufzustellen, von denen man nicht wusste, wie man sie kontrollieren sollte. Die rücksichtslose Annektierung, sowie der brutale stalinistische Terror gegen die Bevölkerung in eben diesen Regionen, haben einen enormen Risikofaktor für die Sowjetunion geschaffen. Die Bevölkerung in diesen Gebieten, die von den Sowjets zu Recht als nicht zuverlässig zum sowjetischen Staat stehend angesehen wurde, zu bewaffnen war aufgrund der katastrophalen Kriegslage notwendig, allerdings wegen der politischen Lage eigentlich nicht erwünscht. Dies war einer der Gründe, weshalb Stalin den „Großen Vaterländischen Krieg“ propagierte und nicht den Kommunismus oder die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als die Errungenschaften erklärte, die es zu verteidigen galt.[15]

Ein organisatorisches Problem stellte die ungeklärte Frage dar, wer die Partisanenverbände führen sollte. Drei Instanzen beanspruchten dieses Recht für sich: das NKVD, die Partei und die Rote Armee. Objektiv gesehen hatte auch jede dieser Instanzen das Recht auf diesen Anspruch. Da die Partisaneneinheiten zu einem großen Teil aus versprengten Soldaten der Roten Armee bestanden, sah diese sich zuständig. Das NKVD sah sich für die Vernichtungsbatallione zuständig. Hierbei handelte es sich um paramilitärische Verbände, die nicht wie die Partisanen im Rücken des Feindes kämpfen sollten, sondern im Rücken der eigenen Truppen, um feindliche Fallschirmjäger und Agenten zu bekämpfen.[16] Des Weiteren hatten sie den Auftrag, im Falle eines Rückzuges der Roten Armee sämtliche öffentliche Einrichtungen, Industrieanlagen und Lagerhäuser zu zerstören, ebenso wie die Nachschubwege der Deutschen.[17]

Die Partei wiederum beanspruchte das Recht auf Führung der Partisanenverbände, die auf ihre Aktivitäten hin entstanden. Wenn man sich streng an den Begriff Partisan hält, hat eigentlich tatsächlich nur die Parte das Recht diese zu führen und zwar auf Grund der eigentlichen Bedeutung des Wortes. Partisane leitet sich ab von Partei, der Partisane ist ein Parteigänger.[18] In diesem strengen Sinne des Wortes hätte natürlich nur die Partei die Partisanenverbände befehligen können, da nur sie diese Parteigänger stellen konnte und in der Anfangsphase auch tatsächlich die Partisanen ausschließlich aus Parteimitgliedern rekrutiert wurden, da die Bevölkerung der besetzten Gebiete zu unzuverlässig war.[19]

Das Ergebnis dieser internen Querelen war allgemeine Unordnung. Die Partisanenverbände wurden von den unterschiedlichsten Instanzen befehligt, im Ergebnis waren sie dadurch uneinheitlich und wohl auch nicht so effektiv, wie sie es unter einer einheitlichen Führung hätten sein können. Letztlich wurde diese Einheitlichkeit in der Abstimmung der einzelnen Partisanenverbände trotz mehrer Versuche während des ganzen Krieges nicht erreicht. Die vernünftigste Lösung wurde erst im Januar 1944 getroffen, als man die Partisanenverbände den jeweiligen Frontstäben ihres Einsatzgebietes direkt unterstellte.[20]

2.2. die kriegsbedingten Schwierigkeiten bei der Aufstellung der Partisanenverbände

Es liegt auf der Hand, dass es besonders schwierig ist, eine Untergrundarmee dann aufzustellen zu müssen, wenn der Feind bereits weit in das eigene Territorium eingedrungen ist und große Erfolge zu verbuchen hat. Die ersten von der Partei eingerichteten Verbände waren kleine Einheiten von 100 bis 200 Personen. Es waren zunächst Partei- und NKVD-Mitglieder, die diese Gruppen bildeten.[21] Wie solche Gruppen gebildet wurden, beschreibt Alexej Fjedorow. Er bildete mit sechs zuverlässigen Parteigenossen ein Gebietskomitee und verteilte die unterschiedlichen Aufgaben (Anlegung von Verstecken und Vorratslagern, Vorbereitung des bewaffneten Kampfes, Propaganda). Der Bewegung wurden zunächst etwa zehn bis fünfzehn Parteigenossen täglich zugeführt, nach etwa sechs Wochen war die Stärke von ungefähr fünfhundert Kämpfern erreicht. Nun erhielt Fjedorow von der Partei den Auftrag, eine Reitergruppe, eine Infanteriegruppe, sowie ein Sprengkommando aufzustellen. Versprengte Soldaten der Roten Armee hatten sich ihm anzuschließen. Des Weiteren setzte Fjedorow in den Dörfern seines Gebietes je einen Parteigenossen ein, der sowohl die psychologischen, als auch die materiellen Voraussetzungen für den Widerstand der Bevölkerung gegen die Deutschen schaffen sollte.[22]

