Die Staatlichen Europa-Schulen Berlin


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Äußere Struktur der SESB
2.1 Allgemeine Beschreibung
2.2 Merkmale und Aufbau

3. Bilinguale Alphabetisierung
3.1 Allgemeines zur bilingualen Alphabetisierung
3.2 Bilinguale Alphabetisierung in den SESB

4. Methodik und pädagogische Prinzipien der SESB

5. Ziele der SESB

6. Mögliche Probleme der SESB
6.1 Lehrer-Lehrer-Ebene
6.2 Lehrer-Schüler-Eltern-Ebene
6.3 Schüler-Schüler-Ebene

7. Zukunftsperspektive der SESB

8. Reflexion

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unser heutiges Deutschland besteht schon seit vielen Jahren nicht mehr nur aus Deutschen, sondern auch aus Vertretern vieler anderer Nationen[1]. Egal, in welcher Stadt oder in welchem Dorf man sich befindet, kann man zum Beispiel beim Einkaufen immer wieder verschiedene Sprachen hören. Unter den Menschen, die Deutsch nicht als Erstsprache haben, weil sie nach Deutschland immigriert sind, gibt es einerseits sicher viele, die sich bemühen Deutsch zu lernen und auch innerhalb der Familie Deutsch reden. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die sich nicht viel Mühe geben Deutsch zu lernen und dann auch in der Familie weiterhin ihre Muttersprache benützen. Für deren Kinder ist es natürlich schwierig Deutsch zu lernen, was sich auch auf die Schule mit allen ihren Aspekten – soziale Aspekte und Schulleistung, um zwei zu nennen – eher negativ als positiv auswirkt. Und an dieser Stelle können die Lehrer[2] eingreifen! Deren Fähigkeit und Bereitschaft zur inneren Differenzierung spielt hierbei eine ganz große Rolle, da jeder Schüler andere Voraussetzungen und Möglichkeiten mitbringt. Wenn nämlich Unterricht den Schülern mit Migrationshintergrund nützen soll, dürfen die Lehrer nicht an traditionellen Methoden wie z. B. Frontalunterricht festhalten, da man einfach nicht bei allen Schülern von einem gleichen Wissensniveau ausgehen kann. Engagierte Lehrer werden sich automatisch die Frage stellen: „ Wie kann ich Schüler, die Deutsch nicht als Erstsprache haben, entsprechend fördern?“

Mittlerweile gibt es in Europa schon einige Schulen, die ein Schulprogramm speziell zur Förderung oben genannter Schüler erstellt haben. Meiner Meinung nach wäre es für alle Lehrer sinnvoll, sich über deren Vorgehensweise zu informieren und Einblicke in deren Arbeit zu bekommen. Sicher gibt es auch in normalen Schulen Lehrer, die teilweise nach den gleichen Prinzipien vorgehen, aber diese machen das im Stillen und jene eben im großen Stil, eingebunden in die Organisation der Schule. Berühmtestes Beispiel in Deutschland sind die Europa-Schulen in Berlin, deren Besonderheit ich – im Gegensatz zur normalen Schule – darstellen möchte. Dabei werde ich auf ihre Methoden der Alphabetisierung, ihre Ziele und Probleme eingehen und einen Ausblick in die Zukunft versuchen.

2. Äußere Struktur der SESB

2.1 Allgemeine Beschreibung:

Der offizielle Name der Europa-Schule lautet: Staatliche Europa-Schule Berlin (SESB).

Sie setzt sich aus mehreren Schulen zusammen und verteilt sich auf insgesamt zwölf Standorte[3], die hauptsächlich in den inneren Stadtbezirken liegen[4] – z. B. eine deutsch-türkische Schule in Berlin-Kreuzberg – aber einige sind auch am Stadtrand anzufinden. Nur zwei der beteiligten Schulen sind reine Europa-Schulen; und zwar sind das die deutsch-französische Schule in Schöneberg und die deutsch-türkische in Kreuzberg. Ansonsten sind die Europa-Klassen in normale Schulen integriert (vgl. Göhlich 1998, S.109). Trotzdem versteht sich die SESB als Einheit (vgl. Finkbeiner 2003, S. 54).

