Quantitative Kohärenzanalyse einer auf Medienrezeption basierenden Gruppendiskussion


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

A. Hinführung und Zielsetzung

B. Die quantitative Kohärenzanalyse
1. Bestimmung des Untersuchungscorpus’
1. 1. Transkription
1. 2. Paraphrasierung
2. Kohärenzbestimmung
3. Auswertung der Ergebnisse
4. Analyseansätze
4. 1. Summenbetrachtung der Kohärenzen in den Horizontalen
4. 2. Summenbetrachtung der Kohärenzen in den Vertikalen
4. 3. Graphischer Analyseansatz
4. 4. Inhaltsbezogener Analyseansatz

C. Abschließende Betrachtung

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG:

1. TRANSKRIPTIONSREGELN NACH BRINKER UND SAGER

2. BEISPIEL FÜR EINE SYMMETRISCHE DREIECKSMATRIX

SIGLENVERZEICHNIS

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Transkriptionsregeln nach Brinker und Sager:

1. Wir orientieren uns am verbalen und papaverbalen Bereich.

2. Wir verwenden die modifizierte orthographische Transkription. Hierbei wird der Versuch unternommen, die Standardorthographie mit den Vorzügen der genaueren phonetischen Transkription zu verbinden. In dieser Form werden alle besonderen Abweichungen - also Dialektismen, Zusammenziehungen etc. - berücksichtigt und mit den Mitteln der Standardorthographie darzustellen versucht.

Zudem sollten die Transkription weitere Angaben enthalten:

a. Pausen: kurze Pausen (ca. 1 Sek.) +, mittellange Pause (ca. 2 Sek.) ++, lange Pause (ca. 3 Sek.) +++

b. Lautproduktionen:

silbisch strukturierte Artikulation: =eij=, =aha=

sichtsilbisch strukturierte Expressionen: =lacht=, =hustet= in Gleichheitszeichen eingeschlossen

c. Emphase (Nachdruck im sprachlichen Ausdruck): durch Unterstreichen des Wortes

d. Paralleles Sprechen wird durch senkrechte Striche gekennzeichnet

Vgl. Brinker, Klaus und Sven Frederik Sager: Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einführung. 4., durchgesehene und ergänzte Auflage. Berlin 2006.

Beispiel für eine symmetrische Dreiecksmatrix

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Darstellung einer symmetrischen Dreiecksmatrix, deren Werte sich an der Hauptdiagonale spiegeln.

Eine Dreiecksmatrix ist eine quadratische Matrix, die die Werteverteilung entlang der Hauptdiagonale aufteilt. Je nach Vorgehen oder Analyse stehen die Werte in der Dreiecksmatrix meist entweder unterhalb oder oberhalb der Hauptdiagonale. Die andere Seite enthält dann ausschließlich die Werte ‚0’. Je nach Vorgehen kann es aber auch sein, dass sich Werte an der Hauptdiagonale spiegeln. Die Hauptdiagonale ist jedoch in jedem Fall klar erkennbar. Welche Werteverteilung die Dreiecksmatrix aufzeigt i. d. R. zweitrangig, weil sich die (mathematische) Interpretation auf nur eine Seite der Dreiecksmatrix beschränkt.

Da in der vorliegenden Untersuchung jede Aussage mit jeder Aussage, also 124 * 124, verglichen wurde, stehen auf beiden Seiten (unterhalb und oberhalb) Einträge. Die Hauptdiagonale müsste in diesem Fall mit ‚1’ belegt sein, weil es sich um identische Segmentpaare handelt. Auch wenn eine Spiegelung der Werte an der Hauptdiagonale wünschenswert gewesen wäre, war es in der vorliegenden Untersuchung nicht möglich, da jede Kohärenzbestimmung der spontanen Eingebung folgte. Eine symmetrische Dreiecksmatrix wäre demnach zufällig entstanden.

