(1) Du hast schon gegessen.(2) Du hast schon gegessen? (3) Du hast schon gegessen! (4) Du hast schon gegessen?! Anhand dieser Beispiele kann man deutlich erkennen, wie wesentlich die Interpunktion für die Bedeutung eines Satzes ist.
Während der „propositionale Gehalt“, der Sachverhalt einer sprachlichen Äußerung, aber auch die syntaktische Form gleich sind, verändert sich die Bedeutung des Gesagten. Der formale Sachverhalt, dass der Gegenüber bereits gegessen hat, wird im ersten Beispiel ohne weiterführende Absichten deutlich. Das zweite Beispiel dagegen stellt die Satzart Fragesatz bzw. Interrogativsatz dar und erwartet damit vom Gegenüber eine Antwort (mit Ausnahme der indirekten und rhetorischen Fragen), obwohl die Satzstellung auf einen Aussagesatz bzw. Deklarativsatz deutet. Typischerweise hat die Satzstellung eines Interrogativsatzes eigentlich eine Verberststellung zur Folge – in diesem Fall: „Hast du schon gegessen?“. Diese Fragestellung steht für die Unwissenheit des Sprechers. Im Gegensatz dazu ist das oben genannte Beispiel (2) eher eine Rückversicherung über das geglaubte Wissen, nämlich, dass der Gegenüber bereits gegessen hat. Zwar wird auch in diesem Fall eine Antwort erwartet, aber der Sprecher glaubt die Antwort bereits zu kennen. Ganz sicher kennt der Aussagende die Antwort im dritten Beispiel, denn das Ausrufezeichen stellt die Aufforderung dar, dass der Hörer aufhören soll zu essen, indem der Sprecher ihn mit Nachdruck daran erinnert, dass dieser bereits gegessen hat. Ein besonderer Fall zeigt sich im vierten Beispiel, indem ein Frage- und Ausrufezeichen kombiniert wird. Es repräsentiert den Assertionsfragesatz (Echofragesatz), da es ein Verbzweitsatz ist, in dem kein Fragewort auftaucht und man mit „das stimmt“ oder „das ist wahr“ antworten kann, gleichzeitig aber primär die kommunikative Funktion einer Entscheidungsfrage hat. Der Sprecher hat den Sachverhalt vermutlich gerade erst erfahren und drückt auf diese Weise seinen Unmut darüber aus, da er etwas anderes erwartet hat.
Offensichtlich verändern die Satzschlusszeichen den Inhalt und die Intention der Sätze. Auf welche Art und Weise dies geschieht und ob weitere Funktionen des Frage- und Ausrufezeichens auftreten, wird im Folgenden untersucht.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Graphetik und Graphotaktik
- 3 Funktionen der Frage- und Ausrufezeichens
- 3.1 Intention und epistemischer Modus
- 3.2 Illokution und Satzmodus
- 4 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit den Funktionen des Frage- und Ausrufezeichens in der deutschen Sprache. Sie analysiert, wie diese Interpunktionszeichen den Inhalt und die Intention von Sätzen verändern können und welche Rolle sie im Leseprozess spielen.
- Analyse der Funktionen von Frage- und Ausrufezeichen
- Bedeutung von Interpunktionszeichen für die Satzinterpretation
- Untersuchung der Rolle von Interpunktionszeichen im Leseprozess
- Graphetik und Graphotaktik als Grundlage für die Funktionsanalyse
- Verbindung von Interpunktionszeichen mit dem epistemischen Modus und der Illokution
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung
Dieses Kapitel führt mit Beispielsätzen die Bedeutung der Interpunktion für die Satzinterpretation ein. Es wird der „propositionale Gehalt“ eines Satzes von seiner Bedeutung durch Interpunktion abgegrenzt. Die spezifische Bedeutung von Frage- und Ausrufezeichen wird anhand der Beispiele veranschaulicht. - Kapitel 2: Graphetik und Graphotaktik
In diesem Kapitel werden die äußeren Formen von Interpunktionszeichen analysiert und die zugehörigen Begriffe des Leseprozesses, wie Scanning, Processing und Parsing, eingeführt. Es werden die Graphetik und Graphotaktik als Grundlage für die Funktionsanalyse der Interpunktion dargestellt. - Kapitel 3: Funktionen der Frage- und Ausrufezeichens
Dieses Kapitel beleuchtet die verschiedenen Funktionen des Frage- und Ausrufezeichens. Es werden die Intention des Sprechers und der epistemische Modus sowie die Illokution und der Satzmodus in Bezug auf die Interpunktionszeichen analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Funktionen von Frage- und Ausrufezeichen in der deutschen Sprache. Hierbei werden Konzepte wie Graphetik, Graphotaktik, Scanning, Processing, Parsing, epistemischer Modus, Illokution und Satzmodus analysiert.
- Quote paper
- Nina Steinmüller (Author), 2017, Funktion, Intention und Pragmatik des Ausrufe- und des Fragezeichens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423974