Chronologie des Terrorismus in Deutschland


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsübersicht

1. Einleitung

2. Ausprägungen des Linksterrorismus
2.1. Die Studentenunruhen Ende der 60er Jahre
2.2. Die Rote Armee Fraktion (RAF)
2.2.1. Die erste Generation
2.2.2. Die zweite Generation
2.2.3. Die dritte Generation
2.3. Die „Bewegung 2. Juni“
2.4. Revolutionäre Zellen, die Rote Zora und Antiimperialistische Zellen
2.5. Das autonome Spektrum
2.6. Der Terrorismus und die DDR

3. Rechtsterrorismus, nationalistischer und religiöser Terrorismus

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 richtete sich die Aufmerksamkeit der Bevölkerung und der Medien wieder verstärkt auf die Aktivitäten von internationalen Terroristen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Nachrichten nicht über neue Attentate, zumeist im Irak, berichten. Dies führte dazu, dass der Begriff „Terrorismus“ größtenteils mit dem Nahen Osten in Verbindung gebracht wird. Es ist jedoch noch nicht allzu lange her, dass auch Deutschland verstärkt von terroristischen Anschlägen heimgesucht wurde. Die folgende Arbeit bereitet diese Aktivitäten im Nachkriegsdeutschland, beginnend mit den Studentenunruhen in den 60er Jahren, über die RAF, bis hin zu weiteren terroristischen Vereinigungen, chronologisch auf.

Den Begriff Terrorismus[1] einzugrenzen, erweist sich als sehr schwierig, da die Literatur eine Vielzahl von Ansätzen hierzu liefert. So untersuchte Alex P. Schmid auf über einhundert Seiten 109 verschiedene Definitionen dieses Begriffes[2]. Aus diesen Definitionen erstellte er eine Liste mit Elementen, die darin enthalten sind. Die häufigsten sind: „Gewalt“, „Zwang“, „Politisch“, „Hervorhebung von Furcht und Schrecken“ und „Drohung“. Walter Laqueur, der Verfasser verschiedener monumentaler Werke zu diesem Thema, scheiterte ebenfalls an einer Eingrenzung (Laqueur, 1998, S.44ff..). Seiner Meinung nach existieren vielerlei Formen von Terrorismus, jedoch lässt sich mit Bestimmtheit nur von Gewaltanwendung durch eine Gruppe sprechen, die zu politischen oder religiösen Zwecken gewöhnlich gegen eine Regierung, zuweilen auch gegen andere ethnische Gruppen, Klassen, Religionen oder politische Bewegungen vorgeht. Dieser Eingrenzung wird auch in dieser Arbeit gefolgt. Zudem ist Terrorismus nicht mit Terror gleichzusetzen, da unter letzterem die Herrschaft durch Gewalt und Einschüchterung von Bürgern durch die eigene Regierung verstanden wird (Hoffman, 1999, S.30). Die willkürliche Gewalt gegen feindliche Bevölkerung durch militärische Streitkräfte fällt ebenfalls nicht unter den Terrorismusbegriff (Hoffman, 1999, S.40ff..).

Weltweit gesehen reichen die Ursprünge des Terrorismus bis in die frühesten Annalen der Menschheit zurück und tauchen auch schon in der Bibel auf.[3] Die Ermordung von Herrschern, und somit der politisch motivierte Mord, spielte im Römischen Reich eine bedeutende Rolle. Sie sind die Vorgeschichte des modernen Terrorismus (Laqueur, 1998, S.15). Zur gleichen Zeit traten erste organisierte Gruppen auf, die systematisch dem Terrorismus nachgingen. Im 11. Jahrhundert entstand der Orden der Assassinen, dessen Vermächtnis – „der Einzug ins Paradies nach Erfüllung einer gottesgefälligen Selbstmordmission“ – noch heute existiert. Der Terrorismus in der modernen Geschichte wird in drei Phasen eingeteilt (Kaouras, 1994, S.35). Die erste Phase war zur Zeit der Französischen Revolution 1793/94, die zweite in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts (Ermordung Zar Alexander II, Prinz Franz-Ferdinand…) und die dritte ist die gegenwärtige, die ab 1967/68 datiert. In diese Phase fallen auch die terroristischen Aktivitäten, die im Folgenden chronologisch und nach Motiven geordnet aufgearbeitet werden.