Das obige Beispiel zeigt eine Dreiecksmatrix, deren Werte sich an der Hauptdiagonale spiegeln. Die eingetragenen Ziffern unterhalb und oberhalb der Diagonalen sind willkürlich gesetzt worden und sollen nur zur Veranschaulichung dienen.

Siglenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Hinführung und Zielsetzung

Gegenstand der Veranstaltung Einf ü hrung in die Kommunikationswissenschaft war unter anderem die Medienrezeption. Unter dem Begriff Medienrezeption versteht man im Allgemeinen den individuellen Umgang mit Medien, sowie deren Verbreitung. Unter dem Begriff wird aber auch die kognitive und emotionale Wahrnehmung während und nach der Rezeption eines Mediums erfasst. Dabei spielt sowohl der Rezipient, als auch das Medium an sich eine bedeutende Rolle.

Basierend auf der Rezeption eines Mediums, wurde im Rahmen der Einführungsveranstaltung der Versuch einer quantitativen Kohärenzanalyse unternommen. Geleitet von der Frage, ob sich Kommunikation rekursiv auf die Information bereits vorhergehender Kommunikation bezieht, sollte vordergründig die Selbstreferenzialität der Kommunikation untersucht werden. Ziel der vorliegenden Analyse war es somit herauszustellen, ob verbal vermittelte Aussagen innerhalb einer Kommunikationssituation, die während und nach der Rezeption eines Mediums stattfand, miteinander kohärent sind. Anhand der Aussageninhalte wurde obendrein versucht die Wahrnehmung des Rezipienten während und nach der Aufnahme des Mediums zu erforschen. Infolgedessen wurde auch der Wirkung des Mediums Film und dessen Leistung nachgegangen. Da insbesondere die letztgenannten Untersuchungsansätze auf den Aussageninhalten basierten, war eine Hinzuziehung qualitativ inhaltsanalytischer Verfahren unerlässlich.

Um verallgemeinerte Aussagen anhand der erbrachten Analyseergebnisse treffen zu können, musste induktiv vorgegangen werden. Dafür musste zunächst der Untersuchungscorpus bestimmt werden. Anschließend wurde die gesamte Kommunikation auf ihre Kohärenz untersucht. Letztlich wurden die Ergebnisse dieser Kohärenzzuweisung unter verschiedenen Gesichtspunkten analysiert. In der vorliegenden Arbeit sind alle Untersuchungsergebnisse nochmals in einer abschließenden Betrachtung zusammengefasst worden.

B. Die quantitative Kohärenzanalyse

1. Bestimmung des Untersuchungscorpus’

Untersuchungsgegenstand war, wie oben angedeutet, eine Gruppendiskussion innerhalb des Einführungsseminars. Die Gruppendiskussion fand in der ersten Veranstaltungssitzung im Seminarraum statt und wurde während und nach der Rezeption ausgewählter Szenen aus dem Film Funny Games geführt. In dieser ersten Veranstaltungssitzung fehlte ein Seminarteilnehmer.[1] Den Anwesenden wurden die fünf bedeutendsten Filmsequenzen aus Funny Games vorgeführt. Um die Diskussion anzuregen, stellte der Seminarleiter den Teilnehmern nach jeder gezeigten Szene gezielte Fragen und Aufgaben:

Nach der ersten Szene: Welche inhaltlichen bzw. thematischen Erwartungen stellen Sie an den Film? In welches Genre würden Sie den Film einordnen?

Nach der zweiten, dritten und vierten Szene: Inwieweit passt die gezeigte Szene mit Ihren Erwartungen zusammen? Wie wird der Film vermutlich weiterlaufen? Nach der fünften Szene: Hat der Filmverlauf mit Ihren Vorstellungen übereingestimmt? Geben Sie bitte ein finales Statement ab!