Aufgrund der bereits beschriebenen Abstimmungsprobleme zwischen den Instanzen und der anfänglichen Handlungsunfähigkeit Stalins, schritt die Rekrutierung dieser Gruppen unterschiedlich schnell voran. Die Truppen wurden zum Großteil von regionalen Parteiverbänden ins Leben gerufen, das Chaos und die Unorganisiertheit dieser Aktionen zeigt sich daran, dass die Aktivitäten in dieser Richtung in Karelien im August begannen, während in Leningrad erst im September, in Moskau sogar erst im Oktober begonnen wurde, bewaffnete Verbände aufzustellen. Noch später geschah dies in der Ukraine und auf der Krim, dort kam es erst im November dazu.[23] Diese Umstände legen offen, wie ernst die Lage war. Die sowjetische Führung und vor allem Stalin waren offensichtlich auch noch Wochen nach dem Einfall der deutschen Truppen und deren dramatischen Erfolgen so verunsichert, dass sie nicht in Lage waren, einheitliche Konzepte zu erstellen.

3. Der erfolgreiche Aufbau der Partisanenbewegung

3.1. Anfängliche Probleme der Partisanenbewegung

Die Folgen des schnellen deutschen Vormarsches und der Desorganisiertheit der Sowjets waren Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden Partisanenbewegung. Im September 1941 begannen die Sowjets daher in fast allen größeren frontnahen Städten „Partisanenschulen“ einzurichten, in denen Führungskräfte für den Partisanenkampf ausgebildet wurden.[24] 1942 erschien in Moskau ein 430 Seiten starkes Taschenbuch, das Partisanen in ihrer Tätigkeit anleiten sollte. Neben theoretischen Anleitungen zum Kampf, enthielt dieser „Partisanenführer“ auch Überlebensstrategien für auf sich allein gestellte Kämpfer.[25]

Eines der größten Probleme war der Umstand, dass die bestehenden Partisanengruppen häufig unzureichend versorgt waren. Sie sahen sich gezwungen, die Nahrungsmittel, die sie benötigten, gewaltsam aus den Dörfern zu beschaffen.[26] Dieses Vorgehen, im Verbund mit dem Umstand, dass die Bevölkerung in den eroberten Gebieten die Deutschen zunächst als die Befreier vom sowjetischen Okkupanten ansahen, machte es den Partisanen nicht leicht, Akzeptanz und Unterstützung zu finden. Aufgrund dieser Umstände kam es beim ersten Versuch der Reorganisation der Partisanenbewegung zu einem Fiasko. In dieser Zeit ging für die Partisanen die größte Gefahr nicht von dem deutschen Gegner, sondern von der eigenen Bevölkerung aus. Ein Beispiel hierfür sind die Versuche der sowjetischen Fallschirmspringer hinter den feindlichen Linien abzusetzen, die den Aufbau der Partisaneneinheiten lenken sollten. Diese wurden meist viel zu weit von ihrem Bestimmungsort ausgesetzt, so dass sie häufig hunderte von Kilometern durch vom Feind besetztes Territorium laufen mussten, wobei sie von der deutschenfreundlich eingestellten Dorfbevölkerung denunziert wurden, bzw. von den Dorfpolizisten, die zum Großteil Handlanger der Wehrmacht waren, festgenommen und ausgeliefert wurden.[27] Die Partisanen erlitten enorme Verluste, in einigen Gebieten der Sowjetunion verschwanden sie sogar fast zur Gänze wieder.[28] Im Februar 1942 waren sich die Deutschen bereits sicher, die Partisanen besiegt zu haben. In einem SD-Bericht dieses Zeitraums ging der Sicherheitsdienst davon aus, dass die Guerillafrage sich in allernächster Zukunft erledigt haben würde.[29]

Der Grund für diese Anfangsschwierigkeiten und die damit verbundenen Verluste liegt jedoch nicht nur in der Zurückhaltung und Feindseligkeit der einheimischen Bevölkerung und deren Denunziationen, sondern auch in der mangelnden Ausbildung der Partisanen. Die leicht zu erringenden Anfangserfolge gegen die unzureichend ausgebildeten irregulären Kämpfer mussten immer mehr zurückgehen, je mehr die Partisanen ihre Organisation stärkten und aus den bereits begangenen Fehlern lernten.