2. Linksterrorismus

2.1. Die Studentenunruhen Ende der 60er Jahre

Ende der 50er bzw. Anfang der 60er Jahre regten sich erste, anfangs noch friedliche Proteste gegen den Wohlstand, Überfluss und Konformismus des „American Way of Life“ (Aust, 1998, S.44). Im Mittelpunkt der Ablehnung standen damals die Möglichkeit der atomaren Selbstzerstörung, anti-kommunistische Hetzjagden in den USA, die Konsumideologie, Profitgier und Eigennutz. Das harte Durchgreifen der Polizei gegen jugendliche Abweichler führte im Sommer 1962 zu einer ersten Straßenschlacht in München – den Schwabinger Krawallen. Der Vietnamkrieg löste 1963 weltweit Empörung und Proteste aus. Am 5. Februar 1965 zogen 2.500 Studenten friedlich protestierend durch West-Berlin, 500 von ihnen verließen allerdings die genehmigte Route und bewarfen das Amerika-Haus mit Eiern. In der Zwischenzeit organisierten sich die Studenten, inspiriert durch amerikanische Bürgerrechtsbewegungen, in Vereinigungen wie dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Zum ungestörten Konsum von Haschisch und zur ungehemmten Entfaltung der Persönlichkeit bildeten sich Kommunen, die bekanntesten waren die „Kommune I“ in Berlin und die Münchener Kommune „Wacker“. Mit Andauern der Bombardements in Vietnam stieg nun auch unter den Studenten die Gewaltbereitschaft. Am 2. Juni 1967 wurde der unbewaffnete Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Schahs durch den Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen. Kurras wurde wegen Notwehr freigesprochen. Dies war ein Schlüsselerlebnis für spätere Terroristen, da die Hemmschwelle für Gewalt gegen Staat und Gesellschaft sank (Meyer, 1980, S.44ff..). Die Brandstiftung in zwei Frankfurter Kaufhäusern am 2. April 1968 als Protest gegen den Konsumterror war letztendlich die erste große politisch motivierte Gewalttat und sollte die Bevölkerung ebenfalls auf den Vietnamkrieg aufmerksam machen (Kahl, 1977, S.273). Sie gilt als Geburtsstunde des deutschen Linksterrorismus (Kailitz, 2004, S.110). Die Täter, u. a. Andreas Baader und Gudrun Ensslin, wurden 3 Tage später festgenommen und zu jeweils 3 Jahren Haft verurteilt. Am 11. April 1968 wurde von einem Rechtsradikalen ein Anschlag auf Rudi Dutschke, den Vorsitzenden des SDS, verübt. Der studentenkritische Zeitungsverleger Axel Springer wurde von der radikalen Gruppierung um den SDS als Inspirator des Mordanschlags angesehen, bei dem Dutschke schwer verletzt wurde (Fetscher, 1977, S.104).[4] Sie versuchten am gleichen Tag das Berliner Springerhaus zu stürmen und richteten schwere Sachschäden an. Ähnliche Übergriffe erfolgten in anderen Städten, wie München und Frankfurt/M.[5] Im Jahre 1969 erfolgten mehrere Anschläge mit insgesamt 48 selbst gebastelten Sprengkörpern und Brandsätzen, vorwiegend gegen Regierungsgebäude. Die studentische Protestbewegung zerfiel in der Zwischenzeit in eine Vielzahl revolutionärer Zirkel, deren Ziel es war, die angeblich nur vordergründig demokratisch organisierte und strukturierte Gesellschaft gewaltsam zu bekämpfen (Kahl, 1977, S.276). Diese regionalen Gruppen, deren Ursprung sich in den Kommunen findet, begannen ihre Fühler auch zu ausländischen gleich gesinnten Organisationen auszustrecken. Eine dieser Gruppen wird sich zu der gefährlichsten Terrororganisation Nachkriegsdeutschlands weiterentwickeln (Pflieger, 2004, S.11).