Durch die gezielten Frageund Aufgabenstellungen des Seminarleiters, entstand ein strukturiertes Gespräch, bei dem die Teilnehmer frei antworten konnten. Zur Schaffung eines Analysecorpus wurde die Gruppendiskussion mit einer digitalen Videokamera aufgezeichnet. Für die wissenschaftliche Untersuchung dieses Gesprächs musste zunächst eine objektive Grundlage geschaffen werden. Aus diesem Grund wurde die Aufnahme auf dem Computer transkribiert.

1. 1. Transkription

Der entscheidende Vorteil eines Transkripts ist, dass es sich leicht lesen lässt und der Inhalt somit schneller verstanden werden kann. Zudem erfassen Transkripte spezielle linguistische Phänomene, wie Lautstärke oder Gestik.[2] Beide Aspekte sind für die Medienrezeption von maßgeblicher Bedeutung, weil sie einerseits ein schnelles Verständnis des Inhalts gewährleisten und andererseits die emotionale und kognitive Wahrnehmung der Studenten bei der Rezeption des Mediums wiedergeben.

Infolgedessen teilte der Seminarleiter die aufgezeichnete Gruppendiskussion in mehrere kurze Sequenzen ein, sodass jeder Seminarteilnehmer eine bestimmte Zeitspanne der Aufnahme transkribieren musste. Um jedoch eine objektive Arbeitsgrundlage für die Analyse zu schaffen, bedarf es einiger Transkriptionsregeln. Aus diesem Grund wurden mehrere Transkriptionsregeln nach Brinker und Sager berücksichtigt.[3] Dementsprechend wurden alle verbalen und paraverbalen Äußerungen nach der modifizierten orthographischen Transkriptionsform digital festgehalten. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es die relevanten Abweichungen der individuell gesprochenen Sprache wie Dialektismen und Zusammenziehungen von Wörtern erfasst und in Standardorthographie wiedergibt. Unter verbalen Äußerungen versteht Mergenthaler „alle ganz oder teilweise ausgesprochenen Wörter und Wortfolgen“.[4] Paraverbale Äußerungen hingegen sind Lautproduktionen wie z. B. „silbisch strukturierte Artikulationen“ (z.B. hmm) oder „sichtsilbisch strukturierte Expressionen“ (z.B. lachen).[5] Im Transkript wurden die paraverbalen Äußerungen in Gleichheitszeichen eingeschlossen. Zudem sollten alle Denkbzw. Sprachpausen berücksichtigt werden. Abhängig von der Dauer der Pause, wurden sie mit einem oder mehreren Pluszeichen (+) verdeutlicht. Dementsprechend wurden kurze Pausen von ca. einer Sekunde mit einem Pluszeichen markiert, mittellange Pausen von ca. zwei Sekunden mit zwei Pluszeichen, lange Pausen von ca. drei Sekunden mit drei Pluszeichen etc. Daneben sollten auch Emphasen und paralleles Sprechen gekennzeichnet werden. Emphasen, also betonte sprachliche Ausdrücke, wurden durch Unterstreichen des hervorgehobenen Wortes bzw. Wörter verdeutlicht. Redeten zwei oder mehrere Sprecher gleichzeitig wurde dieser Umstand durch senkrechte Striche (//) vermerkt.

Folgender Transkriptionsausschnitt soll einige angeführte Transkriptionsregeln verdeutlichen:

Ähm + ja + also ich könnte mir jetzt auch ganz gut vorstellen, dass die Familie vielleicht den Spieß noch mal umdreht weil + sie müssen ja auch = allgemeines Lachen= ++ also + nein + sie müssen ja auch irgendwie in der Hand haben, = Husten eines anderen= also sie müssen ja irgendwas wissen oder haben weshalb die beiden da nun auf die fixiert sind, warum sie die da nun als Geiseln nehmen, das machen die ja nicht so zum + na ok, vielleicht machen Sie es schon zum Spaß.