Die Schule hatte nicht von Anfang an diesen Umfang. Schon viele Jahre zuvor wurde von Kreuzberger Lehrern zuerst inoffiziell und später offiziell ein solches bilinguales Modell – mit deutsch und türkisch – entwickelt und erprobt (vgl. Wagner1999, S. 25f). Im Schuljahr 1992/ 93 wurden dann jeweils zwei deutsch-englische, deutsch-französische und deutsch-russische Vorklassen eingerichtet, die ein Jahr später zu ersten Klassen wurden. Im Lauf der Jahre kamen immer mehr bilinguale Klassen hinzu, wobei darauf geachtet wurde, diese in denjenigen Stadtteilen einzurichten, wo auch der Bevölkerungsanteil der jeweiligen Nation sehr stark vertreten war. Denn trotz der Aufhebung der Grenzen des Schuleinzugsgebietes wollte man lange Schulwege vermeiden, was zum großen Teil auch gelingt. Allerdings ist es durchaus möglich, dass Eltern ihre Kinder auf entferntere Schulen schicken, weil sie deren Angebot für sinnvoll halten (vgl. Finkbeiner 2003, S. 55)!

2.2 Merkmale und Aufbau:

Die Berliner Grundschulen gehen bis zur 6. Klasse, so auch die Europa-Schulen.

Diese sind alle durchgängig bilingual. Als Partnersprachen zum Deutschen werden Englisch, Französisch, Italienisch, Griechisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch, Polnisch und Türkisch angeboten. Ein weiteres Merkmal der Europa-Schulen ist die Ganztägigkeit. Als Gründe für diese Entscheidung werden die teilweise doch längeren Schulwege und die bessere Möglichkeit zu außerunterrichtlichen interkulturellen Aktivitäten und zum Gebrauch der Partnersprache genannt; jedoch stehen aus finanziellen Gründen für die Betreuung am Nachmittag

nur deutsch sprechende Muttersprachler zur Verfügung. Die Berliner Eltern haben es aber durch ihr Engagement geschafft, Elternvereine zu gründen, „die sich um die Finanzierung außerunterrichtlicher Betreuerinnen der betreffenden nichtdeutschen Muttersprache bemühen“ (Göhlich 2002, S. 71).

Im normalen Klassenverband hat aber jede Klasse zwei gleichberechtigte Lehrer, die jeweils eine der beiden an der Schule unterrichteten Sprachen als Erstsprache haben. Mit Ausnahme der spanisch sprechenden Lehrer, von denen viele aus Lateinamerika kommen, stammen alle ausländischen Lehrkräfte auch aus dem zur Sprache gehörigen Land, haben dort ihre Ausbildung absolviert und schon vielfältige Praxiserfahrungen gesammelt, die nun zusammen mit den unterschiedlichen Vorstellungen nationaler Erziehungskonzepte positiv in die Europa-Schulen einfließen (vgl. Doyé 2002, S. 55).

Die meisten der deutschen Lehrer waren schon vor der Gründung der Europa-Schulen an der jeweiligen Schule; manche Lehrer wollten aber auch dahin versetzt werden, „weil sie das Projekt für so wichtig und attraktiv hielten“ (ebd.).

Somit besteht die Lehrerschaft aller Europa-Schulen zu jeweils der Hälfte aus deutschen und zur anderen Hälfte aus Lehrern, die die an der Schule vertretene nicht-deutsche Partnersprache als Erstsprache haben. Doch nicht nur in der Lehrerschaft herrscht dieses 50/ 50-Verhältnis, sondern genauso in der Schülerschaft und im Stundenplan:

Unabhängig vom Geschlecht oder Einzugsgebiet werden in jede Klasse 50% der Schüler mit deutscher und 50% mit der „am Standort angebotene[n] nicht-deutsche[n] Partnersprache als Muttersprache“ (Göhlich 2002, S. 71) aufgenommen, also jeweils 12 Schüler. Die Nationalität ist dabei unwichtig – es muss ja z. B. nicht jeder russisch sprechende Mensch aus Russland kommen. Die soziale Schicht, in der sich die Familie befindet, ist zwar auch unwichtig, sie ist aber insofern wichtig, als dass die Schülerschaft „sozial möglichst repräsentativ sein“ soll, weil man keine „Eliteschule“ daraus machen will (Doyé 2002, S. 55). Nach den genannten Prinzipien – Mutter-, bzw. besser Erstsprache, und soziale Repräsentativität - und mit einer Auswahl per Los wird vorgegangen, wenn es mehr Anmeldungen als Plätze gibt. Dieses 50/ 50-Verhältnis innerhalb der Klassen kann allerdings nicht immer aufrechterhalten werden, weil mehr Schüler mit der nicht-deutschen Erstsprache umziehen (oder zurück in ihr Herkunftsland ziehen) als ihre deutschen Mitschüler und diese Lücke „wegen der sehr speziellen Unterrichtsgestaltung an der Europa-Schule“(ebd.) nur schwer neu zu besetzen ist (vgl. ebd.).

Auf das Verhältnis im Stundenplan werde ich später noch genauer eingehen. So viel sei schon vorher gesagt: Der Unterricht an den SESB richtet sich zum einen nach dem Rahmenplan Deutsch, zum anderen nach Rahmenplänen, die von einer Rahmenplankommission für die jeweilige Partnersprache erarbeitet werden (vgl. Lubig-Fohsel 2000, S. 33).

