Einführung und Abgrenzung der Fragestellung
Das wohl bekannteste Werk des Mittelalters beginnt mit den berühmten Worten:
„Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
Von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nu wunder h(?)ren sagen.“1
Die Einleitungsstrophe des Nibelungenlieds, die zwar nur in der Handschrift C überliefert ist und dem Epos vermutlich nachträglich vorangestellt wurde, erwähnt alte Sagen von denen im Folgenden berichtet werden soll. Der moderne Rezipient erfährt nicht, um welche alten Erzählungen es sich handelt, wessen Heldentaten dargestellt werden und wer derjenige ist, der die alten Geschichten hier neu darstellt. Auch erwähnt der Erzähler nicht, in welchem Verhältnis die alten Sagen und das daraus entstandene Großepos stehen. Ausgehend von der ungeklärten Urheberschaft und den Interferenzen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit des Nibelungenlieds stellt sich die Frage, wie die mediävistische Forschung mit dem Epos umgeht und wie die Frage der Autorschaft erklärt wird, ob ein möglicher Urtyp angenommen werden soll, oder ob die Überlieferungsgeschichte und die verschiedenen erhaltenen Handschriften (Hs.) und Fragmente die zentrale Rolle spielen. Anhand der Positionen von Joachim Heinzle, Alois Wolf, Jan-Dirk Müller und Walter Haug sollen vier Umgangsweisen mit dem Nibelungenlied aufgezeigt werden. Bei diesen Untersuchungen handelt es sich nicht um die Suche nach dem möglichen Autor. Vielmehr werden das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und die Frage nach einer angemessenen Autorkonzeption diskutiert. Nach der Beschreibung der Forschungsansätze werden Textstellen aus dem Epos herangezogen um auf diese Weise Belege oder Defizite für die Theorien herauszustellen. Um die Ausgangslage zu erläutern, wird zu Beginn der Ausführungen eine kurze Darstellung des Inhalts und den überlieferten Handschriften und Fragmenten stehen. In einer abschließenden Zusammenfassung wird, ausgehend von den vier Positionen, eine weitere Möglichkeit des Umgangs mit dem Nibelungenlied entwickelt und mit Textpassagen belegt. Aufgrund des großen Umfangs des Epos beschränkt sich die Darstellung der Textstellen vor allem auf die doppelte Jugendgeschichte Siegfrieds.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einführung und Abgrenzung der Fragestellung
- Forschungsstand
- Inhaltliche Diskussion
- Fakten zum Nibelungenepos
- Vier Forschungspositionen zum Nibelungenepos
- Joachim Heinzle: Das Nibelungenlied
- Alois Wolf: Heldensage und Epos
- Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang
- Walter Haug: Die Wahrheit der Fiktion
- Zusammenfassung der Positionen
- Entwurf einer möglichen Theorie zum Umgang mit dem Nibelungenlied
- Abschließende Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse
- Literaturverzeichnis
- Anlagen
- Die Hortverweigerung 39. Aventiure, Strophen 2367-2373
- Hagens Schilderung von Siegfrieds Jugend, 3. Aventiure, Strophen 83-101
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage der Autorschaft im Nibelungenlied im Kontext des Verhältnisses von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Sie analysiert verschiedene Forschungspositionen, die sich mit dem Epos auseinandersetzen, und diskutiert deren Theorien zum Umgang mit dem Nibelungenlied. Ziel ist es, eine umfassende Betrachtung der Autorschaftsfrage zu liefern und zu verdeutlichen, wie sich das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit auf die Interpretation des Nibelungenlieds auswirkt.
- Das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Nibelungenlied
- Die Frage der Autorschaft und verschiedene Konzepte zur Erklärung des Epos
- Die Rolle der verschiedenen Handschriften und Fragmente für die Rekonstruktion des Nibelungenlieds
- Die Bedeutung des Nibelungenlieds in der Rezeptionsgeschichte
- Die Herausforderungen der Interpretation eines Textes, der sowohl mündliche als auch schriftliche Traditionen vereint
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Nibelungenlied und stellt die zentrale Fragestellung nach der Autorschaft im Kontext des Verhältnisses von Mündlichkeit und Schriftlichkeit dar. Der Forschungsstand wird beleuchtet, wobei die verschiedenen Forschungsrichtungen und Ansätze vorgestellt werden, die sich mit dem Epos beschäftigen.
Im zweiten Kapitel werden Fakten zum Nibelungenepos präsentiert, darunter die Handlung, die Struktur und die Überlieferungsgeschichte des Werkes. Anschließend werden vier Forschungspositionen von Joachim Heinzle, Alois Wolf, Jan-Dirk Müller und Walter Haug näher untersucht. Die einzelnen Ansätze werden anhand von Textbeispielen aus dem Nibelungenlied analysiert und bewertet.
Das Kapitel schließt mit einem Entwurf einer möglichen Theorie zum Umgang mit dem Nibelungenlied ab, die auf den zuvor diskutierten Forschungspositionen basiert.
Schlüsselwörter
Nibelungenlied, Autorschaft, Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Handschriften, Fragmente, Rezeptionsgeschichte, Epos, Heldensage, Forschung, Interpretation, Textstellen, Aventiuren, Strophen, Theorie, Mittelalter.
- Arbeit zitieren
- Cathy Zuber (Autor:in), 2004, Interferenzen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit - Gibt es einen Herr über den Text im Nibelungenlied?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42359