1. 2. Paraphrasierung

Um eine Kommunikationssituation auf ihre Kohärenz analysieren zu können, müssen des Weiteren Analyseeinheiten bestimmt werden. Die festgelegten Analyseeinheiten werden anschließend miteinander verglichen.

Um diese Basis zu schaffen, wurde der transkribierte Text als nächstes paraphrasiert. Folglich wurden die einzelnen Aussagen aus dem Transkript auf den Sinn bzw. den Inhalt beschränkt reduziert und in eine einheitliche (objektive) Sprache umgeschrieben. Somit wurden einzelne Sätze zu Einzelaussagen zusammengefasst und durch eckige Klammern ([]) gekennzeichnet. Dabei wurden nichts aussagende Textbestandteile wie Sprechpausen oder paraverbale Äußerungen fallengelassen. Berücksichtigt und beibehalten wurden jedoch Einwürfe und freie Kommentare, die in keinem erkennbaren Sinnzusammenhang zum gegenwärtigen Gesprächsthema bzw. zur vorher geäußerten Aussage standen. Durch deren Beibehaltung sollte herausgefunden werden ob eine Kohärenz zwischen Aussagen besteht bzw. erkannt wird, wenn sie sich nicht direkt aufeinander beziehen.

Den genannten Maßstäben entsprechend wurde das obige Transkriptionsbeispiel folgendermaßen paraphrasiert:

[Ich könnte mir vorstellen, dass die Familie den Spieß umdreht.]

[Sie müssen etwas über die Täter wissen oder sie in der Hand haben weshalb die beiden auf die fixiert sind, warum sie die Familie nun als Geiseln nehmen, das machen die ja nicht, oder vielleicht gerade, zum Spaß.]

Durch die Paraphrasierung der Einzelaussagen ergaben sich 244 Analyseeinheiten, die im Folgenden von sieben Codierern auf ihre Kohärenz untersucht werden sollten. Das hätte bedeutet, dass jeder Codierer, bei einer Bearbeitungszeit von einer Sekunde pro Analyseeinheit, über sechzehn Stunden mit dem Vergleich beschäftigt gewesen wäre. Da für die Bearbeitungszeit aber nur ca. zehn Stunden vorgesehen war, mussten die Analyseeinheiten reduziert werden. Infolgedessen wurden die einzelnen Aussagen weiter verallgemeinert. Das Abstraktionsniveau wurde also höher gesetzt. In mehreren kleinen Abstraktionsschritten wurden somit die ursprünglich festgelegten 244 Aussagen auf 127 Analyseeinheiten zusammengefasst. Aus den beiden angeführten Analyseeinheiten entstand folglich eine verallgemeinerte Aussage:

[Die Familie dreht den Spieß um. Sie müssen etwas über die Täter wissen oder in der Hand haben. Sie nehmen die Familie ja nicht oder gerade zum Spaß als Geisel.]

2. Kohärenzbestimmung

Die Kohärenzanalyse zwischen den einzelnen Aussagen erfolgte über eine speziell entwickelte Software namens Sense Frame.[6] Dieses Programm ermöglicht die tabellarische Darstellung von kohärenten bzw. nicht kohärenten Aussagen. Die Analyseeinheiten müssen dafür zunächst in die Spalten und in die Zeilen eingetragen werden. Deren Kohärenzbestimmung geschieht anschließend manuell durch den Codierer. Er muss jede Aussage aus den Zeilen mit jeder Aussage aus den Spalten (oder umgekehrt) vergleichen. Erkennt der Codierer einen Zusammenhang zwischen zwei Aussagen, so markiert er den Vergleich mit einer ‚1’. Eine fehlende Kohärenz wird mit ‚0’ gekennzeichnet.