2.2. Die Rote Armee Fraktion (RAF)

2.2.1. Die erste Generation

Die Haftstrafen von Baader und Ensslin, den Brandstiftern von 1968, wurden im Juni 1969 unter der Auflage, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, außer Vollzug gesetzt, was diese zur Flucht in den Untergrund nutzten. Baader wurde allerdings im April 1970 erneut verhaftet. Inzwischen baute der Anwalt der beiden, Horst Mahler, eine neue militante Gruppe auf, zu der auch die Journalistin Ulrike Meinhof gehörte. Am 14. Mai 1970 wurde Baader während eines von seinem Anwalt Mahler arrangierten Bibliotheksbesuches gewaltsam von Ensslin, Meinhof u.a. befreit, wobei ein Wachmann schwer verletzt wurde. Die Gruppe, anfangs noch als Baader-Meinhof-Bande bezeichnet, nannte sich intern seit diesem Tage RAF[6] und bestand im Juni 1970 bereits aus 20 Personen (Pflieger, 2004, S.21). Von Juni bis September wurden alle Mitglieder in Jordanien und Syrien, wohin sie durch gefälschte Papiere gelangten, terroristisch geschult. Sie wollten die Befreiungskriege der Völker der Dritten Welt durch ihren Kampf gegen die BRD als „Metropole des Imperialismus“ und „Todfeind der Menschheit“ unterstützen. Zur Finanzierung ihrer späteren Aktivitäten überfiel die RAF am 29. September 1970 drei Banken (ein vierter Überfall scheiterte) und am 15. Januar 1971 weitere zwei und erbeutete dabei insgesamt über 310.000 DM. Am 6. Mai 1971 wurden mehrere Brandanschläge auf das KaDeWe verübt. Im Juni 1971 schloss sich das Sozialistische Patientenkollektiv (SPK), eine radikal-revolutionäre Vereinigung, der RAF an. Zu den ersten Todesfällen kam es mit dem Tod der Terroristin Petra Schelm am 15. Juli 1971, die während einer Großfahndung in eine Polizeisperre geriet, und dem Tod des Polizeimeisters Norbert Schmidt, der am 22. Oktober 1971 bei einer Personenkontrolle erschossen wurde. Brandanschläge auf die Häuser des baden-württembergischen Kultusministers und mehrerer Professoren in Heidelberg am 8. und 9. Dezember 1971 folgten. Am 22. Dezember 1971 wurde der Polizeiobermeister Herbert Schoner während eines erneuten Banküberfalls von RAF-Mitgliedern getötet. Als Reaktion auf das weitere Vorgehen der USA in Vietnam verübte die RAF am 11. Mai 1972 einen Sprengstoffanschlag auf das IG-Farben-Hochhaus in Frankfurt/M, in dem sich das Hauptquartier des 5. US-Corps befand. Das „Kommando Petra Schelm“ platzierte drei Bomben, die einen Soldaten töteten und 13 weitere verletzten. Einen Tag darauf detonierten in der Polizeidirektion Augsburg und am LKA München weitere Bomben und verletzten 17 Personen. Das „Kommando Thomas Weißenbecker“ der RAF bekannte sich zu der Tat als Reaktion auf den Tod Weißenbeckers, der bei einer Personenkontrolle am 2. März 1972 von der Polizei erschossen wurde. Die Zahl der Anschläge riss zur Demonstration von Einsatzfähigkeit und –bereitschaft der RAF auch in der Folgezeit nicht ab. Am 15. Mai 1972 sollte eine Autobombe den Bundesrichter Wolfgang Buddenberg, der u.a. für Haftentscheidungen bei RAF-Gefangenen verantwortlich war, töten. Der Anschlag durch das „Kommando Manfred Grashof“[7] misslang allerdings und verletzte ausschließlich dessen Ehefrau. Bereits 4 Tage später erfolgte der nächste Anschlag. Diesmal war das Ziel das Springer-Verlagshaus in Hamburg, da der Springer-Konzern in den Augen der RAF verantwortlich für die angeblich amerikafreundliche Medienpolitik in Deutschland war (Pflieger, 2004, S.30). Es wurden fünf Bomben vom „Kommando 2. Juni“[8] versteckt, allerdings detonierten nur drei davon – 36 Personen wurden verletzt. Der letzte Anschlag dieser Serie erfolgte am 24. Mai 1972. Zwei im Heidelberger Hauptquartier der US-Armee detonierte Autobomben töteten drei Soldaten und verletzten mehrere zum Teil erheblich. Das „Kommando 15. Juli“[9] bekannte sich zu diesem Anschlag. Als Reaktion auf diese Attentatsserie begann die größte Fahndungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik. Vom 1. Juni bis 7. Juli 1972 gelang die Festnahme mehrerer führender RAF-Mitglieder, u. a. Baader, Ensslin und Meinhof. Mit diesen Verhaftungen endeten vorläufig die terroristischen Aktivitäten der RAF.

[...]


[1] Das Wort Terrorismus kommt vom lateinischen Terror (Schrecken) und erscheint erstmalig im Wörterbuch der l’Academie francaise im Jahre 1976, um ein Regime durch seinen Gebrauch von „la terreur“ zu kennzeichnen (Kaouras, 1994, S.35).

[2] Alex P. Schmid, Albert J. Jongman et al., Political Terrorism: A New Guide to Actors, Authors, Concepts, Data Bases, Theories, and Literature, New Brunswick, Transaction Books, 1988

[3] Geschichten um Judith und Holofernes, Jael und Sisera

[4] Dutschke starb an den Spätfolgen dieses Attentats am 24. Dezember 1979.

[5] Diese Übergriffe gingen als Osterunruhen in die Geschichte ein.

[6] Der Begriff „Rote Armee Fraktion“ taucht erstmalig in einem von Ulrike Meinhof verfassten Manifest auf (Aust, 1998, S.177).

[7] Manfred Grashof war an dem Banküberfall am 22.12.71 beteiligt. Er verletzte bei einer Hausdurchsuchung durch die Polizei am 2.3.72 den Kriminalhauptkommissar Hans Eckhardt, der kurz darauf an den Folgen verstarb. Grashof wurde verhaftet und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

[8] Der 2. Juni ist der Todestag von Benno Ohnesorg.

[9] Der 15. Juli ist der Todestag von Petra Schelm.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Chronologie des Terrorismus in Deutschland
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Veranstaltung
Terrorismus und Ökonomie
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V42379
ISBN (eBook)
9783638404211
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chronologie, Terrorismus, Deutschland, Terrorismus
Arbeit zitieren
Mathias Bohm (Autor:in), 2005, Chronologie des Terrorismus in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42379

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