Ein weiterer Grund für die negative Entwicklung der Anfangszeit war die grobe Fehleinschätzung von Seiten der sowjetischen Führung. Sie ging nicht davon aus, dass die Rote Armee so enorme Verluste würde einstecken müssen, wie es sie die Kriegsrealität lehrte. Die Vernichtungsbataillione, die nun plötzlich als Partisanen kämpfen sollten, waren hierfür weder ausgerüstet, noch motiviert. Die ad hoc aus Partei- und Komsomolmitgliedern gebildeten Verbände waren zwar motiviert, aber auf ihren Auftrag nicht ausreichend vorbereitet.[30]

Die Situation zur Jahreswende 1941/42 war hoffnungslos. Die fast schon völlig zusammengebrochene und desillusionierte Partisanenbewegung sollte jedoch durch den weiteren Verlauf des Krieges neuen Mut fassen.

3.2. Die erfolgreiche Verteidigung Moskaus als Neuanfang

Die Lage der, sich bereits wieder in der Auflösung befindlichen, Partisanenbewegung änderte sich mit der erfolgreichen Verteidigung Moskaus.[31] Dass die Hauptstadt nicht fiel und die deutsche Wehrmacht die erste schwere Niederlage, nicht nur des Ostfeldzuges, sondern des Krieges überhaupt, hinnehmen musste, hatte einen wichtigen psychologischen Wert, nicht nur für die Partisanenbewegung, sondern für die Kampfmoral der Sowjets im Allgemeinen. Die Verhinderung der Eroberung Moskaus bedeutete das Ende des Blitzkriegkonzeptes; die geschlagenen deutschen Truppen waren die Verkörperung der Besiegbarkeit der bis zu diesem Zeitpunkt unbesiegten Wehrmacht. Ein weiteres psychologisches Plus bei der Verhinderung der Einnahme Moskaus durch die Deutschen, war der Umstand, dass die Sowjets selbst nicht damit gerechnet hatten, dass sie die Hauptstadt würden halten können. Es wurde erwogen, die Stadt aufzugeben. Am 15. Oktober erging der Befehl, den Staats- und Parteiapparat zu evakuieren, ebenso wie das diplomatische Korps und die Vertretungen anderer Staaten, sowie wissenschaftliche Institutionen.[32] Umso wichtiger war der Erfolg, der neue Hoffnungen frei setzte. In dieser Situation bildeten sich neue Partisanengruppen.

Gefördert wurde die Neubildung der Partisanenverbände jedoch nicht nur durch die neue Hoffnung, sondern auch von der sowjetischen Führung, die einen Sinneswandel durchlebte. Offensichtlich hatte sie erkannt, dass die Bedenken in Bezug auf die Unzuverlässigkeit der Bevölkerung hinter der Kriegsrealität zurückstehen musste und fing nun an, die Partisanen gezielt mit Waffen und Munition, sowie Lebensmitteln zu versorgen.[33] Hierfür wurde in Moskau extra die Sonderabteilung „Flugwesen für Partisanenversorgung und Partisanenergänzung hinter der deutschen Front“ gegründet.[34]

Ein weiterer Umstand, der bewirkte, dass die Partisanenbewegung in den besetzten Gebieten nun wesentlich erfolgreicher wiederbelebt werden konnte, war der von der Partei propagierte Sowjetpatriotismus, der sich auch in der offiziellen Bezeichnung „Großer Vaterländischer Krieg“ offenbarte. Obwohl die Partei die Partisanenbewegung aufbaute, wurde auch in Gebieten, in denen die Sowjetmacht nicht sonderlich beliebt war, die Bereitschaft der Bevölkerung, am Kampf teilzunehmen immer größer. Neben den Gründen, die aus dem Verhalten der Besatzungsmacht gegenüber der Zivilbevölkerung und der sich ändernden Kriegslage resultierten, auf die ich noch eingehen werde, ist der Appell an die Vaterlandsliebe der Sowjets hierfür von Bedeutung gewesen. Den Partisanen wurde das Gefühl vermittelt, dass sie nicht für die abstrakte Vorstellung einer internationalen Arbeiterklasse und die kommunistische Partei kämpften, sondern für ihre Heimat, für die Befreiung der sowjetischen Länder vom Joch des Faschismus. Deutlich wird dies im Eid, den die Partisanen zu leisten hatten, und in dem die Partei mit keinem Wort auftaucht:

„Ich, ein Bürger der Sowjetunion, ein wahrer Sohn der heldischen russischen Menschen, schwöre, dass ich meine Waffen nicht niederlegen werde, bis die faschistische Schlange in unserem Land vernichtet ist.