Da der Vergleich von 127 Analyseeinheiten miteinander für einen Codierer zu aufwändig gewesen wäre, wurden sie unter sieben Seminarteilnehmern aufgeteilt. Demnach hatte jeder Codierer ca. 18 Aussagen mit der Gesamtmenge von 127 Aussagen zu vergleichen. Die 18 codiererspezifischen Einheiten wurden in die Zeilen, die insgesamt 127 Analyseeinheiten wurden in die Spalten eingetragen. Die dem Codierer zugeordneten Analyseeinheiten aus den Zeilen wurden also mit der Gesamtmenge der Aussagen aus den Spalten verglichen. Die Bestimmung der Kohärenz sollte zudem intuitiv verlaufen. Dementsprechend sollte die Markierung von kohärenten bzw. nicht kohärenten Aussagen der spontanen Eingebung folgen. Die folgende Abbildung soll das Verfahren der Kohärenzermittlung mit dem Programm Sense Frame verdeutlichen:[7]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Programm Sense Frame mit eingetragenen Analyseeinheiten und Kohärenzbestimmungen.

Nachdem die Kohärenz bzw. die fehlende Kohärenz zwischen den einzelnen Aussagen bestimmt wurde, übertrug der Seminarleiter die Aussagen zusammen mit den erbrachten Ergebnissen in eine Exceltabelle. Die Übertragung in die Exceltabelle ermöglichte eine graphische Darstellung der Kohärenzzuweisungen und sollte die anschließende Auswertung der Ergebnisse erleichtern. Zur Hervorhebung der Ergebnisse kennzeichneten die Codierer die Kohärenzbestimmungen farbig. Die erkannten Zusammenhänge wurden dabei gelb, die nicht erkannten Zusammenhänge rot markiert.

Folgende Abbildung zeigt die Exceltabelle mit den übertragenen Aussagen und den farbig gekennzeichneten Ergebnissen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Die verkleinerte und farbig markierte graphische Darstellung der Ergebnisse nach der Kohärenzzuweisung.

3. Auswertung der Ergebnisse

Nach der Übertragung der Aussagen und der Kohärenzzuweisungen in die Exceltabelle erfolgte die Auswertung der Ergebnisse. Da in der vorliegenden Untersuchung jede Aussage mit jeder Aussage, also 124 * 124, verglichen wurde, wäre anzunehmen gewesen, dass die graphische Struktur eine sog. Dreiecksmatrix aufweist.[8] Eine Dreiecksmatrix ist eine quadratische Matrix, die die Werteverteilung entlang der Hauptdiagonale aufteilt.[9] Sie zeichnet sich also in erster Linie dadurch aus, dass die Hauptdiagonale unmittelbar erkennbar ist. Die Hauptdiagonaleinträge zeigen die Vergleiche zweier identischer Aussagen. Aufgrund ihrer Eindeutigkeit hätten diese Aussagen als kohärent eingestuft werden müssen, also mit ‚1’ gekennzeichnet. Dieses Ergebnis zeigt die obige Darstellung jedoch nicht an. Die Hauptdiagonale ist lückenhaft und verliert dadurch an Aussagekraft.

Die lückenhafte Hauptdiagonale ist auf das Arbeitsverhalten der Codierer zurückzuführen. Ein Grund für die nicht korrekte Kohärenzerkennung zwischen zwei identischen Aussagen könnte darin bestehen, dass die Codierer die gesamte Vorgehensweise der Kohärenzbestimmung falsch verstanden haben. Wäre das der Fall, so kann die ganze Kohärenzzuweisung als nichtig erachtet werden. Daneben könnte es sein, dass jene Codierer, bei denen die Hauptdiagonale unvollständig ist, eine offensichtliche Übereinstimmung zweier identischer Aussagen nicht zusätzlich markiert haben.[10]

Die objektiv nicht korrekte Kohärenzerkennung könnte aber auch damit begründet werden, dass die Analyseeinheiten zu groß und zu interpretationsstark waren und den Codierern daher zu viel Raum für die Kohärenzbestimmung gelassen haben. Zudem ließ die Anweisung, die Kohärenzen der spontanen Eingebung folgend zu markieren, den Codierern viel Spielraum für die Interpretation. Dementsprechend schien jeder Codierer seine eigenen Kriterien für die Kohärenzzuweisung entwickelt zu haben. Manche sahen womöglich einen Zusammenhang zwischen zwei Aussagen aufgrund eines Schlagwortes. Andere interpretierten den Aussageninhalt nach ihrem eigenen Ermessen und können dementsprechend Kohärenzen erkannt haben, wo andere keine sahen.