Um den Ansatz der Mehrsprachigkeitsdidaktik der Europa-Schulen verstehen zu können, werde ich zunächst einmal auf allgemeine Punkte desSchrifterwerbs in zwei Spracheneingehen, denn dieser bildet die Voraussetzung für eine spätere Zweisprachigkeit:

3. Bilinguale Alphabetisierung

3.1 Allgemeines zur bilingualen Alphabetisierung:

Die meisten Schüler mit Migrationshintergrund haben gewisse Grundkenntnisse in ihrer Erstsprache. Spätestens in einer deutschen Schule kommen sie mit Deutsch in Kontakt – und was passiert? In vielen Fällen bringen die Schüler ihre Erstsprache mit der deutschen Sprache durcheinander. Es entstehen sogenannte „doppelte Halbsprachigkeiten“ [Hvhbg. von mir], „Sprachmischungen [oder] stigmatisierte Soziolekte“ in beiden Sprachen (Belke 2003, S. 92). Deshalb ist es wichtig, in der Schule beide Sprachen zu trennen, aber doch keine zu vernachlässigen. Das gilt vor allem für den schriftlichen und darauf aufbauend dann auch für den mündlichen Sprachgebrauch. Diese Prioritätensetzung wird vielleicht nicht von allen Mehrsprachigkeitsdidaktikern so betont, aber die „sprachliche Korrektheit […] ist eng mit der Vermittlung der jeweiligen Schriftsprache verbunden.“ (ebd.) Mit anderen Worten: Die Fähigkeit des richtigen Schreibens stellt die Basis für alle weiteren Elemente des Deutschunterrichts dar, z. B. für den Grammatik-, den Literaturunterricht und auch für das freie Schreiben von Texten. Viele Pädagogen stehen allerdings vor einem großen Problem: Sie müssen, bzw. wollen, „die häufig widersprüchlichen Zielsetzungen von ‚Lesen lernen’ und ‚Sprache lernen’ didaktisch miteinander in Einklang bringen (Belke 2001, S. 98). Dies erscheint insofern schwierig, als sich die „Erstlesedidaktiker“ in der Primarstufe und die „Fremdsprachendidaktiker“ (ebd.) in der Sekundarstufe befinden und es bislang noch keine Kooperation unter den beiden Fraktionen gab. Es eröffnet sich also ein relativ offenes bzw. neues didaktisches Feld:

Die Koordination des Schrifterwerbs in zwei Sprachen (bilinguale Alphabetisierung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierbei empfiehlt es sich, zuerst diejenigen Laute und Grapheme einzuführen, die in beiden Sprachen gleich oder wenigstens ähnlich sind. Danach können die Unterschiede in der Phonem-Graphem-Zuordnung der beiden Sprachen besprochen und herausgearbeitet werden.

Mit bestimmten Elementen kann man aber nur bedingt arbeiten, z. B. mit gemeinsamen Merkwörtern für Anlauttabellen oder parallelen Fibeltexten, weil es eher selten der Fall sein wird, dass Wörter für gleiche Dinge in beiden Sprachen mit dem gleichen Anlaut beginnen!

Gegner der synchronen Alphabetisierung werden behaupten, dass sie zu zeitaufwändig sei.

Wenn jedoch die „auditive und visuelle Wahrnehmung“ in beiden Sprachen sinnvoll koordiniert wird, kann die synchrone Alphabetisierung für die Schüler der Grundstein für einen späteren korrekten Sprachgebrauch beider Sprachen sein (vgl. Belke 2003, S. 93). zu b)

[...]


[1] Die Zahl der Einbürgerungen stieg bis zum Jahr 2000 (186.700), danach sank sie wieder – eventuell durch die Einführung des neuen Staatsangehörigkeitsrechtes. Im Jahr 2002 gab es nur 154.500 Einbürgerungen (vgl. www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab6.html).

[2] Im Folgenden werde ich nur von „Lehrern“ und „Schülern“ ohne „Innen“ sprechen. Hier ist aber sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht gemeint! Ein emanzipierter Leser wird sich zur maskulinen Form die Feminine hinzudenken!

[3] 1998 waren es 12 Standorte, 2000 schon 14

[4] vgl. die Karte im Anhang

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Staatlichen Europa-Schulen Berlin
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Veranstaltung
Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V42323
ISBN (eBook)
9783638403801
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Staatlichen, Europa-Schulen, Berlin, Mehrsprachigkeit, Deutschunterricht
Arbeit zitieren
Nadja Czymek (Autor:in), 2004, Die Staatlichen Europa-Schulen Berlin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42323

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