[...]


[1] Cooper, Matthew: The Phantom War. The German struggle against Soviet partisans 1941-1944, London 1979, S. 11

[2] Stalin, Josef: Über drei Besonderheiten der Roten Armee. Rede in der Festsitzung des Plenums des Moskauer Sowjets am 25. Februar 1928, gewidmet dem zehnten Jahrestag der Roten Armee, in: ders.: Über die Rote Armee, Stuttgart 1952, S. 3-7, hier im besonderen S. 6f

[3] Cooper, S. 12

[4] Bonwetsch, Bernd: Sowjetische Partisanen 1941-1944. Legende und Wirklichkeit des „allgemeinen Volkskrieges“, in: Schulz, Gerhard (Hg.): Partisanen und Volkskrieg. Zur Revolutionierung des Krieges im 20. Jahrhundert, Göttingen 1985, S. 92

Im folgenden zitiert: Bonwetsch, S. …

[5] Cooper, S. 12

[6] Bonwetsch, S. 92f, sowie Anm. 8, S. 116

[7] Rundfunkrede am 3. Juli 1941, in: Stalin, J.: Über den großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion, Berlin (Ost) ³1952, S. 12f

[8] Diese Direktive ist im vollen Wortlaut abgedruckt als Dokument 1 im Anhang von Armstrong, John A. (Hg.): Soviet Partisans in World War II., Madison, Wisconsin 1964, S. 653-655

[9] Bonwetsch, S. 92

[10] Armstrong, S. 653

[11] Schlootz, Johannes (Hg.): Deutsche Propaganda in Weißrussland. Eine Konfrontation zwischen Propaganda und Wirklichkeit, Katalog zur Ausstellung in Berlin und Minsk, Berlin 1996, S. 7

[12] Cooper, S. 19

[13] Bonwetsch, S. 103

[14] Kosyk, Wolodymyr: The Third Reich and Ukraine, New York 1993, S. 234

[15] Cooper, S. 20

[16] Bonwetsch, S. 93

[17] Hesse, Erich: Der sowjetische Partisanenkrieg 1941 bis 1944 im Spiegel deutscher Kampfanweisungen und Befehle, Göttingen 1969, S. 62

[18] Schmitt, Carl: Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin 1963, S. 21f

[19] Hesse, S. 55

[20] Bonwetsch, S. 113ff

[21] Hesse, S. 55

[22] Erwähnt in: Rings, Werner: Leben mit dem Feind. Anpassung und Widerstand in Hitlers Europa 1939-1945, München 1979, S. 333f

[23] Cooper, S. 13

[24] Hesse, S. 108

[25] Ebd., S. 109

[26] Cooper, S. 14

[27] Hesse, S. 61

[28] Rings, S. 334f

[29] Cooper, S. 19

[30] Bonwetsch, S. 100

[31] Die gewonnene Schlacht vor Moskau wird von mehreren Autoren als Wendepunkt im Aufbau der Partisanenbewegung angesehen, siehe: Hesse, S. 141; Andronikow, N. G., und andere (Autorenkollektiv): Der Zweite Weltkrieg. Kurze Geschichte, Berlin (Ost) 1985, S. 181 und 205 folgende, sowie Rings, S. 335

[32] Bonwetsch, Bernd: Der „Große Vaterländische Krieg“: Vom deutschen Einfall bis zum sowjetischen Sieg (1941-1945), in: Schramm, Gottfried (Hg.): Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. III,2 1856-1945, Stuttgart 1992, S. 929

Im Folgenden zitiert: Bonwetsch; Krieg, S. …

[33] Rings, S. 335

[34] Hesse, S. 146

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die sowjetische Partisanenbewegung im Zweiten Weltkrieg
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Geschichtswissenschaft -Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte)
Note
Gut (+)
Autor
Jahr
1999
Seiten
32
Katalognummer
V42176
ISBN (eBook)
9783638402736
ISBN (Buch)
9783638656528
Dateigröße
602 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit biete eine Übersicht über die Probleme des Aufbaus, über Kampfaktionen und deren Erfolge der sowjetischen Partisanenbewegung. Die Frage nach ihrer Wirksamkeit und Wichtigkeit für den sowjetischen Sieg werden ebenfalls erörtert.
Schlagworte
Partisanenbewegung, Zweiten, Weltkrieg
Arbeit zitieren
M. A. Markus Renner (Autor:in), 1999, Die sowjetische Partisanenbewegung im Zweiten Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42176

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