4. Analyseansätze

Zur Analyse der Kohärenzzusammenhänge wurde der Corpus weiter gekürzt. Aussagen, denen übereinstimmend ein geringer Wert zugesprochen wurde, wurden aus der Exceltabelle entfernt. Bei den beseitigten Aussagen handelte es sich überwiegend um freie Kommentare wie z. B. „Gut!“, „Genau!“ oder „Nein! Nein!“. Demnach beschränkte sich die Interpretation der erkannten Kohärenzen auf nur 108 Aussagen.

Anhand der Exceltabelle ließen sich mehrere Ansätze finden, die den Zusammenhang bzw. fehlenden Zusammenhang zwischen den einzelnen Aussagen und damit der gesamten Gruppendiskussion erklären sollten.

4. 1. Summenbetrachtung der Kohärenzen in den Horizontalen

Bei einer Horizontale handelt es sich um eine Zeile, in der eine Aussage mit der Gesamtmenge der Aussagen von 127 von einem Codierer verglichen wird. Die 127 Aussagen in den Zeilen wurden unter sieben Codierern aufgeteilt. Somit gibt die Horizontale darüber Auskunft, wie häufig der jeweilige Codierer einen Zusammenhang zwischen der ihm zugeordneten Aussage mit allen anderen Aussagen erkennt. Da, wie oben erwähnt, die Kohärenzzuweisung bei jedem Codierer anders ausfiel, muss die Individualität der Codierer hervorgehoben werden. So hat ein Codierer 55 Mal eine Kohärenz zwischen folgender Aussage und allen Analyseeinheiten erkannt:

Die Endlosschleife war unerwartet. Das gleiche Spiel startet wieder.

Im Gegensatz zu der individuellen Kohärenzzuweisung, haben alle anderen Codierer nur insgesamt 14 Mal einen Zusammenhang gesehen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kohärenzsummen der jeweiligen Codierer sind demnach sehr groß. Erkennbar macht sich das auch bei der Betrachtung der durchschnittlichen Kohärenzzuweisungen der einzelnen Codierer. Wie oben vermerkt, hatte Codierer 3 am wenigsten Kohärenzen erkannt (durchschnittlich 16 pro Zeile). Codierer 4 hingegen hatte die meisten Zusammenhänge zwischen den Aussagen gesehen (durchschnittlich 39 pro Zeile). Bei derartigen Unstimmigkeiten verliert die Summenbetrachtung der Kohärenzen in den Horizontalen jedoch an induktiver Aussagekraft, weil der Interpretationsrahmen zu groß ist. Der Vollständigkeit halber wird das Ergebnis dieser Summenbetrachtung dennoch vorgestellt.

Bei der Betrachtung der Kohärenzzuweisungen aller Codierer pro Zeile stellte sich heraus, dass von 127 zu vergleichenden Aussagen durchschnittlich nur 24 als kohärent eingestuft wurden. Das bedeutet, dass nur 19% der gesamten Kommunikation, also der Gruppendiskussion, zusammenhängend war. Mehr als 4/5 der Aussagen haben demnach nichts miteinander gemeinsam. Daraus würde folgen, dass während der gesamten Kommunikation zusammenhangslos gesprochen wurde. Jeder Sprecher hätte dann an dem anderen Redner vorbei gesprochen, wobei das gesagte nichts mit dem zuvor geäußerten zu tun hatte.

