Zu Beginn des Jahres 2002 erregte eine Kampagne namens ”Kraft zum Leben“ die Gemüter in Deutschland. Stein des Anstoßes war jedoch nicht der bloße Inhalt der Kampagne. ”Kraft zum Leben“ , eine christliche Erweckungsbewegung, erreichte vielmehr dadurch ihre hohe Medienpräsenz, dass sie gegen geltendes deutsches Recht verstieß, indem sie ihre Botschaft nicht nur über Plakate, sondern auch über das Fernsehen verbreitete. Laut Rundfunkstaatsvertrag ist weltanschauliche und religiöse Fernsehwerbung in Deutschland nämlich verboten. In der Folge wurde die Ausstrahlung untersagt, was die deutschen Medien jedoch nicht davon abhielt, sich weiter mit dem KL-Phänomen zu befassen. Im Zentrum der Debatten stand die Frage nach dem Hintergrund der Kampagne, deren Initiatorin – die amerikanische DeMoss-Stiftung – sich sehr im Hintergrund hielt und so der ganzen Aktion eine Aura des Mysteriösen gab.
Entscheidend soll hier jedoch die Frage nach der systematischen Verortung der KLBewegung in der religionssoziologischen Nomenklatur sein. Zu diesem Zwecke werden nach der Darstellung der Fakten (Historie, Hintergründe und Rezeption der Bewegung in Deutschland und in ihrem Ursprungsland, den USA) drei religionssoziologische Analyseebenen eingeführt und systematisch auf die Merkmale der KL-Bewegung angewendet: Max Webers richtungsweisende These von der protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus sowie einige Weiterentwicklungen; Auffassungen von spezifisch US-amerikanischer bürgerlicher Religion unter dem Signum ”Zivilreligion“; zuletzt ein historischer und systematischer Überblick der protestantisch fundamentalistischen sowie evangelikalen Bewegungen in den Vereinigten Staaten. Das zentrale Argument dieser Arbeit ist, dass die KL-Bewegung in Deutschland deshalb auf Unverständnis und ergo Ratlosigkeit getroffen ist (welche zu vielfältigen Protesten und in letzter Konsequenz zu ihrer juristisch legitimierten Verbannung von den Bildschirmen geführt hat), weil sie auf den drei genannten Ebenen auf spezifisch nordamerikanische, protestantisch-reformierte Ideen von Religion und Religiosität rekurriert, die es in Deutschland in dieser Form nicht gibt...
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- Gegenstand und Methodik
- Die Kampagne „Kraft zum Leben“
- Analyseebenen
- Max Webers religionssoziologisches Programm
- Die protestantische Ethik und der Mythos vom Erfolg
- Die protestantischen Sekten und die Individualisierung
- Das Konzept der Zivilreligion
- Fundamentalismus und Evangelikalismus
- Interpretation und Einschätzung
- Quellennachweise
- Bibliografie
- Internetseiten zum Thema
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der religionssoziologischen Einordnung der christlichen Erweckungsbewegung „Kraft zum Leben“ (KL). Die Analyse untersucht, wie die KL-Bewegung in Deutschland auf Unverständnis und Ratlosigkeit stieß und warum sie letztendlich von den Bildschirmen verbannt wurde. Die Arbeit zielt darauf ab, die Bewegung im Kontext der protestantischen Ethik, des Konzepts der Zivilreligion und des Fundamentalismus sowie Evangelikalismus in den Vereinigten Staaten zu analysieren.
- Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus
- Das Konzept der Zivilreligion in den Vereinigten Staaten
- Die historische Entwicklung und die heutige Beurteilung der evangelikalen Bewegungen
- Die systematische Verortung der KL-Bewegung in der religionssoziologischen Nomenklatur
- Der Vergleich der religiösen Landschaft in Deutschland und den Vereinigten Staaten
Zusammenfassung der Kapitel
Vorbemerkung
Das erste Kapitel stellt den Gegenstand der Arbeit, die Kampagne „Kraft zum Leben“, vor. Es wird die Methodik erläutert und die Geschichte der Kampagne in Deutschland und den Vereinigten Staaten dargestellt. Die Rezeption der Kampagne in Deutschland wird beleuchtet und es wird auf den juristischen Konflikt um die Fernsehwerbung eingegangen.
Analyseebenen
Das zweite Kapitel untersucht die KL-Bewegung aus drei religionssoziologischen Perspektiven. Zunächst wird Max Webers These von der protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus vorgestellt. Anschließend wird das Konzept der Zivilreligion im Kontext der US-amerikanischen Kultur erläutert. Zum Abschluss wird ein historischer und systematischer Überblick der protestantisch fundamentalistischen sowie evangelikalen Bewegungen in den Vereinigten Staaten gegeben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themenbereichen Religionssoziologie, Protestantische Ethik, Zivilreligion, Fundamentalismus, Evangelikalismus, Erweckungsbewegung, „Kraft zum Leben“ Kampagne, Medienrezeption und Vergleichende Kulturforschung.
- Quote paper
- Christof Belka (Author), 2003, Power for Living. Die religionssoziologische Systematisierung und Deutung einer modernen fundamentalistischen Erweckungsbewegung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42215