Eine mögliche Erklärung für die prozentuale Inkohärenz könnte sein, dass das Gespräch durch die Fragenund Aufgabenstellungen des Seminarleiters strukturiert war. Demnach könnte das ‚aneinander vorbei Sprechen’ der Redner darin begründet sein, dass sich die einzelnen Aussagen nicht direkt auf das zuvor gesagte beziehen, sondern auf die Ausgangsfrage des Seminarleiters. Um diese Möglichkeit zu ergründen, wurden die im Vorfeld fallen gelassenen Kommentare wie „Ja!“, „Nein!“ oder „Genau“ der prozentualen Betrachtung hinzugezogen. Unter Einbeziehung dieser zuvor als unbedeutend erklärten Aussagen stellte sich heraus, dass deutlich mehr Zusammenhänge zwischen den einzelnen Aussagen erkannt wurden. Dadurch wurde klar, dass die freien Kommentare eine Verbindung zwischen zwei Sprechern und deren vermittelte Informationen herstellten, weil sie sich auf das zuvor Gesagte beziehen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Kommunikation wieder zusammenhängend und aufeinander aufbauend.

4. 2. Summenbetrachtung der Kohärenzen in den Vertikalen

[...]


[1] Für die anschließende Kohärenzbestimmung ist das Fehlen des Seminarteilnehmers belanglos, weil sich dieser die Filmsequenzen nachträglich angeschaut hat. Der Vollständigkeit halber wurde hier aber auf das Fehlen verwiesen.

[2] Vgl. Mergenthaler, Erhard: Die Transkription von Gesprächen. Eine Zusammenstellung von Regeln mit einem Beispieltranskript. http://www.jakob.uzh.ch/docs/Transkriptmergenth.pdf. S. IV. (17.02.2010).

[3] Das, vom Seminarleiter ausgehändigte, Blatt mit den Transkriptionsregeln nach Brinker und Sager, siehe im Anhang. S. V.

[4] Mergenthaler, Erhard: Die Transkription von Gesprächen. http://www.jakob.uzh.ch/docs/Transkriptmergenth.pdf. S. 1. (17.02.2010).

[5] Siehe Transkriptionsregeln nach Brinker und Sager. Anhang. S. IV.

[6] Die zwei Informatikstudenten, Marcel Buchardt und Christian Henning, entwickelten eigens für das Institut für sprachliche Kommunikation und Kommunikationsstörungen der Universität Rostock das Programm Sense Frame, mit dem die Kohärenz von Aussagen manuell ermittelt werden kann.

[7] Ein Segment ist hier gleichbedeutend mit einer Analyseeinheit. Die eingetragenen Zahlen ‚1’ und ‚0’ sollen die Kohärenzzuweisungen verdeutlichen.

[8] Beispiel für eine Dreiecksmatrix mit Erläuterung, siehe Anhang V.

[9]Die obige graphische Darstellung ist für die Interpretation etwas unvorteilhaft, da sie eigentlich quadratisch sein sollte. Aufgrund der großen Analysemenge war aber keine andere Darstellung möglich.

[10] Für die weitere Analyse ist unbedingt auf das Arbeitsverhalten der Codierer zu verweisen, weil es sein kann, dass dadurch die Ergebnisse verfälscht wurden. Andere quantitative Kohärenzuntersuchungen könnten demnach zu völlig anderen Ergebnissen gekommen sein.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Quantitative Kohärenzanalyse einer auf Medienrezeption basierenden Gruppendiskussion
Hochschule
Universität Rostock
Veranstaltung
Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Theoretische Grundlagen und Praxis der Kommunikation
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
21
Katalognummer
V423951
ISBN (eBook)
9783668694729
Dateigröße
764 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
quantitative, kohärenzanalyse, medienrezeption, gruppendiskussion
Arbeit zitieren
M.A. Florina Jurca (Autor:in), 2010, Quantitative Kohärenzanalyse einer auf Medienrezeption basierenden Gruppendiskussion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423951

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